Konzept und Anwendung eines von außen verstellbaren Auto ...

Basis des simulierten Zustandes ist mit Hilfe des Leitstands zu entscheiden, welche geeigneten ... Die dritte. Schnittstelle umfasst eingetretene Ereignisse der Realität, deren Auswirkungen noch nicht von den ... realen Welt eingelesen.
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„Datenkollektion“ zur online Simulation von Personenströmen Andre Hanisch Juri Tolujew IFF FhG Magdeburg1

Tobias Meuschke Thomas Schulze Universität Magdeburg2

Zusammenfassung Dieser Beitrag befasst sich mit der Problematik der Datenkollektion für die Bereitstellung von onbzw. offline Daten für die Personenstromsimulation in einem Frühwarnsystem. Als Architektur zur Datenkollektion wird eine Proxy-Datenbank empfohlen. Die Simulation der Personenströme erfolgt mittels mesoskopischem Paradigma. Ausführlich wird die Methode der dynamischen Segmentierung mit äquidistanter Zeitfortschreibung für die mesoskopische Simulation beschrieben.

1 Motivation Eine umfangreiche Zahl von Personen bewegt sich durch Flughäfen, Bahnhöfe und Einkaufszentren. Diese Personenbewegungen erfolgen dabei in Strömen mit unterschiedlichen Zielen und Intensitäten durch die räumlichen Gegebenheiten. Die Personenströme müssen geleitet und geführt werden. Hierbei sind zwei Aufgabenklassen zu unterscheiden. Die erste Klasse betrifft das Leiten des Personenstroms in Notfallsituationen wie bei Anschlägen und Bränden. Mittels Simulation wird in der Planungsphase der Gebäude das Evakuierungsverhalten von Personen nachgebildet. Die Simulation ist nicht mit der aktuellen Ist-Situation verbunden. Die andere Form ist das Leiten der Personenströme in Alltagssituationen. Das Ziel dieser Aufgabe ist das zielgerichtete Anbieten von Dienstleistungen auf dem Weg der Personen, die Einhaltung von Komfort- und Servicelevel für die Personen, sowie die Überwachung und Vermeidung von erhöhter Personendichten und Behinderungen z.B. durch Bau- und Wartungsarbeiten bzw. Anlagenausfälle. Die notwendigen Simulationen müssen in diesem Fall direkt mit der aktuellen Ist-Situation verbunden sein. Die Modellierung und Simulation von Personenströmen in Notfallsituationen wird seit Jahren erfolgreich angewandt. Hingegen ist die Simulation von Personenströmen in Alltagssituationen ein neues Applikationsgebiet. Anwendungen dieser Art sind durch die folgenden Bedingungen charakterisiert. Die Simulation ist in einen Leitstand integriert und die Simulation muss basierend auf dem aktuellen Ist-Zustand für einen kurzen Vorhersagezeitraum von bis zu 60 Minuten den zukünftigen Zustand ermitteln. Auf der Basis des simulierten Zustandes ist mit Hilfe des Leitstands zu entscheiden, welche geeigneten technisch-organisatorischen Maßnahmen zu unternehmen sind, um einen gewünschten Zustand des realen Systems zu erreichen. Dabei werden mögliche 1 2

Logistiksystemplanung und –betrieb, Sandtorstraße 22, D-39106 Magdeburg, Germany Institut für Technische und Betriebliche Informationssysteme, Arbeitsgruppe Wirtschaftsinformatik, Postfach 4120, D-39016 Magdeburg, Germany

Maßnahmen mittels Simulation bewertet. Diese Vorgehensweise wird als „Proactive Planning“ bezeichnet. In [HTRS03] wurde die Architektur eines derartigen Leitstandes beschrieben. Der Beitrag beschreibt im Weiteren Anforderungen, die sich an Simulationsmodelle ergeben, die online mit realen Prozessdaten verbunden sind. Anschließend wird eine Vorgehensweise zur Datenkollektion der notwendigen Eingangsdaten für die Simulation erläutert. Dabei werden spezifische Bedingungen einer konkreten Applikation berücksichtigt. Im Weiteren erfolgt eine Analyse existierender Verfahren zur Personenstromsimulation und eine Begründung zur Auswahl des verwendeten Ansatzes. Anschließend werden Implementierungsaspekte betrachtet. Ein Ausblick beschließt den Beitrag.

