Multiresistente Bakterien - Deine Tierheilpraxis

oder gefüttert) mindestens 48 Stunden vor Turnierbeginn abgesetzt werden müssen. Bakterienkultur auf Müller-Hinton-Agar mit ölgetränkten Testplättchen und ...
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Multiresistente Bakterien Auf der Suche nach naturheilkundlichen (Behandlungs-)Alternativen Lebensmittelgewinnung dienen, sind heutzutage massiv

setzt, dann können Bakterien unter anderem durch Mutation

davon betroffen. Neuere Untersuchungen weisen sogar

Resistenzen gegen diese entwickeln. Gängige Antibiotika

darauf hin, dass inzwischen auch Resistenzen gegenüber

verlieren damit ihre Wirksamkeit gegenüber bestimmten

sogenannten Reserve-Antibiotika existieren. Diese werden

bakteriellen und unter Umständen lebensbedrohlichen

immer dann eingesetzt, wenn andere Antibiotika nicht

Infektionen. Derartige Keime werden als multiresistent

mehr wirken – sie sind also für Notfälle gedacht. Nicht nur

bezeichnet, da eine Vielzahl von Antibiotika bei ihnen keine

für die klassische Tiermedizin ist diese Situation drama-

Wirkung entfaltet. Im Humanbereich werden diese Bakte-

tisch. Ätherische Öle, Manuka-Honig, aber auch bestimmte

rien auch „multiresistente Krankenhauskeime“ genannt.

Vitalpilze können hingegen eine wirkungsvolle und na-

Allerdings sind diese nicht nur weltweit für den Menschen

türliche Behandlungsalternative bei der Bekämpfung von

hochproblematisch, auch Tiere, die unter Umständen der

multiresistenten Bakterien darstellen.

Foto: Sabine Nawotka

Werden Antibiotika zu oft, vor allem aber unterdosiert einge-

Auch das ätherische Öl der Oreganopflanze wird gegen multiresistente Keime eingesetzt.

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Bakterien mit Superschutzschild Sowohl der menschliche, als auch der tierische Organismus ist von einer Vielzahl von Bakterien besiedelt. Die mikroskopisch kleinen „Mitbewohner“ sind Teil des sogenannten Mikrobioms. Hiermit sind alle im und auf dem Körper lebenden Mikroorganismen gemeint. Neben Bakterien können dies zum Beispiel auch Viren oder Pilze sein. Normalerweise stellen „gewöhnliche“ Bakterien keine Gefahr für gesunde Menschen und Tiere dar, ganz im Gegenteil, sie sind unter Umständen sogar überaus hilfreich: etwa in Form von nützlichen Darmbakterien (beispielsweise Enterokokken, Bifidobakterien, Lactobazillen), welche intensiv an den Verdauungsvorgängen unserer Haustiere (etwa Hund, Katze, Pferd, Kaninchen) beteiligt sind. Multiresistente Bakterien unterscheiden sich hingegen von ihren normalen Vertretern, obwohl beide die gleichen potenziell krankmachenden Eigenschaften in sich tragen können. Der Begriff multiresistent setzt sich aus multi = viel(fach) und lat. resistentia = Widerstand zusammen. Multiresistente Bakterien besitzen also eine Unempfindlichkeit gegenüber verschiedenen gängigen Antibiotika. Dies verschafft ihnen einen Vorteil im Wettbewerb mit anderen Bakterien(arten). Denn während auf Antibiotika empfindlich reagierende Bakterien verdrängt oder ganz zum Verschwinden gebracht werden, nehmen multiresistente Keime die frei werdenden Plätze ein und breiten sich damit weiter aus. Spontane Veränderung, einfache Übertragung Eine derartige Resistenz kann entweder durch Mutation oder durch Übertragung entstehen. Im ersten Fall handelt es sich um eine zufällige Veränderung des Erbguts, die eine Unempfindlichkeit gegenüber Antibiotika mit sich bringt. Im zweiten Fall wird eine Antibiotika-Resistenz von einem Bakterium auf ein anderes übertragen. Dies geschieht mithilfe von eigenständigen genetischen Einheiten, den sogenannten Plasmiden. Sie existieren zusätzlich zum sonstigen Erbgut eines Bakteriums und liegen in Form von kleinen Ringen vor. Darin enthaltene Resistenz-Gene können nicht nur auf Bakterien derselben Art, sondern auch auf andere Arten übertragen werden – ihre Verbreitung wird hierdurch sehr ein-

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fach. Bestimmte Keime können sogar – wie etwa die Antibiotika resistente Form des Staphylococcus aureus – unterschiedliche Resistenz-Gene besitzen.

