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MICHAEL WIEDMAIER. MITARBEIT UND TECHNISCHE BERATUNG .... enhafte Definition nachvollziehen, dass es sich bei den beiden genannten Wagen um ...
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MERCEDES-BENZ MYTHOS IN VIER GENERATIONEN

MICHAEL WIEDMAIER MITARBEIT UND TECHNISCHE BERATUNG

HELMUT SCHATTENKIRCHNER

MERCEDES-BENZ

300

MYTHOS IN VIER GENERATIONEN klassisch - modisch - funktional - kraftvoll

Der Verlag über das Buch: 386 Seiten, mehr als 600 Abbildungen zumeist in Farbe Tabellen, Register, Konstruktionszeichnungen

Aus dem Inhalt: Der Mercedes-Benz 300 Adenauer Die Mercedes-Benz 300 Typen S und Sc Sondermodelle,Staatskarossen, Wendler Coupé, Station Wagon, Kombi-Versuch, Pininfarina, Ghia-Alungata, Ghia-King Ibn-Saud, Der Mercedes-Benz 300 SE Heckflosse, Der Mercedes-Benz 300 SE Coupé und Cabriolet, Der Mercedes-Benz 300 SE "Neue Generation", Der Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 - 3.5 - 4.5, Der Mercedes-Benz 300 SE W 112 6.3 als Coupé und Cabriolet, Das 300 SEL 6.3 Coupé Pininfarina,

Wolfgang M. BUCHTA Klosterneuburg schreibt: „Mercedes-Benz 300. Mythos in vier Generationen: Klassisch - modisch - funktional - kraftvoll

Die Zahl "300" hatte bei Mercedes-Benz als Typenbezeichnung schon immer eine spezielle Bedeutung - der klassische 300, der "Adenauer Mercedes", der 300 SL, der 300 SE, die erste S-Klasse mit Heckslossen und schließlich die 300 und 300 SEL der Baureihen W 108 und W 109. Auf 385 Seiten hat Wiedmaier, manchen wird noch sein Buch über den Mercedes 600 in Erinnerung sein, die Geschichte dieser Legende dokumentiert. Daten, Fakten, Historie sowie eine bemerkenswerte Fülle an Abbildungen machen dieses schöne Buch zum wahrscheinlich definitiven Werk zu diesem Thema. Besonders erfreulich ist die Behandlung zahlreicher, ziemlich unbekannte, Sondertypen.“

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ISBN-Nummer: 3-9807271- 8 - 1

Umschlagfoto Titelseite und Innentitel: Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn Umschlagfoto Rückseite: Cornelius Braun

INHALT

Statt eines Vorwortes - kleiner Exkurs über das Sammeln Die magische Zahl 300

Der klassische Mercedes-Benz 300

Die Baureihe 300 (W 186 II - IV) Fahrimpressionen im Mercedes-Benz 300 Exkurs über die Zentralschmierung Der Mercedes-Benz 300d (W 189) Fahrimpressionen im Mercedes-Benz 300d Die Zweitürer Typ Mercedes-Benz 300S (W188) und 300Sc (W188II) Fahrimpressionen im 300S Die Mercedes-Benz 300 Pinin Farina Sondermodelle Die Mercedes-Benz 300 Sondermodelle von Ghia Sondermodelle des Typs Mercedes-Benz 300 aus Deutschland Der Mercedes-Benz 300 Estate-Wagon

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Mercedes-Benz 300 SE und 300 SE lang (W 112) Exkurs über die Luftfederung Fahrimpressionen im Mercedes-Benz 300 SE und 300 SE lang Mercedes-Benz 300 SE im Rennsport Mercedes-Benz 300 SE Coupé und 300 SE Cabriolet Fahrimpressionen im Mercedes-Benz 300 SE Coupé und 300 SE Cabriolet Innovative Techniken beim Mercedes-Benz 300 SE

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187 195 209 211 217 223 236 247

Mercedes-Benz 300 Seb (W108 IV) und 300 SEL (W 109 III)

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257 261

Der Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 Das Kraftfahrzeug - Fahrimpressionen im Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 Mercedes-Benz Straßen- und Renntourenwagen von AMG Die sanften Gleiter - Mercedes-Benz 300 SEL 3.5 und 300 SEL 4.5 Fahrimpressionen im Mercedes-Benz 300 SEL 3.5 Fahrimpressionen im Mercedes-Benz 300 SEL 4.5 Mercedes-Benz 300 SE Coupé 6.3 und 300 SE Cabriolet 6.3 Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 Coupé Speziale Pininfarina Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 Station Wagon Der Mercedes-Benz 6.3 als Hot Rod Technik, Maße, Daten

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269 273 301 309 317 325 329 331 343 347 349 355

Der Mercedes-Benz 300 SL

Der modische Mercedes-Benz 300 SE

Der funktionale Mercedes-Benz 300 SE W 108/ W 109 Der kraftvolle Mercedes-Benz 300 SEL - (W 109)

Statt eines Vorwortes kleiner Exkurs über das Sammeln A

ls ich damit begann, mich mangels existierender Fachliteratur mit dem Sammeln von Informationen zum Thema Mercedes-Benz 600 zu befassen, war davon auszugehen, dass dieses Sammelgebiet eigentlich sehr eng umrissen sei. Bald erkannte ich, dass tatsächlich kaum eines der 2.677 gebauten Exemplare einem anderen glich. Außerdem gibt es da noch die Derivate, welche über den gleichen M-100-Motor verfügen wie auch der 600 und insofern auch zur Familie gehören. Dieses sich immer umfangreicher darstellende Thema war in einem Buch nicht abzuhandeln. Deshalb reifte die Überlegung zur ausführlichen Beschäftigung mit der Thematik des M 100 Motors, der in abgewandelter Form sowohl in die Fahrzeuge der "Neuen Generation" als auch in solche der ersten "S-Klasse" Einzug hielt. Die Rede ist hier vom 300 SEL 6.3 (W 109) und vom 450 SEL 6.9 (W 116). Deshalb entschloss ich mich dazu, den Baureihen W109/E 63 und W116/E 69 mehr Aufmerksamkeit zu widmen, die zur Entstehung eines weiteren Buches, sozusagen als Fortsetzung gedacht, führen sollte. Geht man davon aus, dass der Charakter eines Automobils ganz wesentlich von seiner Motorisierung geprägt ist, ja dessen Wesen entscheidend hiervon bestimmt wird, kann man leicht die natürlich etwas laienhafte Definition nachvollziehen, dass es sich bei den beiden genannten Wagen um 600 im zivilen Anzug handele. Ebenso war im Sprachgebrauch auch schon die Rede vom "Kleinen 600" zu vernehmen. Gemeint war hier der 300 SEL 6.3. Eigentlich erschien es zunächst legitim, ein ganzes Buch den Fahrzeugen zu widmen, die lediglich besondere Ausführungen zweier über etliche Jahre hinweg produzierter Modellreihen sind. Im Zuge der intensiven Beschäftigung mit der Thematik wurden neue Erkenntnisse gewonnen, welche zu einer erheblichen Relativierung der ursprünglichen Betrachtungsweise führten. Während Herkunft und historischer Bezugsrahmen beim W 100 linear herzuleiten sind, stellt sich dieses Bemühen beim "kleinen 600" als wesentlich schwieriger dar. Sein genuines Merkmal ist eben nicht nur der M 100. Vielmehr stellt sein Name, die Ziffernfolge 300, die Aufforderung dar, nach dem Vorher zu fragen. Rasch gelangt man bei dieser automobilhistorischen

