14 SPEZIAL: IT IN DER AUTOBRANCHE

29. Mai 2017 · Automobilwoche 12

„Ohne uns geht nichts“

Eine ganze Branche ist auf der Suche nach dem digitalen Königsweg: Noch nie wurde so viel Geld für Beratung und Implementierung von IT-Lösungen ausgegeben. Dabei ist nicht klar, ob der Weg der richtige ist. AGNES VOGT AUTOMOBILWOCHE, 29.5.2017

MÜNCHEN. Rupert Stadler will 2020 rund die Hälfte des Gesamtumsatzes von Audi mit IT-Diensten und digitalen Services machen. So klar hatte sich bis dato noch kein Hersteller-Chef zur tragenden Rolle der IT geäußert. Mehr als ein Jahr ist seit der Äußerung vergangen, und die ITDienstleister spüren bereits die Entwicklung. „Ohne uns geht nichts mehr“, sagen viele. Sie sind es, die Audi und auch alle anderen Hersteller flott machen müssen. Diese brauchen Hilfe auf dem Weg in die digitale Zukunft – und das macht sich eindeutig in den Umsatzzahlen der Top-25-IT-Dienstleister bemerkbar: 3,97 Milliarden Euro Inlandsumsatz machten sie 2016 mit der deutschen Autoindustrie – so viel wie noch nie. Kontinuierlich wachsen die Umsätze unter den Top-5-IT-Dienstleistern: Von 639,6 Millionen im Jahr 2010 auf aktuell 1,83 Milliarden Euro – das ist ein Plus von 186 Prozent, mit T-Systems wiederholt an der Spitze.

So viel Bedarf wie noch nie Die Branche ist auf der Suche und braucht dafür dringend Unterstützung, koste es, was es wolle. „Der Berater-Bedarf ist signifikant mehr geworden“, sagt Axel Schmidt, Geschäftsführer für den Bereich Automotive bei Accenture. Mitbewerber NTT Data Deutschland verzeichnete einen Umsatzsprung von fast 40 Prozent. „Alle Aufträge, die wir im vergangenen Jahr bekommen wollten, haben wir bekommen“, sagt Jens-Uwe Holz, Geschäftsführer von NTT Data Deutschland. Bedarf ist da – mehr noch: Die IT-Dienstleistungsfirmen wissen zum Teil nicht, wie sie die Nachfrage befriedigen sollen. Eine Lösung ist, sich zusammenzuschließen, wie es die PorscheTöchter Porsche Consulting und MHP jüngst getan haben (siehe Seite 18). So wollen sie externen Kunden „bei Projekten zur digitalen Transformation alles aus einer

DIE 25 GRÖSSTEN IT-DIENSTLEISTER IN DER DEUTSCHEN AUTOMOBILINDUSTRIE 2016 Im Ranking geführt werden Unternehmen, die mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit der Automobilindustrie mit Dienstleistungen in der IT-Beratung und mit IT-Services erzielen. Produktverkäufe sind in den Inlandsumsätzen nicht enthalten. Rang

Unternehmen

Inlandsumsatz mit Automobilindustrie in Mio. Euro 2016 2015

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

T-Systems International 1) IBM 1) 3) Hewlett Packard Enterprise 1) 3) 6) Computacenter 1) Accenture 1) MHP Management- und IT-Beratung NTT Data Deutschland 1) 2) 4) Infosys 1) 2) 7) Atos Deutschland 1) 2) 8) Capgemini Deutschland 1) 2) All for One Steeb 1) MSG Systems ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH 1) 2) Sulzer SVA System Vertrieb Alexander H & D International Group Wipro Technologies 2) MVI Solve-IT 5) Abat CGI 2) BT Germany Cenit BearingPoint 1) Datagroup 1) Allgeier 1) 2)

720,0 440,0 370,0 348,9 265,0 250,0 228,0 198,0 170,0 150,0 118,1 88,0 78,0 77,0 66,0 55,9 45,0 43,0 42,5 42,1 40,0 39,9 38,0 30,0 29,6

