Lothar Berg COOL

Benno Sohl, alias „Zaster“, sitzt mit seiner. Frau und ihrer beider Töchter beim Früh- stück. Die Essecke steht am Fenster zum Gar- ten, durch das die ...
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Lothar Berg

COOL Ein ganz normaler Arbeitstag

Kriminalroman

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© 2014 AAVAA editions Alle Rechte vorbehalten 1. Auflge 2014 Umschlaggestaltung/Grafik: Thorsten Wiemer Coverbild/Model: Tim Krajewski Printed in Germany

AAVAA print+design Taschenbuch: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck:

ISBN 978-3-944223-15-5 ISBN 978-3-944223-16-2 ISBN 978-3-944223-17-9 Mini-Buch ohne ISBN

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Ich weiß wie Dreck schmeckt – Ich weiß wie Blut riecht – Und nur darüber habe ich geschrieben Lothar Berg

Mit einem Dank an ULI und KARL

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Prolog

Die Morgendämmerung drängt sich verstohlen, fast schamvoll, in die Häuserschluchten. Nach allen Seiten sichernd, wie ein Eindringling, drückt sie sich in die grauen Abgründe zwischen den Häusern Berlins. Die Kreaturen der Nacht ziehen sich gerade zurück, verkriechen sich in ihren Behausungen. Es ist wie ein geheimes Abkommen, eine Übergangphase, bevor das Licht die Herrschaft für die Tagesstunden übernimmt. Der Riese aus Beton, Asphalt und Stahl ächzt bereits. Er quietscht, stöhnt und grunzt. Noch eben hat er gebrummt, gelacht, sich wohlig in der Dunkelheit gesuhlt. Das ist jetzt vorbei. Langsam ergreift die große Schar der Tagesameisen Besitz von ihm, sie besetzen seinen 5

mächtigen Körper, kriechen in seine Adern, quellen hervor aus seinen Körperöffnungen und verlassen den miefigen Schutz seiner Gedärme. Sie benutzen den Leib der Stadt, missbrauchen und verführen ihn. Der Moloch lebt. Er bewegt sich, streckt und reckt seine Glieder in unterschiedliche Richtungen, mit ungleichmäßigen Bewegungen, aber einer unvergleichlichen Choreographie folgend. Während die Schatten der Nacht versinken, erhebt sich der Moloch Stadt zu neuem Leben im Licht. * Der Mann steht mitten auf der Straße, sieht das Ungeheuer in Gestalt eines Multivans auf sich zurasen. Der Motor brüllt, die Reifen quietschen auf dem Asphalt, die Luft riecht nach verbranntem Gummi. Der Mann hebt seine Pistole. Noch zwanzig Meter, noch zehn ... plötzlich wird er beiseite gestoßen, spürt den Schlag gegen sein Knie. Sein Retter wird von dem Van erfasst, weggeschleudert, 6

bleibt am Boden liegen. Das Auto schleudert, bremst, steht, setzt zurück, überfährt den leblosen Körper am Straßenrand nochmals, rast in eine Seitenstraße, entkommt. Der Mann sitzt am Boden, den Kopf des Überfahrenen in seinem Schoß und weint ... weint ... weint ... Sieben Jahre immer derselbe Traum... Schweißgebadet wacht er auf. Greift sich an das schmerzende Knie, massiert es. Sein Blick fällt auf das Foto auf dem Nachttisch. Er schüttelt den Kopf, will die Bilder loswerden.

