Minna von Barnhelm AWS

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Königs Erläuterungen und Materialien Band 312

Erläuterungen zu

Gotthold Ephraim Lessing

Minna von Barnhelm von Bernd Matzkowski

Über den Autor dieser Erläuterung: Bernd Matzkowski ist 1952 geboren. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Lehrer (Oberstudienrat) am Heisenberg Gymnasium Gladbeck Fächer: Deutsch, Sozialwissenschaften, Politik, Literatur/Theater (in NRW in der Sek. II eigenes Fach mit Richtlinien etc.) Beratungslehrer für Suchtprävention Ausbildungskoordinator (Betreuung von ReferendarInnen, Abnahme von Staatsexamina)

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5. Auflage 2009 ISBN 978-3-8044-1695-6 © 2001 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk

2

Inhalt

1. 1.1 1.2

1.3

Vorwort ...............................................................

5

G. E. Lessing: Leben und Werk ......................... Biografie ................................................................ Zeitgeschichtlicher Hintergrund: Lessings Breslauer Jahre, der Siebenjährige Krieg und das Lustspiel Minna von Barnhelm ................... Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken: Lessings Dramen Miss Sara Sampson, Emilia Galotti und Nathan der Weise .......................

6 6

10

17

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7

Textanalyse und -interpretation ....................... 25 Entstehung und Quellen ........................................ 25 Inhaltsangabe ........................................................ 32 Aufbau .................................................................. 59 Personenkonstellation und Charakteristiken .......... 70 Sachliche und sprachliche Erläuterungen .............. 90 Stil und Sprache .................................................... 97 Interpretationsansätze ............................................ 101

3.

Themen und Aufgaben ....................................... 109

4.

Rezeptionsgeschichte/Materialien ..................... 112 Literatur .............................................................. 118

3

4

Vorwort

Vorwort Der vorliegende Band will eine Hilfestellung für die eigenständige Arbeit an Lessings Lustspiel Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück bieten. Der Band führt deshalb erläuternd in einige wesentliche Aspekte von Lessings Lustspiel ein und liefert Informationen zum Gesamtwerk Lessings und der Entwicklung seiner Komödientheorie, ohne den Anspruch zu erheben, eine umfassende und abgeschlossene Interpretation dieser herausragenden Komödie des 18. Jahrhunderts zu präsentieren. Neben den Überschriften dienen die an den Rand gesetzten Stichworte einer schnelleren Orientierung innerhalb der Kapitel. Als Textgrundlage dient die Ausgabe des Reclam-Verlages; Zitate aus Minna von Barnhelm werden direkt an das Zitat anschließend mit der entsprechenden Seitenangabe gekennzeichnet. Die Entscheidung für diese Ausgabe des Textes ist wesentlich praktischen Erwägungen geschuldet. Im Anmerkungsteil enthält die Reclam-Ausgabe Sach- und Worterläuterungen, auf die zurückgegriffen werden kann, so dass entsprechende Hinweise in diesem Band verzichtbar sind.

Vorwort

5

1.1 Biografie

1.

G. E. Lessing: Leben und Werk

1.1 Biografie Ort

Ereignis

1729

Kamenz

Gotthold Ephraim Lessing wird am 22. Januar als Sohn des Pfarrers Johann Gottfried Lessing und seiner Frau Justine Salome, geb. Feller, in Kamenz (Sachsen) geboren. Lessing besucht die Fürsten- 12–17 schule St. Afra in Meißen Studium der Theologie und 17–19 Philologie in Leipzig; Kontakte zur Neuberschen Theatertruppe Lessing veröffentlicht erste Ge- 18 dichte und Erzählungen und verfasst seine ersten Lustspiele (Damon/Der junge Gelehrte) Aufführung von Der junge Ge- 19 lehrte Lessing siedelt nach Wittenberg, dann nach Berlin über; Entschluss, den Beruf des freien Schriftstellers als Existenzgrundlage zu wählen; Mitarbeit an der „Vossischen Zeitung“ Die Juden; Der Freigeist; Samuel 20 Henzi

1741–46 Meißen 1746–48 Leipzig

1747

1748 Wittenberg, Berlin

1749

6

Alter

Jahr

1. G. E. Lessing: Leben und Werk

1.1 Biografie Jahr

Ort

1750 1751

Wittenberg

1752

Berlin

1752–55 Berlin

1752–53 1753–55 Berlin

1755–58 Leipzig 1756 Dresden

1758–60 Berlin 1758

1. G. E. Lessing: Leben und Werk

Ereignis Gedanken über die Herrnhuter, Lessings erste theologische Schrift Übersiedlung nach Wittenberg, um den Magistergrad zu erwerben Erste Gedichtsammlung: Kleinigkeiten Promotion am 29. April; Rückkehr nach Berlin Lessing schließt in Berlin Bekanntschaft mit Johann Georg Sulzer und Karl Wilhelm Ramler und ist mit Christoph Friedrich Nicolai, Moses Mendelssohn und Ewald von Kleist befreundet Übersetzung von Texten Voltaires und Friedrichs II. Eine sechsteilige Sammlung von Lessings Schriften erscheint, darunter Miss Sara Sampson (uraufgeführt am 10. 7. 1755 in Berlin) Lessing in Leipzig Besuch in Dresden; Besuch der Bibliothek Wolfenbüttel; Begegnung mit Klopstock Lessing erneut in Berlin Arbeit am Faust-Drama, das aber Fragment geblieben ist

