Lehrbuch der Phytomedizin

Liste der Autoren ... Damit musste die Autorengruppe neu zusam- .... B. in der. Diagnostik, der Verbesserung von Pflanzen- schutzverfahren, der Entwicklung ...
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Das neue Lehrbuch der Phytomedizin

Poehling | Verreet (Hrsg.)

Dieses Lehrbuch präsentiert die Grundlagen der Systematik, Biologie (Entwicklung), Ökologie und Schadwirkung aller phytomedizinisch relevanten Schaderregergruppen (Viren, Mikroorganismen, Nematoden, Arthropoden) und Unkräuter. Es beschreibt auf dem aktuellen Wissenstand die grundlegenden Mechanismen der Interaktion von Schaderregern und Kulturpflanzen sowie Gesetzmäßigkeiten der Populationsökologie von Schaderregern (Populationswachstum, Raum / Zeit-Dynamik) und erläutert den aktuellen Stand moderner Verfahren der Diagnose und prophylaktische, physikalische, züchterische, biologische, chemische und integrierte Bekämpfungsverfahren. Wichtige Themen: • Einführung in die Phytomedizin • Bedeutung von Schaderregern und des Pflanzenschutzes für die Pflanzenproduktion • Diagnose von Schaderregern • Abiotische Schadfaktoren für Kulturpflanzen • Schaderreger an Kulturpflanzen • Wirt-Parasit-Beziehungen • Epidemiologie und Populationsdynamik • Pflanzenschutz

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€ (D) 89,90 € (A) 92,50

ISBN 978-3-8001-5164-6

Lehrbuch der Phytomedizin

Poehling | Verreet (Hrsg.)

Lehrbuch der Phytomedizin  4. Auflage

Poehling/Verreet (Hrsg.) Lehrbuch der Phytomedizin

Poehling/Verreet (Hrsg.)

Lehrbuch der Phytomedizin   98 Farbfotos auf Tafeln 215 Schwarzweißfotos und Zeichnungen   41 Tabellen

Inhaltsverzeichnis Vorwort 8

1 

Einführung in die ­Phytomedizin  9

1.1 Allgemeines 9 1.2 Zur Geschichte der ­Phytomedizin  10

2 

Bedeutung der Schaderreger und des Pflanzenschutzes für die ­Pflanzenproduktion  14

2.1

Pflanzenproduktion und ­Ertragsverluste weltweit 14 Produktivität und Ertrags­verluste  18 Nutzen und Kosten des ­Pflanzenschutzes  19 Befalls-Verlust-Beziehungen 20 Erfassung und Quantifizierung des Schaderregerbefalls 20 Beziehung zwischen Befall und ­Ertrag   22 Physiologische Grundlagen der ­Schadwirkung  23

2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3

3 3.1

Schadfaktoren an Kulturpflanzen 25

Diagnose von Krankheits­erregern und Schädlingen 25 3.1.1 Einleitung 25 3.1.2 Makroskopische Diagnose von ­Schaderregern  26 3.1.3 Kulturverfahren und Übertragungs­ versuche 26 3.1.4 Lichtmikroskopie 27 3.1.5 Elektronenmikroskopie 28 3.1.6 Proteinanalytik, Fettsäureprofile und Enzymaktivitäten 28 3.1.7 Serologische Verfahren  29

3.1.8 Nukleinsäurebasierte Verfahren  32 3.1.9 Sequenzierungsverfahren 35 3.2 Stress und Abiotische ­Schadfaktoren  36 3.2.1 Stress und Stressabwehr  36 3.2.2 Temperatur – Hitze, Kälte, Frost  41 3.2.3 Licht 43 3.2.4 Wasserversorgung – Trockenheit und Vernässung 44 3.2.5 Mineralstoffversorgung – Mangel, Überschuss, Schwermetalle, ­Versalzung  44 3.2.6 Mechanische Beschädigungen  45 3.2.7 Luftschadstoffe 46 3.3 Viren 47 3.3.1 Einleitung 47 3.3.2 Wirtschaftliche Bedeutung  49 3.3.3 Geschichtliches 49 3.3.4 Definition, Aufbau der Viren (virale Nukleinsäuren und Proteine), Morphologie 50 3.3.5 Nomenklatur, Klassifizierung und Taxonomie 52 3.3.6 Infektionsprozess und Replikation  53 3.3.7 Virustransport, Ausbreitung in der Pflanze   61 3.3.8 Übertragungsformen   62 3.3.9 Reaktionen von Pflanzen auf Virus­ infektion 74 3.3.10 Bekämpfung  76 3.3.11 Virusoide oder Satellitenviren, SatellitenRNAs, Viroide und Prionen  80 3.3.12 Gene-Silencing (RNA Inferferenz, RNAi) und transgene Pflanzen  81 3.3.13 Steckbriefe phytopathologisch ­bedeutender Viren  82 3.4 Bakterien 114 3.4.1 Bakterielle Pathogene  114

Inhaltsverzeichnis 5

3.4.2 Bakterienaufbau 115 3.4.3 Taxonomie der Bakterien  118 3.4.4 Infektion und Krankheitszyklus  121 3.4.5 Übertragung und Verbreitung  122 3.4.6 Überdauern 123 3.4.7 Symptome bakterieller Erkran­ kungen 124 3.4.8 Wichtige Familien und Gattungen phytopathogener Prokaryoten  126 3.5 Pilze 136 3.5.1 Reich der Protisten (Protista)  137 3.5.2 Reich der Fungi (Echte Pilze, Eumycota)  145 3.6 Tierische Schädlinge  196 3.6.1 Nematoda (Fadenwürmer)  196 3.6.2 Gastropoda (Schnecken)  208 3.6.3 Arthropoda (Gliederfüßer)  210 3.6.4 Vertebrata (Craniota, Wirbeltiere)  262 3.7 Unkräuter und Parasitische Blütenpflanzen 266 3.7.1 Unkräuter 266 3.7.2 Parasitische Pflanzen  276

