MOOR – COLOUR Fulminantes aus den Werkstätten ... AWS

Paul Klee formulierte das vornehmste Ziel des Künstlers. Er sagte: „Das vornehmste Ziel des Künstlers ist es, etwas sichtbar zu machen was ohne die Kunst .... Vor diesem Hintergrund trifft uns bei der Betrachtung kein moralischer Appell. Hier wird durch die Kunst unsere Sichtweise auf das Wesentliche gelenkt, das macht.
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MOOR – COLOUR Fulminantes aus den Werkstätten der Bildhauer. Zur Ausstellung von Max Schmelcher und Bruno Wank in der Villa Jauss .

Als ich von den beiden Künstlern gebeten wurde mit Ihnen , Freitagabend ,den 24. März 2017 die Ausstellung zu eröffnen, wusste ich noch nicht ,dass mich die Zusage auch an einen ganz besonderen besondern Platz bringen würde Ins Kunsthaus“ Villa Jauss“ in Oberstdorf. Die Gemeinde Oberstdorf hat mit Bürgermeister Eduard Geyer das Wohnhaus des Brauereigründers Melchior Jauss erhalten, hat es erworben und zum Kulturhaus erklärt. Eine außergewöhnliche Leistung die in unzähligen Gemeinden in Bayern versäumt und vertan wurde, und die weil beispielgebend gar nicht genug hervorgehoben werden kann. Seit der Jahrtausendwende werden in diesem Haus Ausstellungen mit Künstlern aus der Region zusammengestellt und kuratiert , mit Künstlern ,die sich bereits über die Grenzen hinaus die Aufmerksamkeit der Kunstwelt erworben haben, aber in ihren Werken die Herkunft und die Natur des Voralpenlandes reflektieren. Mit einer außergewöhnliche Zusammenstellung von Kunst. und Kultur ist es den Kuratoren Willy Geierstanger, Irmela Fischer und Angelika Blüml gelungen ,ein Kleinod der Kunst zu schaffen, das der Tradition, der Natur und der Heimatliebe verpflichtet ist , dabei aber keiner Tümelei verfällt ! Die Ausstellung der Bildhauerarbeiten von Max Schmelcher und Bruno Wank führen diesen ausgewählten Kanon fort. Mein Name ist Silvie-Lisa Sperlich,ich arbeite in der auditiven Kulturwelt des BR in München, und darf heute den Werken der Bildhauer Schmelcher und Wank meine Worte dazustellen. Ich heiße Sie alle herzlich willkommen. Ausschnitte aus meiner Laudatio: Bei jeder Ausstellungseröffnung ist es für mich immer wieder spannend die Sicht des Künstlers auf sein Werk zu erschauen. Den Ausdruck und die Absicht des Künstlers nachzuvollziehen ist immer eine Bereicherung ,und ich vermute meine Damen und Herren -die Sie sich mit gespannter Erwartungshaltung hier eingefunden haben -, dass Sie ebenso die Erweiterung Ihres Blickfeldes durch die Kunst kennen und diese Bereicherung schätzen. Paul Klee formulierte das vornehmste Ziel des Künstlers. Er sagte: „Das vornehmste Ziel des Künstlers ist es, etwas sichtbar zu machen was ohne die Kunst unsichtbar geblieben wäre.“ Ich kann Ihnen versichern, dass dieser Anspruch, „etwas sichtbar machen, das ohne die Kunst unsichtbar geblieben wäre“, von den beiden Künstlern Max Schmelcher und Bruno Wank ideal erfüllt wird und geradezu als Auszeichnung der wiederum neuen Intention ihrer Kunst erscheint. Und das in zweifacher Hinsicht:

1. Arbeiten beide mit Materialien (und mit Bearbeitungsprozessen), die so noch nie in der Kunst verwendet oder angewandt wurden! 2. Beziehen beide das Material in den Gestaltungsprozess des Werkes mit ein. Sie werden sagen : das Material ist doch immer mit von der Partie. In den Werken der beiden Bildhauer wird das Material mit dem sie arbeiten AKTIV in den Entstehungsprozess miteinbezogen. Dem Material wird ein Gestaltungswille überlassen. Es soll sein Eigenleben zeigen! Das ist hier die Absicht der Künstler. Max und Bruno legen zwar die Rahmenbedingungen ihrer Arbeiten fest, tatsächlich vollendet werden die Werke durch die dem Material eigene Interaktion mit der Umgebung. Mit im Spiel sind so viel sei verraten Hitze, Kälte, Umwelteinflüsse und nicht zuletzt auch der ZUFALL: Es sei reiner Zufall gewesen, der sie in dieser Ausstellungsprojekt geführt habe, sagten die Beiden auf die Frage ,warum sie hier gemeinsam ausstellen. Die Parallelen der Künstler sind allerdings so augenscheinlich, sowohl in ihrer Biographie, als auch in ihrer Haltung zur Kunst, (die ihren Ursprung gerade in ihrer Haltung zur Natur hat !), dass der Zufall leichtes Spiel hatte. Auf jeden Fall haben wir es hier mit zwei Unerschrockenen , mit zwei “wilden Burschen“ zu tun. Kein Wunder, dass die Oberstdorfer auf sie aufmerksam geworden sind ! Beide sind auf der Nordseite der Alpen aufgewachsen. Max in Lindenberg. Bruno in Marktoberdorf. Die Berge vor Augen, und als ständige Herausforderung nicht nur im Blick. Kräfte wurden gemessen. Gipfel erstürmt. Keine Angst vor gar nix! Beide sind die Söhne von Künstlern. Max Schmelchers Vater malte großformatige westallgäuer Landschaften und fing damit die Stimmungen der Natur im hügeligen Voralpenland ein. Bruno Wanks Vater war Bronzekunstgießer ... Wie die Erlebnisse der Kindheit die Nähe zu Material beeinflussten: ...und so wuchs der Bub neben und mit den Schmelzöfen auf, die in der Werkstatt die Bronze bei 1200 Grad zum Schmelzen brachten. Sommer wie Winter brannten dort die Feuer . Bruno war die glühende Hitze vertraut. Er wusste worauf er achten musste. An einem Sommertag jedoch kam der 4 Jährige barfuß in die Werkstatt gesprungen zum Vater, der legte gerade nach, der glühende Schutzschirm lag neben dem Feuerloch auf dem Boden und... Entsetzen! Bruno sah das nicht und tappte darauf. Wie durch ein Wunder blieben die Füßchen völlig unverletzt! Niemand konnte das glauben! Was bewirkt so ein Erlebnis bei einem kleinen Buben? Bruno hielt sich seither wohl einfach für unverwundbar! Das Feuer wurde zu seinem Verbündeten.

Das Höllenross tat IHM nichts ! Der Pakt war geschlossen. Viele pyromanische Kunst-Experimente und performances wurden von diesem Erlebnis geprägt. Höhepunkt waren Bruno Wanks Indoor Feuerwerke !! in den Ausstellungsräumen Räumen der Münchner Kunstakademie,wo Bruno Wank sein Atelier hat und lehrt . Im Innenraum explodierende Körper ,die nur durch Bruno gebändigt wurden, ließen die Hausmeisterei der Akademie doch etwas hektisch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergreifen. Bruno Wank wollte zeigen: Das Element Feuer kann mit dem Wissen um seine Kraft, mit Respekt und mit Vertrauen gebändigt werden! Voraussetzung für die Bändigung von so vielen anderen gefährlichen Dingen des Lebens auch Light my fire Diesen schwungvollen Schriftzug, dieses Zeichen an der Wand, diesen Imperativ, diesen Wunsch hat Bruno spektakulär im Garten der Akademie in Bronze gegossen. Die Gussformen aus Holz! Das Video des Vorgangs hängt neben den flammenden Worten. Max Schmelcher! Der zweite Unerschrockene im Bunde. Er wuchs in den 60er Jahren in Lindenberg im Allgäu auf, das im Nordosten von weiten Moorlandschaften umgeben ist. Mit darin der seidig schimmernde dunkle Moorsee. Die Sommerferien waren lang, die Eltern eh mit sich beschäftigt, die Buben waren von morgens bis abends am Waldsee . Sich selbst überlassen. Die Warnungen vor den Gefahren des Moores, die schaurigen Geschichten im Ohr waren alle vergessen, als sie im Wald die Moorlöcher entdeckten. Max könnte der Erste gewesen sein, der ins Moorloch hineinsprang und als Mohr wieder herauskam. Auf dem Kopf den Heldenkranz des Wagemutigen. Der hielt den ganzen Sommer lang. Und der Schrecken war gebannt. War man doch nicht versunken im schaurigen Moor! Im Gegenteil ,wie angenehm wenn das Moor in der Sonne zu trocknen begann auf der nackten Haut und dann aufbrach und sich abblättern ließ, dann war das wie eine wunderbare Häutung und man kam wie ais dem Ei gepellt drunter hervor. Gefühlte Wonne. Als Max Schmelcher Jahrzehnte später auf seinen einsamen Bergtouren durch ein Hochmoor streifte, da war die Faszination plötzlich wieder da. Er begann mit dem weichen Material zu arbeiten. Geübt in der Bearbeitung von Holz, Metall und Stein, gewann das Moor als Werkstoff für ihn immer mehr an Bedeutung. Der Pakt war geschlossen. Ich habe Ihnen diese Geschichten erzählt, weil sie den besonders engen Bezug der Künstler zu ihrem Material verdeutlichen. Diese außergewöhnlich enge Bindung ist mitbestimmend bei der Entstehung der Werke. Es ist die Ehrfurcht vor dem Material die den Umgang mit ihm bestimmt.

