Nachhaltige Kommunalpolitik ist möglich

Selbstverpflichtung zum nachhaltigen Publizieren. Nicht nur publizistisch, sondern auch als Unternehmen setzt sich der oekom verlag konsequent für ...
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Johannes Meyer

Nachhaltige Kommunalpolitik ist möglich Zur Durchsetzung einer nachhaltigen Stadt- und Verkehrsplanung

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Selbstverpflichtung zum nachhaltigen Publizieren Nicht nur publizistisch, sondern auch als Unternehmen setzt sich der oekom verlag konsequent für Nachhaltigkeit ein. Bei Ausstattung und Produktion der Publikationen orientieren wir uns an höchsten ökologischen Kriterien. Dieses Buch wurde auf 100 % Recyclingpapier, zertifiziert mit dem FSC®-Siegel und dem Blauen Engel (RAL-UZ 14), gedruckt. Auch für den Karton des Umschlags wurde ein Papier aus 100 % Recyclingmaterial, das FSC® ausgezeichnet ist, gewählt. Alle durch diese Publikation verursachten CO2-Emissionen werden durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt kompensiert. Die Mehrkosten hierfür trägt der Verlag. Mehr Informationen finden Sie unter: http://www.oekom.de/allgemeine-verlagsinformationen/nachhaltiger-verlag.html Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2017 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH, Waltherstraße 29, 80337 München Layout und Satz: Reihs Satzstudio, Lohmar Korrektorat: Maike Specht, München Umschlagentwurf: Elisabeth Fürnstein, oekom verlag Umschlagabbildung: © gold36 – Fotolia.com Druck: Bosch-Druck GmbH, Ergolding Dieses Buch wurde auf 100-prozentigem Recyclingpapier gedruckt. Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-96006-002-4 E-ISBN 978-3-96006-210-3

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Inhalt Einleitung 

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A DER ORDNUNGSPOLITISCHE WEG 

. . . . . . . . . . . . 19

1 Das Planungsrecht 

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.1 Die Vorgeschichte des Planungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.1.1 Moderne Städte / 1.1.2 Gartenstädte / 1.1.3 Das Leitbild der gegliederten, aufgelockerten Stadt

1.2 Die Entstehung des Planungsrechts 

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.2.1 Das Bundesbaugesetz / 1.2.2 Die Baunutzungsverordnung / 1.2.3 Das Leitbild der verdichteten, nutzungsgemischten Stadt

1.3 Die Ausdehnung der Bebauung 

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  34 1.3.1 Der Vorrang der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung / 1.3.2 Das Baugesetzbuch

1.4 Die Entmischung der Nutzungen 

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1.4.1 Die Gliederung der Stadt in Versorgungsbereiche / 1.4.2 Änderungen des Planungsrechts

1.5 Die Zunahme des Individualverkehrs  . . . . . . . . . . . . . . . . .  44 1.5.1 Allgemeines / 1.5.2 Die Bildung verkehrsberuhigter Bereiche

2 Die Bauleitplanung 

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

2.1 Vorarbeiten zur Bauleitplanung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.1.1 Die Stadtentwicklungsplanung / 2.1.2 Städtebauliche Planungen

2.2 Das Verfahren der Planaufstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.2.1 Die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange / 2.2.2 Die Bürgerbeteiligung

2.3 Politik in der Bauleitplanung 

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  65 2.3.1 Allgemeines / 2.3.2 Korruption in der Bauleitplanung

2.4 Rechtsmittel gegen Bauleitpläne  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.4.1 Rechtsmittel für anerkannte Umweltverbände / 2.4.2 Rechtsmittel auch für Einzelpersonen

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B DER MARKTWIRTSCHAFTLICHE WEG  3 Abgaben für Umweltbelastungen 

. . . . . . . . . . 79

. . . . . . . . . . . . . . .  81

3.1 Allgemeines 

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.1.1 Das Verursacherprinzip / 3.1.2 Umweltfonds und Unfallversicherungen

3.2 Müllgebühren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  86 3.2.1 Allgemeines / 3.2.2 Sondermüll und Altlasten

