Koordinierende Kinderschutzstelle (KoKi) und erfolgreiche

Sinne der Gesundheitsförderung an alle (werdenden) Eltern richten. Zusätzlich wenden sie sich im Rahmen der selektiven/sekundären Prävention.
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Carmen Zwerger

Koordinierende Kinderschutzstelle (KoKi) und erfolgreiche Netzwerkarbeit Entwicklung von Qualitätsstandards

disserta Verlag

Carmen Zwerger Koordinierende Kinderschutzstelle (KoKi) und erfolgreiche Netzwerkarbeit: Entwicklung von Qualitätsstandards, disserta Verlag, 2015 Buch-ISBN: 978-3-95425-054-7 PDF-eBook-ISBN: 978-3-95425-055-4 Herstellung: disserta Verlag, Hamburg, 2015 Covermotiv: © laurine45 – Fotolia.com

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Summary Die Frühen Hilfen sind zu einem fachlichen und gesamtgesellschaftlichen Anliegen geworden und werden umfassend erforscht. Die Vernetzung zwischen Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitswesen ist als Eckpfeiler eines gelingenden Kinderschutzes und wirksamer Prävention erkannt worden. Dazu sind in Bayern flächendeckend Koordinierende Kinderschutzstellen (KoKi) eingerichtet worden, deren Hauptaufgabe die Vernetzung mit allen Institutionen und Personen ist, die mit Familien mit Kindern unter drei Jahren sowie Schwangeren befasst sind. Das Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“ entwickelte mehrere Standards wie Auftaktveranstaltung, Runde Tische, Workshops, gemeinsame Fortbildungen, Risikoerfassungsinstrumente und Handreichungen für die Jugendhilfe. Es hat sich herausgestellt, dass weitere und umfassendere Standards erforderlich sind, um die Vernetzung erfolgreicher zu gestalten, eine größere Verbindlichkeit herzustellen und zielgerichteter zu arbeiten. Mittels umfassender Dokumentenanalyse und Durchführung von drei Experteninterviews, ausgewertet mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring, wurden weitere Qualitätsstandards entwickelt, die für eine erfolgreiche Netzwerkarbeit und gelingende Kooperation der KoKi erforderlich sind.

Schlüsselwörter: Koordinierende Kinderschutzstelle, Frühe Hilfen, Vernetzung, Netzwerkarbeit, Kooperation, Qualitätsstandards, Entwicklung weitergehender Standards, Experteninterviews, qualitative Inhaltsanalyse,

Vorwort An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bedanken bei meiner Vorgesetzten, die mich auf die Koordinierenden Kinderschutzstellen als Forschungsthema aufmerksam gemacht und mein Interesse daran geweckt hat.

Ebenso möchte ich den Kolleginnen in beiden Jugendämtern danken, die sehr kooperativ waren und sich viel Zeit für telefonische Fragen, Vorgespräche und das Interview genommen haben.

Mein Dank gilt auch den Jugendamtsleitern, die die Forschung überhaupt erst ermöglichten, indem sie mir Zugang zu den KoKi´s gewährt haben und mich auf diese Weise sehr unterstützt haben.

Am meisten Dank gebührt aber meinem Mann Martin Zwerger, der mich während der Forschungsarbeit unermüdlich unterstützt hat.



Inhalt 1. Einleitung .................................................................................................... 9 2. Frühe Hilfen und Konzept KoKi ................................................................. 11 2.1

Begriffsklärung Frühe Hilfen ................................................................ 12

2.2

Begriffsklärung Koordinierende Kinderschutzstelle (KoKi) .................. 14

2.2.1

Aufgaben ...................................................................................... 15

2.2.2

Ziele und Zielgruppen ................................................................... 16

2.3

Derzeitiger Forschungsstand .............................................................. 18

2.4

Bundeskinderschutzgesetz ................................................................. 20

3. Vernetzung/Netzwerke .............................................................................. 22 3.1

Begriffsklärung Netzwerke .................................................................. 22

3.2

Netzwerktheorien ................................................................................ 24

3.3

Netzwerktypologien ............................................................................. 26