Es ist die Ehrfurcht vor der Natur und ihren Elementen, die ein völlig neues Kunstverständnis ergibt. Hier ist die Wertschätzung mit von der Partie, die Verbundenheit, das Erkennen des Gleichen im Ungleichen, die Erkenntnis dass wir alle -auch Sie und ich - ein Teil des ganzen Weltensystems sind. Wenn also das Material in den Schöpfungsprozess des Werks mit einbezogen wird, aufgefordert wird zum Mitgestalten, dann verlassen wir die Haltung der Herrschaft des Einen über den Anderen, dann gilt nicht mehr das Recht des Stärkeren, dann begegnen wir dem Material aus der uns umgebenden Natur auf respektvoller Augenhöhe. Max Schmelcher und Bruno Wank sind Vorreiter dieser neuen Kunstrichtung, dieser neu ausgerichteten Kunst. Mit der gleichen Haltung arbeitet der mexikanische Künstler BOSCO SODI, der von der Galerie Eigen –Art in Leipzig entdeckt wurde und inzwischen in London und in N.Y. ausstellt. Die unbändige Nähe zur Natur, die Neugier auf und das brennende Interesse an der Natur macht die Beiden aus . Sie lassen sich von ihr auch betören. Denn am Ende und da sind sie sich mit Bosco Sodi einig, liegt nur in ihr die Kraft des Lebens .und nur aus ihr heraus können wir „heil“ werden. Ist es also das vornehmste Ziel des Künstlers die Natur zu ehren? Steht sie doch letztlich über allem. Und wir wissen dass sie stärker ist als wir. Vor diesem Hintergrund trifft uns bei der Betrachtung kein moralischer Appell. Hier wird durch die Kunst unsere Sichtweise auf das Wesentliche gelenkt, das macht einen moralischen Zeigefinger von Grund auf unnötig. Die HÖFATS. Eine Ehrerbietung der besonderen Art erweist Bruno Wank der Höfats. Die einmalige, schauderhaft Schöne, außergewöhnliche ,2258m hohe Höfats. Fast „hoffertig“ steht sie da, mit ihren vier Gipfeln und einer schmückenden Pflanzenvielfalt ohnegleichen! Quarz stützt den Berg wie ein Stahlgerüst von innen und so hält sie die scharfe klare Linie der Grate. Die steil abfallenden Grasflanken bieten im Falle keinen Halt. Berg voller Dramen. Die Besteigung eine Herausforderung für Unerschrockene. Bruno Wanks Lieblingsberg. Wen wundert’s!

Er hat die Höfats erhöht ......zur Kathedrale. Im Maßstab 1:1 abgebildet hat er sie himmelstrebend 14 mal erhöht zum sakralen, gotischen Kathedralen-Denkmal der majestätischen Natur. In einem befremdend anmutenden Farbenkleid steht die Skulptur im Raum. Scheint rosa, violett, grüngraublau je nach Lichteinfall und Betrachtungswinkel. Was hier verwirrend changiert, da ist die Sprache des Materials die Bruno Wank evoziert durch ein Verfahren das er entdeckt hat, und das er TEMPERN nennt. In diesem Verfahren setzt er der Bronze nachträglich Hitze zu (so viel sei verraten), und fordert damit das Metall heraus. „Zeige Dein Innerstes“.

