Nicht ohne uns. Die Amerikaner ziehen sich zurück - deshalb muss ...

11.04.2013 - Die Amerikaner ziehen sich zurück – deshalb muss Deutschland in der Nato Führung übernehmen. Markus Kaim,Claudia Major.
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A54402920

Donnerstag 11.04.2013

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Autor(en):

16

11

*Claudia Major*, *Markus Kaim*

Quelle:  Die Zeit © Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG

Nicht ohne uns Die Amerikaner ziehen sich zurück – deshalb muss Deutschland in der Nato Führung übernehmen Markus Kaim,Claudia Major VON MARKUS KAIM UND CLAUDIA MAJOR Vor drei Wochen hat die ZEIT der Bundesregierung eine sicherheitspolitische »Nicht-Politik« und eine »Rückabwicklung der deutschen Verantwortungsbereitschaft« vorgeworfen (Wir tun doch nix, ZEIT Nr. 13/13). Über einige Kritikpunkte, die der Artikel aufwirft, mag man streiten. Kaum zu bestreiten ist jedoch, dass Deutschland ein Maß an sicherheitspolitischer Verantwortung zugewachsen ist wie nie zuvor, mit dem es wenig anzufangen weiß. Das gilt vor allem für die deutsche Rolle innerhalb der Nato. Zwar weiß die Bundesregierung, dass das westliche Bündnis vor grundlegenden Veränderungen steht, und sie betont, wie wichtig ihr eine handlungsfähige Nato sei. Konsequenzen zieht Deutschland jedoch nicht. Gerade in der Bündnispolitik müsste Deutschland konkrete Schritte unternehmen, um die kritisierte »Nicht-Politik« zu überwinden. Wenn die Nato 2014 ihren Kampfeinsatz in Afghanistan beendet, wird sie sich vor Herausforderungen gestellt sehen, die sich während des Einsatzes am Hindukusch noch verdrängen ließen. Es geht um existenzielle Fragen für das Bündnis. Erstens verschiebt die US-Regierung ihre politischen Prioritäten nach Asien. Amerika will seine Führungsrolle in der Nato reduzieren und erwartet, dass die Europäer mehr Verantwortung für ihren Kontinent übernehmen. Anstatt diese vernünftige Forderung zu erfüllen, beschränken sich viele europäische Regierungen auf Klagelieder. Wie sollen sie bloß ohne US-Unterstützung zurechtkommen? Dieses Jammern ist zwar nachvollziehbar, weil etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, neun von zehn Militäraktionen im Libyenkrieg 2011 nur mit US-Unterstützung möglich waren. Das Lamentieren aber bringt Europa nicht weiter. Zweitens kürzen fast alle Nato-Staaten infolge der Schuldenkrise ihre Verteidigungshaushalte, zum Teil um bis zu 30 Prozent. Sie bauen Ausrüstung und Personal ab, verschieben Modernisierungen und setzen Beschaffungen aus. Langfristig läuft das auf eine Demilitarisierung der Allianz hinaus. Drittens verfolgen fast alle Nato-Staaten diese Entwicklungen mit einer gewissen Gleichgültigkeit. Den Abbau ihrer Armeen begleiten sie nicht mit substanziellen Konzepten, wie diese in Zukunft auch mit weniger Kapazitäten schlagkräftig bleiben könnten. Zwar haben sie im Rahmen der Smart-DefenceInitiative vereinbart, besser zusammenzuarbeiten, um Kosten zu sparen, etwa durch die gemeinsame Anschaffung und Nutzung von Waffensystemen. Ergebnisse fehlen aber bislang. Wenn die europäischen Nato-Länder weiterhin so kurzsichtig und gleichgültig bleiben, wird die Allianz nicht nur an militärischer Handlungsfähigkeit verlieren, sondern auch an innerem Zusammenhalt und politischer Glaubwürdigkeit. Das wäre besonders für Deutschland dramatisch. Die Bundesrepublik braucht die Nato als Plattform für ihre Sicherheitspolitik. Es gibt keine seriöse Alternative zu ihr. Die Europäische Union kann keine Landesverteidigung gewährleisten und verfügt nur über begrenzte militärische Führungsfähigkeit. Berlin hat also ein klares Interesse daran, den Wandlungsprozess der Nato zu gestalten, statt ihn lediglich über sich ergehen zu lassen. Wie aber könnte eine solche Wandlung aussehen? Wir finden, die Bundesregierung sollte drei konkrete Ziele verfolgen: 1. Ein europäisches Führungstrio bilden. Berlin sollte zusammen mit den militärischen und politischen Schwergewichten Paris und London das politische Führungsvakuum füllen, das die USA zu Gemäß §1 Abschn. 3 des Bundesdatenschutzgesetzes vom 21.1.1977 werden personenbezogene Daten ausschließlich für publizistische Zwecke gespeichert und herausgegeben.

