Kreuzkatalytische Netzwerke als Wirtschaftsprinzip - Journals

Um diese Form der „Wirtschaftsförderung“ umzusetzen sollen sogenannte Virtuelle. Unternehmen gebildet ... neue Office als Wachstumsmotor. Fördernde.
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Kreuzkatalytische Netzwerke als Wirtschaftsprinzip K.-M. Meiß Arnold-Sommerfeld-Gesellschaft e.V. www.asg-ev.de Büro: Könneritzstr. 49 04229 Leipzig [email protected]

Abstract: Im Zeitalter explodierender Informationsverfügbarkeit wird ein Zusammenhang zwischen Informationsnutzung und Innovation erkennbar. Neben den konventionellen Organisationsformen der Wirtschaft existieren Netze, die diese Informationsflut hervorragend nutzen können. Kreuzkatalytische Netzwerke (KKN) sind solche Organisationsformen mit ausgezeichneter Innovationskraft. Anhand von Bespielen werden Muster dargestellt und deren Funktionsweise erläutert. Die Entwicklung einer Theorie KKN ist eine der nächsten Arbeiten, die anzugehen ist. Derzeitige Anwendung der KKN-Modelle dient zur Beratung von Wirtschaft und Gesellschaft um eine sozialverträgliche und ökonomisch tragfähige Gesellschaft zu entwickeln.

1 Informationsexplosion Das exponentielle Wachstum von Information eröffnet wirtschaftliche und gesellschaftliche Möglichkeiten neuer effizienter Informationsstrukturen. Wahrgenommen werden Organisationen oder Individuen nur noch, wenn sie als Information verfügbar sind, ansonsten sind sie unsichtbar. Werden diese neuen Möglichkeiten und Netzstrukturen nicht genutzt, wird beispielsweise ein wirtschaftlicher Abstieg unausweichlich oder es kommt zum „Aussterben“ aufgrund vollständiger Rückständigkeit. Ein Kreuzkatalytisches Organisationsprinzip kann erfolgversprechende Lösungskonzepte konstruieren. Die Kombination von Wirtschaft, Wissenschaft und Umweltaspekten über Kreuzkatalytische Netzwerke (KKN) ermöglicht weitreichende Synergien. Die Methode der KKN eröffnet ein Verständnis erfolgversprechender Prinzipien und erlaubt Synergiebildung zu unterstützen. Komplexe Fragestellungen, z.B. zur Nachhaltigkeit und Synergiebildung, lassen sich durch einfache gekoppelte Systemmodelle nicht erklären. Die vielfältigen Verhaltensoptionen können nicht mehr eindeutig aufgeschlüsselt werden.

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KKN sind ein Ansatz, der Anfang der 70er Jahre aus der Theorie zur Entstehung des Lebens entwickelt wurde, um methodische Systemerkundungen zu betreiben. Heute eignet sich KKN dazu wirtschaftliche Erfolgskonzepte und deren Gestaltungsoptionen zu erklären.

2 Kreuzkatalytische Netzwerke (KKN) Basistechnologien prägen die Wirtschaft für ca. ein halbes Jahrhundert [Preston and Hall 1988; Berry 1991]. Die Eisenbahn war ab 1830 eine dieser Basistechnologien, die Elektrotechnik nach 1880, die KFZ-Technik nach 1920. Nachdem die Kommunikationstechnologien wie Telegraf und Telefon entstanden waren und sich zu einem Netzwerk ausrichteten, setzte der Computer die Folge der Basisinnovationen fort. Dieser Netzwerkaufbau führte schließlich zur sogenannten „Langen Welle“ oder dem Kondratieff-Zyklus der Wirtschaft [Kondratieff 1926] und deren Umbau. Infolge dessen änderten sich auch die Sozialsysteme und auch die Umweltgestaltung. Vorraussetzung für unverzügliche Umsetzung einer Basisinnovation ist deren (zumindest) exponentielles Wachstum mit einer entsprechenden Anwendungsbreite [Mende und Albrecht 1986]. KKN´s sind Konstrukte mit zwei oder mehreren „Partnern“, die sich direkt oder indirekt helfen und/oder Produkte und Eigenschaften gegenseitig austauschen. Durch diese „Hilfe“ sind sehr hohe Wissenszuwachsraten zu erzielen, wodurch schnelle Ausbreitung von Innovation realisierbar wird. Diese Ausbreitungsbedingung gilt entsprechend für die o.a. Basisinnovationen. Oben genannte Ansätze lassen sich auch auf Innovationen und Lebenszyklen der Regionalentwicklung übertragen [Rösch und Grossmann 1997] und sind Bedingung für deren nachhaltige Entwicklung. Die Analyse von Hyperzyklen, als Spezialfall von kreuz- oder autokatalytischen (Kooperations-)Strukturen [Clark 1980], setzte den Anfang der Theorie der KKN´s. Ursprünglich diente der Hyperzyklenansatz zur Beschreibung von Basisschritten der Biogenese [Eigen und Schuster 1978; Matsuno 1982; Fontana et al. 1991; Allen 1994; und andere]. Auch außerhalb der „stofflichen Basis“ bei Katalyse bzw. Informationsübertragung und speicherung ist der Modellansatz gültig. Daher sind Modelle, deren Analysen und sogar Darstellungen auf die Organisation von Wirtschaft und Umweltschutz übertragbar. Der verallgemeinerte Ansatz der KKN kann sozialtechnologische und innovativ-kulturelle Prozesse beschreiben [Dierkes 1990]. Nachfolgend finden sich einige Erläuterungen zu KNN´s:

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Autokatalyse bezeichnet die gesamten Fähigkeiten und Strategien, die die Kapazitäten eines Subsystems, z.B. eines Unternehmens, vervielfältigen. In der Wirtschaft unterliegen die Katalysatoren infolge Besteuerung, Alterung u.ä. Zerfallsprozessen. Folglich wird die Gestalt der Wellenfront zwar verändert, doch deren Wirkung bleibt erhalten [Pota und Stedman 1994]. Zwei Zerfallsvorgänge müssen unterschieden werden: Die Zerstörung der Autokatalyse, z.B. durch Besteuerung oder Entnahme und die Alterung mit Auto- und Kreuzkatalyse durch Inflation, mangelhafte Technik, hohe Kosten etc. Katalytische Ordnung beschreibt den relativen Effekt auf die Änderung der Katalysatorkonzentration. Sie ist die Menge an Information, die sich auf Umsatz- bzw. Produktionssteigerung auswirkt. Die Stabilität eines Netzwerkes ist solange gesichert, bis die katalytische Ordnung in der selbstreproduzierenden Schleife höher ist als der Einfluss erhöhter Katalyseaktivität auf die Vermarktung des Endproduktes. Triggerwellen ändern ihre Umgebung stetig fortschreitend und irreversibel [Szirovicsa und Nagypal 1989]. Das sind Störungen eines im thermodynamischen Ungleichgewicht befindlichen Systems. Triggerwellen können sich ausbilden, falls Autokatalyse im Überfluss auftritt, z.B. in Relation zu Verbrauchsfaktoren. Andere Triggerwellen entstehen, wenn Auto- und/oder Kreuzkatalyse mit Diffusionswiderständen zusammentreffen [Turing 1952; Scott 1992] und Ausbreitung gehemmt wird. Häufig entstehen räumlich stationäre Muster oder auch chaotisches Verhalten. Die katalytische Ordnung bestimmt i.d.R. die Ausbreitung der Triggerwelle. Auf die Wirtschaft bezogen werden als Reaktion darauf oft andere Teilsysteme aktiviert und ein intensiver Informationsaustausch beginnt. Selbstorganisation der Hierarchie und Veränderung nichtlinearer Dynamik lassen sich nur unzureichend mit KKN beschreiben. Bekannt ist, dass langsamere Prozesse die Dynamik eines Systems bestimmen [Holling 1978]. Langsame Dynamiken der Wirtschaft sind oft mit Langen Wellen der Weltwirtschaft verknüpft. Die Konnektivität [Eigen und Schuster 1978] ist ein Kriterium der zeitabhängigen Behandlung des Hierarchieproblems. Hierarchie besteht dann, wenn wenigstens 2n + 1 Kopplungen zwischen n KKN-Akteuren bestehen. Hierarchie existiert, wenn neben der LieferantenKunden-Beziehung noch weitere Lieferantenbeziehungen aufgebaut sind. Es bilden sich selbstorganisierende Subsysteme heraus. Langsame Entwicklungsprozesse können mit zumeinst nichtlinearer Dynamik selbst zu Triggerprozessen werden.

3 Neue Ansätze durch KKN KKN stellen die Möglichkeit dar, eine umweltfreundliche Gesellschaftsform mit informationsintensiver Wirtschaft aufzubauen. Mit den neuen Formen der Informationsverbreitung über die Netze lassen sich Triggerwellensysteme (autokatalytisch sich ausbreitende Innovationsfronten) erstellen. Es sind mehrere elementare Möglichkeiten denkbar, in einem Triggerwellensystem Innovationsfronten zu platzieren. Folgende Beispielplatzierungen sind möglich:

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... beim Innovator, der den Ausgangspunkt o.ä. einer innovationsbedingten Wellenfront bildet und noch andere Partner zusammenfasst, wie z.B. Vorlieferanten und Endkunden. Innovationen stellen sich als Änderungen der Topologie und Kausalbezüge dar. ... in den Wellenfronten selbst entstehen Triggerwellen aus der Kopplung von zwei autokatalytischen Kreisen. Dadurch unterstützen sich die Kreise in ihrer Ausbreitung, werden aber gleichzeitig durch Diffusionswiderstände gehemmt. Initiieren von Triggerwellen ist eine sehr effektive Möglichkeit, Ansätze/Innovation zu verbreiten oder vorhandene aufzufinden und sie miteinander zu koppeln, wie das beispielsweise bei den neuen Informationstechnologien geschehen ist. ... beim Lieferanten und dessen informeller Vernetztheit (kreuzkatalytisch), um neue Materialeigenschaften zu kreieren oder höchstintegrierte Prozesskombinationen zu erreichen. ... bei der Finanzierung von Investitionsobjekten, um deren Effizienz zu erhöhen. Ein negatives, aber sehr bekanntes Beispiel von KKN war die Finanzierung des Schneiderimperiums. Einige Beispiele aus der Wirtschaft verdeutlichen diese Zusammenhänge: Intershop Jena ist einer der Marktführer im Informationshandel. Amazon ist auf den fast ausschließlichen Internethandel von Büchern spezialisiert. FedEx baute weltweit führende Transportlogistik auf. QVC vervielfachte seinen Umsatz in den letzten Jahren. Allen gemeinsam sind entsprechende Antworten auf die Frage: Können wir von reinen Dienstleistungen leben und ist Information essbar? Um diese Form der „Wirtschaftsförderung“ umzusetzen sollen sogenannte Virtuelle Unternehmen gebildet werden [Grossmann 1999]. Die Wellenfronten werden nicht explizit beim Innovator angesetzt; es reicht, sie in einer nachgelagerten Organisation zu initiieren und dadurch den Verstärkungseffekt zu ermöglichen. Ein Beispiel für diesen Effekt wäre Kommunikation so kostengünstig als möglich (oder gleich teuer) zu gestalten. Damit wird Innovation seiner Räumlichkeit entkoppelt. Eine andere Möglichkeit der Förderung von Innovation sind „Special Interest Groups“ mit denen die einzelne Mitglieder ein Netzwerk aufbauen. Weil jeder einzelne damit überfordert wäre derart komplexe Themen sinnvoll auszuwerten, erfolgt die Ausarbeitung von Synergien gemeinsam. Solche Organisationsformen existieren schon als Genossenschaften oder Vereine im Bereich der Wirtschaft.

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Aktuelles Beispiel der Anwendung solcher Netzstrukturen sind Arbeiten der ASG zur Biopolymer-Forschung. Das Netzwerk besteht institutionell aus Forschungseinrichtungen und kleinen Firmen. Die Kompetenzen liegen auf unterschiedlichen Gebieten. Durch Vernetzung des Wissens mit Hilfe einer Datenbank war es möglich, die einzelne Wissensbasis zu verbreitern und es letztlich zu ermöglichen, ein Konzept für eine Low-Cost-Production für Biokunststoff zu erstellen. Dabei diente die ASG nicht nur als Wissensspeicher sondern darüber hinaus als Wissensvermittler. Eine Reihe von Beispielen findet sich mit Computer, Global-Positioning-System und Nanomessgeräten in der Landwirtschaft. Die Vernetzung all dieser Informationen ergibt den Innovationsschub in der Nahrungsmittelproduktion. Selbst die der Gentechnik könnte die erwarteten Effekte nicht übertreffen. Es wären beachtliche Auswirkungen für eine „Diversifizierte Landwirtschaft“ zu erwarten [Haber 1971]. Innovation / 1960: Einführung Mainfraims Wirkung

1980: Der PC setzt sich durch

Autokatalyse rasches Wirtschaftswachstum 1. Kreis

rasche Innovation in PC-basierter Wirtschaft

Autokatalyse Wachstum der Computerindustrie 2. Kreis

Wohlstand bei den PC-Kunden

Fördernde Wirkung von 1 auf 2

durch Wachstum sehr Einkommensentwicklung

Fördernde Wirkung von 2 auf 1

neue Formen der Fertigung u.a. Nachfrageschub Management wird effizient Käuferschichten unterstützt

Diffusionswiderstände

Mangel an Kapital, Know-how, Mangel an Anwendungen, Software, Personal Schulung, Vertrautheit und hohe Kosten

gute neue Office als Wachstumsmotor

durch

neue

Tabelle 1: Beispiele für Hyperzyklen

Der o.a. Tabelle können die Stadien von Hyperzyklen entnommen werden. Beide Beispiele zeigen die unterschiedliche Interpretation ihrer Innovationswirkung. Für computerbasierte Informationsnetze zeichnen sich folgende Abläufe ab: Wachstum für Chips, PC´s und Workstation, Wachstum der Netze (Zunahme der Teilnehmer und Information), steigende Kapazitäten und fallende Preise erhöhen die Anzahl der Server, der Wert des Netzes erhöht sich mit Auswirkungen auf die Wirtschaft. Allerdings sind auch Diffusionswiderstände vorhanden, beispielsweise schlechte Zugänge und geringe Übertagungsraten.

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