Suche zu der Überzeugung, dass die eingangs formulierte Überlegung in jedem Fall zu kurz gegriffen hätte. Mit der selbstauferlegten Beschränkung auf die besonderen Typen zweier Modellreihen hätte man den Interessen und Wünschen der Mercedes-Benz-Freunde nicht gerecht werden können. Daraus hat sich nun eine umfangreichere Betrachtung entwickelt und gleichzeitig wurde auf etwas ursprünglich Geplantes verzichtet. Im vorliegenden Band gilt die Beschäftigung ausschließlich dem Namen als Ziffernfolge 300. In der Zukunft wäre eine eingehendere Behandlung des Themas "Mercedes-Benz S-Klasse", die tatsächlich offiziell erst mit der Baureihe W 116 ihren Anfang nahm, denkbar. Hier wäre dann auch der richtige Ort und gebührende Rahmen für die Präsentation des W 116 E 69 mit dem bürgerlichen Namen 450 SEL 6.9 gegeben. Mit dem nun vorliegenden Band wird der automobilhistorische Bogen, beginnend im Jahr 1951 mit der Vorstellung des ersten Mercedes-Benz 300 und endend im Jahr 1972 mit der Produktionseinstellung des Mercedes-Benz 300 SEL 6.3, geschlagen. Die wesentlichen Details aller während dieser Zeitspanne produzierten Mercedes-Benz 300 Wagen werden aufgezeigt und überwiegend werden diese Wagen mittels aktueller Fotoproduktionen auch visuell dokumentiert. Anhand der in diesem umfangreichen Sammelband editierten Informationen und Abbildungen lässt sich leicht nachvollziehen, warum der Name MercedesBenz 300 bis heute überall auf der Welt einen legendären Ruf besitzt. Insofern versteht sich dieses Buch auch als Fortsetzung und gleichzeitig als wesentlicher Baustein einer Chronologie der historsichen Personenwagen von Mercedes-Benz, die im Jahr 1999 mit dem Buch über den Großen Mercedes der Nachkriegsära begründet wurde. Michael Wiedmaier im November 2003

Überarbeitete und leicht modifizierte Fassung für die Ausgabe als e-book und private Buchedition. Michael Wiedmaier im November 2014

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Archiv Haus der Geschichte

Die magische Zahl 300 W

ährend der Zeitspanne von Anfang der 50er Jahre bis Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts kam der Ziffernfolge 300 eine gewisse Magie zu, zumindest in Bezug auf Automobile der Marke Mercedes-Benz. Diese Magie wurde erst durch Verdoppelung des Zahlenwertes, woraus die Ziffernfolge 600 entstand, noch einmal spektakulär übertroffen. Allerdings bewegten sich die Wagen mit der Bezeichnung 600 während ihrer Bauzeit (1964 bis 1981) fast ausschließlich in Sphären, in denen sich vorzugsweise Hochadel, Staatsoberhäupter oder Filmstars zu Hause fühlen. Industriekapitäne, Bundeskanzler oder auch die Vorstände der Daimler-Benz AG bevorzugten dann doch eher Fahrzeuge des Hauses DaimlerBenz mit der Typenbezeichnung 300. Somit konnten die 300er aller Ausführungen und Varianten bis in die 70er Jahre hinein ihr hohes Ansehen bewahren. Erst durch das Erscheinen der Baureihe W 116, deren Exponate nun mit der Ziffernfolge 350 und 450 versehen worden waren, verlor die magische Zahl 300 im eigentlichen Sinn ihre ursprüngliche Bedeutung. Um so mehr genießen alle Mercedes-Benz 300-Typen bei Sammlern und Liebhabern in aller Welt bis heute eine immens hohe Reputation. Automobilhistorisch ist es nicht sinnvoll, das Erscheinen des ersten 300 auf der Weltbühne ausschließlich im Hinblick auf dessen messbare Daten und die Wirkung seiner Aufmachung und seines Aussehens hin zu betrachten. Nur im relativierenden Bezug des damals neu erschienenen 300 zu seinen Ahnen und zu seinen Mitbewerbern kommt man der Intention seiner Schöpfer auf die Spur. In der einen Richtung, nämlich zurückblickend, versuchte Daimler-Benz mit dem 300 die Leere auszufüllen, die von Wagen wie den 320 und 500 Modellen aus den 30er Jahren hinterlassen worden war. In der anderen Richtung, mit Blick auf zukünftige Entwicklungen auf dem Automobilmarkt, sollte der Anspruch erfüllt werden, wieder zu den besten Exponaten der Weltklasse aufzuschließen. Gleichzeitig konnten diese Überlegungen aber nicht durch pures Wachstum in Blechfülle, Ausstattungskomfort und Hubraumgröße erfüllt werden. Denn auch der spürbare, eher durch Bescheidenheit gekennzeichnete Zeitgeist, der durch die miserablen materiellen und wirtschaftlichen Bedingungen kurze Zeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges bestimmt war, musste berück-