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A54402920

Donnerstag 11.04.2013

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*Claudia Major*, *Markus Kaim*

Quelle:  Die Zeit © Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG

hinterlassen drohen. Es gilt, auf die Entamerikanisierung der Nato mit einer aktiven Europäisierung zu antworten. Das klingt in Anbetracht der von der ZEIT konstatierten deutschen »Nicht-Politik« unwahrscheinlich. Aber angesichts seiner wirtschaftlichen und politischen Stärke kann sich Berlin der Verantwortung für die internationale Ordnung nicht mehr entziehen, auch weil die Partner im Zuge der Schuldenkrise immer lauter nach deutscher Führung auch in der Sicherheitspolitik rufen. Hinzu kommt, dass ohne deutsche Beteiligung Nato-Operationen kaum mehr möglich sein werden, wenn sich die USA tatsächlich weiter aus der Allianz zurückziehen. Will Berlin also tatsächlich mehr internationale Verantwortung, wie häufig bekundet, sollte es sich als europäische Ko-Führungsmacht aufstellen. Konkret könnte das bedeuten, im kommenden Jahr einen deutschen Kandidaten für die Nachfolge des Nato-Generalsekretärs aufzustellen. 2. Prioritäten setzen. Natürlich bleibt die Bündnisverteidigung der rhetorische Kitt der Allianz. Angesichts der Weltlage kann dies aber kaum mehr ihre Hauptbestimmung sein. Stattdessen sollte Berlin darauf dringen, dass sich die Nato auf Krisenmanagement im Auftrag der Vereinten Nationen konzentriert, und zwar mit einem Schwerpunkt auf die europäische Nachbarschaft. Einsätze nach Art der KFOR-Mission im Kosovo werden künftig die Europäer allein übernehmen müssen. Und Konflikte wie die in Libyen oder Syrien zeigen, dass die europäische Peripherie auch zukünftig von Krisen geprägt sein wird, die militärisches Handeln erfordern können. Anstatt also wie in der Vergangenheit die Idee einer globalen Nato zu verfolgen, die Partner aus der ganzen Welt einbindet und weltweit interveniert, sollte sich die Allianz auf Europa und seine engere Nachbarschaft konzentrieren. Zudem sollte Deutschland dafür sorgen, dass sich die Nato auf Einsätze ohne oder mit nur geringer USBeteiligung vorbereitet. 3. Militärische Fähigkeiten bewahren. Die bislang bekannten Vorschläge europäischer Bündnispartner, sich auf bestimmte militärische Fähigkeiten zu spezialisieren, um Kosten zu reduzieren, lösen keine wirklichen Synergien aus. Der Grund dafür ist, dass die Staaten den Preis echter Zusammenarbeit scheuen: den Verlust nationaler Souveränität. Wer aber sicherheitspolitisch handlungsfähig sein und dabei noch sparen will, muss sich in bewusste Abhängigkeiten begeben, sei es bei der Luftraumüberwachung oder bei der Truppenlogistik. Größere europäische Länder werden vielleicht auch in Zukunft allein handlungsfähig bleiben. Kleinere Nachbarn aber werden nur dann zu »kluger Abrüstung« bereit sein, wenn sie auf Deutschland als Anlehnungspartner vertrauen können. Die Niederlande etwa haben ihre Panzertruppe komplett aufgelöst und wollen sich insoweit auf die Bundeswehr verlassen, die noch mit schwerem Gerät ausgestattet ist. Solche Beispiele einer staatenübergreifenden Arbeitsteilung können Schule machen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass auf deutsches Engagement in Schlüsselbereichen, etwa Führungsfähigkeit, Verlass ist. Unter den geschwächten Armeen Europas gehört die Bundeswehr noch zu den stärkeren: Der deutsche Verteidigungshaushalt 2013 übersteigt den des Vorjahrs um 4,3 Prozent. Als Rahmennation aber, wie in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2011 formuliert, sollte Deutschland kleineren Partnern künftig mehr praktische Möglichkeiten zur Zusammenarbeit bieten, damit diese die verbleibenden Teilbereiche ihrer Armeen flexibel an die Bundeswehr ankoppeln können. Deutschland, kurzum, hat es in der Hand, ob der Nato ihre wichtigste Stärke erhalten bleibt: die Fähigkeit, gemeinsam in den Einsatz zu gehen. *** Claudia Major und Markus Kaim sind Experten für Sicherheitspolitik bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ***

Gemäß §1 Abschn. 3 des Bundesdatenschutzgesetzes vom 21.1.1977 werden personenbezogene Daten ausschließlich für publizistische Zwecke gespeichert und herausgegeben.