MiA und Mädchen

23.08.2018 - K.1, folgende Fragen gestellt: Die hohe Zahl weiblicher Teilnehmer*innen ist einer der. Punkte, der Mathe im Advent besonders stolz macht.
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Berlin, 22.08.2018 Wie war das noch gleich mit den Geschlechterklischees? Wir wollten herausfinden, wie es eigentlich um Mädchen und „Mathe im Advent steht.” Dafür haben wir drei teilnehmenden Klassen sowie ihren Lehrer*innen, Frau G., Frau P. und Frau K.1, folgende Fragen gestellt: Die hohe Zahl weiblicher Teilnehmer*innen ist einer der Punkte, der Mathe im Advent besonders stolz macht. Aber was steckt eigentlich hinter der Statistik? Wie gestaltet sich der Alltag im Klassenzimmer? Haben Mädchen gleich viel oder sogar mehr Spaß als Jungs an den Aufgaben? Woran könnte das liegen? Welches Feedback bekommen Sie von Ihren Schüler*innen? An dieser Stelle muss sich “Mathe im Advent” leider kurz an die eigene Nase fassen. Die Art und Weise, wie wir unsere Fragen gestellt haben, impliziert die Annahme, dass Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen (könnten). Wenn man es genau nimmt, war das leider Sexismus. Die Antworten waren dennoch spannend! Inwiefern spielen Stereotype in der Mathematik eine Rolle? Da der Gegenstand der Mathematik doch eigentlich ein abstrakter ist und auf Logik basiert, schien Forschung zum Verständnis von Geschlecht und der Rolle der Frau in Bezug auf die dazugehörige Wissenschaft lange Zeit uninteressant. Aber auch die Mathematik ist eine über 2500 Jahre gewachsene, lange Zeit von Männern dominierte Wissenschaft, in welcher Geschlechterstereotype gezwungenermaßen eine Rolle spielen. Ausgangspunkt für erste Untersuchungen diesbezüglich waren Befunde zu geschlechterspezifischen Leistungsunterschieden zwischen Jungen und Mädchen sowie einer damit einhergehenden Distanz zur Mathematik, welche sich in Kurs- Studienfach- und Berufswahl niederschlug. Ursachen hierfür, welche durch eine weitgehende Sensibilisierung inzwischen bekannt sind, sind geringeres fachbezogenes Selbstvertrauen, Geschlechterrollenklischees in Schulbüchern, Stereotypisierung als ‘männliche’ Mathematik, Einstellungen und Erwartungen von Eltern- und Lehrerpersonal. Zu Beginn der kleinen Exkursion zum Thema „MiA und Mädchen” wollen wir uns in Erinnerung rufen, was Geschlechterklischees beziehungsweise Geschlechterstereotype eigentlich sind. Geschlechterstereotype werden verstanden als kognitive Strukturen, die in der Gesellschaft geteiltes Wissen über charakteristische Merkmale von Männern und Frauen enthalten. Sie bestehen aus individuellem Wissensbesitz einerseits und aus kulturell geteiltem Verständnis andererseits. Geschlechterstereotype sind sowohl deskriptiv als auch präskriptiv: Traditionelle Annahmen wie Frauen und Männer sind werden gekoppelt mit Erwartungen, wie Männer und Frauen sein sollen. Es handelt sich um fest in der Gesellschaft verankerte Strukturen, die in der Vielschichtigkeit ihrer Faktoren nur schwer zu erfassen und zu erforschen sind. Erste kategoriale Unterscheidungen in Bezug auf das Geschlecht finden sich bereits bei Kleinkindern. Bis zur Grundschule haben sich relativ strenge Rollenvorstellungen entwickelt, welche sich beispielsweise bei der Spielzeug- oder Hobbywahl zeigen. Kinder, welche sich nicht ‘normkonform’ verhalten, stellen für die 1

Die Namen der Lehrerinnen wurden für diesen Artikel geändert, die echten Namen sind der Redaktion bekannt.