sichtigt werden. Auf die einfache Formel gebracht sollte mit geringerem Aufwand eine größere Wirkung erzielt werden. Praktisch gesehen hätte man einfach dort anknüpfen können, wo man vor dem Krieg aufgehört hatte. Hubraumstarke Acht- oder gar Zwölfzylindermotoren befanden sich damals bei Daimler-Benz in der Erprobung. Wie groß die Berechtigung der einst getroffenen Entscheidungen bei Daimler-Benz war, bestätigt die historische Betrachtung im Rückblick. Markennamen mit Weltgeltung wie Isotta-Fraschini in Italien, Hispano-Suiza in Spanien, Bugatti, Talbot und Delahaye oder Delage in Frankreich, Bentley in England, Duesenberg in den USA oder Maybach in Deutschland waren entweder sang- und klanglos verschwunden, scheiterten nach zaghaften Wiederbelebungsversuchen oder wurden von finanzkräftigen Marken geschluckt und nur deren ursprüngliche Namen lebten weiter. Der klugen und weitblickenden Konzernstrategie der Verantwortlichen bei DaimlerBenz ist es letztlich zu verdanken, dass im Jahr 2002 die traditionsreiche deutsche Marke Maybach als Schwester von Mercedes-Benz unter einem gemeinsamen Konzerndach wiedergeboren werden konnte. Einen Anhaltspunkt für die zunächst eher bescheidene Entwicklung der Verkaufszahlen bei der Daimler-Benz AG, die nicht am Umsatzboom der frühen 50er Jahre beteiligt war, vermittelt deren zeitgenössische Werbeanzeigen. Die hier abgebildeten edlen Limousinen und Luxuscabriolets wirken in der deutschen Nachkriegswerbung fast anachronistisch. Ist es nicht aber verständlich, dass insbesondere der älteste Automobilhersteller, welcher der exklusiven privaten Nutzung des Kraftwagens seinen Aufstieg verdankt, der Idee von der Nobelkarosse am ausdauerndsten anhängt? Für die Daimler-Benz AG erwies sich dieses konsequente Festhalten an der kostenintensiven oberen Mittelklasse beziehungsweise der Oberklasse später als kluge Strategie. Sie sicherte den Stuttgartern die relative Unabhängigkeit von Absatzeinbrüchen, die beispielsweise in der zweiten Hälfte der 60er Jahre den meisten westdeutschen Herstellern Sorgen bereiteten. Letztendlich entschied in den 50er Jahren der Markt, welche Marken unter den komfortablen Hochleistungswagen erfolgreich weiterleben durften. Die Entscheidung fiel eindeutig aus. Nicht nur deutsche

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Spitzenpolitiker der damaligen Zeit, allen voran Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer, sondern auch Staatsoberhäupter anderer Länder, achtenswürdige Häuser des internationalen Hochadels, Filmschauspieler, berühmte Künstler und Sportler sowie Industriemagnaten entschieden sich für das Fahren im Mercedes-Benz mit dem Namen 300. Aus einer Meldung des Berliner Anzeigers vom 25. Januar 1952 geht hervor, dass sich sogar der französische Hohe Kommissar in Deutschland, André Francois-Poncet eine schwarze Mercedes-Benz-Limousine vom Typ 300 als Dienstwagen angeschafft hatte, die den ihm bis dahin dienenden französischen Delahaye ablöste. Hier zeigen wir nur eine Auswahl der illustren Eigner und Nutzer der Baureihe 300:

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Vatikanstaat, Papst Johannes XXIII König Baudouin von Belgien König von Marokko Paul I, König von Griechenland Reza Pahlewi, Schah von Persien König Hussein von Jordanien König Ibn-Saud König Feisal II von Irak König Idris I von Libyen Königshaus von Schweden Königshaus von Norwegen Kaiser Haile Selassie von Äthiopien Kaiser Hirohito von Japan Sultan Mohammed V von Marokko Karim Aga Khan Prinz Alfonso von Hohenlohe Regierung von Jugoslawien Regierung von Polen Regierung von Ungarn Regierung von Finnland Regierung von Südafrika

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Regierung von Ostafrika Adolfo Lopez-Mateos, Präsident von Mexico Stewart Granger Clark Gable Telly Savalas Yul Brynner Errol Flynn Anthony Quinn Judy Garland Anita Ekberg Bing Crosby Gary Cooper Joshua Logan, Filmregisseur und Produzent Al Hirt, "König der Trompete" Jimmy Page, legendärer Gitarrist der Band "Led Zeppelin" Maria Callas Ella Fitzgerald Muhammad Ali Frank Lloyd Wright, Architekt William Randolph Hearst, Verleger Roy T. Hurley, Industriemagnat General Lucius D.Clay, ehemals Kommandant der U.S. Streitkräfte in Deutschland.

Nun stellt man ganz einfach fest, dass die oft kolportierte Absicht Ettore Bugattis, die er mit dem Angebot seines Typ 41 - auch "La Royale" genannt - angeblich im Sinn führte, nämlich für eine standesgemäße Fortbewegung der gekrönten Häupter dieser Welt zu sorgen, nicht von diesem Meister der Automobilbaukunst realisiert wurde, sondern vom Hause MercedesBenz in Stuttgart. Aber nicht nur von der Aura aus "Tausendundeinernacht" umweht, hatte der Mercedes-Benz 300 seinen Siegeszug als Fahrzeug der relativ, nicht absolut betrachteten Kategorie "Top-of-the-line" angetreten.

zwischen den großvolumigen Kompressorwagen der Vorkriegszeit, wobei der Typ 770 natürlich ausdrücklich ausgenommen ist, und den 300 der unmittelbaren Nachkriegszeit herzustellen, ohne schieres Wachstum bemühen zu müssen. Mit geringeren vorhandenen Mitteln wurde das Maximale erreicht. Wie man sieht, ereignete sich hier tatsächlich "ein Vorsprung durch Technik". Mitte der 60er Jahre vollzog sich auf der Basis des umfangreich und sprachgewaltig von dem Soziologen Prof. Dr. Helmut Schelsky abgehandelten Theorems der "Nivellierten Mittelstandsgesellschaft" ein Wandel des Zeitgeistes. Schelsky hatte diesen Wandel nicht hervorgerufen, sondern nur thematisiert, allenfalls verstärkt und dessen legitimatorischen Überbau hervorgebracht. Das Individualistische war verpönt. Man meinte, die Grenzen des möglichen Wachstums der Gesellschaften in der westlichen Welt erkennen zu können. Aufzufallen wagten nur noch die Mutigen, die dann ihren Mercedes-Benz 600 ab und an auch aus der Garage holten, um mit ihm zu fahren. Ganz im Gegensatz dazu wirken unsere Nachbarn in der Schweiz auch heute noch immer sehr erfrischend in ihrer Unbekümmertheit, mit der sie große Wagen chauffieren. Ebenso zeichnet die Schweizer in ganz besonderem Maße auch das Talent aus, automobilhistorische Kulturgüter zu pflegen und zu bewahren. Dieses sei jedoch nur eine Bemerkung am Rande. Daimler-Benz begab sich also in dieser Situation daran, das eigentlich Unmögliche möglich zu machen und baute tatsächlich den Typ 600. Als flankierende Maßnahme hatte man allerdings schon rechtzeitig, eine Weile vor dem Erscheinen des neuen Großen Mercedes, damit begonnen, eine Zeit des sachten Überganges einzuleiten. Man begann damit, den 300 in einem unscheinbaren Kleid zu verstecken. Das auf diese Weise neu geschaffene