4   Wirt-Parasit-Beziehungen  278 Interaktion zwischen ­Pflanzen und pathogenen ­Mikroorganismen  278 4.1.1 Die Pathogenese (Entstehung von Krankheiten) 280 4.1.2 Beeinflussung der Physiologie der Pflanze durch Pathogene  298 4.1.3 Pflanzliche Resistenz gegenüber mikrobiellen Pathogenen  304 4.2. Insekten als Schädlinge an Kulturpflanzen 324 4.2.1 Einleitung 325 4.2.2 Wirtspflanzenwahl bei phytophagen Insekten 325 4.2.3 Abwehrstrategien der Pflanze gegen phytophage Insekten  329 4.2.4 Anpassungen phytophager Insekten an pflanzliche Abwehrstrategien  339 4.2.5 Die Rolle der Biozönose für PflanzenInsekten-Interaktionen 341

4.2.6 Zusammenfassung 342 4.3 Nematoden als Schädlinge an Kulturpflanzen 342 4.3.1 Parasitierungsstrategien bei pflanzenparasitären Nematoden  343 4.3.2 Interaktionen zwischen pflanzen­ parasitären Nematoden und Kulturpflanzen 344 4.3.3 Pflanzliche Abwehrmechanismen gegen Nematodenbefall 349 4.3.4 Schutz vor pflanzlichen Abwehr­ mechanismen 352

5 

Epidemiologie und Populationsdynamik 357

5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.3

Einleitung 357 Epidemiologie und Epidemien  357 Aufgaben der Epidemiologie  357 Das Krankheitsdreieck  358 Der Wirt  358 Der Erreger  359 Die Umwelt  360 Die Krankheit  361 Meßmethoden im Krankheitsdreieck 362 Messen des Wirts  362 Erfassen des Erregers  363 Quantifizieren der Krankheit  363 Messen der Umwelt  365 Analyse der Epidemie bzw. der Abundanzdynamik 366 Befallskurven von Krankheiten und Schädlingspopulationen 366 Dynamik monozyklischer ­Krankheiten  367 Dynamik polyzyklischer Krankheiten 369 Dynamik von Schädlingspopulationen 372 Epidemiologische Grundlagen der Bekämpfung 373 Reduktion des Primärbefalls y0 bei polyzyklischen Krankheiten  374

4.1

5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.5 5.5.1

6 Inhaltsverzeichnis

5.5.2 Reduktion der Infektionsrate bei ­polyzyklischen Krankheiten  375 5.5.3 Reduktion des bodenbürtigen ­Inokulums bei monozyklischen Krankheiten  376 5.5.4 Wirkung der Bekämpfung auf die Abundanzdynamik von Schädlingen 377 5.6 Räumliche Ausbreitung von Erregern und Krankheiten 378 5.6.1 Verbreitungsmechanismen 378 5.6.2 Räumliche Befallsmuster  380 5.6.3 Charakterisierung räumlicher ­Befallsmuster  382 5.7 Analyse von Gradienten  382 5.7.1 Dispersions- und Befallsgradienten  382 5.7.2 Basismodelle für Gradienten  383 5.7.3 Komplexere Modelle für Gradienten 386 5.8 Raum-zeitliche Aspekte der Epidemie 387 5.8.1 Gradientendynamik und epidemische Wellen 387 5.8.2 Seuchenzüge 390 5.9.1 Prognosearten 393 5.9.2 Beispiele für Prognosen  394

6   Pflanzenschutz  396 6.1

Kulturmaßnahmen und ­Pflanzenhygiene  397 6.1.1 Standortbedingungen 397 6.1.2 Bodenbearbeitung 399 6.1.3 Gewinnung von gesundem Saatgut- und Vermehrungsmaterial 400 6.1.4 Anbau resistenter Sorten  403 6.1.5 Ausrottung von Befallsherden, Nebenund Zwischenwirten  407 6.1.6 Anbautechniken 408 6.1.7 Fruchtfolge 410 6.1.8 Düngung 415

6.2

Pflanzliche Resistenz gegen Schaderreger und Pflanzenschutz  415 6.2.1 Resistenz als Ziel der Pflanzenzüchtung 415 6.2.2 Genetische Ursachen der Resistenz  417 6.2.3 Verfahren zur Bestimmung der ­Resistenz  420 6.2.4 Erzeugung und Nutzung genetischer Variabilität für die Resistenzzüchtung 422 6.2.5 Chancen für die Züchtung auf dauerhafte Resistenz 429 6.3 Physikalische Pflanzenschutzmaßnahmen 430 6.4 Chemische Pflanzenschutzmaßnahmen 432 6.4.1 Klassifizierung und Anwendung von Wirkstoffen 433 6.4.2 Wirkungsmechanismen von ­Fungiziden  436 6.4.3 Wirkungsmechanismen von Insektiziden und Akariziden  445 6.4.4 Wirkungsmechanismen von ­Herbiziden  453 6.4.5 Resistenzrisiko und Resistenz­ management 461 6.4.6 Risiken für Anwender, Verbraucher und Umwelt 463 6.4.7 Gesetzliche Grundlagen und ­Zulassung  466 6.5 Biologischer und biotechnischer Pflanzenschutz 473 6.5.1 Agrarökosystemmanagement 474 6.5.2 Klassischer biologischer Pflanzenschutz 475 6.5.3 Neoklassische Verfahren  477 6.5.4 Periodische Freilassung von Antagonisten in kleinen Startpopulationen  477 6.5.5 Massenapplikation: Einsatz von Nutzarthropoden gegen Schädlinge im Überschwemmungsverfahren 478