„Kehre heraus was im Verborgenen noch in dir steckt“. Uns zeigt sich ein ganz eigenwilliger Spektralbogen. Farben aus dem innersten des Metalls. Das wundersame ist, dass diese Farben nicht berührt werden dürfen, sonst verschwinden sie im selben Moment. Für immer. Man meint zu hören: Macht Euch die Erde untertan, aber wahrt den Abstand respektiert die Natur. Die Bronze Nuggets an der Wand mit dem Titel „Northern Lights“ zeigen eindrucksvoll die Farbensprache des Metalls. Wie die Nordlichter im hohen Norden .wo sich vergleichbare farbige Erscheinungen am Himmel zeigen. Das Moor dagegen ist kein Gebirge wo die Erhabenheit wohnt, wo georg Büchners lenz wahnsinnig wurde. Das Moor scheint öd und leer ja schaurig unpoetisch. Das Moor ist keine bevorzugte literarische Landschaft, und doch erzählt es uns gerade im schweigenden Dasein die ältesten Geschichten. Max Schmelcher hat sich von der 10.000 jährigen Entwicklungsgeschichte dieser Landschaft inspirieren lassen. Immer noch lebendig ist es, nichts hat es vergessen, unbemerkt langsam wächst es, 1mm im Jahr, alles fest haltend, Unmengen von CO 2 gespeichert. Das Moor erzählt uns vom Alter der Erde. So viel gespeicherte Information aus vergangenen Jahrtausenden kann und erschrecken. Nicht jeder von uns kann den Kreislauf des Lebens in dem wir eingebunden sind ohne Furcht ertragen. Max lauscht dem Moor seine gespeicherten Informationen ab und versöhnt sich mit der Vergänglichkeit, erkennt gerade darin das Leben! Und macht die Erhabenheit im Vergangenen sichtbar. Zunächst arbeitete er mit Moor als wäre es Ton. Porträts entstanden, menschliche Gesichter verschiedener Lebensalter. In der Residenz in Kempten waren sie als Spirale auf dem Boden ausgestellt. Gesichter wie aus einem Spiralnebel entstanden um in diesem wieder zu verschwinden. Im Trocknungsprozess werden die Gesichter im kleiner, als wollten sie aus dieser Welt verschwinden, ohne dass sie ihre feine Struktur verlieren. Das Verhältnis zueinander bleibt immer gleich. Wie bei der himmelwärtsstrebenden Höfats. In der Ausstellung sehen Sie den Bezug des Moores auf die geometrischen Grundformen der Natur. Der Kreis/das Ei bricht im Trocknen an der Stelle auf wo ein Küken schlüpfen würde. Das Quadrat/der Würfel reißt längs der Kanten. Das Dreieck/die Pyramide bricht auf in Schuppen. Hier wird es mystisch, denn die immer gleichen Trocknungsstrukturen auf den Grundformen der Natur zeigen ein System hinter der ersten Erscheinung. Sakral das Triptychon im Treppenaufgang. Links der Kosmos in der Mitte das farbige Leben, rechts die Ungewissheit danach. Auch bei den Moorbildern von Max Schmelcher gestaltet das Material mit, arbeitet unter dem Einfluss von Hitze und Kälte seine ganz eigenen Struktur heraus.

Das größte Moormuseum Europas in Geeste im Emsland hat gerade für Max Werke gezeigt. Im Juni kommen die Bilder nach Frankfurt ins Museum Haus Sinclair. Vielleicht entdeckt dort ENDLICH! eine Bank die Goldbarren aus Moor. Im Foyer unter Glas würden sie sich und den irritierten Kunden Bodenhaftung vermitteln. Vertrauen Könnte ein Untertitel der Ausstellung sein. Vertrauen in die Natur. Und Vertrauen in uns als Teil der Natur. Versöhnung mit der Natur , nicht im idealisierten rousseauschen Sinne, sondern Versöhnung auch mit den dunkelsten und härtesten Teilen des Ganzen. Vertrauen bedeutet nicht Blauäugigkeit. Wir wissen um die dunklen Seiten der Menschen. Bruno Wank hat die Masken der 7 Todsünden gestaltet. Die hat das Diözesanmuseum sofort erworben. Hier unten im Flur die Masken „5 aus 7“. Jeder von uns kann darin seinen eigenen Abgrund erkennen. Und die drei Lügenmasken hat Bruno aus Blei gegossen. Schwer wie Blei wiegt die lässliche Sünde, und die Lügennase vorne dran und der offene Blick für immer verdunkelt. Schmelcher und Wank legen mit ihren Werken Sichtachsen frei, und unser Blick erweitert sich hin zum Weltganzen, und da wir alle ein Teil davon sind schließt sich der Kreis im Auge des Betrachters. - Silvie-Lisa Sperlich -