Lernen 4.0 - KnowledgeFox

ting-Verfahren, Onboarding-Prozesse und die unterneh- merische Weiterbildung gefunden, vgl. dazu auch Gruhle,. AuA 1/16, S. 8 ff.; Jenewein, AuA 1/16, S. 12 ...
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Personalpraxis Die neue Aus- und Weiterbildung für die Industrie 4.0

Lernen 4.0

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Was sind die Trends für das Lernen in der neuen Arbeitswelt und wie setzt man sie am besten ein? Wir wollen Mikrolernen, Gamification, soziales Lernen und automatisierte Content-Erstellung einmal näher beleuchten.

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Personalpraxis 1 Keine Zeit Erfordernisse für eine ordentliche Kündigung, Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung und Feedbackkultur, Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht, Umlagesätze für das Insolvenzgeld, die Anforderungen an aktuelles Wissen und nachhaltige Schulung sind vielfältig und steigen immer weiter. Da ist die Frage mehr als berechtigt, wie dies von Unternehmen und engagierten Mitarbeitern zu bewältigen ist. Vor allem dann, wenn man sich klar darüber ist, dass Industrie 4.0 zwar die Produk­ tionsabläufe optimiert und weiter automatisiert, aber die menschliche Arbeitswelt und seine Rechtsgrundlagen­ zusätzlich komplizierter macht. Es geht dabei einerseits um gänzlich neue Themen, wie sich an der EU-DSGVO und ihrer Umsetzung in Unternehmen aufzeigen lässt. Andererseits geht es um die sehr grundlegenden Veränderungen bei existierenden Regeln, Gesetzen und betrieblichen Vereinbarungen. Angesichts dieser Umstände ist mit „Frontalunterricht“, Handbüchern oder gebundenen Skripten wenig auszurichten. Vor allem kommt man mit der Flut von neuen Formen nicht sehr weit. E-Books und traditionelles E-Learning verschlimmern nur die Situation. Warum? Sie brauchen viel Zeit und die wenigsten haben diese. Such­maschinen wie Google oder Online-Lexika/Wikis lösen die Probleme ebenso wenig, denn wie etwas suchen und nachschauen, wo noch die Grundlagen und Basisinformationen fehlen? Wie soll der Betroffene kompetent in fordernden Situationen reagieren, wenn er zuerst immer wieder nachschauen muss? Doch es gibt Lösungen, die neuen Formen des Lernens an die Anforderungen von Industrie 4.0 anzupassen. Neueste Entwicklungen werden auf Branchenveranstaltungen wie der Berliner „Online Educa“ oder der Karlsruher „Learntec“ präsentiert: MicroLearning, Mobile Learning und Blended Learning kristallisieren sich als die Schlüsselentwicklungen heraus. Aber was verbirgt sich dahinter? Und was haben sie mit der Arbeitswelt zu tun, was mit arbeitsrechtlichen Fragen?

2 Mikrolernen

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Das Konzept des Mikrolernens, engl. Microlearning, wurde 2004 in der Diplomarbeit von H. Gassler an der Universität Innsbruck erstmals konzipiert und hat mitt-

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Grafik 1 – Beurteilung der Mikrolern-Lösung an einer Medizinischen Universität, 2015 45 % 35 30 25 20 15 10 5 0