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Selbstverständlich fand man ihn in unterschiedlichen Ausführungen auch in den ständigen Fahrbereitschaften des deutschen Bundespräsidialamtes oder des Bundeskanzleramtes. Darüber hinaus hatte er sich auch als komfortabler und eleganter Reise- und Repräsentationswagen für Führungskräfte in der Deutschen Wirtschaft etabliert. Bei der Entscheidung der internationalen Käuferklientel für den Mercedes-Benz 300 spielte keineswegs das Zahlenwerk auf dem Papier eine Rolle, sondern vielmehr der effiziente Nutzen, den der Wagen damals seinen Fahrgästen zur Verfügung zu stellen in der Lage war. Werner Oswald bemerkt dazu in der Motor Revue vom Herbst 1952: "Bei einem ausgesprochenen LuxusFahrzeug aber ist diese individualistische Eigenwilligkeit vielleicht gewichtiger als der mögliche Gewinn an Geschwindigkeit und Verbrauch." In der Folge macht Oswald deutlich, dass mit dem 300 eine ganz neue Gattung von Ausnahmeautomobil entstanden ist, welches in seiner Erscheinung und den darin verborgenen Möglichkeiten ganz und gar den tatsächlichen Anforderungen seiner Zeit gerecht wird. Denn den nachhaltigen Eindruck, der bei dem nicht unmittelbar am Erwerb dieses Wagens interessierten Fachmann entsteht, vermittelt "zweifellos jener Fortschritt an Automobiltechnik, den gerade dieser Wagen augenscheinlich werden läßt. Er erreicht Fahrleistungen, die früher nur sehr schweren Wagen mit Kompressormotoren vorbehalten waren, mit viel geringerem Aufwand, vor allem mit wesentlich kleinerem, leisen und relativ wirtschaftlichen Motor. Dabei verfügt er über beste Fahreigenschaften, ohne harte Federung und (er) setzt keinerlei Einschränkungen in Bezug auf Geräumigkeit und Ausstattung voraus." Fortschritt wird hier also deutlich, indem es den Ingenieuren von Daimler-Benz gelungen ist, eine Ebenbürtigkeit in Fahrleistung, Eleganz und Komfort

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Archiv Haus der Geschichte

Automobil, also der 300 SE, sollte komfortables Reisen mit angemessenen Geschwindigkeiten ermöglichen. Gleichzeitig hatte er aber auch die Aufgabe zu erfüllen, die Ziffernfolge 300 und die damit in Verbindung zu bringende Bedeutung in einen anderen Abschnitt der Zeitgeschichte hinüber zu transportieren. Man kannte den Mercedes-Benz 220 als einen modernen Wagen. In seiner Trapezform mit angedeuteten Stilelementen, die eher ganz entfernt an zu jener Zeit in Amerika bevorzugte Ausprägungen der Automobilkarosserien erinnern, befand er sich völlig auf der Höhe der Zeit. Als direkter Nachfolger der Baureihen W 180 beziehungsweise W 128 (Pontonmercedes 220, 220 S, 220 SE) zählte er im internationalen Vergleich zur automobilen Mittelklasse. In Bezug auf seine Mitbewerber in Deutschland gehörte der 220 SE aber bereits zu den großen, schnellen Wagen. Der Mercedes-Benz 300 SE im Kleid der Mittelklasse blieb schon allein aufgrund seiner relativ geringen Stückzahl eine eher seltene Erscheinung. Man konnte ihn nur an der Typenbezeichnung auf dem Kofferraumdeckel und anhand seines vermehrten Chromschmuckes identifizieren.

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Das wahre Kind seiner Zeit war allerdings der 300 SE im Kleid der "Neuen Generation". Er präsentierte sich unprätentiös bis unscheinbar und dabei doch flott und für seine Insassen bequem. Furore zu machen und die Magie der Zahl 300 wiederzubeleben gelang diesem Mercedes-Benz erst wieder nach der erfolgten Transplantation des 600-Herzens. Der ursprüngliche Zauber war wieder zurückgekehrt, nicht im glamourösen Ballkleid, sondern im schicken Business-Kostüm, aber mit einer technischen Überlegenheit, gegen welche weit und breit kein ernsthafter Konkurrent auszumachen gewesen wäre. Welcher Erfolg wäre dem Mercedes-Benz 300 SE der Neuen Generation erst vergönnt gewesen, wenn sich der Vorstand von Daimler-Benz hätte dazu entschließen können, den Empfehlungen seines Entwicklers, Diplomingenieur Erich Waxenberger, zu folgen und die ursprünglich ins Auge gefassten Varianten eines zweitürigen Coupés beziehungsweise Cabriolets mit dem Vornamen W 112 der viertürigen Limousine zur Seite zu stellen! Jedenfalls gelang es Daimler-Benz mit diesem späten Nachkömmling, der gesamten Familie 300 zu noch mehr raffiniertem technischen Glanz zu verhelfen.

Der klassische Mercedes-Benz 300 U

m das Wesen einer Baureihe von Mercedes-Benz zu erfassen, muss man nicht in deren Ahnengalerie bis zu den Wurzeln des Automobils zurückgehen. Im Fall der Mercedes-Benz 300-Baureihen vom Typ W 186, vom Typ W 188 und vom Typ W 189 sucht man direkte Vorgänger sogar vergeblich. Allenfalls mögen Analogieschlüsse in Bezug auf manche Ähnlichkeit zu Kompressormodellen der Vorkriegszeit erlaubt sein. Hingegen gab es spätere Modellreihen mit der gleichen Typenbezeichnung, die man eingehender betrachten sollte. Schließlich ist die Namensgleichheit kein Zufall. Allerdings hatten die 300er der genannten Baureihen auch keine direkten Nachfolger. Die Vorfahren des späteren Großen Mercedes der Baureihe W 100, des 600, waren die Großen Mercedeswagen der Vorkriegszeit, namentlich die Baureihen W 07 und W 150, bekannt unter der Typenbezeichnung 770 oder Großer Mercedes. Nur diese drei Baureihen, denen vom Werk der Beiname "Großer Mercedes" zugestanden worden war, sind eindeutig Vertreter einer "Sonderklasse", die noch über der üblichen "Oberklasse" positioniert ist. Aktuell vergleichbar wäre da nur der im Jahr 2002 präsentierte Maybach oder als zeitgenössischer Vertreter einer Konkurrenzmarke der Rolls-Royce Phantom VI. Nach der Produktionseinstellung des W 189, also des 300d, verlegte sich Daimler-Benz auf die Herstellung zwar auch luxuriöser, aber eher der oberen Mittelklasse zuzurechnender Wagen, den Modellen 300 SE (W 112) einerseits und des Nonplusultras unter den Großlimousinen im damaligen Automobilbau, dem Mercedes-Benz 600 andererseits.