710,0 430,0 360,0 309,5 230,0 220,0 186,0 165,0 160,0 130,0 102,0 77,0 83,0 75,0 47,0 70,0 21,0 40,0 39,0 37,9 36,0 38,3 35,0 30,5 21,8

Globaler Umsatz mit Automobilindustrie in Mio. Euro 2016 2015 900,0 k. A. k. A. 353,7 k. A. k. A. 325,0 333,0 400,0 500,0 122,5 90,0 109,0 78,0 66,0 60,7 183,0 45,0 45,0 k. A. 200,0 43,5 68,0 k. A. 29,8

910,0 k. A. k. A. 309,5 k. A. k. A. 293,0 295,0 380,0 440,0 103,9 80,0 112,0 76,0 47,0 76,4 167,0 45,0 40,5 k. A. 210,0 40,5 67,0 30,5 22,2

1) Umsätze ganz oder teilweise geschätzt 2) Werte 2015 teilweise aktualisiert 3) nur Service-Umsätze 4) inkl. Itelligence 5) Teil der MVI Group 6) im April 2017 Zusammenschluss von HPE Services und CSC zu DXC Technology 7) Umsatz bezieht sich auf den Bereich Hightech, Manufacturing, Industry 8) inkl. Science & Computing Quelle: Unternehmen, eigene Schätzungen © Automobilwoche

Hand“ anbieten, begründet Porsche den Schritt. Komplettlösungen, auf die sich die Porsche-Firmen fokussieren, sind eins von vielen Produkten, die von Automobilherstellern und Zulieferern angefragt werden. „Neben solchen End-to-End-Lösungen, bei denen Kunden Beratung, Software-Entwicklung und Implementierung aus einer Hand nachfragen, werden auch Speziallösungen für komplexe Software-Prozesse angefragt“, erläutert Mario Zillmann vom IT-Marktforschungsinstitut Lünendonk die Produktpalette der IT-Dienstleister. Der Grund ist simpel: Die ITBaustellen in der Autoindustrie sind riesig. „Egal, in welchen Bereich man schaut: Überall entstehen digitale Plattformen“, sagt

Zillmann. Beispiele dafür gibt es zuhauf: die Telematik-Plattform Rio des VW-Konzerns, mit der

eine einheitliche Schnittstelle für komplette Logistikprozesse im Nutzfahrzeugsegment geschaf-

DAS GESCHÄFT DER TOP 5 WÄCHST Umsätze der 25 größten IT-Dienstleister in der deutschen Automobilindustrie in Millionen Euro IT- Dienstleister Rang 6–25 Top 5 der IT-Dienstleister

2.881,6 2.188,0

3.205,0 2.373,0

639,6

832,0

2010

2011

3.098,0

3.760,1 2.507,0

3.259,2 1.977,1

2.006,0

1.092,0

1.253,1

1.282,1

2012

2013

2014

Quelle: Unternehmen, eigene Schätzungen

3.519,5 2.039,5

1.480,0

2015

3.972,8 2.143,9

1.828,9

2016

© Automobilwoche

fen werden soll. Die Plattform für autonomes Fahren von BMW mit Delphi, Intel und Mobileye. Die Registrierungs-, Identitäts- und Datenplattform, der sich unter anderem Daimler und die Allianz angeschlossen haben. „Aus der Industrie kommt ein klares Signal: Sie ist auf der Suche nach dem Umsatzbringer der Zukunft, dabei hat sie eigentlich keine Zeit dafür“, sagt Zillmann. „Denn es gilt: Wer als Erster seine Plattform zum Fliegen bringt, hat den entscheidenden Wettbewerbsvorteil, den man in der Branche braucht, um stagnierende Märkte mit digitalen Produkten auszugleichen.“ Mehr dazu lesen Sie unter automobilwoche.de/12-17-141