sehr schlecht

sehr gut

lerweile eine Art Siegeszug angetreten. Es geht um eine Lernform, in der Druckseiten oder Powerpoint-Folien durch interaktive multimediale Wissenskarten ersetzt werden. Wissenskarten sind auf allen digitalen Kommuni­ kationsgeräten abrufbar: am Smartphone wie am Tablet,­ am Desktop-PC wie am Notebook. Anwender erhalten kleine Wissenseinheiten und können in einer Vielzahl von kurzen Schritten, Lern- und Wissensziele erreichen. Beim Mikrolernen bekommt man algorithmenbasiert Unterstützung: Ein Algorithmus steuert die Anzahl der Wiederholungen, die notwendig sind, damit der Wissensstoff im Gedächtnis verankert wird und bei Bedarf abgerufen werden kann. Welcher HR-Verantwortliche, welcher Manager wünscht sich das nicht: Mitarbeiter, die das für ihren Job notwendige Wissen nicht vergessen, die auf Kundenanfragen und Arbeitsrechtsprobleme die richtigen Antworten parat haben? Mikrolernen „granularisiert“ den Lernstoff, d. h. er wird in kleine Portionen heruntergebrochen. Arbeitsunterbre­ chungen erhalten hier eine neue Interpretation: als Krea­ tivpause zwischen Lernschritten in homöopathischen kleinen Dosen. Studien zeigen, dass Menschen diese Kurzform der Wissensvermittlung in den unterschiedlichen Organisations­ kontexten sehr positiv annehmen. Selbst sehr kritische Studierende einer Medizinischen Universität geben dieser­ Lernform sehr gute Noten, wie in Grafik 1 zu sehen ist. Das Mikrolernen ermöglicht auch ein Umdrehen in den Aus- und Weiterbildungsplanungen. Teilnehmer lernen vor und nach einer Präsenzschulung, üben, fragen und diskutieren zusammen mit den Schulungsleitern und Trainern. Als Anwendungsbeispiel kann ein Flipped-Classroom-Szenario dienen, wo die Mikrolern-Wissenskarten zur Vorbereitung auf die Präsenzlehre – begleitend zu Studienbriefen – eingesetzt werden. Das Lernen mit Wissenskarten dient in der Nachbereitung dann der Verfestigung. In der Präsenzlehre wird das Wissen diskutiert und mit Fallbeispielen „kontextualisiert“. Auch hier zeigt sich eine sehr hohe Akzeptanz. Dozenten berichteten von einer gänzlich neuen Lernkultur, da Studierende bestens vorbereitet in die Seminare kommen. Die empirischen Ergebnisse aus den Studien sind auf die berufliche Aus- und Weiterbildung übertragbar: Mikrolernen gewinnt auch bei der Vermittlung von Themen wie Compliance, Datenschutz, ePrivacy, HR-Management­ oder Personalentwicklung immer mehr an Bedeutung.

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Personalpraxis Grafik 2: Nutzung einer Lernplattform auf Basis der Mikro­lern-Technologie an der DonauUniversität Krems, 2015 45 % Die Lernkarten haben mich zum Lernen animiert.

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Die Lernkarten haben mich beim Lernen der Inhalte des Studientextes zur Vorbereitung gut unterstützt.

stimmt genau

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Vignettenbasiertes, d. h. fallbeispielorientiertes Lernen, ermöglicht ein „Flipped-Content-Modell“: Der Lernende muss sich nicht durch hunderte Seiten Gesetzestext im Arbeitsrecht oder Bücher zum Datenschutz quälen. Es funktioniert umgekehrt: Der Lernende erhält ein Fallbeispiel, eine sog. Vignette geschildert, schätzt dieses diagnostisch ein und wird dann gleich zum jeweiligen Text aus einem Gesetz, einer Verordnung etc. geführt.

3 Gamification, soziales Lernen und Content Automation

Unsere Autoren

Prof. Dr. Peter A. Bruck Kommunikations­wissen­ schaftler, Wissenschaftlicher Gesamtleiter und Geschäfts­ führer der Research Studios Austria Forschungs­ gesellschaft, Salzburg/Linz/Wien