2 Online Simulation Mit dem Begriff online Simulation wird eine Kategorie von Simulationsanwendungen bezeichnet, bei denen das Simulationsmodell online mit der zu simulierenden Realität verbunden ist und die Ergebnisse der Simulation vor dem Ablauf einer Frist zur Verfügung stehen. Typische Applikationsgebiete sind die Simulation von Verkehrsströmen für kurzfristige Vorhersagen und Simulationen zur operativen Auftragsplanung in Unternehmen. Dabei ist zu beachten, dass die Unsicherheit der simulierten Ergebnisse mit der Länge der Simulation korreliert. Je größer der Vorhersagehorizont von dem aktuellen Zeitpunkt entfernt ist, desto stärker sind die Ergebnisse mit Unzulänglichkeiten behaftet. Das Simulationsmodell muss online mit der Realität verbunden sein. Dabei lasen sich, bezogen auf das in [HTRS03] beschriebene Projekt, drei unterschiedliche online Schnittstellen erkennen. Diese primären online Datenquellen sind typisch für Personenströme in öffentlichen Gebäuden. Die erste Schnittstelle erstellt eine Verbindung zu quantitativen Messdaten, die mit entsprechenden Geräten erfasst, aufbereitet und in digitaler Form bereitgestellt werden. Ein Drehkreuz zum Regeln des Zutritts in einen U-Bahnbereich kann beispielsweise die Anzahl der eingetretenen Personen erfassen. Mittels bildverarbeitender Verfahren lässt sich die Anzahl von Personen auf einer dedizierten Fläche schätzen. Eine weitere Schnittstelle ermöglicht den Zugriff auf geplante Ereignisse der Realität, die den Zustand des Simulationsmodells beeinflussen. Hierzu zählen beispielsweise die An- und Abfahrtszeiten von Zügen oder die Planung der Personalbesetzung von Servicestationen. Zu dieser Kategorie gehören ebenfalls Daten über die Anzahl ankommender bzw. abfahrender Personen, die aus Platzreservierungssystemen gewonnen werden. Die dritte Schnittstelle umfasst eingetretene Ereignisse der Realität, deren Auswirkungen noch nicht von den Messgeräten quantifiziert worden sind. Beispielsweise war die planmäßige Ankunft eines Zuges für 10:00 Uhr vorgesehen, aber er erreicht den Bahnhof mit einer Verspätung von 5 Minuten. Die ankommen Personen beginnen ihren Weg auf dem Bahnsteig, sie werden aber erst beim Eintritt in die Bahnhofshalle von den entsprechenden Messgeräten erfasst. Die aktuellen online Daten müssen in das Simulationsmodell einfließen. Dabei lassen sich zwei mögliche Formen unterscheiden. Entweder wird ein „leeres“ Simulationsmodell mit den online Daten initialisiert oder ein Echtzeit-Simulationsmodell

wird entsprechend aktualisiert. Von letzterem wird dabei ein Clone generiert, der dann in einem Zeitmanagement die Simulation ausführt. Ergänzend zu den online Daten werden noch offline Daten benötigt. Über diese Schnittstelle werden aggregierte Daten über Personenströme und Ressourcen in der realen Welt eingelesen. Diese Informationen werden aus historischen realen Daten abgeleitet.

3 Datenkollektion Nach dem im vorherigen Abschnitt die jeweiligen Datenquellen logisch beschrieben wurden, wird nun eine Architektur zur Integration dieser Quellen in das Simulationsmodell aufgezeigt. Für den Zugriff auf diese verschiedenen Datenquellen gibt es zwei Herangehensweisen. Zum einen besteht die Möglichkeit, in der Simulation direkt auf die einzelnen primären Datenquellen zuzugreifen. Dabei ist zu bedenken, dass beim Direktzugriff aus der Simulation heraus die Primärdatenquellen auf unterschiedliche Plattformen allokiert sind. Zum anderen bietet sich die Kollektion der benötigten Daten in einer Proxydatenbank an. Bei einer solchen Proxy-Variante existiert nur noch eine relevante logische Datenquelle für die Simulation. Eine Datenkollektion unterscheidet sich dabei von der Datenintegration [HS97], da bei der Datenkollektion nur ausgewählte Daten einheitlich verwaltet werden, die von einer speziellen Anwendung, hier der Simulation, benötigt werden. Abbildung 1 stellt beide Varianten vergleichend dar.