Alter 21 22

23 23–26

23–24 24–26

26–29 27

29–31 29

7

1.1 Biografie Jahr

Ort

1759–60

Briefe, die neueste Literatur betreffend Übersetzung Das Theater des Herrn Diderot Philotas Fabeln Wahl zum auswärtigen Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften Breslau Sekretär des Generals Tauentzien in Breslau Berlin Wieder in Berlin Pyrmont Reise nach Pyrmont; Bekanntschaft mit Justus Möser Besuche in Göttingen und Kassel Laokoon Minna von Barnhelm Hamburg Dramaturg in Hamburg Hamburgische Dramaturgie Kontakte u. a. zu Philipp Emanuel Bach und dem Hamburger Hauptpastor Goeze sowie zu den Familien Reimarus und König Erneute Begegnung mit Klopstock Wolfenbüttel Bibliothekar in Wolfenbüttel Hamburg Verlobung mit Eva König Lessing wird Mitglied der Hamburger Loge zu den drei Rosen

1760

1760–65 1765–67 1766

1767 1767–70

1767 1770–81 1771

8

Ereignis

Alter 30–31

31

31–36 36–38 37

38 38–41

38 41–52 42

1. G. E. Lessing: Leben und Werk

1.1 Biografie Jahr

Ort

Ereignis

Alter

1772 1774–78

Emilia Galotti 43 Herausgabe der Fragmente eines 45–49 Ungenannten von Reimarus 1775–76 Reisen nach Leipzig, Berlin, Dresden und Wien Italien Reise durch Italien als Begleiter des Prinzen Leopold von Braunschweig 1776 Eheschließung mit Eva König 49 Herausgabe von Karl Wilhelm Jerusalems Philosophischen Aufsätzen 1777 Geburt eines Sohnes, der jedoch 48 bereits nach 24 Stunden stirbt 1778 Tod von Lessings Ehefrau Eva 49 Anti-Goeze Freimaurergespräche Ernst und Falk I–III 1779 Nathan der Weise 50 1780 Ernst und Falk IV–V 51 Die Erziehung des Menschengeschlechts 1781 Braunschweig Am 15. Februar stirbt Lessing 52 in Braunschweig.

1. G. E. Lessing: Leben und Werk

9

1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund: Lessings Breslauer Jahre, der Siebenjährige Krieg und das Lustspiel Minna von Barnhelm1 Arbeit am Lustspiel Minna

Am 20. August 1764 schreibt Lessing an Karl Wilhelm Ramler:

„Ich brenne vor Begierde, die letzte Hand an meine Minna von Barnhelm zu legen; und doch wollte ich auch nicht gerne mit halbem Kopfe daran arbeiten. Ich habe Ihnen von diesem Lustspiele nichts sagen können, weil es wirklich eins von meinen letzten Projekten ist. Wenn es nicht besser, als alle meine bisherigen dramatischen Stücke wird, so bin ich fest entschlossen, mich mit dem Theater gar nicht mehr abzugeben.“2 Fertiggestellt hat Lessing das Drama erst im Jahre 1767; gemeinsam mit Ramler hat er Szene für Szene seines Lustspiels noch einmal kritisch durchgesehen und anschließend eine Reinschrift verfasst. Das Konzept sowie die ersten Entwürfe für Minna von Barnhelm gehen allerdings auf das Jahr 1763 zurück. Wenn es unter dem Titel der Urhandschrift von Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück also (historisch nicht exakt) 1

2

10

Dieser Abschnitt des Erläuterungsbandes beschränkt sich auf Lessings „Breslauer Jahre“ und ihre Bedeutung für die Entstehung von Minna von Barnhelm. Weitere Informationen zu Lessings Leben und Werk können den Kapiteln 1.1 und 1.3 entnommen werden. Zu diesem Abschnitt (1.2) siehe u. a. Wilfried Barner/Gunter Grimm/Helmuth Kiesel, Martin Kramer u. a., Lessing. Epoche – Werk – Wirkung. Arbeitsbücher für den literaturgeschichtlichen Unterricht (Hrsg. Wilfried Barner/Gunter Grimm), Verlag C. H. Beck, München, 3. Aufl, München 1977, besonders S. 131–152, Karl S. Guthke, Gotthold Ephraim Lessing, Sammlung Metzler Band 65, 2. Aufl., Stuttgart 1967, besonders S. 40–47, Peter Haida, Kritik und Satire im Lustspiel. Georg Büchner: Leonce und Lena/Gotthold Ephraim Lessing: Minna von Barnhelm, Anregungen für den Literaturunterricht (Hrsg. Dietrich Steinbach), Klett Verlag, Stuttgart 1989, besonders S. 6–27, Paul Rilla, Lessing und sein Zeitalter (Beck‘sche Schwarze Reihe Band 150), 2. Aufl., München 1977, besonders S. 105–112 Lessing; Brief an Karl Wilhelm Ramler (20. 8. 1764), zitiert nach Lessings Werke in 2 Bdn. Bd. II (Tempel-Klassiker/Sonderausgabe, Wiesbaden o. J., Hrsg. Paul Stapf), S. 1098 1. G. E. Lessing: Leben und Werk