3.4

Netzwerkphasen ................................................................................. 29

3.5

Netzwerkmanagement ........................................................................ 30

3.6

Soziale Netzwerkanalyse .................................................................... 34

3.7

Erfolgsfaktoren von Netzwerken Früher Hilfen .................................... 35

3.8

Stolpersteine der Vernetzung .............................................................. 37

4. Bestimmung der Begriffe Qualität, Standards und Kooperation ................ 39 4.1

Beschreibung von Qualität .................................................................. 39

4.2

Standards der Frühen Hilfen ............................................................... 41

4.3

Kooperation und Vernetzung ............................................................... 44

5. Forschungsansatz ..................................................................................... 47 5.1

Forschungsprozess ............................................................................. 47

5.2

Methodenauswahl ............................................................................... 51

5.3

Experteninterviews .............................................................................. 53

5.3.1

Leitfadenerstellung ....................................................................... 55

5.3.2

Zugang zum Feld .......................................................................... 56

5.3.3

Pretest .......................................................................................... 57

5.3.4

Transkriptionsregeln ..................................................................... 57

5.4

Qualitative Inhaltsanalyse ................................................................... 58

5.5

Auswertung der Interviews .................................................................. 68

5.6

Diskussion der Ergebnisse .................................................................. 69

6. Entwicklung der Standards........................................................................ 73 7. Schlussbemerkung .................................................................................... 77



1.

Einleitung

Frühe Hilfen und das Konzept der Koordinierenden Kinderschutzstellen haben mich während der letzten Jahre begleitet. Die erste wissenschaftliche Arbeit verfasste ich bereits über die KoKi, indem ich das Spannungsfeld der Mitarbeiterinnen zwischen Förderung, Prävention und Intervention beleuchtete. Die zweite wissenschaftliche Arbeit befasste sich mit frühen Regulationsstörungen und Unterstützungsmöglichkeiten für betroffene Familien. Interdisziplinäre Zusammenarbeit in der frühen Kindheit ist bislang sträflich vernachlässigt worden und wurde als eine Hauptursache für die öffentlich bekannten Fälle von schwerer Kindesmisshandlung und Vernachlässigung mit Todesfolge identifiziert. Ebenso waren Erkenntnisse über die frühe Kindheit auch in Fachkreisen wenig verbreitet. Es galt also, zum einen die Vernetzung insbesondere zwischen Gesundheitswesen und Kinder- und Jugendhilfe zu fördern, da das Gesundheitswesen rund um die Geburt einen nichtstigmatisierenden Zugang zu fast allen Familien hat, wohingegen das Jugendamt erst einen späteren Kontakt hat, wenn bereits Störungen bei den Kindern vorhanden sind. Zum anderen sollte das Wissen über die psychosozialen Erkenntnisse und Bedürfnisse der frühen Kindheit ausgebaut und weiter erforscht werden. Das in Bayern und mehreren anderen Bundesländern durchgeführte Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“ wurde ausgewertet und die Bereiche beschrieben, bei denen noch Verbesserungsbedarf besteht. Die Forscher haben unter anderem festgestellt, dass zuverlässige Screeningsinstrumente zur Einschätzung familiärer Belastungen fehlen und eine interdisziplinäre Verständigung über Verfahrensweisen und Vorgehen noch nicht gegeben ist. In allen Publikationen wird betont, dass es an verbindlichen Standards für die Vernetzungsarbeit mangelt und dadurch große Reibungsverluste in der Zusammenarbeit zwischen den Systemen entstehen. Dies habe ich zum Anlass genommen, mich diesem Thema in der vorliegenden Forschungsarbeit näher zu widmen. Umfangreiche Literaturrecherche und eigene empirische Forschung in Form von qualitativen Experteninterviews haben zur Entwicklung von Qualitätsstandards geführt, die ich in dieser Arbeit vorstelle. Die zugrunde liegende 9