Inhaltsverzeichnis 7

6.5.6 Einsatz von Pathogenen gegen ­Schädlinge  482 6.5.7 Biologische Bekämpfung von ­Nematoden  485 6.5.8 Biologische Bekämpfung von ­Pathogenen  487 6.5.9 Biotechnische Verfahren  492 6.6 Integrierter Pflanzenschutz (IPS)  494 6.6.1 Prognosen und Beurteilung ­ökologischer Systeme 495 6.6.2 Wirtschaftliche Schadensschwelle (WSS) 498 6.6.3 Methoden zu korrigierendem Eingriff 499 6.6.4 Fallbeispiele des Integrierten ­Pflanzenschutzes  503

6.6.5 Expertensysteme im integrierten Pflanzenschutz 515 6.7 Bedeutung des Pflanzenschutzes auf betrieblicher Ebene  518 6.7.1 Betriebswirtschaftliche Sicht des Pflanzenschutzes in der Landwirtschaft 518 6.7.2 Pflanzenschutz aus Sicht der Praxis im Gartenbau 525

Service

Liste der Autoren für das Lehrbuch der Phytomedizin  530 Bildquellen 532 Register 533 Farbtafeln 561

Vorwort Die vierte Auflage des Lehrbuches der Phytomedizin weist in Struktur und Inhalt wesentliche Veränderungen zu den vorangehenden Ausgaben auf. Der Strukturwandel war mit Ausscheiden der älteren Autoren (Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Martin Hoffmann †, Prof. Dr. Franz Nienhaus, Prof. Dr. Fritz Schönbeck †, Prof. Dr. Heinrich Carl Weltzien) aus dem aktiven Dienst verbunden. Die Herausgeber sahen sich in der Verpflichtung, die Grundidee und den Leitfaden des Lehrbuches für Phytomedizin fortzuführen. Damit musste die Autorengruppe neu zusammengestellt werden. Während in den ersten Auflagen die fünf Verfasser gemeinsam den gesamten Text vertraten, sind an der Neuauflage erheblich mehr Autoren beteiligt. Diese zeichnen nun allein oder als Autorengruppe jeweils für einen bestimmten Bereich (Kapitel) verantwortlich. Wir haben versucht einerseits Autoren zu gewinnen, die für die entsprechenden Fachgebiete besonders ausgewiesen sind, andererseits sollte möglichst eine große Breite der Lehr- und Forschungsinstitutionen auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes in Deutschland repräsentiert sein. Weiterhin war ein Verlagswechsel erforderlich: Der bisherige Verlag (Blackwell), der das Buch erst wenige Jahre zuvor von Parey übernommen hatte, änderte sein Themenprogramm und trennte sich u. a. von seinen Rechten an unserem Lehrbuch. Herrn Roland Ulmer sind wir dankbar, dass er sie übernahm und dem Buch in seinem Verlag ein neues Zuhause gab. Inhaltlich richtet sich dieses Lehrbuch an Studierende der pflanzenbaulichen Wissenschaften, allerdings in besonderem Maße an den akademischen Nachwuchs ab dem Master-Level. Damit ergänzt es das im selben Verlag erschienene Lehrbuch der Phytomedizin zum Grundwissen Bachelor von Hallmann et al. (2007). Den bewährten Grundcharakter des Lehrbuchs der Phytomedizin haben wir nicht aufgegeben. In allen Kapiteln haben wir versucht, auf den derzeitigen Stand des Wissens zu aktualisieren. Sehr stark überarbeitet wurden vor allem aufgrund der besonde-

ren Schnelllebigkeit des Wissenszuwachses oder der starken Veränderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen die Abschnitte über Wirt-Parasit-Interaktionen (Kap. 4) und den Pflanzenschutz (Kap. 6). Trotz der deutlich akademischen Ausrichtung des Inhaltes soll aber auch ein Personenkreis angesprochen werden, der stärker zum praktischen Pflanzenschutz orientiert ist, vor allem im Kap. 6. Bei der Darstellung des Stoffes haben wir uns um möglichste Einfachheit und Klarheit bemüht. Unsere Absicht war, ein kompaktes Lehrbuch zu schreiben, das gleichzeitig auch ein „Lernbuch“ ist. Deshalb haben wir uns entschlossen, primär auf übergeordnete weiterführende Literatur in den jeweiligen Kapiteln zu verweisen und auf eine detaillierte und breite Zusammenstellung einschlägiger Artikel, wie sie eher in einem Review üblich wäre, zu verzichten. Ein besonders Anliegen dieses Vorwortes ist es, unseren Dank gegenüber dem leider viel zu früh verstorbenen Kollegen Prof. Dr. Fritz Schönbeck und dem Anfang 2013 verstorbenen Kollegen Prof. Dr. Dr. h. c. Günter Martin Hoffmann zum Ausdruck zu bringen. Ihrer Initiative ist es im Besonderen zu verdanken, dass dieses Buch überhaupt und in dieser Form „auf Kiel gelegt“ wurde. Unsere Verantwortung, dieses in Ihrem Sinne auch zu vollenden, war eine entscheidende Motivation, dass das Buch fertiggestellt wurde. Fritz Schönbeck hat noch vor seinem Tode einen Abschnitt zur Einführung in dieses Buch entworfen und wir hielten es für angemessen, die wesentlichen Passagen daraus zu übernehmen und nur punktuell zu ergänzen. Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle unseren Zeichnerinnen. Wenn nicht anders indiziert, wurden alle Zeichnungen von Schaderregern aus den Kapiteln 3.5 (Pilze) und 3.6 (Tierische Schädlinge) von Mareike Poehling, weitere Zeichnungen in den Kapiteln 3.3. (Viren) und 3.4 (Bakterien) von Constanze Doll erstellt.