Spielkameraden oftmals ein Problem dar. Erst mit Beginn der Pubertät weichen die strengen Vorstellungen wieder auf, man beginnt, das andere Geschlecht wahrzunehmen. „Bei den Jungs muss es oft schnell gehen, Mädchen arbeiten da gewissenhafter.” Frau G. sieht die Stärke einer außerschulischen Auseinandersetzung mit Mathematik darin, dass Jungen und Mädchen gleichermaßen die Erfahrung machen: Ich kann Mathematik! So setzen sich Geschlechterklischees gar nicht erst fest. Eine weitere wichtige Funktion an dieser Stelle haben die Lehrer*innen inne: Ihr Vorbild motiviert die Kinder und Jugendlichen. „Kinder in dem Alter (Klasse 5-7) lernen und arbeiten fast nie für die Sache an sich, sondern meistens für die Person, die ihnen die Sache nahebringt.” Hauptproblematik sieht Frau G. darin, dass Mädchen bei der späteren Studien- und Berufswahl teilweise noch immer zaghaft sind und MINT nur dann wählen, wenn sie wirklich gut sind. Statistisch gesehen fangen zwar gleich viele Mädchen wie Jungs ein Hochschulstudium der Mathematik an, Diplom und höheres Lehramt eingeschlossen. Je höher der akademische Grad, desto weniger Frauen werden es jedoch. Unter den Professor*innen sind nur noch 4% weiblich. Frau P. hat sich ebenfalls mit den Schüler*innen ihrer Klasse über Mathematik unterhalten. “Sie finden gar nicht, dass es eine Besonderheit der Geschlechter bei der Mathematik gibt.” Auch an dieser Stelle ist die Vorbildfunktion von Eltern und Lehrern ein entscheidender Faktor. Sobald Väter sich aktiv am Familienalltag beteiligen, Mütter den Mehrverdienerpart übernehmen und auch die Lehrer die Kinder zum Mathemachen motivieren, stehen auch in Bezug auf die spätere Berufswahl keine Klischees im Weg. In Bezug auf ”Mathe im Advent” habe sie schon viel gesehen: “Sehr motivierte Mädchen und sehr motivierte Jungen, die die Klasse gut mitziehen, gerade im Hinblick auf das Durchhalten des täglichen Eingebens der Lösungen. Zugleich Kinder (Jungen und Mädchen), die von den Aufgaben überfordert sind und weder selbst den Antrieb haben noch Unterstützung zuhause finden, sich trotzdem an die Aufgaben zu setzen.” Natürlich gäbe es im Unterricht immer starke Leistungsunterschiede – diese könne sie aber keineswegs einer Geschlechtergruppe zuordnen. Da wir Mathematiker Zahlen lieben, noch ein Kommentar zu einer Umfrage, welche Frau K. unter ihren Schüler*innen der Klasse 6-10 durchgeführt hat. Besonders stolz machte uns bei der Auswertung, dass 47 der 50 befragten Jungs und alle 75 Mädchen der Meinung sind, “Mathe im Advent” wäre für Mädchen und Jungen gleichermaßen interessant. Auch der mathematische Hintergrund der Aufgaben hat bei Mädchen und Jungs fast gleichermaßen Erfolg. Interessant hierbei: Die Schüler gingen eher davon aus, dass ihre Schulkameradinnen sich von den mathematischen Inhalten angesprochen fühlen - bei den Schülerinnen war diese Vorstellung genau umgedreht. Die einzigen Unterschiede zwischen Mädchen und Jungs, welche sich anhand der Umfrage (vorsichtig) feststellen lassen: Mädchen neigen eher zur Diskussion und lösen die Aufgaben gemeinsam, so 15 der insgesamt befragten Jungs und 30 der insgesamt befragten Mädchen. 24 der 127 Kinder gehen außerdem davon aus, dass die Wichtelgeschichten mehr Mädchen als Jungs ansprechen. Grundsätzlich lässt sich festhalten: Mathe macht Spaß, unabhängig vom Geschlecht. Gibt es Ungleichheiten in der Selbst- und Außenwahrnehmung der Kinder, welche es anzugehen gilt? Ganz bestimmt. Das größte Klischee überhaupt: Mathe ist ein Fach für Jungs.

Schülerinnen zu Mathematik: "Ich mag die Wichtelgeschichten. Außerdem finde ich es motivierend, dass es ein Wettbewerb ist. Da sieht man am Ende, wenn man 24 richtige Lösungen hat, dass man richtig gut war." (Schülerin Klasse 7) "Mathe macht allen gleich viel Spaß. Es hängt nicht vom Geschlecht ab." "Mathe ist eher ein Mädchenfach." "Ich mag gerne Brüche." „Mathe ist wichtig. Macht vielleicht nicht immer Spaß, aber ich brauche es z.B. um Wechselgeld zu überprüfen." "Mathe ist wichtig. Wenn ich später arbeite, muss ich Abrechnungen überprüfen. Und mit dem Geld auskommen." "Mathe macht Spaß. Geometrie macht mir nicht so Spaß. Schriftliches Rechnen mag ich mehr."