Forschungsfrage ist, welche Qualitätsstandards für die Koordinierenden Kinderschutzstellen erforderlich sind, um eine erfolgreiche Netzwerkarbeit und gelingende Kooperation umzusetzen. Die Arbeit beginnt mit der Darstellung der Konzepte der Frühen Hilfen und der Koordinierenden Kinderschutzstellen und erläutert den derzeitigen Forschungsstand. Da Kinderschutz und Prävention in der frühen Kindheit einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert haben und zur flächendeckenden Implementierung verstärkte Anstrengungen unternommen werden, besteht ein umfassendes Forschungsinteresse. Die Entwicklung der Erkenntnisse steigt stetig an, so dass der hier wiedergegebene Forschungstand eine Momentaufnahme darstellt. Das neue Bundeskinderschutzgesetz, welches 2012 in Kraft tritt, wird ebenso erläutert. Das dritte Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit Vernetzung und Netzwerken und legt theoretische Konzepte dazu vor. Diese werden explizit auf die Netzwerke Früher Hilfen angewandt, welche Erfolgsfaktoren und Stolpersteine bei einer solchen Vernetzung möglich sind. Das folgende Kapitel erläutert Begriffe der Qualität, Standards und Kooperation, die zum Verständnis der vorliegenden Arbeit erforderlich sind. Anschließend wird der Forschungsansatz und Forschungsprozess umfassend beschrieben, die Experteninterviews theoretisch und die eigene praktische Durchführung dargelegt sowie die Auswertung mittels der qualitativen Inhaltsanalyse behandelt. Die vorliegenden Ergebnisse werden diskutiert und münden in die Entwicklung der Qualitätsstandards für eine erfolgreiche Netzwerkarbeit und gelingende Kooperation der KoKi.

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2.

Frühe Hilfen und Konzept KoKi

Sensibilisiert durch die schweren Fälle von Kindesvernachlässigung, Gewalt und Missbrauch ist die Verantwortung der Gemeinschaft zum besseren Schutz von Kindern in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Koalitionsregierung hat deshalb beschlossen, mit einem Projekt zur frühen Förderung gefährdeter Kinder soziale Frühwarnsysteme zu entwickeln (Nationales Zentrum Frühe Hilfen). Der Koalitionsvertrag

von 2005 besagt: „Kinder mit sozialen und

gesundheitlichen Risiken brauchen Förderung von Anfang an. Dazu müssen Hilfen für sozial benachteiligte und betroffene Familien früher, verlässlicher und vernetzter in der Lebenswelt bzw. dem Stadtteil verankert werden. Das Wächteramt und der Schutzauftrag der staatlichen Gemeinschaft müssen gestärkt und soziale Frühwarnsysteme entwickelt werden. Jugendhilfe und gesundheitliche Vorsorge sowie zivilgesellschaftliches Engagement sollen zu einer neuen Form der frühen Förderung in Familien verzahnt werden.“ Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gründete 2006 das Aktionsprogramm „Frühe Hilfen und soziale Frühwarnsysteme“, mit den Zielen einer Verbesserung des Kinderschutzes durch den Aufbau von Frühwarnsystemen und Frühen Hilfen, einer stärkeren Verzahnung des Gesundheitswesens mit der Kinder- und Jugendhilfe, einer Verstärkung des Schutzauftrages des Staates sowie Stärkung der Erziehungsverantwortung. Im Zuge des Aktionsprogrammes wurde 2007 das Nationale Zentrum Frühe Hilfen gegründet. Das Konzept des NZFH beruht auf folgenden Säulen: Erstellung einer Wissensplattform, Wissenstransfer in die Praxis und Öffentlichkeitsarbeit zur Etablierung Früher Hilfen. Das NZFH soll als eine wesentliche Aufgabe die wissenschaftliche Begleitforschung von Modellprojekten in den Ländern koordinieren und fördern sowie den Auf- und Ausbau von Unterstützungssystemen der Jugendhilfe und des Gesundheitswesens für werdende Eltern von Säuglingen und Kleinkindern fördern (Zwerger 2010/Nationales Zentrum Frühe Hilfen 2010/Paul 2009). Das Bayerische Kabinett hat am 12. Februar 2008 die flächendeckende Einführung von Koordinierenden Kinderschutzstellen beschlossen, um den Kinder11