3.3 Wasserkosten und Abwassergebühren 

. . . . . . . . . . . . . . . .  92 3.3.1 Wasserkosten / 3.3.2 Abwassergebühren / 3.3.3 Gesplittete Abwassergebühren

3.4 Kohlendioxid- und Energieabgaben 

. . . . . . . . . . . . . . . . . .  98 3.4.1 Energiesteuern im Hochbau / 3.4.2 Kraftstoffsteuern im Verkehr / 3.4.3 Der CO2-Emissionsrechtehandel

4 Abgaben für Naturbelastungen 

. . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.1 Grundsteuer B  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.1.1 Allgemeines / 4.1.2 Änderungsvorschlag für Grundsteuer B

4.2 Grundstückswert und Stadtplanung 

. . . . . . . . . . . . . . . . . .113 4.2.1 Baugrundstücke / 4.2.2 Grundstücke für öffentliche Zwecke

4.3 Weitere Vorteile für Grundeigentümer  . . . . . . . . . . . . . . . . .119 4.3.1 Steuervorteile / 4.3.2 Subventionen / 4.3.3 Exkurs: Abgaben für Autofahrer

4.4 Grundsteuer A, Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .125 4.4.1 Allgemeines / 4.4.2 Änderungsvorschlag für Grundsteuer A / 4.4.3 Ergebnis

Register 

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .135

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei einigen Textstellen auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.

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Einleitung Die Weltbevölkerung wächst unaufhaltsam. Heute leben bereits über sieben Milliarden Menschen auf der Erde, und mindestens neun Milliarden werden es schon in wenigen Jahren sein. Sie verbrauchen oder zerstören die begrenzten globalen Ressourcen an Rohstoffen, Wasser, Energie und Naturflächen immer schneller. Zugleich steigt die Belastung von Boden, Gewässern und Luft durch Abfälle, Abwässer und Emissionen unablässig. Längst sind die Grenzen der Belastbarkeit unseres Planeten erreicht oder bereits überschritten. Vor allem der Verbrauch von Naturflächen durch Städtebau und Verkehr sowie der rücksichtslose Gebrauch von Agrarchemikalien und Pestiziden in der modernen Landwirtschaft führen heute schon dazu, dass weltweit und auch in Deutschland immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben oder zumindest bedroht sind. Während die natürliche Aussterberate in früheren Zeiten etwa eine Art pro Jahrhundert betrug, sind es heute schon mehrere pro Tag, die für immer verschwinden. Die Natur bricht in einer Geschwindigkeit zusammen wie niemals zuvor in der Erdgeschichte. Ein ebenso großes Problem stellt Kohlendioxid dar, das bei der Verbrennung fossiler Energieträger in immer größeren Mengen erzeugt wird. Es kann nicht durch Rauchgasfilter oder Kfz-Katalysatoren zurückgehalten werden. Die zunehmende Konzentration von CO2 in der Atmosphäre aber hat bereits zu einer deutlichen Erwärmung des globalen Klimas geführt. Die Durchschnittstemperaturen steigen weltweit. Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Dürren und Waldbrände, aber auch das Gegenteil, Überschwemmungsgebiete fast von der Größe Deutschlands, nehmen immer mehr zu. Selbst ein Anstieg der Meeresspiegel um bis zu sieben Meter erscheint inzwischen möglich. Hamburg, Bremen und große Teile der Norddeutschen Tiefebene würden im Meer versinken. Beide Probleme – das Artensterben und die Klimaerwärmung – sind seit Langem erkannt. Schon in dem Bericht »Our common Future« der World Commission on Environment and Development aus dem Jahr 1987