Abbildung 1: Direktzugriff vs. Proxy-Variante

Um eine Entscheidung für die Anwendung einer dieser Varianten zu treffen, werden diese hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Datenzugriff verglichen. Die Ergebnisse der online Simulationen werden in einer eigenen Datenbank gespeichert, so dass schon eine mit dem Simulationsmodell verbundene Datenbank existiert. Eine Anwendung des Proxy Prinzips für die Primärdatenquellen und die Integration dieses Proxys in die benötigte Datenbank, führt in diesem Fall lediglich zu einem größeren Administrationsaufwand gegenüber dem Direktzugriff. Die für die Simulation angenehme Eigenschaft, die Daten nur aus einer Proxydatenbank und somit aus einer logischen Datenquelle zu beziehen, hat auch aus Sicht der

Administratoren der Primärdatenquellen ihre Vorteile. Der Zugriff auf diese Datenquellen erfolgt nun nicht mehr mehrfach von verschiedenen Stellen der Simulation aus, sondern nur noch einheitlich von der Proxydatenbank. Dies verringert nicht nur die Zugriffsbelastung der Datenquellen, sondern ist auch dem Sicherheitsaspekt zuträglich. Anstatt vielen Bereichen der Simulation Datenzugriff zu gestatten, ist dies nur noch für die einzelne Instanz der Proxydatenbank nötig. Das Ausfallrisiko ist ebenfalls ein Betrachtungsgegenstand. Fallen beim Direktzugriff eine oder mehrere Datenquellen aus oder liefern verspätet Daten, so ist die Durchführung der Simulation stark beeinträchtigt. Eine Proxydatenbank kann diese Ausfälle in einem gewissen Maß abpuffern und die Beeinträchtigung geringer halten. Ein Ausfall der Proxydatenbank verhindert die Durchführung der Simulation völlig. Bei der Behandlung von fehlenden und fehlerhaften Daten gibt es ebenfalls Unterschiede bei den beiden Varianten. Beim Direktzugriff muss die Simulation selbst auf Datenfehler reagieren können. In einer Proxydatenbank ist es möglich, Verfahren zu implementieren, die fehlerhafte Daten korrigieren, fehlende Daten ergänzen oder die Daten zur besseren Nutzbarkeit aufbereiten. Besonders diese Möglichkeit der Datenmanipulation vor der eigentlichen Simulation bildet einen entscheidenden Vorteil der Proxydatenbank gegenüber dem Direktzugriff. Die Nutzung einer Proxydatenbank ist somit im allgemeinen zu favorisieren. Ausnahmen davon ergeben sich bei sehr kleinen Modellen, bei denen Aufwand zur Administration der Proxydatenbank unverhältnismäßig hoch ausfällt, Modellen mit einer sehr geringer Anzahl von Primärdatenquellen oder Modellen mit umfassenden Zugriffrechten (auch schreiben) auf alle Primärdatenquellen. Eine Proxydatenbank ist bei der Datenkollektion und Aufbereitung jedoch nicht auf eigene Funktionalität angewiesen. Eine bewährte Methode ist hierbei der Einsatz von Agenten [Mit97]. Die Aufgabe solcher Agenten ist es, vor der Simulation die Proxydatenbank zu aktualisieren. Die Fehlerkorrektur oder Aufbereitung der Daten für die Simulation kann dabei ebenfalls von Agenten wahrgenommen werden. Hierbei ermöglicht der Einsatz von mehreren unterschiedlichen Agenten eine große Flexibilität in der Manipulation von Daten, als es starr programmierte Datenbankfunktionalität könnte. Abbildung 2 illustriert den Einsatz von Agenten zur Befüllung der Proxydatenbank.