Zunächst einmal erscheint eine Betrachtung der historischen Situation als sinnvoll. Während dieser frühen Wiederaufbaujahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Alltag in den Besatzungszonen beziehungsweise auch noch später in der jungen Bundesrepublik von einer allgemeinen Knappheit geprägt. Nicht nur die Rohstoffe für den Bau von Automobilen waren knapp, sondern auch die entsprechenden Betriebsstoffe. Aufgrund der vorhandenen Maschinen und Herstellungseinrichtungen bestimmten zunächst Vorkriegsmodelle die Aufnahme von Neuproduktionen in der deutschen Automobil-

industrie. Mitte des Jahres 1945 waren die Werkshallen von Daimler-Benz in Sindelfingen, BerlinMarienheide, Gaggenau und Untertürkheim fast völlig zerstört. Dennoch wurden auf der Grundlage einer Produktionserlaubnis der amerikanischen Besatzungsmacht bereits ab November wieder Autos montiert, vorerst allerdings nur Lieferwagen sowie leichte bis mittlere Lastkraftwagen. Ein Jahr später begann in Untertürkheim unter schwierigsten Bedingungen die Herstellung der ersten Personenwagen nach Kriegsende. Zunächst wird der Typ 170 V produziert, der bereits zwischen 1936 und 1942 gebaut worden war. Bis zur Währungsreform waren davon bereits 6.738 Einheiten entstanden. Von 1949 an gibt es den 170 D mit Diesel-Motor und den in seinem Erscheinungsbild zurückhaltend modifizierten 170 S in etwas komfortablerer Anmutung. Zu den hervorragenden Tugenden dieser damals neuen Automobile gehörten deren praktische Nutzbarkeit, die kleine Form und der sparsame Verbrauch. Wer um 1950 einen großen Wagen fahren wollte, musste entweder auf ein vielleicht neu eingekleidetes Vorkriegsmodell, beispielsweise von Mercedes-Benz, Horch oder Maybach zurückgreifen oder man erwarb ein Automobil vorzugsweise aus us-amerikanischer oder britischer Produktion. Erst 1951 wird mit dem Mercedes-Benz 300 ein völlig neues Fahrzeug angeboten.

Mit der Präsentation des Mercedes-Benz 300 im April 1951 auf der Internationalen Automobil Ausstellung in Frankfurt am Main gelang Daimler-Benz sowohl bei Fachleuten als auch bei privaten Besuchern eine große Überraschung. Bei dem hier gezeigten Wagen handelte es sich noch um einen Prototypen. Ende April 1951 standen die ersten Vorserienexemplare zur Verfügung, die dann einer intensiven Erprobung unterzogen wurden. Kleinere Mängel konnten so erkannt und bis zur Aufnahme der Serienproduktion beseitigt werden. Der Serienvorlauf startete im November zur Vorbereitung der eigentlichen Produktion mit neun Autos. Der Serienstart der Fahrzeuge begann dann ab Dezember des selben Jahres mit der Fertigung von 39 Wagen. Ab Januar 1952 lief die regelrechte Serienfertigung im vorgesehenen Umfang an. Pro Arbeitstag entstanden regulär zehn Exemplare. Ihrer Tradition folgend baute die Daimler-Benz AG in

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den Folgejahren das Angebot auf dem Sektor der anspruchsvollen Fahrkultur konsequent weiter aus. Nicht die auflagenstarke Unterklasse war Gegenstand der Umsatzstrategie, sondern die gehobene Mittelklasse und die Oberklasse, deren Marktsegmente mit einem breitgefächerten Sortiment abgedeckt wurden. Insofern konnte man bereits 1955 fünf verschiedene Modelle im Angebot finden. Eines ist hier schon klar erkennbar - die Untertürkheimer Autobauer wollten so schnell wie möglich Positionen in der exklusiven Oberklasse besetzen. Dieses Wunschziel ist bei der Daimler-Benz AG aus ihrer Geschichte her erklärbar. Aufgrund seiner kostenintensiven Anschaffungs- und Unterhaltsbedingungen war das privat genutzte Automobil während der frühen Jahrzehnte seiner Entwicklung das bevorzugte Objekt einer wohlhabenden Elite. Ohne Männer wie Emil Jelinek, ab 1900 Inhaber einer Verkaufsgesellschaft für DaimlerAutomobile, deren Alleinvertriebsrechte ihm unter

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dem Namen "Mercedes" für Österreich-Ungarn, Frankreich, Belgien und die Vereinigten Staaten von Amerika von der Daimler-Motoren-Gesellschaft eingeräumt wurden, hätte sich das Automobil mutmaßlich nicht so rasch durchgesetzt. Die sich hier deutlich abzeichnende Exklusivität, welche die Firmenpolitik der ältesten Automobilfabrik der Welt über viele Jahre hin maßgeblich beeinflusste, hat sich wohl sehr tief eingegraben. Insofern erscheint die Idee, teure Autos in kleinen Auflagen herzustellen als naheliegend. Betrachtet man vorgreifend die Produktionsentwicklung der Daimler-Benz AG bis in die 70er Jahre, so erweist sich das konsequente Festhalten an gehobener Mittelklasse und Oberklasse langfristig als erfolgreich. Mehr als alle anderen Automobilproduzenten ist Daimler-Benz unabhängig von konjunkturellen Bewegungen auf dem Automarkt. In der Rückbetrachtung erscheint es uns heute als ganz