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Einleitung

(»Brundtland-Bericht«) heißt es: Ziel ist daher eine »Entwicklung, die den gegenwärtigen Bedarf zu decken vermag, ohne gleichzeitig späteren Generationen die Möglichkeit zur Deckung des ihren zu verbauen«. Dieser Grundsatz des »sustainable development« wurde dann zum Leitbegriff auf der 1. Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992, der damals von allen Völkern der Welt anerkannt worden ist. Im Deutschen wird er zumeist mit Nachhaltigkeit oder (seltener) mit Zukunftsfähigkeit oder Zukunftsbeständigkeit übersetzt. »Sustainibility« bedeutet konkret, die Natur nur so zu nutzen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit, die Vielfalt der Arten, nicht zerstört werden, und die CO2-Emissionen so zu begrenzen, dass sie nicht zu einer gefährlichen Aufheizung des Weltklimas führen. Um diesen noch sehr allgemein formulierten und unverbindlichen Grundsatz durch quantifizierte und überprüfbare Zielvorgaben zu konkretisieren, zum Beispiel um wie viel Grad Celsius genau die globale Temperatur höchstens steigen darf und um wie viel Prozent deshalb die einzelnen Nationen ihren CO2-Ausstoß reduzieren müssen, wurde in Rio de Janeiro das Aktionsprogramm »Agenda 21« beschlossen. Auch dass zum Erreichen dieser Ziele die Mitwirkung der Kommunen von großer Bedeutung sein wird, wurde damals schon erkannt. In Kapitel  28 der »Agenda 21« werden deshalb alle kommunalen Gebietskörperschaften der Welt aufgefordert, kommunale Handlungsprogramme mit dem Ziel nachhaltiger Entwicklung aufzustellen. Daraufhin hat der Deutsche Städtetag 1995 eine »Lokale Agenda 21« für die deutschen Städte beschlossen. Weiter wurde auf der Europäischen Konferenz über zukunftsbeständige Städte und Gemeinden 1994 in Ålborg, Dänemark, die »Charta der Europäischen Städte (…) auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit« verabschiedet. Aber wesentlich konkretisiert wurde der Auftrag von Rio de Janeiro dadurch nicht. Inzwischen haben viele Gemeinden in Europa die Charta von Ålborg unterzeichnet, allein in Deutschland fast 500. Insgesamt haben die deutschen Kommunen bis heute auch viel zum Erreichen einer nachhaltigen Entwicklung geleistet, besonders im internationalen Vergleich. Aber hier ist zwischen den verschiedenen Teilzielen zu differenzieren; zunächst der

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progressive Verbrauch begrenzter Rohstoffe: Alle Dinge auf der Erde bilden seit Milliarden Jahren einen praktisch verlustlosen Kreislauf. Ganz anders dagegen die Wirtschaftsweise des Menschen. Er verbraucht Rohstoffe und Energie, produziert Gebäude, Autos oder Computer, die nach mehr oder weniger kurzer Zeit zu Bauruinen und umweltbelastendem Schrott werden. Das führt zu zwei Problemen, welche die Begrenztheit der Rohstoffe und des Mülldeponieraums betreffen. Doch lange bevor der erste Rohstoff knapp wird, werden in Deutschland die Deponiemöglichkeiten für feste Abfälle erschöpft sein. Vorrangig ist daher hierzulande die unaufhörlich steigende Müllflut einzudämmen. Seit Anfang der 1950er-Jahre hat sich die jährliche Menge des Hausmülls ungefähr verfünffacht und betrug zuletzt fast 600 Kilogramm pro Einwohner. Dafür reicht der vorhandene Deponieraum schon heute nicht mehr aus. Aber durch Verlängerung der Lebensdauer und gute Reparierbarkeit von Produkten sowie durch die Vermeidung von Einwegverpackungen und  -gegenständen lässt sich der Hausmüll bis zu 30  Prozent vermindern. Die im Abfall enthaltenen Wertstoffe Glas und Papier können recycelt, Küchen- und Gartenabfälle durch Kompostierung in den natürlichen Stoffkreislauf zurückgeführt werden. Schließlich wird durch Verbrennung das Volumen des Mülls drei- bis vierfach verringert. Insgesamt lässt sich die ursprüngliche Müllmenge dadurch um rund 90 Prozent reduzieren. Für den verbleibenden Rest erscheinen die Deponiemöglichkeiten auf Dauer – also nachhaltig – ausreichend. Gleiches gilt für die hausmüll­ ähnlichen gewerblichen Abfälle (zu den Themen Sondermüll, insbesondere radioaktive Abfälle aus Atomkraftwerken und Altlasten, siehe 3.2.2). Die Müllentsorgung ist im Wesentlichen eine kommunale Aufgabe. Wertstoffrecycling und Müllverbrennung sind daher ein (erster) wichtiger Beitrag der Gemeinden zur Nachhaltigkeit. Dieses Verdienst wird jedoch stark geschmälert durch eine Stadtplanung, die weithin der Planung von Neubaugebieten Vorrang vor der Sanierung bestehender Gebäude einräumt. Auch bei Neubauten achten die Architekten im Allgemeinen zu wenig darauf, langlebige, gut zu unterhaltende und variabel nutzbare Bauwerke zu entwerfen, die zukünftige Bewohner unter Umständen auch ganz anders nutzen können. Bei den Abfällen im Bausektor wird die Möglich-