Abbildung 2: Agentenbefüllung der Proxydatenbank

4 Simulation von Personenströmen Personenstromsimulation läst sich in den Applikationsbereich der Verkehrssimulation einordnen. Trotz einer Vielzahl von Gemeinsamkeiten zu anderen Teilgebieten der Verkehrssimulation, wie zum Beispiel der Straßenverkehrssimulation oder der Flugverkehrssimulation, gibt es eine ganze Reihe von Besonderheiten, welche die Personenstromsimulation kennzeichnen. Hauptanwendungsgebiete der Personenstromsimulation liegen in der Integration von Personenströmen in Straßenverkehrsnetze und der Simulation von Personenströmen in öffentlichen Gebäuden. Beim letzten Punkt sind die Anwendungsmöglichkeiten besonders vielfältig und reichen beispielsweise von der Erstellung von Notfallplänen zur Gebäudeevakuierung, bis hin zur Planung von verkehrslenkenden Maßnahmen zur Erhöhung der Servicequalität für Personen. In den folgenden Betrachtungen steht das letzt genannte Gebiet im Mittelpunkt. Neben einer Vielzahl von Aspekten der allgemeinen Verkehrssimulation, müssen bei einer derartigen Personenstromsimulationen Besonderheiten der Simulationsobjekte, also der Personen, berücksichtigt werden. Eine dieser Besonderheiten ist der Komfortlevel. Dieser Level beschreibt das subjektive, räumliche Wohlbefinden der einzelnen Personen. Mit Zunahme der Personendichte in einem Raum nimmt dieses Wohlbefinden ab. Auch völlig leere Räume wirken sich negativ auf das Wohlbefinden aus. Ein weiterer besonderer Aspekt wird durch die Wege bestimmt. Können sich in anderen Gebieten der Verkehrssimulation, wie beispielsweise im Schienenverkehr, die Simulationsobjekte lediglich hintereinander auf Schienen bewegen, sind für Personen auch Bewegungen nebeneinander möglich. Durch diese Tatsache und die Multidirektionalität der Wege entsteht für die Personenstromsimulation ein spezifisches Problem. Personen können Wege und Plätze in mehreren Richtungen benutzen. Bei dieser Form der Wegnutzung behindern sich die Benutzer der unterschiedlichen Bewegungsrichtungen gegenseitig. Besonders kritisch wird diese Situation bei Überlastungen der Wege, da hier die Fragen geklärt werden müssen, welcher Richtung wird welche Kapazität zugewiesen und wie groß die Geschwindigkeitsreduzierung durch die Behinderungen ausfällt. Eine weitere Besonderheit der Personenstromsimulation ist die Pulkbildung. Bei der Steuerung von Personenströmen mit Lichtsignalanlagen oder der Ankunft von Personen mit öffentlichen Verkehrsmitteln treffen die Personen nicht einzeln, sondern in Gruppen ein. Diese Gruppen bewegen sich quasi gleichzeitig auf ihr Ziel zu. Eine Möglichkeit zur Klassifikation der Methoden der Personenstromsimulation ist die Einteilung nach dem Detaillierungsgrad des verwendeten Simulationsmodells. Bei dieser Betrachtungsweise stehen sich der mikroskopische und der makroskopische Ansatz als gegensätzliche Pole gegenüber. Auf der einen Seite befindet sich die mikroskopische Modellierungsphilosophie. Hierbei steht das einzelne Simulationsobjekt, die Person, im Mittelpunkt der Betrachtung und wird unter Verwendung von Verhaltensregeln durch das Modell bewegt. Auf der anderen Seite existiert der makroskopische Ansatz. In seinem Fokus steht die Modellierung des Verkehrsstroms und nicht der einzelnen Entität. Die Umsetzung dieses letzteren Ansatzes erfolgt dabei durch ein System von Differentialgleichungen.

Bei dieser Klassifikation stehen sich hoher Detaillierungsgrad und großer Rechenaufwand auf der mikroskopischen Seite, und starke Abstraktion, jedoch geringer Rechenaufwand auf der makroskopischen Seite, gegenüber. Eine Brücke zwischen diesen beiden Polen schlägt der mesoskopische Modellansatz. Mesoskopische Simulation ist hierbei ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Kombinationen und Verschmelzungen der Eigenschaften der beiden Grundtypen. Zu detaillierten Ausführungen siehe [DH03], [JAN91] und [LHKDMP00]. Für die Simulation von Personenströmen in öffentlichen Gebäuden mit der Zielstellung der Integration dieser Simulation in ein Frühwarnsystem wurde der mesoskopische Ansatz berücksichtigt. Für eine detaillierte Beschreibung des verwendeten Ansatzes sei auf [HTRS03] und [THRS03] verwiesen.

5 Implementierung der Modelle Zur Implementierung der Personenstromsimulation stehen keine speziellen Simulationssysteme zur Verfügung, die den entsprechenden spezifischen Bedingungen aus der Applikation genügen. Es wurden zwei prototypische Implementierungen entwickelt, die sich hinsichtlich der verwendeten Software und des Simulationsparadigmas unterscheiden. Der eine Prototyp basiert auf dem Entitätskonzept mit nicht äquidistanter (ereignisorientierter) Zeitfortschreibung. Die Implementierung erfolgte mit dem Simulationssystem SLX. Der andere Prototyp bezieht sich konzeptionell auf die Methode dynamischer Segmentierung mit äquidistanter Zeitfortbeschreibung. Beide Implementierungen basieren auf einem einheitlichen konzeptuellen Modell.