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07.00 UHR

Franz Sachtleb, auch „Scholle“ gerufen, sitzt in Unterhose und Unterhemd auf seiner Schlafcouch, streckt sich und gähnt ausgiebig mit weit geöffnetem Mund. Scholle blinzelt wie ein Maulwurf in das Tageslicht, das sich in breiten Streifen durch die verstaubten Gardinen drängt. Seine große knochige Hand tastet nach der dicken, schwarzen Hornbrille, findet sie auf der alten Musikkommode zwischen Wecker und Aschenbecher. Er setzt sie auf, erhebt sich, gähnt noch einmal, streckt die Gliedmaße und geht ins Bad. Seine Muskelstränge rufen bei jeder Bewegung ein Spiel von Reflexen auf der blassen Haut hervor. Sein Blick verfängt sich im Spiegel über dem Waschbecken. Einen Augenblick betrachtet er 8

die harten, kantigen Züge, den vollen, weichen Mund. Mit einer Hand versucht er seine struppigen, halblangen braunen Haare in eine Richtung zu streichen, ihnen eine Ordnung zu geben, dann klappt er die Toilettenbrille hoch, gähnt herzhaft, während er sich mit einem Unterarm gegen die Wand stützt und die Stirn dagegen lehnt. Verschlafen dirigiert er mit der noch freien Hand seinen Schwanz in die richtige Stellung zur Kloschüssel. Scholle schließt die Augen, aus Müdigkeit und um das Wohlgefühl zu genießen, das ihn durchströmt, als sich der Druck in der Blase löst. Die Geräusche des Urinierens und Scholles zufriedenes Stöhnen werden von denen des Zähneputzens abgelöst. Er schlurft zurück ins Zimmer und blickt sich um, kratzt sich unter der Achsel, zieht die dunkelgrüne Cordhose an, dazu Turnschuhe. Ein kariertes Hemd vervollständigt das Outfit des Zweimetermannes. 9

In der winzigen Kochnische der Einzimmerwohnung, bereitet er seinen Proviant vor. Sechs Scheiben Vollkornbrot, mit Wurst und Käse. Einen Augenblick beschäftigt ihn der Gedanke, noch ein paar Brote zusätzlich zu schmieren. Er packt einen Apfel dazu und legt alles zum Mitnehmen bereit. Zwischendurch nimmt Scholle das Tuch vom Käfig mit dem Wellensittich und versucht mit Kussgeräuschen den Vogel darin auf sich aufmerksam zu machen. Aber „Pieper“ ruckt nur verständnislos mit dem Kopf hin und her. Scholle füllt die Kaffeemaschine und schaltet sie ein, dreht sich zu seinem anderen Mitbewohner um. Der Hüne fährt mit den Fingernägeln zärtlich über die Drahtstäbe des Goldhamsterkäfigs und lauscht dem vertrauten Geräusch der nachklingenden Metallfasern, wie einem Morgenständchen. Wie jeden Morgen, zeigt sich Alf der Hamster kurz, um wieder müde in der Holzwolle zu verschwinden. In Gedanken versunken spielt Scholle mit der Ther10

moskanne, wartet, dass der Kaffee durchgelaufen ist. Er hat einen schweren Tag vor sich. * Das Szenelokal „Café Breslau Fuego“ liegt in der Hauptstraße, die Friedenau auf der einen Seite mit dem Bezirk Schöneberg und mit Steglitz auf der anderen Seite verbindet, direkt am Breslauer Platz. Lang streckt sich die verglaste Front zwischen dem Weinladen und dem Frisörgeschäft hin. Tagsüber beherbergt das Lokal die Hausfrauen, Rentner und Arbeiter, gibt ihnen einen Augenblick der Ruhe. Wer will, stärkt sich am preiswerten Frühstücksbüfett. Abends, wenn die Außenbeleuchtung angeht und aus dem Inneren Kerzenschein leuchtet, wandelt sich das Café zu einem Treffpunkt derjenigen, die Zerstreuung, Anschluss und Kontakt suchen. In einer Ecke Backgammonspieler, am Stehtisch die Freizeitpolitiker und am Tresen die Gruppe der Jungs mit dem 11