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keit des Recycelns kaum beachtet. Das Baumaterial Holz beispielsweise ist bei richtiger Verarbeitung und Behandlung langlebig und recycelbar. Scheidet eine Wiederverwendung aus, kann es zu Spanplatten verarbeitet oder zur Energiegewinnung durch Verbrennen gebraucht werden. Das geschieht jedoch nur selten. Daher werden im Bausektor für eine beständig wachsende Zahl von Gebäuden und Straßen immer mehr Baustoffe und Energie verbraucht. Zugleich nehmen die Abfälle, Bauschutt und Straßenaushub, stetig zu und machen inzwischen rund 60 Prozent des Massenmüllaufkommens aus. Als Nächstes der Rohstoff Wasser: Auch hier gibt es zwei Probleme, welche die Trinkwassergewinnung und die Abwasserbeseitigung betreffen. Im regenreichen Deutschland ist Wasser an sich in ausreichendem Maß vorhanden. Aber in den Städten und Dörfern fließt der Regen von den versiegelten Flächen großenteils gleich in die Kanalisation, und nur wenig gelangt ins Grundwasser. Folglich sinkt der Grundwasserspiegel hier – zumeist um mehrere Meter. Also müssen die Städte ihren wachsenden Bedarf durch Grundwasser in ländlichen Gebieten decken. Das ist jedoch zunehmend durch Agrarchemikalien aus der modernen Landwirtschaft und durch Gülle aus der Massentierhaltung belastet. Der Schadstoff­ gehalt des Grundwassers wird seit Jahren in besonders gefährdeten Wassereinzugsgebieten gemessen. Er überschreitet bereits bei der Hälfte aller Messstellen die zulässigen Grenzwerte. Deshalb sind die Städte zusätzlich auf Oberflächengewässer angewiesen. Das Verhältnis beträgt heute in Deutschland im Allgemeinen etwa 70  Prozent Grundwasser zu 30  Prozent Oberflächenwasser und Uferfiltrat. Aber auch in den Fließgewässern nimmt die Schadstoffbelastung vor allem durch Industrieabwässer beständig zu. Dennoch stellt hierzulande nicht zunehmender Wasserverbrauch das größte Problem dar, zumal der Verbrauch der Haushalte seit 1990 leicht rückläufig ist, sondern die stetig wachsende Verschmutzung aller Gewässer. Die meisten Schadstoffe werden in natürlichen Gewässern durch physikalische, chemische und vor allem durch biologische Prozesse relativ schnell abgebaut. So eliminieren Kleinstlebewesen die meisten organischen Verbindungen. Aber das Reinigungsvermögen eines Gewässers