1  Einführung in die Phytomedizin (F. Schönbeck, H.-M. Poehling. J.-A. Verreet) Krankheiten sind inhärenter Bestandteil allen Lebens, mit deren Vorbeugung, Bekämpfung und Heilung sich die Medizin befasst. Die Humanmedizin begleitete die Menschheit in all ihren Entwicklungsstufen und wurde Teil ihrer Kultur. Dennoch ist es aber kaum möglich, den Begriff Krankheit wissenschaftlich genau zu definieren. Heute werden gesund und krank nicht als sich gegenseitig ausschließende Zustandsformen verstanden, sondern als Pole eines GesundheitsKrankheits-Kontinuums.

1.1 Allgemeines

Den großen Gruppen der Lebewesen folgend, sind Human- und Veterinärmedizin um die Phytomedizin erweitert worden. Als Wissenschaft von den kranken und beschädigten Pflanzen umfasst sie die Erforschung von deren Ursachen, Erscheinungen, ihrer Entstehung und Entwicklung sowie, um diese zu verhindern, den Pflanzenschutz. Die moderne Biologie fördert zwar transdisziplinäres Denken, gleichwohl ist auf grundlegende Unterschiede zur Human- und Veterinärmedizin hinzuweisen. Letztere befassen sich zumeist mit ihren Patienten als Einzelwesen, während sich die Phytomedizin größtenteils auf Pflanzenbestände konzentriert – mit erheblichen Konsequenzen für Behandlungs- und Bekämpfungsstrategien. Abweichungen ergeben sich auch aus den sehr unterschiedlichen Fähigkeiten von Pflanze, Mensch und Tier zur Regeneration. Zudem weisen neben methodischen, vor allem ethische und ökonomische Aspekte der Phytomedizin eine Sonderstellung zu. Mit der Prägung des Wortes Phytomedizin sollte das anfänglich überwiegend ätiologisch zergliederte Fachgebiet, also Mykologie, Entomologie, Virologie usw., in einem Begriff zusammengefasst werden. Dabei steht – wie in der Medizin üblich – der Patient, hier also die Pflanze und ihre Gesundheit, im Zentrum. Diese streng pflanzenbezogene Sicht hat sich international aber keineswegs durchgesetzt. Im angelsächsischen Sprachraum existiert neben „Plant Pathology“ gleichrangig der Begriff „Pests“, der Schäden durch Tiere (außer Nematoden) umfasst. Auch die oft noch übliche

Trennung von Krankheit und Schädigung wird dem phytomedizinischen Konzept nicht gerecht und ist weder randscharf noch stringent. Schädigungen, welchen Ursprungs auch immer, beeinträchtigen die Integrität einer gesunden Pflanze und führen in aller Regel zu zumeist krankhaften Veränderungen im pflanzlichen Stoffwechsel. – Die Herbologie ist heute Teil der Phytomedizin, denn Unkräuter schmälern als Konkurrenten Wachstum und Leistung der Nutzpflanzen und werden überwiegend chemisch bekämpft. Die Phytomedizin, ursprünglich, wenn auch unter anderen Namen, ein Anhängsel von Botanik und Zoologie, hat zahlreiche Einzelfächer als „Hilfsdisziplinen“ subsumiert, sie aber zu einem geschlossenen Ganzen verknüpft, das damit zu einem Fachgebiet sui generis mit eigenen Fragestellungen und Methoden wurde. Wie jede Medizin ist auch die Phytomedizin eine anwendungsorientierte Wissenschaft, die der Gesundheit ihrer „Patienten“ dadurch dient, dass Schadfaktoren eliminiert oder deren Auswirkungen begrenzt werden. Die gänzliche oder partielle Ausschaltung von Schadfaktoren ist wohl das älteste und am häufigsten angewandte Prinzip des Pflanzenschutzes. Den Auswirkungen lässt sich dadurch vorbeugen, dass ein zeitgleiches Vorkommen von Wirt und Schadfaktor vermieden oder die Anfälligkeit des Wirtes vermindert wird. Zahllose Verbesserungen in allen Sparten der sehr umfangreichen Disziplin haben sie zu einem maßgeblichen Faktor in der Pflanzenproduktion werden lassen. Fortschritte resultieren zunächst aus der Lösung von Teilproblemen, z. B. in der Diagnostik, der Verbesserung von Pflanzenschutzverfahren, der Entwicklung neuer Wirkstoffe oder resistenter Sorten. Die Fortschritte der Phytomedizin an der erzielten Minderung krankheitsbedingter Ertragsverluste messen zu wollen, ist problematisch, da die Erträge beständig steigen und die daran beteiligten Faktoren oft von erheblicher phytomedizinischer Relevanz sein können. Objekte der Phytomedizin zeichnen sich durch einen hohen Komplexitätsgrad aus. Zumeist bilden mehrere Organismen

