Lieber ein richtiger Verriss als gar keine Einladung - Romana Ganzoni

Der ebenfalls aus der Schweiz stammende Autor gehört zur Spoken-. Word-Szene. Wegen einer Seh- schwäche hat er seinen Text nicht vorgelesen, sondern ...
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KULTUR

D i e n s t a g ,  8.  Ju l i  2 0 1 4

K U LT U R G E S P R ÄC H

«Lieber ein richtiger Verriss als gar keine Einladung»

«Wasmichmehrwurmt,ist,dassichmiteinemunbesprochenen Text heimreise»:RomanaGanzonibeiihrerLesung vorderKlagenfurterJury.(ZVG)

BÜNDNER TAGBLATT: Romana Ganzoni, Sie sind gerade auf der Heimreise aus Klagenfurt – wie geht es Ihnen? ROMANA GANZONI: Richtig gut. Daskannichsagen,auchwennich statteinesPreisesaufdenDeckelbekommenhabe(lacht).

Jurypräsident Burkhard Spinnen ist äusserst hart mit Ihnen ins Gericht gegangen, Sie hätten ihre Figur missverstanden und Ihren Text kaputt gelesen. Trifft Sie das nicht? Kritisiert wurde ja mein Vortrag. WasmichmehrwurmtalsdieseKri-

« DieJurystand nochganzunter demEindruckvon MichaelFehr » tik,ist,dassichmiteinemunbesprochenen Text heimreise: Über den Text wurde gar nicht viel gesprochen,sondernüberdieLesung.Das ist frustrierend. Ich habe zu wenig bedacht,dassichgleichnachMichaelFehranderReiheseinwürde.Die Jury stand also noch ganz unter dem Eindruck seiner Performance, unddiewarnunmalgrossartig. Der ebenfalls aus der Schweiz stammende Autor gehört zur SpokenWord-Szene. Wegen einer Sehschwäche hat er seinen Text nicht vorgelesen, sondern ihn sich über Kopfhörer einspielen lassen. Wie hätten Sie denn lesen müssen? Ich hätte die Jury wieder auf den Text zurückzwingen müssen. Ich habe mir mehrere Lesevarianten überlegt,letztlichaberwohldiefal-

Die Autorin Romana Ganzoni aus Celerina hat an den Tagen der deutschsprachigen Literatur um den Bachmannpreis gelesen – und wurde für ihren Text «Ignis Cool» heftig kritisiert. Das BT fragte sie nach ihrem Befinden. ▸ Ju LIAN R EICh

schegewählt.Ichhabeeinfachdas Pechgehabt,dassichnachMichael Fehrlesenmusste. Die Kritik gerade von Herr Spinnen war sehr hart formuliert. Wie erklären Sie sich das? Ich wusste schon am Vormittag, dass er mich hart angehen würde. Denn hildegard Keller, die Jurorin, die mich nach Klagenfurt eingeladen hat, hat den von ihm vorgeschlagenenTextebenfallssehrheftig kritisiert. Es war klar, dass er michindenOrbitschiessenwürde. Dashaterjadannauchgetan,und zwar sehr erfolgreich (lacht). Das hattejaaucheinenkomischenMoment.Erwolltemichjaquasiüber meineeigeneFigurbelehren. Dann ist Klagenfurt tatsächlich jenes Schlangennest, in der Eitelkeiten

Einzelner wichtiger sind als das Literarische? Soweitwürdeichnichtgehen.Aber dass es beim Bachmannpreis sehr hart zu und hergehen kann, das weiss man, darauf kann man sich einstellen.Esaberdannameigenen Leib zu erfahren, ist wieder etwas anderes.ImerstenMomentwarich schontotalbaff.Ichhabejamitvielem gerechnet, nicht aber damit, dass der Vortrag der hauptkritikpunkt sein würde. hinzu kommt, dassdiehälftederJurymeinungen von3Satgarnichtübertragenwurde. Arno Dusini zum Beispiel fand den Text eine «grosse Erzählung», das hat er mir nach der Veranstaltungnochmalsgesagt,JuriSteiner fandauchvielPositives.EinzighubertWinklerwarebenfallssehrnegativ, aber auch das hatte zumindestzumTeilandereGründe.

Romana Ganzoni und der Bachmannpreis

MitzwölfAutorenausDeutschland,ÖsterreichundderSchweiz konkurrenzierteRomanaGanzoniausCelerinavonDonnerstagbis SamstagandenKlagenfurterLiteraturtagenumdenBachmannpreis. FürihrenText«IgnisCool»erhieltsieeingeteiltesEcho.Nebenheftigen KritikervotenwarenauchlobendeWortezuhören.Sowurdeerauchfür seinen«durchausgelungenenAufbau»,die«guteDurchführung»und seinesprachlicheQualitätgewürdigt.In«IgnisCool»sitzteineFrauauf demAlbulapassfest,ihremAuto– einemSuzukiIgnisCool– istderSprit ausgegangen.IndieserausweglosenSituationentspinntsichderinnere MonologeinerFrau,diemitsichundderWelt,vorallemabermitihrer Mutterhadert.FürdenBachmannpreisreichteesabernicht,dieserging andenWienerCartoonisten,Musiker,ReisejournalistenundAutorTex Rubinowitz.DerebenfallsausderSchweizstammendeMichaelFehr erhieltdenKelag-Preis.RomanaGanzoniwurde1967inScuolgeboren undarbeitetebis2013alsMittelschullehrerin.SeitSommer2013widmet siesichvollundganzdemSchreiben.Derzeitarbeitetsieaneinem Roman.SielebtmitihrerFamilieinCelerina.(JUL)

Die NZZ schrieb am Tag nach Ihrer Lesung, dass da eine Jury am Werke sei, «die ihren eigenen Ansprüchen und Voraussetzungen nicht gerade souverän gewachsen scheint». Leidet Klagenfurt an einem Konstruktionsfehler, weil niemand weiss, was wichtiger ist: Text oder Lesung? Esist,wieesist,undmanweisses, wennmannachKlagenfurtgeht.Es isteinWagnis… …das sich für Sie gelohnt hat? AufjedenFall.EsisteinewunderbarePlattform,umLiteraturverrückte kennenzulernen und über das Schreiben zu sprechen – das Paradiesfürjemandenwiemich,dererst seit einem Jahr schreibt. Ich habe viele Kontakte, ja zum Teil auch

« Klagenfurtist dasParadies füreinenabsoluten Nobodywiemich » Freundschaftenschliessenkönnen. EsistdocheinwahnsinnigesGlück, dassichalsabsoluterNobodyanso einenWettbewerbeingeladenwurde.Wennmirdasjemandvoreinem Jahrgesagthätte,hätteichessicher nichtgeglaubt.EinrichtigerVerriss wäre immer noch besser gewesen, alsgarnichtnachKlagenfurtreisen zudürfen. Sie stecken das recht leicht weg. Ich bin froh, dass ich robuster bin, alsichgeglaubthabe. Das heisst: Sie schreiben weiter? AufjedenFall.IchbingierigundhabegrosseLust.

B ü n d n e r Ta g b l a tt

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