Laktam-haltiger Antibiotika herabsetzen oder sogar aufheben kann. Vor allem Hunde werden ESBL-positiv getestet, prozentual gefolgt von Katzen, Rindern und Pferden.

Die üblichen Verdächtigen Zu den wichtigsten Vertretern derartiger Problembakterien gehören beim Tier beispielsweise Staphylococcus aureus (MRSA), Staphylococcus pseudintermedius (MRSP), Pseudomonaden, Acinetobacter sowie ESBL-bildende Enterobakterien – bei Letzteren handelt es sich vorrangig um Bakterien wie etwa Escherichia coli (kurz E. coli) oder Proteus spp., die im Verdauungskanal eines Tieres zu finden sind. Sowohl MRSA als auch MRSP sind gegen das Antibiotikum Methicillin resistent. Dieses gehört zur Gruppe der Beta-Laktam-Antibiotika. Es hemmt die Zellwandsynthese von Bakterien, besitzt allerdings nur ein schmales Wirkspektrum. Methicillin wird heutzutage nicht mehr therapeutisch eingesetzt, wohl aber das in Europa zugelassene und zur gleichen Gruppe gehörende Antibiotikum Oxacillin, so dass zum Beispiel auch vom Oxacillin-Resistenten Staphylococcus Aureus (kurz ORSA) gesprochen wird. Bei ESBL-bildenden Enterobakterien – die Abkürzung ESBL steht für „Extended-Spectrum-Beta-Laktamase“; die Endung -ase gibt immer einen Hinweis auf ein Enzym – handelt es sich um Darmbakterien, die eben dieses Enzym produzieren, welches die Wirksamkeit Beta-

Übertragungswege Die Übertragung Antibiotika resistenter Bakterien erfolgt unter anderem durch direkten Kontakt zwischen Mensch und Tier bzw. zwischen Tier und Tier. Dabei können betroffene Individuen entweder bereits mit einem multiresistenten Erreger infiziert und daran erkrankt sein, oder aber sie fungieren als Träger. Daher können Körpersekrete bzw. -ausscheidungen (etwa Sputum oder Kot) sowie kontaminierte Hautoberflächen hochproblematisch sein. Bislang konnten unter anderem bei Hunden, aber auch bei Katzen und Pferden multiresistente Keime nachgewiesen werden. Diese fanden sich etwa in Abstrichen aus Maul, Ohr, Nase sowie auf der Haut und an Haaren. Darüber hinaus stellen mit Antibiotika resistenten Bakterien kontaminierte Gegenstände eine weitere potenzielle Ansteckungsquelle dar. Natürliche Bakterienkiller Bei der VETSCREEN GmbH – einem der Veterinär-Labore für Tierheilpraktiker – werden seit dem Jahr 2014 potenziell multiresistente Keime, auf eine Unempfindlichkeit gegenüber Antibiotika getestet. Einem positiven Befund,

Im Überblick: Antibiotika resistente Keime beim Tier • Staphylococcus aureus (gram-positiv; MRSA = Methicillin-Resistenter Staphylococcus Aureus oder Multi-Resistenter Staphylococcus Aureus): Dieses Bakterium findet sich auf der Haut und den Schleimhäuten von warmblütigen Tieren; auch in Futtermitteln und Gewässern. • Staphylococcus pseudintermedius (gram-positiv; MRSP = Methicillin-Resistenter Staphylococcus Pseudintermedius oder Multi-Resistenter Staphylococcus Pseudintermedius): Das Bakterium findet sich auf der Haut von Tieren sowie in der Umwelt wieder (zum Beispiel Gewässer, Luft, Futtermittel). • Pseudomonaden (gram-negativ; alle Stämme): Eine Gattung stäbchenförmiger, mit polaren Geißeln sich aktiv bewegende, aerobe Bakterien. Sporen werden nicht gebildet. Pseudomonaden sind ubiquitär, also allgegenwärtig in der Umwelt („Pfützenkeim“). Sie kommen unter anderem bei immunschwachen Tieren vor und können in der Regel nur schwer zum Verschwinden gebracht werden. • Acinetobacter (gram-negativ; alle Stämme): Gattung der Neisseriaceae aus der Gruppe der aeroben Stäbchen und Kokken. Es handelt sich um weit verbreitete Boden- und Wasserbakterien, die sehr gefährlich für immunschwache Tiere sind. • ESBL-bildende Enterobakterien (unter anderem E. coli, Proteus spp., Klebsiella; alle hier genannten sind gram-negativ).