10 Einführung in die Phytomedizin ein System, das abiotischen und biotischen Einflüssen unterworfen ist. Ökologische Aspekte machen deshalb einen wesentlichen Teil erfolgreicher Phytomedizin aus. Sie helfen mit, die Pflanze in ihrem jeweiligen Ökosystem als ganzheitlichen Organismus wahrzunehmen, in dem alle Teile und ihre Reaktionen auf Einwirkungen der belebten und unbelebten Umwelt interdependenten Beziehungen unterworfen sind. Nicht sogenannte Schaderreger und deren Vernichtung stehen im Zentrum moderner Phytomedizin, sondern die Gesundheit der Nutzpflanzen, d. h. die nachhaltige Bewahrung ihrer Leistungsfähigkeit, wobei Belange des Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutzes selbstverständlich berücksichtigt werden. Die Phytomedizin in Deutschland wird sowohl von staatlichen Einrichtungen wie auch von privatwirtschaftlichen Unternehmen getragen, die sich u. a. in ihren besonderen Aufgaben unterscheiden, ohne dass damit aber deren strenge Abgrenzung einhergeht. Als älteste Institution, in der die Phytomedizin als Wissenschaft ihren Ursprung hat, fühlen sich die Hochschulen vor allem der Grundlagenforschung verpflichtet; ihnen obliegt auch zunehmend in naturwissenschaftlichen Fachbereichen, vornehmlich in agrarwissenschaftlichen Fakultäten, die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Der Umsetzung gewonnener Erkenntnisse in den praktischen Pflanzenschutz, aber auch der Erweiterung und Vertiefung der Pflanzenschutzforschung dienen der staatliche Pflanzenschutzdienst und das Julius Kühn-Institut. Die dritte Säule der Phytomedizin bilden Unternehmen der privaten Wirtschaft. Dazu gehören einerseits weltweit agierende Firmen mit großem Forschungpoten­ tial, die primär für die Entwicklung und Produktion von Wirkstoffen und Präparaten des chemischen Pflanzenschutzes verantwortlich sind. Andererseits tragen aber auch kleinere Unternehmen, die beispielsweise bevorzugt Verfahren und Agenzien des Biologischen Pflanzenschutzes entwickeln und vertreiben, zu Innovationen in der Phytomedizin bei.

1.2 Zur Geschichte der ­Phytomedizin

Der Übergang in der Entwicklung menschlicher Lebensformen vom Sammler- und Jägerdasein zur Sesshaftigkeit, und damit zu einer ackerbau-

lichen Tätigkeit, begann wohl damit, dass die Menschen ihnen nützlich erscheinende Pflanzen auswählten und kultivierten. Diese bedurften der besonderen Pflege, des Schutzes vor Konkurrenten und Schadfaktoren vielfältigster Art. Deren Allgegenwärtigkeit ließ damals und lässt heute eine gedeihliche Pflanzenkultur ohne Pflanzenschutz nicht zu. So ist das Bemühen um die Gesunderhaltung der angebauten Pflanzen ein immanenter Bestandteil des Acker- und Pflanzenbaues. Die dazu angewendeten Mittel und Wege veränderten sich im Laufe der Menschheitsgeschichte tiefgreifend und spiegeln den zeitgebundenen Stand von Bewußtsein und Erkenntnissen wider. Eine kontinuierliche, auf wissenschaftlichen Einsichten beruhende Entwicklung setzte aber erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Als Bestandteil der Biologie gehen auch die Anfänge der Phytomedizin auf die griechische Antike zurück. Die historische Leistung der Griechen besteht weniger in dem Sammeln von einzelnen empirischen Beobachtungen, wie es von vielen Völkern bekannt ist, als vielmehr in dem Bemühen, offensichtliche Gesetzmäßigkeiten von Naturerscheinungen zu ergründen und Einzelvorgänge im Zusammenhang mit Merkmalen anderer Prozesse zu sehen. Die hierzu erforderliche Fähigkeit zur Abstraktion ermöglichte eine rationale Naturbeobachtung, eine Voraussetzung zur Bildung wissenschaftlicher Begriffe. Als Autorität auf dem Gebiete der Pflanzenkrankheiten galt bis ins 18. Jahrhundert der als „Vater der wissenschaftlichen Botanik“ angesehene griechische Philosoph und Naturforscher Theophrast (um 371– um 287 v. Chr.). Er untersuchte u. a. die Lebensbedingungen von Pflanzen und unterschied bereits zwischen Krankheiten und Standortschäden. Plinius der Ältere (23–79 n. Chr.) fasste in seiner 37 bändigen „Naturalis Historia“ Kenntnisse des Altertums zusammen, die im Wesentlichen Theophrasts Schriften entlehnt waren. Die Araber brachten auf ihrem Zug nach Europa Erkenntnisse aus der orientalischen Landwirtschaft mit. In dem von der Scholastik wissenschaftlich weitgehend gelähmten Europa bildete der als „Doctor universalis“ hochgeachtete Albertus Magnus (1193–1280) eine Ausnahme. In seinem Werk „De Vegetabilibus Libri“ beschrieb er auch Pflanzenkrankheiten. Dem Weltbild der Menschen im Altertum und