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ist nicht unbegrenzt. Je mehr die Stoffeinträge zunehmen, desto mehr wird der Kreislauf des Lebens im Wasser gestört, desto mehr Lebewesen sterben ab, bis es schließlich kein Leben in dem Gewässer mehr gibt. Dann aber findet auch kein biologischer Abbau von Laststoffen mehr statt. Deshalb müssen Abwässer vor der Einleitung in ein Fließgewässer so weit gereinigt werden, dass das natürliche Selbstreinigungsvermögen eines Flusses nicht überfordert wird. Für alle größeren Gewässer gibt es inzwischen Lastpläne, die für jeden Flussabschnitt die höchste zulässige Abwasserlast festlegen. Alle Haushalte und Gewerbebetriebe müssen ihre Abwässer in einen öffentlichen Kanal einleiten, die in Kläranlagen so weit zu reinigen sind, dass die Grenzwerte des Abwasserlastplans eingehalten werden. Moderne Kläranlagen können alle in Abwässern aus Haushalten und Gewerbebetrieben üblichen Schadstoffe im jeweils erforderlichen Umfang eliminieren (zum Problem der toxischen Abwässer – vor allem der chemischen Industrie – und der Direkteinleiter siehe 3.3.2). Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sind ebenfalls Aufgaben der Gemeinden oder übergemeindlicher Wasserverbände. Insgesamt wurde in Deutschland bis heute in den Bau von Kanalnetzen und Klär­ anlagen ein hoher dreistelliger Milliardenbetrag investiert, besonders in den neuen Bundesländern, wo nach dem Ende der DDR über die Hälfte aller Haushalte noch keinen Kanalanschluss besaßen und alle größeren Fließgewässer »umgekippt« waren. Diese Maßnahmen haben auch bereits zu deutlichen Verbesserungen der Gewässerqualität geführt. Selbst in die am stärksten verschmutzten Flüsse wie Rhein oder Emscher, die »Kloake« des Ruhrgebiets, kehrt allmählich das Leben zurück. Diese Fortschritte werden jedoch stark dadurch eingeschränkt, dass die Flächenversiegelung durch Bebauung und Verkehrswege überall beständig zunimmt. Deshalb wird immer mehr Regenwasser in die Kanalisation abgeleitet; Kanäle und Kläranlagen müssen immer größer dimensioniert werden. Hinzu kommt, dass wegen der Klimaerwärmung Starkregenfälle in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Während Regen, der auf natürlichen Boden fällt, erst nach Tagen, oft auch Monaten in den nächsten Vorfluter fließt, kommt in einen Kanal geleitetes Wasser schon nach wenigen Stunden in der Kläranlage an, die deshalb bei starken Regenfällen regel-

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mäßig überläuft. Dann gelangt das Abwasser – auch die häuslichen und gewerblichen Abwässer – nahezu ungereinigt in den nächsten Fluss. Eine weitere Folge ist die Zunahme der Überschwemmungen. So gab es allein in den letzten zehn Jahren in Deutschland drei Jahrhunderthochwasser an Rhein, Oder und Elbe sowie ihren Nebenflüssen. Daher erscheint auch dieses (zweite) Nachhaltigkeitsziel, ein auf Dauer ausreichender Gewässerschutz, nur erreichbar, wenn die Flächenversiegelung in den Städten zumindest nicht immer weiter zunimmt, also die bisherige Stadtplanung sich ändert. Ein drittes Nachhaltigkeitsziel betrifft den Energieverbrauch. Die mit Abstand wichtigste Energiequelle sind bis heute die fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas, besonders in Deutschland, seitdem die Bundesregierung im Sommer 2011 den beschleunigten Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie beschlossen hat. Die heute bekannten und vermuteten Vorkommen an Erdöl und Gas werden jedoch schon beim gegenwärtigen Verbrauch in einigen Jahrzehnten weltweit erschöpft sein. Dabei nimmt der Weltenergiebedarf beständig zu. Die globalen Vorräte an Kohle reichen zwar noch für ein paar Jahrhunderte, aber bei der Verbrennung von Kohle entweicht bis zu viermal so viel Kohlendioxid wie bei der Nutzung von Erdgas als Energiequelle, dessen Anreicherung in der Atmosphäre heute schon am meisten zur weltweiten Klimaerwärmung beiträgt. Deutschland hat sich daher auf der Weltklimakonferenz in Kyoto verpflichtet, seinen CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Das erste Teilziel für 2005 wurde inzwischen weit verfehlt. Auch die weiteren Ziele lassen sich nur einhalten, wenn die fossilen Energieträger so schnell wie möglich durch Energie aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wind und Wasser ersetzt werden  (die offiziell angestrebte »Energiewende«) und der Primärenergieverbrauch erheblich – genauer: um rund 75 Prozent – gesenkt wird. Für den Energieverbrauch im Hochbau folgt daraus, dass vor allem Heiz­ energie eingespart werden muss. Durch eine Verbesserung der Wärmedämmung von Außenwänden, Fenstern und Türen, von Dachflächen und zum Erdreich hin lassen sich bei Altbauten die Wärmeverluste mindestens halbieren. Bei Neubauten beträgt das Energieeinsparpotenzial

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