schutz zu verbessern, Risikofamilien systematisch zu erfassen und frühzeitige Hilfsangebote einzuführen. Zur Einführung der Koordinierenden Kinderschutzstellen haben drei Stränge beigetragen: zum einen die schweren Fälle von Gewalt gegen Kinder, die Novellierung des Achten Buches SozialgesetzKinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) mit der Einführung des § 8a, welche den Schutz von Kindern und Jugendlichen bei Gefahren für ihr Wohl verbessern soll sowie drittens das Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“, das ergeben hat, dass die frühe Förderung und Stärkung der Erziehungskompetenzen der Eltern eine nachhaltigere Wirkung erzielt als repressive Eingriffe des Kinderschutzes (Zwerger 2010). Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen beschreibt in der aktuell gültigen Richtlinie vom 7. Juni 2011, dass der Freistaat Bayern Kommunen bei der Etablierung sozialer Frühwarnsysteme und Fördersysteme (KoKi-Netzwerk frühe Kindheit) unterstützt, um den präventiven Kinderschutz durch Frühe Hilfen weiterzuentwickeln.

2.1

Begriffsklärung Frühe Hilfen

Der Begriff „Frühe Hilfen“ durchlief einen Bedeutungswandel von der Frühförderung behinderter oder von Behinderung bedrohter Kinder hin zum präventiven Kinderschutz (vgl. auch Zwerger 2010). Doch auch die Definitionsmerkmale des Aktionsprogrammes der Bundesregierung von 2006, die sich auf die Prävention von Vernachlässigung und Misshandlung bei Säuglingen und Kleinkindern bezogen und in dem Frühe Hilfen als sekundäre und präventive Prävention für Risikogruppen ausgewiesen sind, erfuhren eine Neupositionierung. Mittlerweile ist die Förderung der gesunden Entwicklung von Kindern ein bedeutendes Merkmal von Frühen Hilfen, welches sich in der aktuellen Begriffsbestimmung des NZFH niederschlägt: „Frühe Hilfen bilden lokale und regionale Unterstützungssysteme mit koordinierten Hilfsangeboten für Eltern und Kinder ab Beginn der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren mit einem Schwerpunkt auf der Altersgruppe der 0- bis 3-Jährigen.“ 12

Die Entwicklungsmöglichkeiten von Eltern und Kindern in Familie und Gesellschaft sollen frühzeitig und nachhaltig verbessert werden und insbesondere ein Beitrag zur Förderung der Beziehungs- und Erziehungskompetenz von (werdenden) Müttern und Vätern geleistet werden. Frühe Hilfen tragen dadurch zum gesunden Aufwachsen von Kindern bei und halten Angebote und Maßnahmen vor, die der universellen/primären Prävention zuzurechnen sind, also sich im Sinne der Gesundheitsförderung an alle (werdenden) Eltern richten. Zusätzlich wenden sie sich im Rahmen der selektiven/sekundären Prävention insbesondere an Familien in Problemlagen. Risiken für das Wohl und die Entwicklung des Kindes sollen dadurch frühzeitig wahrgenommen und reduziert werden. Die Frühen Hilfen basieren auf multiprofessioneller Kooperation und beziehen bürgerschaftliches Engagement und Stärkung sozialer Netzwerke von Familien mit ein. Insbesondere eine enge Vernetzung und Kooperation von Institutionen und sozialen Diensten, die sich an Familien mit Kindern richten, wird als zentral für die praktische Umsetzung von Frühen Hilfen angesehen. Die fachlichen Voraussetzungen einer einzelnen Profession können die Anforderungen von Frühen Hilfen nicht abdecken, sie sind zwingend interdisziplinär und sie setzen systematische interdisziplinäre Strukturen und geregelte Kooperationswege voraus (Begriffsbestimmung „Frühe Hilfen/“Bericht zur Fachtagung „Interdisziplinäre Frühförderung im System Früher Hilfen/Sann, Alexandra 2010/BLJA). Paul (2011) beschreibt die Frühen Hilfen als komplexe Systeme, die vor Ort aktiv hergestellt werden müssen durch die Koordination von unterschiedlich intensiven Hilfen vielfältiger Leistungserbringer. Allerdings ist der Begriff Frühe Hilfen in seinem Bezug zum Kinderschutz noch nicht verbindlich definiert. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, inwieweit die Frühen Hilfen auf die Verhinderung von Kindeswohlgefährdung ausgerichtet werden sollen. Diese fehlende Eindeutigkeit kann auch in den Besonderheiten der Entwicklungspsychologie der frühen Kindheit mit den hoch vulnerablen Bedürfnissen von Säuglingen und Kleinkindern an ihre Bezugspersonen liegen (Werkbuch Vernetzung 2010: 30f.)