Zur Geschichte der ­Phytomedizin 11

Mittelalter lagen magisch-religiöse Wertvorstellungen zugrunde, in denen die Phytomedizin, im Gegensatz zur Humanmedizin, als eigenständiges Wissensgebiet noch keinen Platz hatte. Pflanzenschäden, durch welche Ursachen auch immer bedingt, führte man auf göttliche Strafgerichte zurück. Die Vorstellung einer direkten Beziehung zwischen Naturgeschehen und göttlichem Wirken zieht sich durch die Jahrhunderte bis in die Neuzeit. In Europa fanden bis ins 19. Jahrhundert Bannflüche und Prozesse, z. B. gegen Heuschrecken und Maikäfer, statt, die vor Gericht geladen wurden; bei Nichterscheinen drohte ihnen der Kirchenbann. Auch heute noch gibt es kultische Umzüge (Prozessionen) in die Gemarkung, um die Flur zu segnen und um göttlichen Schutz vor Ernteverlusten zu bitten. Diese bedrohen, falls die autochthone Ernährungsbasis in Gefahr ist und ein Ausgleich durch Importe nicht möglich ist, die betroffene Bevölkerung existenziell, wie z. B. um 1845 in Irland, wo ein Pilz die zum Hauptnahrungsmittel gewordene Kartoffel weitgehend vernichtete. Eine ätiologische Analyse von Pflanzenkrankheiten war in früheren Jahrhunderten kaum möglich: Pflanzen veränderten ihr Aussehen, starben ganz oder teilweise ab; manche Schäden kehrten Jahr für Jahr wieder, andere verschwanden oder drangen in neue Gebiete vor. Es gelang kaum jemals, diese Erscheinungen in ihrer Komplexität zu entwirren. Bemerkenswert sind dennoch in historischen Büchern die häufig genauen Beschreibungen der Schadbilder sowie fast moderne Empfehlungen zur Bekämpfung. Fortschritte in den Naturwissenschaften sind nicht zu trennen von den herrschenden geistigen Strömungen. In der Aufklärung zeichnete sich die Abspaltung der Natur von den Geisteswissenschaften ab, der jedoch – besonders in Deutschland – die in der Romantik gelebte Identität von Geist und Materie entgegenstand. Entsprechend einer„ganzheitlichen“ Betrachtungsweise entstanden in der „Medizin der Romantik“ metaphysisch begründete Auffassungen von Gesundheit, Krankheit und Therapie bei Menschen. Mit analogen Deutungen versuchte man, auch Anomalien bei Pflanzen zu verstehen. Selbst der bedeutende Botaniker F. Unger (1800– 1870) sah in Pilzen, die auf erkrankten Pflanzen auftraten, nicht die Ursachen, sondern die Folge

eines autonomen Krankheitsprozesses. Krankheit galt als ein selbstständiger Organismus. Bereits Tillet (1714–1791) wies in seinen Arbeiten über Getreidebrände auf deren parasitäre Natur hin, auch wenn ihm die letzten Erkenntnisse über die pilzlichen Erreger versagt blieben. Die Auswirkungen der im 19. Jahrhundert erfolgten Einschleppung von Schaderregern an Reben und Kartoffeln aus Amerika nach Europa beflügelten deren wissenschaftliche Bearbeitung. Pilze wurden eindeutig als Verursacher von Pflanzenkrankheiten (z. B. der Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel) nachgewiesen. Damit begann die Epoche der Phytomedizin als einer wissenschaftlichen Disziplin, deren Genese eng mit Anton de Bary (1831–1888), Botaniker in Freiburg und Straßburg (Verfasser grundlegender Arbeiten über phytopathogene Pilze) und dem Agrarwissenschaftler Julius Kühn (1825–1910) in Halle verbunden ist. Sein Lehrbuch „Die Krankheiten der Kulturgewächse, ihre Ursachen und Verhütung“ (Berlin 1858) gilt als Meilenstein in der Geschichte des Faches und steht am Beginn einer agrarwirtschaftlich orientierten Phytomedizin. Neben Pilzen wurden als Erreger von Pflanzenkrankheiten in der Folgezeit beschrieben: Nematoden (J. Kühn 1858), Bakterien (T. J. Burril 1879), Viren (D. Ivanowski (l892), Mycoplasma- und Rickettsia-ähnliche Organismen (1960–1970)). Anders als Pflanzenschäden durch Mikroorganismen und Viren ist ein Befall durch Tiere zumeist augenfällig. Schadinsekten wurden in früheren Jahrhunderten detailliert beschrieben, häufig mit nützlichen Empfehlungen zu ihrer Abwehr. Auch die entomologische Seite der Phytomedizin zog aus einer Kalamität mit folgenschweren ökonomischen Konsequenzen entscheidende Vorteile: die um 1850 in Fichten- und Kiefernbeständen Ost- und Mitteleuropas verheerend auftretende Nonne (Lymantria monacha), deren Schadwirkung anschließender Borkenkäferfraß noch vermehrte. Damals entstand, u. a. durch die Arbeiten von J. T. C. Ratzeburg (1801–1871) in Eberswalde, die moderne angewandte Entomologie. Die rasch zunehmenden Kenntnisse zur Biologie von Schaderregern begünstigten ein parasitologisch orientiertes Konzept der Phytomedizin, das aber den Anteil der Pflanze am Befalls- und Krankheitsprozess vernachlässigte. Auf deren, mitunter entscheidende Rolle im komplexen Erkrankungs-