Foto: VETSCREEN GmbH

Honig und Vitalpilze als Alternative

Bakterienkultur auf Müller-Hinton-Agar mit ölgetränkten Testplättchen und Hemmhöfen.

schließt sich ein sogenanntes Antibiogramm bzw. – falls zusätzlich vom behandelnden Tierheilpraktiker gewünscht – ein Aromatogramm an. Ein Antibiogramm gibt Aufschluss darüber, auf welche Antibiotika ein bestimmter bakterieller Krankheitserreger empfindlich bis resistent reagiert. Hierfür nutzt dieses Veterinärlabor das sehr sensible Mikronaut-S-System der Firma MERLIN Gesellschaft für mikrobiologische Diagnostika mbH. Mithilfe sogenannter Mikrotitrationsplatten kann eine Empfindlichkeit von Bakterien überprüft werden. Das Aromatogramm ist mit einem Antibiogramm vergleichbar. Jedoch wird in diesem Fall die Reaktion des Keimes auf verschiedene, mit ätherischen Ölen getränkte Testplättchen untersucht. Die VETSCREEN GmbH nutzt hierfür insgesamt 17 ätherische Öle (100-prozentige Konzentration), die sich bei der Be-

kämpfung von multiresistenten Keimen bewährt haben: 1) Fenchel-Öl, 2) Thymian-Öl, 3) Teebaum-Öl, 4) Bohnenkraut-Öl, 5) Oreganum-Öl, 6) NelkenÖl, 7) Zimtblätter-Öl, 8) Melissen-Öl, 9) Lemongras-Öl, 10) AngelikawurzelÖl, 11) Palmarosa-Öl, 12) Muskatellersalbei-Öl, 13) Neroli-Öl, 14) Rosengeranien-Öl, 15) Manuka-Öl, 16) Ravintsara-Öl und 17) Lavendel-Öl. Ob sich ein Antibiotikum oder ätherisches Öl tatsächlich für die Bekämpfung eines multiresistenten Keims eignet, zeigt zum Beispiel die Beurteilung der sogenannten Hemmhöfe auf einer Bakterienkultur. Bei einem Antibiogramm lauten die Ergebnisse: S = empfindlich, I = intermediär empfindlich (= in der Mitte liegend) oder R = resistent. Bei einem Aromatogramm werden die Angaben - = 0 mm (nicht wirksam), + < 10 mm (geringe Wirksamkeit), ++ = > 10 mm

Bitte immer im Auge behalten! Vor der Verwendung eines ätherischen Öls muss selbstverständlich geprüft werden, ob dieses bei der jeweiligen Tierart eingesetzt werden darf – dies gilt vor allem für Katzen. Ohne entsprechendes Fachwissen, sollten ätherische Öle, wenn überhaupt, dann nur zur Inhalation oder gegebenenfalls äußerlich – mit einem Trägeröl stark verdünnt (etwa Olivenöl) – als Einreibung angewendet werden. Werden Pferde auf Turnieren vorgestellt, dann sind beim Einsatz von ätherischen Ölen unbedingt die Anti-Doping- und Medikamentenkontroll-Regeln (ADMR) der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) zu berücksichtigen. Diese schreiben vor, dass ätherische Öle (etwa inhaliert oder gefüttert) mindestens 48 Stunden vor Turnierbeginn abgesetzt werden müssen.

Zudem hat sich der aus Neuseeland stammende Manuka-Honig im Einsatz gegen multiresistente Keime bewährt. Er wird in der Regel äußerlich, also auf die Haut aufgetragen. Zur Behandlung eines Tieres kann auf verschiedene Manuka-Honig-Produkte zurückgegriffen werden: zum Beispiel auf ManukaLind-Salbe oder -Spray, Otysan ManukaLind (www.inuvet.com) oder auch auf die verschiedenen Darreichungsformen von Medihoney™ (www.medihoney.de). Interessant sind zudem die Honig-Produkte von L-Mesitran® (www.biokanol.de). Darüber hinaus können die Vitalpilze Reishi und Champignon gegen multiresistente Bakterien eingesetzt werden, denn beide wirken gegen MRSA. Hoffnung auch für Spezialfälle Ist ein Tier Pseudomonaden-positiv getestet, dann sollte vor allem bei diesem Keim unbedingt während einer Therapie mit ätherischen Ölen zeitgleich das Immunsystem des tierischen Patienten intensiv unterstützt werden. Denn geschieht dies nicht, dann ziehen sich Pseudomonaden zwar unter der Behandlung zunächst zurück, ist diese jedoch abgeschlossen, dann ist ihre Wiederkehr bereits vorprogrammiert. Zudem kann es immer wieder vorkommen, dass die getesteten 17 ätherischen Öle maximal einen Hemmhof von < 10 mm entwickeln. Dies stellt – wie Sie wissen – ein unbefriedigendes Ergebnis dar. Da in einem solchen Fall, nur mit einer geringen Wirksamkeit des jeweiligen ätherischen Öls zu rechnen ist, stellt sich die Frage nach einer möglichen Behandlungsalternative. In einem solchen Fall lautet die Empfehlung von Seiten der VETSCREEN GmbH: Herstellung einer sogenannten Autonosode (= ein Präparat, das aus den Krankheitsprodukten eines Patienten gewonnen wird). Die Koordination hierfür übernimmt das Labor.