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2.2

Begriffsklärung Koordinierende Kinderschutzstelle (KoKi)

Die Koordinierenden Kinderschutzstellen haben sich aus dem Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“ entwickelt, das in mehreren Bundesländern, u. a. Bayern, erprobt wurde. Sie sind im Verantwortungsbereich des Jugendamtes angesiedelt

und unterstützen potentiell oder akut belastete Familien durch

Aufbau, Pflege und Weiterentwicklung systematischer, interdisziplinärer Netzwerke aller am Kinderschutz beteiligten Akteure. Die vorhandenen Unterstützungssysteme der oftmals flächendeckenden aber bisher nebeneinander her arbeitenden Angebote werden im Sinne eines abgestimmten Netzwerkes zusammengeführt. Sie agieren im präventiven Bereich und sind personell und organisatorisch von der Bezirkssozialarbeit getrennt. Eltern sollen auch in belasteten Lebenssituationen in die Lage versetzt werden, ihrer Erziehungsverantwortung gerecht zu werden, weshalb die KoKi sie bei der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben von Kindern in den ersten, sensiblen Lebensjahren unterstützt. Niedrigschwellige Angebote sollen gestärkt werden und Hemmschwellen gegenüber der Kinder- und Jugendhilfe sowohl auf Seiten der Eltern als auch von Netzwerkpartnern abgebaut werden. Die Fachkräfte verfügen über eine wertschätzende und aktivierende Haltung gegenüber den Familien, wobei die Eltern selbst entscheiden, ob sie die Dienste der KoKi in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Die Koordinierenden Kinderschutzstellen koordinieren den Austausch und die Zusammenarbeit aller am sozialen Frühwarnsystem beteiligten Dienste, Einrichtungen und Personen (Richtlinie zur Förderung Koordinierender Kinderschutzstellen KoKi-Netzwerk frühe Kindheit/Hillmeier/Sauter 2009).

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Abbildung 1: Bayrisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen - Netzwerkpartner der KoKi

2.2.1 Aufgaben Eine zentrale Aufgabe ist die Knüpfung eines interdisziplinären Netzwerkes zwischen allen Berufsgruppen, Einrichtungen und Diensten, die sich mit Säuglingen und Kleinkindern befassen. Dabei umfasst die Netzwerkarbeit den Aufbau, die Erweiterung, Pflege und Weiterentwicklung verbindlicher regionaler Netzwerke zur frühzeitigen Unterstützung von Familien. Eine optimale Unterstützung der Zielgruppe soll durch Bündelung vorhandener Kompetenzen vor Ort und verbindlicher interdisziplinärer Zusammenarbeit hergestellt werden. Insbesondere die verbindliche Zusammenarbeit mit dem Gesundheitswesen wie Hebammen, Geburtskliniken und Ärzten schafft einen systematischen Zugang zur Zielgruppe, da diese einen früheren und weniger belasteten Kontakt als die Kinder- und Jugendhilfe haben. In Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsweisen sollen gemeinsame Instrumente erarbeitet und verbindliche Absprachen getroffen werden. Dazu führt die KoKi eine umfassende Bestandserhebung und Analyse der Kooperationspartner, ihrer Angebote und Aufgaben, fachlicher Ressourcen und Grenzen sowie der Zielgruppe vor Ort

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