selbstverständlich, dass einer der ersten 300 überhaupt am 8. Dezember 1951 an das Bundeskanzleramt in Bonn ausgeliefert worden war. Schließlich avancierte der damalige Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer aufgrund seiner bekanntermaßen ausgeprägten Vorliebe für diesen Wagen zum späteren Namenspatron für die gesamte 300 Reihe. Vom Erscheinungsbild her ergaben sich Anknüpfungspunkte an die eleganten im Werk Sindelfingen karossierten Mercedeswagen der späten 30er Jahre. Das war keineswegs ein Zufall. Ein Mann schuf bei Daimler-Benz während eines Zeitraumes von vier Jahrzehnten, zwischen den 30er und den 60er Jahren, noch heute vielbewunderte Meisterstücke des Automobildesigns. Er beherrschte jedes Detail der Karosseriegestaltung, vom ersten Strich auf dem Papier angefangen bis hin zur Endfertigung. Sein Name ist Hermann Ahrens. Die traditionellen Werte von hochwertiger Handwerkskunst wurden beim 300 mit zukunftsorientierter deutscher Ingenieurskunst zusammengefügt, um ein Automobil zu schaffen, das auf den Betrachter sowohl beruhigend und sicher als auch imponierend wirkt. Charakteristisch für den aristokratisch anmutenden Charakter dieser Ausnahmeautomobile stehen die geschwungenen, aber nur angedeuteten Kotflügelausprägungen, die in der Seitenansicht deutlich wahrzunehmen sind, das im Heckbereich abgerundete Dach, der gewölbte Kofferraumdeckel, die langgestreckte Motorhaube und natürlich der hochaufragende imposante Kühlergrill. Nach Angaben des Werkes erforderte die Produktion eines Mercedes-Benz 300 Adenauer insgesamt 1.020 Arbeitsstunden. Jedes Fahrzeug konnte darüber hinaus mit einer Vielzahl an Extras ausgestattet werden, angefangen bei besonderen Farbwünschen über Teppiche, Polsterung, Holzausstattungen bis hin zu technischen Extras wie Klimaanlage, Radio, Zusatzheizung, Trennscheiben, maßgefertigten Koffersätzen und anderem mehr. Die nunmehr angestrebten höheren Produktionszahlen der 300-Reihe bedingten eine grundsätzliche Abkehr von der Vorkriegsnormalität, der Kundschaft auch fahrfertige Chassis zum Kauf anzubieten, die diese dann bei Karosserieschneidern einkleiden lassen konnten. Der Preis für solche Wagen lag in der Regel zwischen 30 und 50 Prozent über den Kosten der standardmäßig hergestellten Fahrzeugen mit gleichartigen Blechpressteilen. Bei gleichsam großzügigen Innenraummaßen war die viertürige Karosserie des 300 mit ihren ausgewogenen Proportionen kompakter geworden als bei den Vorkriegslimousinen. Die Scheinwerfer standen nicht mehr frei, sondern waren in die Kotflügel integriert worden. Die optisch herzustellende Assoziation zu den älteren Mercedeswagen von Weltgeltung war dennoch durchaus beabsichtigt. Schließlich wollte man auf den internationalen Exportmärkten, bevorzugt in den USA, gegenüber Mitbewerbern punkten. Die für den Inlandsmarkt angestrebte Nutzung als

Chauffeurlimousine seitens der Führungsebene in Politik und Wirtschaft galt nicht für den amerikanischen Automarkt. Hier war und ist auch noch heute das eher fahrerorientierte Automobil gefragt. Der Typ 300 hatte also beiden Nutzungsvarianten Rechnung zu tragen. Das Auto musste daher sowohl über ein hervorragendes Fahrwerk und einen leistungsfähigen Motor als auch über eine sehr gediegene Innenausstattung verfügen. Im internationalen Vergleich kamen damals eigentlich nur die in England produzierten Bentley Mark VI oder Rolls-Royce Silver Dawn, allenfalls noch der Daimler DE 36, als Konkurrenten in Frage. Der Rolls-Royce, der nur in einer kleinen Auflage von 761 Exemplaren hergestellt worden war, entsprach ebenso wie der Bentley in den Abmessungen des Radstandes dem 300, war aber vom Fahrwerk und den effektiv nutzbaren Motorleistungen dem Mercedes-Benz klar unterlegen. Der Sechszylinder-Reihenmotor des Bentley Mark VI leistet bei einem Hubraum von 4.257 Kubikzentimetern 137-DIN-PS, womit eine Spitzengeschwindigkeit von 152 km/h erreicht werden kann. Bei dem 1952 als Nachfolger des Bentley Mark VI etablierten Bentley R handelt es sich nicht um ein neues Auto, sondern lediglich um das verlängerte Schwestermodell der früheren Ausführung. Wie zeitgenössische Tests Auskunft geben, beschleunigt der Bentley R mit seinem 4,6 Liter großen ReihenSechszylinder-Motor in 16 Sekunden von 0 auf 96 km/h und erzielt eine Höchstgeschwindigkeit von 172 km/h, die allerdings nicht als gleichbleibende Reisegeschwindigkeit beibehalten werden konnte. In einem Test der englischen Zeitschrift "The Autocar" vom Mai 1952 erreicht der Mercedes-Benz 300 die Marke von 96 km/h aus dem Stand innerhalb von 16,4 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h, wobei Geschwindigkeiten um 160 km/h durchaus als Dauergeschwindigkeiten genutzt werden konnten. Die relative technische Überlegenheit des 3 Liter großen Reihen-Sechszylinder-Motors des MercedesBenz wird dadurch deutlich, dass dessen Kapazitäten bei vergleichbar kleinem Hubvolumen praktisch effizienter nutzbar sind als diejenigen des 4,6 Liter-Motors von Rolls-Royce. Auf größere Distanzen gesehen erreicht man mit dem 300 sicher auch höhere Durchschnittsreisegeschwindigkeiten. In der gleichen Fahrzeugklasse des Mercedes-Benz 300 waren 1951 noch der Jaguar Mark VII aus England, der Talbot Lago sowie der Delahaye 135 aus Frankreich angetreten. Der 3,4-Liter-Sechszylinder des Jaguar leistet 160-DIN-PS und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h, der 4,5-LiterSechszylinder-Motor des Talbot Lago erbringt 170DIN-PS und kommt damit ebenfalls auf 160 km/h. Der bauartgleiche 3,6-Liter Motor des Delahaye kommt hingegen nur auf 115-DIN-PS, womit dieser eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h erzielen kann. In ihrer Februarausgabe von 1952 hatte "The Autocar"

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über den Mercedes-Benz 300 bereits geschrieben: "Er zeichnet sich durch eine hohe Vortrefflichkeit aus und verkörpert neue technische Entwicklungen, die sich zum Teil in Aufhängung, Federung und Steuerung hervorheben, welche klar die Vorteile in Komfort, Stabilität und Fahrsicherheit aufzeigen."