Würfelspiel. Gläserklirren, Lachen und die Musik aus den Boxen können das Liebespaar in der Nische, neidisch von den Einsamen beobachtet, bei ihrem Geflüster nicht stören. Aber jetzt, am frühen Morgen, ist das laute Treiben der Nacht dem Moment der Ruhe gewichen - der Leichenstarre - bevor es sich erneut zum Leben erhebt, im ständigen Kreislauf von Beginn und Ende. Die Aschenbecher auf den Tischen quellen über. Wer genau hinsieht, erkennt auf manchen der herumliegenden Papierfetzen Telefonnummern. Geschrieben, voller Hoffnung auf ein Wiedersehen. Achtlos fortgeworfen. In der Nacht ist nichts von Bestand, es sei denn, man nimmt es sich sofort, sonst bleibt nichts davon übrig als herumliegendes Papier – Zeichen von Episoden und Wünschen in der soeben vergangenen Dunkelheit. Ein müder, etwas mürrischer, ungefähr vierzigjähriger Mann schließt heute früh die Eingangstür des "Café Breslau Fuego" auf. Werner ist im Milieu der Gastronomie ein Helfer12

profi. Er selbst bezeichnet sich als Hiwi de Luxe für die Bereiche Putzen und Einkaufen. Sein Gesicht hat dieselbe kalte Farbe des Grau, wie es in den Kneipen vorhanden ist, wenn das künstliche Licht erlischt, der Tag einkehrt ist und schonungslos offenbart, was von dem Glamour und dem Glitzer in der Nacht übrig bleibt. Mit dem geübten Blick des Profis erkennt Werner, dass es im Laden bis in die frühen Morgenstunden rund gegangen sein muss. Wie immer sieht er über das dunkle Regal aus der Jahrhundertwende hinter dem Tresen, in dem die Spiegel wieder einmal geputzt werden müssten. Mit schlurfenden Schritten durchquert er das Café, sieht über die Tische mit den Gläsern, an denen sich im fahlen Licht der Morgensonne klebrige Fingerabdrücke abzeichnen oder schmieriger Lippenstift klebt, der noch vor Stunden einen Mund verlockend geschmückt hat. Auf der Treppe zum ersten Stock, liegt ein Schal. 13

Neben dem Tresen die kleine Küche und drüben am anderen Ende, die Raucherlounge, mit den Spielautomaten, dem Flipperautomat und dem Billardtisch. Werner nickt, alles in Ordnung, kein Automat ist beschädigt und die beiden Kassen stehen wie immer offen. Seufzend schaut er noch einmal über die Unordnung auf den Tischen. Scheiße, hat die Nachtschicht mal wieder nicht abgeräumt. Na ja, der Dödel Werner kann das ja machen. Aus einem der Aschenbecher nimmt Werner eine kaum abgebrannte Zigarette, zündet sie an, schaltet das Radio ein und lauscht für einen Augenblick der Zeitansage. Ohne die Kippe aus dem Mund zu nehmen, bohrt er sich in der Nase, besichtigt interessiert das Ergebnis und schnippt es in den Raum, öffnet eine Tür und entnimmt der Kammer Eimer, Besen und Wischlappen. * 14

Benno Sohl, alias „Zaster“, sitzt mit seiner Frau und ihrer beider Töchter beim Frühstück. Die Essecke steht am Fenster zum Garten, durch das die Morgensonne hereinscheint. Benno trägt die Kombination aus grauer Hose, einem hellblauen Hemd und einem farblich darauf abgestimmten Jackett in taubenblau, die ihn so jugendlich wirken lässt. Er hat sich frisch rasiert, die dunkelblonden Haare sind ordentlich gekämmt. Seine kräftigen Hände streichen über das Jackett und öffnen es an dem Knopf in der Mitte. Der breitschultrige Mann beobachtet aus seinen hellen Augen die Szenerie und registriert jedes Detail, nickt zufrieden. Jetzt kommt Leben in die Gruppe. Die Schwestern beginnen ihre Unterhaltung über die Schule und bedienen sich am Brotkorb. Benno führt seine Tasse an den Mund. Der Duft seines Rasierwassers vermischt sich mit dem des frisch gebrühten Kaffees. Frau Sohl liebt diese Mischung am frühen Morgen. Sie bedient Benno aufmerksam und 15