Dr. Stefan Weber Direktor, Content Creation, KnowledgeFox GmbH, Wien/Salzburg

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Computerspiele sind mitunter verpönt. Aber Elemente des spielerischen Umgangs, auch „Gamifizierung“ genannt, haben Eingang in Assessment-Center, Recrui­ ting-Verfahren, Onboarding-Prozesse und die unternehmerische Weiterbildung gefunden, vgl. dazu auch Gruhle, AuA 1/16, S. 8 ff.; Jenewein, AuA 1/16, S. 12 ff. Auf der Suche nach Lernformen, die Mitarbeiter wieder nachhaltig zum Büffeln motivieren sollen, entdecken HR-Verantwortliche spielerische Lern-Apps nach Vorbildern von Quizzen oder gar dem „Quizduell“. Anreizmöglichkeiten wie Bonuspunkte oder Preise können bei unternehmensinternen Maßnahmen die Lernmotivation weiter erhöhen und auch unternehmenskulturell sinnstiftend wirken. Eher spröde Themen – etwa das neue AÜG oder Lohnabrechnung – können Beschäftigte so in Form einer mit multimedialen Elementen angereicherten Spiele-App vermittelt bekommen. „Branded Apps“ für Arbeitgeber sind immer mehr im Kommen und übernehmen die Aufga­ ben eines Glossars oder vieler Weblinks in den Intranets der Firmen. Wissen zu Themen der Arbeitswelt und ihren rechtlichen Grundlagen, wie Indexanpassungen von Zulagen oder der Regelung von Betriebsübergängen, sind zwar oft individuell erworben, aber nahezu immer gemeinschaftlich anzuwenden und zu adaptieren. Für die Komplexitäten von Industrie 4.0 wird es immer wichtiger, nicht mehr alleine zu lernen, sondern im sozialen Verbund. So hilft es, Wissenskarten, Kurzvideos oder ganze E-Learning-Kurse via Facebook & Co zu teilen, zu kommentieren und sich anhand der Kommentare anderer immer besser zu orientieren. Oder man erstellt Content nicht mehr alleine, sondern greift auf eine größere Zahl an Usern zurück („crowd-sourced Learning“), wodurch

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weiß nicht

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Inhalte laufend verbessert werden, zumindest aber vermehrt aktuell bleiben. Sog. Trend-Prognostiker sagen, dass in Zukunft kaum mehr alleine im stillen Kämmerlein gelernt wird, sondern­ in videobasierten Szenarien, in Foren, Blogs, Wikis & Co. Überall dort produzieren die Beteiligten kollektives Wissen, informell und zunehmend auch formal, wie wir am Beispiel der Wissenskarten schon zeigen konnten. Ein weiteres großes Versprechen steckt in der möglichen­ Automatisierung der Content-Erstellung. Intelligente Computersysteme verwenden Machine-Learning. Semantische Technologien und Text-Mining helfen Autoren dabei, Inhalte besser, schneller und effizienter erstellen zu können. Sei es, indem eine Software Texte automatisiert auf ihren Kerngehalt kürzt, sei es durch Vorschläge von Alternativformulierungen oder indem ein intelligentes Authoring-Tool automatisch Bilder oder auch Videos zu Begriffen im Text vorschlägt. Als Beispiel mag das Sprachlernprogramm Duolingo dienen. Techniken wie das „Automated-Tagging“ werden die manuelle Content-Produktion von heute erheblich verändern.

4 Fazit Der Mensch wird nicht vergessen, sondern ins Zentrum der Anstrengungen gestellt: Menschliche Intelligenz und menschliches Mühen sind und bleiben entscheidende Faktoren für das betriebliche Lernen, auch bei der Industrie 4.0. Die Digitalisierung leistet aber eine Beschleunigung der Prozesse und ermöglicht es, dass Mitarbeiter und ihre Kapazitäten für andere, smartere Aufgaben frei werden. Info – Literatur Bruck, Emerging E-Learning Trends: Propositional MicroLearning, Rapid Content Authoring & Auto Content Generation, in: Online Educa Berlin: Book of Abstracts, Berlin 2016, S. 4–7. Dräger/Müllser-Eiselt, Die digitale Bildungs­ revolution. Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten können, München 2015. Göschlberger, A Platform for Social Microlearning, in: Verbert/Sharples/Klobu cˇ ar: Adaptive and Adaptable Learning. Lecture Notes in Computer Science, Vol. 9891, Cham 2016.

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