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Die Bezeichnung “Adenauer” kam erst in den späteren 60er Jahren auf, um die Baureihen W 186 und W 189 von der Baureihe W 112 zu unterscheiden.

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Zwischen 1955 und 1959 traten der Mercedes-Benz 300c beziehungsweise ab November 1957 der Mercedes-Benz 300d gegen Rolls-Royce Silver Cloud I und Bentley S1 an. Mit ihren auf 4.887 Kubikzentimeter vergrößerten Reihen-SechszylinderMotoren erreichten die Engländer Maximalgeschwindigkeiten zwischen 163 und 171 km/h. Mit Spitzengeschwindigkeiten über der Werksangabe von 160 km/h beim 300c beziehungsweise 170 km/h beim 300d erwiesen sich die Mercedeswagen als ebenbürtig. Die von 1959 bis 1962 gebauten Rolls-Royce Silver Cloud II und Bentley S2 waren inzwischen in den Genuss des neu entwickelten V-8-Zylinder-Motors mit dem gewaltigen Hubvolumen von 6.230 Kubikzentimetern gekommen, womit die großen Wagen Höchstgeschwindigkeiten zwischen 183 km/h und 185 km/h erzielen konnten, aber nun auch in einer höheren Liga antraten. In absoluten Vergleichszahlen betrachtet, konnte der Bentley R Continental eine Maximalgeschwindigkeit von 188 km/h erreichen, wobei diese auch von der Form der Karosserie abhängig war.

Diese Ausführungen sind indessen nur mit den Typen 300S beziehungsweise 300Sc von Mercedes-Benz vergleichbar. Subjektiv muten die großvolumigeren Reihensechszylinder-Motoren aus dem Hause Rolls-Royce in ihrer akustischen und erfahrbaren Kraftentfaltung geschmeidiger an als die kleineren ReihensechszylinderMotoren von Mercedes-Benz, da jene ihre Kraft müheloser aus dem größeren Hubvolumen realisieren. Leider muss die Überlegung spekulativ bleiben, warum die Ingenieure in Untertürkheim keine größeren Sechszylinder entwickelt haben. Mutmaßlich wies die motorentechnische Entwicklung bei Hubvolumen im Bereich von vier Litern und mehr in die Richtung der v-förmigen Bauanordnung der Zylinderbänke. Tatsächlich fanden ja die Überlegungen zum Bau eines Fünfliter-Leichtmetall-V8-Motors mit einer angestrebten Leistung von 300 PS bereits Mitte der 50er Jahre statt. Die technische Forschung und Entwicklung zum Bau von hubraumgewaltigen V8 beziehungsweise sogar V12 Motoren wurde jedoch zwischen Mitte der 50er bis Anfang der 60er Jahre immer wieder zu Gunsten der Entwicklung kleinerer Motoren unterbrochen. Man braucht allerdings keine ausgeprägte Phantasie zu bemühen um sich vorzustellen, welche Anmutung und welche Fahrleistungen ein zweitüriges Coupé oder Cabriolet auf Basis des 300d mit neu konstruiertem Leichtmetall-V8 bereitgestellt hätte.

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Der Ahnherr

Heute ist im "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" sozusagen der Namenspatron, einer der Ahnherren der Baureihen W 186 und W 189, zu besichtigen. Nach Darstellung des stellvertretenden Direktors Dr. Hans Walter Hütter handelt es sich hierbei um einen frühen 300 der ersten Serie. Dieser inzwischen in einen nahezu neuwertigen Zustand versetzte erste Dienstwagen des ersten Bundeskanzlers, Dr. Konrad Adenauer, hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die sehr ausführlich in einer Broschüre von Dr. Hans Walter Hütter beschrieben worden ist. Hier sollen nur kurz die wichtigsten Fakten festgehalten werden. Nach Aussage des langjährigen Fahrers des Bundeskanzlers, Willy Klockner, entschied sich Dr. Konrad Adenauer, ohne vorher irgendwelche Probefahrten unternommen zu haben, unmittelbar nach dem Besuch der Automobilausstellung des Jahres 1951 für den Mercedes-Benz 300. Hans Walter Hütter schreibt dazu: "Nach der Entscheidung zeigte sich der Hersteller großzügig. Bis zur Fertigstellung seines Dienstwagens stellte die Mercedes-Benz AG dem Kanzler vorübergehend einen dunkelbraunen 300 zur Verfügung." Der dann später an das Kanzleramt ausgelieferte Wagen entsprach natürlich nicht einem üblichen Serienmodell. Insgesamt 21 Sonderausstattungen wurden hier wunschgemäß realisiert. Die Liste dieser Extras umfasst folgende Details:

Zwischenwand mit Kurbelfenster (Sigla), zwei Klapptische rechts und links an der Mittelwand, Fahrer- und Fondtürfenster aus Sekurit-Glas, zwei Leselampen links und rechts im Fond, Steilermachen der Fußauflage im Fond durch Unterlegen einer 15 Millimeter starken Nadelfilzschicht, durchgehende Haltestangen an der Mittelwand, Telefon vom rechten Fondsitz zum Fahrersitz mit zwei Mikrofonen, Standartenhalter auf dem rechten vorderen Kotflügel, aufknöpfbare Kopfstützen im Fond links und rechts, zwei Halteschlaufen an den oberhalb der Fondtüren liegenden Haltestangen, rechts und links an den Fondtüren je eine Klapptasche, Armlehnen an den Fondtüren verbreitert und tiefer gesetzt als normal, Springvorhang am Rückwandfenster, durch den Trennscheibeneinbau bedingt statt der serienmäßigen durchgehenden Mantelstangen je eine linke und rechte Mantelstange im Fahrerraum und je eine linke und rechte Mantelstange im Fondraum, Vorhänge an den Fondtüren, Bereifung: Continental, zweites bereiftes Reserverad, bedingt durch Trennwandeinbau um 20 Millimeter kürzerer Lenkstock, zwei Scheinwerfer in der Größe von Nebellampen ohne Steinschlaggitter am Wagenende zwischen hinterer Stoßstange und Karosserierückwand montiert, Becker-Radiogerät Typ "Nürburg" mit Drucktasten, Frostschutz bis -20° Celsius." Dem Vernehmen nach wurde dieser Wagen am 8. Dezember 1951 an das Bundeskanzleramt in

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Der “erste” Dienstwagen des damaligen Bundeskanzlers