12 Einführung in die Phytomedizin vorgang wies vor allem P. Sorauer (1839–1916) mit seiner, damals noch umstrittenen Konstitutionslehre hin. Danach sind Befall und Erkrankung auch vom Pflanzenzustand zum Zeitpunkt des Angriffs eines Schadfaktors und seiner Manifestation abhängig. Dieser, Krankheitsbereitschaft (Prädisposition, Disposition) genannte Zustand, unterliegt erheblichen, u. a. ontogenetisch oder ökologisch bedingten Schwankungen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den Hochschulen mussten in praktisches Handeln umgesetzt werden. Diese Aufgabe übernahmen vor allem staatliche Pflanzenschutzdienste sowie eine 1898 gegründete biologische Versuchsanstalt, die spätere „Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft“ und heutiges „Julius Kühn-Institut“, die auch wesentlich zur Entwicklung des Fachgebietes beigetragen hat und die derzeit den Pflanzenschutz in Deutschland administrativ dominiert. Bereits in früheren Jahrhunderten wurde auf die Möglichkeiten einer biologischen Schädlingsbekämpfung hingewiesen. Die Etablierung biologischer Gleichgewichte durch geeignete Strukturen der pflanzenbaulichen Nutzökosysteme oder eine gezielte Einbürgerung von natürlichen Gegenspielern, insbesondere von tierischen Schädlingen, können zur langfristigen Minderung des Risikos kritischer Massenvermehrungen von Schaderregern beitragen. Zur Lösung akuter Befallssituationen reicht ihr Potenzial aber nur in Sonderfällen aus. Vor allem in großflächigen Freilandkulturen sind die ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen in dieser Hinsicht oft schwierig. Hier übernimmt heute zumeist der chemische Pflanzenschutz die Aufgabe der effektiven Befallskontrolle. Zwar wurden bereits in früheren Jahrhunderten Chemikalien, wie z. B. Natriumsulfat („Glaubersalz“), Brandwein oder Schwefel, gegen Schaderreger, vor allem zur Beizung, angewendet. Als eigentliche Geburtsstunde gilt aber der erfolgreiche Einsatz einer Kupferkalkmischung („Bordeaux-Brühe“) gegen den Erreger des „Falschen Rebenmehltaus“ durch den Botaniker P. M. A. Millardet 1885 in Frankreich. In Deutschland entwickelte sich aus der „Vereinigung deutscher Fabriken von Pflanzenschutzmitteln“ (1912) die außerordentlich leistungsfähige Pflanzenschutzindustrie. Ihre, zumeist recht wirksamen – und

aufgrund strenger rechtlicher Rahmenbedingungen heute auch zunehmend umweltverträglicher – Produkte zur Vernichtung von Schaderregern haben den chemischen Pflanzenschutz zu einer tragenden Säule moderner Pflanzenproduktion werden lassen. „Crop Science“ ist heute ein Forschungsfeld der Pflanzenschutzindustrie, das über die bloße Entwicklung von Präparaten weit hinausgeht. Ein völlig anderes Prinzip des Pflanzenschutzes entstand um 1900 nach der Wiederentdeckung der Mendel’schen Vererbungsgesetze: Nicht durch Ausschaltung der Erreger, sondern durch systematische Züchtung widerstandsfähiger Wirtspflanzen, d. h. durch deren genetische Veränderung, lassen sich Befall und Schädigung verhindern oder begrenzen. Moderne Molekulargenetik kann dieses Prinzip erweitern, da sie mittels markergestützter Selektion heute effizienter und schneller geeignete Genotypen entwickeln kann oder gar mittels transgener Verfahren Neukombinationen von Gensequenzen ermöglicht, denen vorher nicht überwindbare Kreuzungsbarrieren entgegenstanden. Die Ausweitung der phytomedizinischen Forschung in den vergangenen Jahrzehnten hat das Wissen über Pflanzenschäden und zu den Möglichkeiten ihrer Vermeidung enorm vermehrt. Dazu gehört neben dem immensen Erkenntnisgewinn über Mechanismen der Wirt-Schaderreger Interaktionen auf molekularer und physiologischer Ebene auch der gewaltige Fortschritt in der Informationstechnologie mit der Erstellung und Nutzungsmöglichkeit komplexer Modelle in Epidemiologie und Populationsdynamik für Prognosen bis hin zu praxistauglichen Expertensystemen. Andererseits gelang es nicht, die Ver- und Ausbreitung wichtiger Schaderreger zu verhindern oder eine uralte Kulturpflanze, die Ulme, vor dem fast vollständigen, krankheitsbedingten Aussterben zu bewahren. Auch ist man dem originären Ziel der Phytomedizin, Ertragseinbußen durch Schadfaktoren zu minimieren, nicht in dem Maße nähergekommen, wie nach dem beträchtlichen Wissenszuwachs hätte erwartet werden können. Doch zur Würdigung des phytomedizinischen Fortschrittes sind auch Veränderungen in der Pflanzenproduktion (u. a. Sorten- und Standortwahl, Umweltschutzaufla-

Zur Geschichte der ­Phytomedizin 13

gen) zu berücksichtigen. Ökonomische Zwänge können z. B. das Handeln nach den Grundsätzen des „Integrierten Pflanzenschutzes“ konterkarieren. Die Evaluierung der hieraus erwachsenden Gefährdungen für den Gesundheitszustand der Pflanzen und damit die Bewertung ihrer Leistungsfähigkeit unter den jeweiligen Bedingungen bleiben zentrale Verpflichtung der Phytomedizin. Die gegenwärtige Situation des Fachgebietes wird international nicht zuletzt von dem Gewicht geprägt, das die molekulare Phytopathologie neben den traditionellen Zweigen der Disziplin gewonnen hat. Zweifellos erschließen ihre Verfahren neue Möglichkeiten zur Erforschung und auch zur Lösung schwieriger Probleme, z. B. bei der Diagnose, der genetischen Charakterisierung von Schaderregern, bei der Aufklärung von Interaktionen zwischen ihnen und ihren Wirtspflanzen oder bei der Resistenzzüchtung. Der Nutzen, den solche, häufig auch außerhalb der traditionellen Phytomedizin angesiedelten Arbeiten aber für die Entwicklung neuer Wirkstoffe haben, hält sich bislang allerdings noch in Grenzen, wird aber im Rahmen der immer stärker „target orientierten“ Suche nach neuen Wirkmechanismen an Bedeutung gewinnen. Das Forschungsfeld der molekularen Phytomedizin gilt heute als besonders innovativ und förderungswürdig in der Grundlagenforschung. Phytomedizinische Grundlagenforschung aber vornehmlich in molekularer Ausrichtung zu betreiben und als solche zu akzeptieren, wird einem Fach mit Systemcharakter, also mit einer Vielzahl in sich verwobener Komplexe und Prozesse und zahllosen, auch durch Außenfaktoren beeinflussbaren Ursache-Wirkungsbeziehungen, nicht gerecht. Die Objekte der Forschung, zumeist also befallene Pflanzen, sind hochkomplexe Systeme mit hierarchisch geordneten Strukturen. Untersuchungen auf der untersten, d. h., auf der molekularen Ebene erbringen zwar häufig interessante, publikationswürdige Daten und Resultate, deren phytomedizinische Relevanz hängt aber davon ab, ob und wieweit solche Befunde über mehrere Komplexitätsstufen hinweg noch gelten. Molekulare, organismische und auch ökosystemare Forschung müssen sich zu holistischen Ansätzen verbinden. Die Bewertung von Reaktionen sollte auf allen Hierarchieebenen, also auch auf der höchsten