1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund heißt, das Drama sei „verfertiget im Jahre 1763“, so weist Lessing mit dieser Jahreszahl wohl bewusst auf den Siebenjährigen Krieg hin, der die historische Folie für sein Lustspiel lieferte, im Jahre 1763 endete und einen wichtige Periode im Leben Lessings selbst bestimmte. Der Siebenjährige Krieg zwischen Preußen und Österreich (1756–1763) war nicht nur ein Krieg zwischen diesen beiden Mächten, sondern weitete sich durch die Bündnisse, die beide Staaten geschlossen hatten, zu einem europäischen Krieg aus, der durch die Auseinandersetzungen der Kolonialmächte Frankreich und England mitbestimmt war. In der Westminsterkonvention vom Der Siebenjährige Krieg 16. Januar 1756 hatten sich Preußen und England zur gemeinsamen Abwehr jeglicher fremder Einmischungen in Deutschland verpflichtet (Preußen sagte den Schutz des englischen Hannover zu). Daraufhin wandte sich (das traditionell mit England verbündete) Österreich Frankreich zu, das bis zur Westminsterkonvention mit Preußen verbündet war. Dem österreichisch-französischen Bündnis vom Mai 1756 schloss sich als weiterer Bündnispartner Russland an. Friedrich II., der preußische König, marschierte im August 1756 in Sachsen ein, das er zu den Verbündeten Österreichs rechnete, und wandte sich im Jahre 1757 nach Böhmen. Den anfänglichen Siegen Preußens folgten in der wechselvollen Geschichte des Krieges schwere Niederlagen (z. B. bei Kolin, später in der Schlacht bei Kunersburg), aber auch weitere Erfolge auf den Kriegsschauplätzen (Burkersdorf). Die verlustreichen Schlachten des Krieges gingen einher mit wechselnden Kriegskonstellationen (so schloss Zar Peter III., der der Zarin Elisabeth gefolgt war, 1762 ein Bündnis mit Preußen) und einer wachsenden Kriegsmüdigkeit aller Parteien. 1. G. E. Lessing: Leben und Werk

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1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Als Gewinner aus dem Krieg ging letztendlich Großbritannien hervor, das Frankreich aus den Kolonien in Nordamerika, Ostindien und Afrika vertreiben konnte und sich im Friedensschluss von Fontainebleau (1762) mit Frankreich über eine Beendigung des See- und Kolonialkrieges verständigte. Im Februar 1763 kam es zum Frieden von Hubertusburg, der den Siebenjährigen Krieg beendete und den territorialen Besitzstand auf der Grundlage des Friedensvertrages von Dresden aus dem Jahre 1745 unverändert ließ. Lessing hat diesen Krieg aus eigenem Lessing als Sekretär General Erleben und aus eigener Anschauung von Tauentziens erfahren. 1758 hatte Lessing den preußischen General Bogislaw Friedrich von Tauentzien kennengelernt, in dessen Dienste er im November 1760 als Sekretär trat. In einem Brief an Karl Wilhelm Ramler äußert Lessing sich am 6. 12. 1760 über seine Motive, Berlin zu verlassen und in die Dienste Tauentziens zu treten, wenn er u. a. schreibt, ob Ramler nicht auch glaube, „dass es bald wieder einmal Zeit sei, mehr unter Menschen als unter Büchern zu leben? Dass man nicht bloß den Kopf, sondern, nach dem dreißigsten Jahre, auch den Beutel zu füllen bedacht sein müsse?“3 Der Wunsch nach materieller Sicherheit und das Interesse, neue Erfahrungen zu machen, sind zwei der Triebfedern für Lessings Entschluss. Über die Gründe Lessings, Berlin zu verlassen, schreibt Paul Rilla: „Es war die Übersättigung an einem Literaturbetrieb, der ihm die Lebensluft abzuschnüren drohte. Es war der Überdruss an einem Literaturwesen, worin das Leben der Literatur, das nationale und das gesellschaftliche, zu kleinen Facheitelkeiten verkümmerte. 3 4

12

Lessing, Brief an Ramler vom 6. 12. 1760, zitiert nach Stapf, S. 1087 Rilla, S. 100 1. G. E. Lessing: Leben und Werk