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Bonn ausgeliefert. Später wurde auch auf dem linken vorderen Kotflügel noch ein Flaggenhalter befestigt. Zu den bekanntesten Auslandsreisen des Wagens zählen die Aufenthalte in London, Oktober 1954, und in Moskau, September 1955. Nach Informationen von Christopher Bjerknes, Mitglied des "Internationalen Adenauer 300 Clubs", wurden von Konrad Adenauer während seiner Amtszeit als Bundeskanzler offiziell insgesamt sechs 300 Limousinen genutzt. Nach dem am 8. Dezember 1951 an das Bundeskanzleramt in Bonn übergebenen Wagen lieferte die Daimler-Benz AG am 28. August 1952 einen Mercedes-Benz 300 mit Trennwand, einem großen Schiebedach aus Segeltuch, zunächst ohne Fanfarenhörner, ohne Talbot Spiegel, mit nur einem Flaggenhalter auf der Beifahrerseite, ohne Chromecken an den Hinterkotflügeln, kleinen Begrenzungsleuchten des 300a sowie Rädern und Radoptik des 300a. Dieses Auto war am 17. November 1954 in einen Unfall verwickelt. Danach seien viele Teile ersetzt und Details verändert beziehungsweise hinzugefügt worden. Insofern hätte der Wagen Talbot Spiegel, große 300b Begrenzungsleuchten, Vordertüren mit drehbaren Ausstellfenstern, separate Zusatzscheinwerfer, Standartenhalter auf beiden Vorderkotflügeln, jedoch noch keine Fanfaren und Stoßstangenhörner erhalten. Gegenüber Christopher Bjerknes erklärte Willi Klockner, dass Adenauer die Trennwand im 300 mit normalem Radstand nicht mochte, da er sich hierdurch eingeengt gefühlt habe. Den Grund für diese

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Abneigung erläutert Gerwin Gräfe in einem Beitrag der OZ (Osnabrücker Zeitung) vom 14. Mai 1988: "In einem war der alte Herr seiner Zeit weit voraus. Nicht zuletzt aufgrund eigener leidlicher Erfahrungen. Er war 1906 mit dem Gesicht gegen die Trennscheibe (offensichtlich eines Automobils, M.W.) geschleudert worden, hatte sich Jochbein und Nase gebrochen. So ließ er sich im Fond einen Beckengurt aus dem Flugzeug anbringen." Willi Klockner erläuterte weiter, der Bundeskanzler hätte sich ein Cabriolet D gewünscht, um dieses für Paraden benutzen zu können, aber die für die Sicherheit des Politikers verantwortlichen Berater hätten dieses nicht erlaubt und der Wagen mit Separation und Faltschiebedach sei daher eine Kompromisslösung gewesen. Vergleicht man nun die Fotografien des 300 in der Broschüre des "Hauses der Geschichte" mit diesen Angaben, fallen bei dem restaurierten 300 folgende Kleinigkeiten ins Auge. Er verfügt über ein großes Faltdach, verchromte Steinschlagschutzecken, wie sie beim Typ 300b üblich waren und über ebenfalls im Zuge der Neuauflage des 300b obligatorisch eingebaute Ausstelldrehfenster. Am 4. Januar 1955 wurde ein MB 300b mit Trennwand, ohne Schiebedach, ohne sichtbare Fanfaren, mit Talbot Spiegeln, Standartenhalterungen auf dem Frontblech zwischen Vorderkotflügel und Kühlermaske, einem einzelnen Scheinwerfer mittig und erhöht auf der Kühlermaske montiert, 300b Vordertüren mit Ausstellfenstern, verchromten Steinschlagschutzecken an den hinteren Kotflügeln, verchromten Hörnern auf Vorder- und Hinterstoßstange

Fahrten steht Hermann Seitz noch ein zweiter, nicht aus prominentem Vorbesitz stammender MercedesBenz 300 zur Verfügung. Ab dem 7. Januar 1959 fuhr Konrad Adenauer in einem Mercedes-Benz 300d mit Separation, einem Stahlschiebedach, Talbot Spiegeln, einem Vorhang im Heckfenster und normalen Standartenhaltern. Der letzte Mercedes-Benz 300, ebenfalls ein Modell "Dora", wurde am 20.März 1962 ausgeliefert. Auch dieser Wagen hat eine Trennwand und ein Stahlschiebedach, dreieckig geformte Spiegel an beiden Seiten, die sich optisch von den Spiegeln aller früheren Wagen unterscheiden, einen Vorhang in Heckfenster, normale Flaggenhalterungen, einen Weitstrahler mittig auf der Kühlermaske montiert sowie erstmals Sicherheitsgurte. Der letztgenannte Wagen ist heute als Exponat des Mercedes-Benz Museums zu besichtigen.

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sowie mit den für den 300b typischen Radzierblenden und Begrenzungsleuchten geliefert. Ab dem 8.Mai 1956 stand dem Bundeskanzler ein 300c mit verlängertem Radstand und entsprechend längeren Fondtüren zur Verfügung. Dieser Wagen hat ebenfalls ein großes Faltschiebedach, eine Trennwand, Vorhänge im Heckfenster und an den Seitenfenstern, Fanfarenhörner mit runden Gittern, ein großes 300c Heckfenster, die seit dem Modellwechsel zum 300c für diesen typischen Räder und Radzierblenden, normale Standartenhalter auf beiden Vorderkotflügeln, Talbot Spiegel, 300c Vordertüren mit Dreiecksfenstern, verchromte Hinterkotflügelecken, 300c Stoßstangen mit Hörnern vorne und hinten, kleine Nebellampen und Begrenzungsleuchten sowie einen höher auf der Kühlermaske montierten Fernscheinwerfer (Blaulicht?). Nach Konrad Adenauer diente dieser 300c mit langem Radstand zwischen 1959 und 1962 Ernst Lemmer, dem damaligen Minister für Gesamtdeutsche Fragen, als Dienstwagen. Die komfortable Chauffeurlimousine ging danach in den Besitz des im norddeutschen Aurich lebenden Reinhard Kruse über, der im Ruhestand die Bequemlichkeit des großen Wagens zu schätzten lernte. Rund ein Jahr benötigte dann der im ostfriesischen Leer beheimatete Oberstudienrat und Mercedes-BenzEnthusiast Hermann Seitz, um den Vorbesitzer zum Verkauf des Wagens zu motivieren. In seinen pflegenden Sammlerhänden befindet sich dieser Original Adenauerwagen noch heute. Er braucht keine schwere Alltagsarbeit mehr zu verrichten, denn für diese

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WKP EDITION - KLASSIK

ISBN-Nr.: 3-9807271-8-1