der Produktionsstufen erfolgen und die Fragen nach den Auswirkungen auf die Pflanzengesundheit beantworten. Sie bildet letzten Endes das Ziel phytomedizinischer Bemühungen, also für Pflanzen einen Zustand zu schaffen, in dem sie Schadfaktoren optimal widerstehen. Der Gesundheitszustand von Kulturpflanzen in einem Produktionssystem und damit auch der Pflanzenschutz haben, angesichts ihrer existenziellen Bedeutung, stets öffentliches Interesse beansprucht. Eine hohe Sensitivität des letzteren ist wünschenswert, allerdings sollten immer unabhängig gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse zur Bewertung herangezogen werden. Zuweilen konzentriert sich das öffentliche Interesse heute mehr auf denkbare unerwünschte Folgen der Maßnahmen des Pflanzenschutzes als auf die auch heute noch immer höchst anspruchsvollen ursprünglichen Aufgaben, den Schutz der Kulturpflanzen, eine Entwicklung, die Kern und Selbstverständnis des Faches berührt. Damit einher geht eine, wissenschaftlich kaum zu begründende Distanz zum chemischen Pflanzenschutz. Die Bewertung von Pflanzenschutzverfahren sollte sich immer, soweit sie sich seriöser Wissenschaft verpflichtet fühlt, auf fundierte, objektive Daten stützen. Das gilt für den biologischen wie für den chemischen Pflanzenschutz. Ökologische Aspekte haben den Pflanzenschutz seit Anbeginn begleitet. Heute wird das wissenschaftlich geprägte, der Nachhaltigkeit verpflichtete und auch Elemente des Verbraucherschutzes enthaltende Ökosystemkonzept (Eco-efficiency) allgemein akzeptiert und mit Erfolg praktiziert. Gleichzeitig darf es sich aber der globalen Herausforderung nicht verschließen, die, unabwendbar, vermehrte Pflanzenleistung auf verminderter Fläche verlangt, also einer Verbesserung des Verhältnisses von Output zu Input, d. h. der Produktivität.

Weiterführende Literatur Ainsworth, C. B. (1976): Introduction to the history of mycology. Cambridge: University Press. Braun, H., (1965): Geschichte der Phytomedizin, Berlin: Paul Parey. Mayer, K., (1959): 4500 Jahre Pflanzenschutz, Stuttgart: Eugen Ulmer Orlob, G. B., (1973): Frühe und mittelalterliche Pflanzenpathologie. Pflanzenschutznachrichten Bayer 26, 69–3 I 4.

2  Bedeutung der Schaderreger und des Pflanzenschutzes für die ­Pflanzenproduktion (E.-C. Oerke)

Wirtschaftliche Pflanzenproduktion muss darauf bedacht sein, das Verhältnis von Aufwand und Erlös, d. h. die Produktivität, zu optimieren. Faktoren, die Wachstum und Ertragsbildung der Pflanzen negativ beeinflussen, reduzieren den Ertrag und damit die Produktivität. Sie zu (er-) kennen, zu bewerten und zu vermeiden bzw. auszuschließen sind wichtige Ziele der Phytomedizin.

2.1 Pflanzenproduktion und ­Ertragsverluste weltweit

Der Pflanzenschutz umfasst alle Maßnahmen, Schäden und Ertragsverluste von Nutzpflanzen auf ein ökonomisch und ökologisch akzeptables Maß zu begrenzen.

Abb. 1:  Ursachen der Ertragsverluste von Nutzpflanzen.

Die Quantifizierung eines Ertragsverlustes setzt voraus, die Höhe des erreichbaren Ertrages zu kennen. Das Ertragspotenzial einer Nutzpflanze wird allein durch ihr Genom bestimmt und ist daher für alle Anbaubedingungen gleich. Dieser Wert hat eher theoretische Bedeutung, unter praktischen Anbaubedingungen ist er auch nicht annähernd zu realisieren, da kaum alle Wachstumsfaktoren über die gesamte Ontogenese im Optimum vorliegen. Der erreichbare Ertrag wird durch die vom Standort vorgegebenen Anbaubedingungen bestimmt und ist der unter Ausnutzung aller produktionstechnischen Möglichkeiten maximal realisierbare Ertrag, also regional und zeitlich variabel. Aus der Differenz von erreichbarem und tatsächlich erzieltem aktuellen Ertrag ergibt sich der Ertragsverlust.