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(mäßige Wirksamkeit), +++ = > 20 mm (gute Wirksamkeit) gemacht. Nur empfindliche Antibiotika bzw. gut wirksame ätherische Öle sind für eine erfolgversprechende Therapie geeignet. Dabei wird ätherischen Ölen immer der Vorzug gegeben, da diese Vielstoffgemische die Bildung von Resistenzen erschweren bzw. unmöglich machen.

Umfassende Hygienemaßnahmen Das Augenmerk sollte beim Thema „multiresistente Bakterien“ zudem auf Hygiene und Desinfektion gerichtet werden. Neben dem gründlichen Waschen der Hände, ist zusätzlich das Tragen von Einmalhandschuhen beim Kontakt mit betroffenen Tieren ein Muss. Zudem sollten aus hygienischen Gründen möglichst nur Einwegartikel in der Tierheilpraxis zum Einsatz kommen. Alle anderen Instrumente und Materialien, die nicht Einwegartikel sind, müssen umgehend nach dem Gebrauch gründlichst desinfiziert werden. Wichtig ist dabei die Wahl eines geeigneten Desinfektionsmittels – auch für die Hände. Spezielle Mittel bzw. Produkte, können in diesem Zusammenhang nicht zur Prophylaxe bzw. Bekämpfung empfohlen werden. Es gibt allerdings

Wirkstoffgruppen, die problematischer sind, da sie bei einem unsachgemäßen Einsatz – dies kann etwa eine zu geringe Anwendungskonzentration sein – ebenfalls zu Resistenzen führen. Dies sind vor allem sogenannte quaternäre Amoniumverbindungen, aber auch Chlorhexidin. Im Gegensatz dazu sind Desinfektionsmittel auf Basis organischer Säuren, Alkoholen, Chlor- und Sauerstoffspaltern oder auch Aldehyden bei Antibiotika resistenten Keimen sehr sicher und effektiv einzusetzen. Desinfektionsmittel, die diese Voraussetzungen erfüllen, finden sich in den „Informationen für Anwender von Desinfektionsmitteln“ der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft e.V. (www.desinfektion-dvg.de). Zudem können die ätherischen Öle von Zitrone und Gewürznelke hilfreich sein: Zitronen-Öl reinigt und desinfiziert Foto: Sabine Nawotka

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Quelle: VETSCREEN GmbH

Antibio- und Aromatogramm für einen MRSP-positiven West-Highland-White-Terrier.

zum Beispiel die Raumluft, auch kann Gewürznelken-Öl als desinfizierendes Raumspray eingesetzt werden. Darüber hinaus sollten Patientenbesitzer unbedingt von einem Tierheilpraktiker darauf hingewiesen werden, dass ein enger Kontakt mit einem derart infizierten Tier zu vermeiden ist. Auch sind hier geeignete Hygienemaßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört auch, dass das Tier nur mit seinen eigenen und keinesfalls mit fremden Pflegeartikeln & Co. in Kontakt kommen darf. Diese sollten – falls möglich – regelmäßig, wie beispielsweise auch Körbchen und Decken bei mindestens 60°C gewaschen und/oder gründlichst desinfiziert werden. Dies gilt auch für Pferdeboxen. In diesen kann zudem eine gezielte Umgebungsbeimpfung mit Original Kanne Bio Brottrunk® für Tiere sinnvoll sein, da dies unter anderem zu einer Verdrängung von Antibiotika resistenten Bakterien beitragen kann. Zeitgleich sind innerliche Gaben mit Original Kanne Bio Brottrunk® für Tiere hilfreich. Zu guter Letzt Ein ganz herzliches Dankeschön geht unter anderem an Mareike Manzi und Franziska Meyer – beide Mitarbeiterinnen der VETSCREEN GmbH. Sie haben mich mit zahlreichen (internen) Informationen sowie mit verschiedenen anonymisierten Laborbefunden, aber auch Fotos zu diesem Beitrag hilfreich unterstützt.

Zitronen-Öl reinigt und desinfiziert die Raumluft.

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Dipl.-Ök. Sabine Nawotka Tierheilpraktikerin [email protected]