5.1 Konzeptionelles Modell Personen, welche sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem Raum aufhalten, lassen sich einteilen in sich zielstrebig bewegende Personen, die beispielsweise einen entsprechenden Bahnsteig erreichen wollen, oder Personen, die auf bestimmte Ereignisse, wie die Einfahrt eines Zuges, warten. Diese letzte Gruppe führt keine zielorientierten Bewegungen aus. Im Weiteren wird hier die Modellierung von zielorientierten Personenströmen behandelt. Hauptkomponenten des Simulationsmodells sind Fußgängergruppen und ein abstraktes Netzwerk zur Repräsentation des entsprechenden realen Systems, durch das sich die Gruppen bewegen. Das Netzwerk selbst besteht aus den Elementen bzw. Elementgruppen Knoten, Kanten, und online Interfaces. Diese Knoten werden weiter unterteilt in die Elemente Quelle und Senke zum Eintritt bzw. Austritt der Personen in das System. Mittels dieser Elemente werden die Grenzen des Netzwerkes spezifiziert. Wegpunkte sind einfache Knoten, an denen sich Personenströme verzweigen oder zusammenkommen. Ein spezieller Knoten sind Servicestationen. An diesen Knoten wird zeit- bzw. bedingungsabhängiges Verzögern der Ströme modelliert. Die Personen bewegen sich auf den Kanten des Netzwerkes, die als Freier Weg bezeichnet sind. Die Verbindung zu dem realen Prozess wird über online Interfaces vorgenommen. Hier werden zwei Formen unterschieden. An den Messpunkten wird die Anzahl von Personen gezählt, die diesen Punkt passiert haben. Die Messflächen ermitteln die Personendichte, d.h. wie viel Personen sich auf einer bestimmten Fläche befinden.

Abbildung 3 zeigt ein entsprechendes abstraktes Netzwerk zur Modellierung von Personenströmen.

Senke Quelle Wegpunkt Messpunkt

Servicestation oder Übergang freier Weg Messfläche

Abbildung 3: Abstraktes Netzwerk zur Modellierung von Personenströmen

Die Grundidee des mesoskopischen Ansatzes bei der Simulation von Personenströmen besteht darin, dass man auf die Verfolgung von einzelnen Objekten (Personen) verzichtet und mit den Personenmengen operiert, die sich auf die bestimmten Räume beziehen, wobei diese Räume den konkreten physischen Räumen direkt entsprechen oder als Bestandsteile physischer Räume festgelegt werden. Grundlegend lassen sich zwei Probleme bei der Simulation von Personenströmen definieren: • •

Problem der Identifikation und Zuordnung von Personengruppen Problem der Umsetzung des Bewegungsprozesses für Personengruppen

Bei der entitätsorientierten Simulation können, unter Verwendung gängiger Simulatoren für diskrete Prozesse, die beiden Probleme relativ einfach gelöst werden, da diese Simulatoren gerade auf die Abbildung von Bewegungen von konkreten, eindeutlich markierten Objekten ausgerichtet sind. Beim mesoskopischen Ansatz, unter Verwendung der Methode der dynamischen Segmentierung mit äquidistanter Zeitfortbeschreibung, basiert die Lösung des Zuordnungsproblems nicht mehr auf den Attributen von einzelnen Objekten, sondern auf speziellen Daten, welche die Zugehörigkeit von entsprechenden Personenmengen zu den vordefinierten Zielgruppen beschreiben. Diese Daten können, genau wie Personenmengen selbst, dynamisch sein. Es ist somit ein spezielles Modell zu entwickeln, das parallel zum Modell des Bewegungsprozesses operiert und ständig im Zusammenspiel mit diesem Modell bleibt. Im vorliegenden Beitrag wird ausschließlich ein Verfahren zur Umsetzung des Modells des Bewegungsprozesses behandelt.

5.2 Methode der dynamischen Segmentierung mit äquidistanter Zeitfortbeschreibung Am Beispiel der Entwicklung der Modellkomponente „freier Weg“ wird die o. g. Methode erläutert. Dieses Modellelement wird zur Darstellung von Personenbewegungen auf dem Boden genutzt. Ein freier Weg ist vergleichbar mit einem „Transportkorridor“, der zwei beliebige Punkte (oder auch Linien) auf dem Layout des realen Raumes in einer

Richtung verbindet. Zur Diskretisierung des Bewegungsprozesses sind zwei Annahmen notwendig: • •

Die Modellzeit wird in Takten ∆t gezählt, so dass die Situation am Weg abzubilden ist, die am Ende jedes neuen Takts entsteht. Jeder Weg besteht aus parallelen „virtuellen Spuren“, wobei jeder Spur ein Wert der mittleren Geschwindigkeit von Personen zugewiesen wird und die Anzahl der Spuren durch die erforderliche Genauigkeit der Modellierung bestimmt wird.

Eine Spur ist durch die Länge w des ganzen Weges und ihre individuelle Geschwindigkeit v gekennzeichnet. Eine Person, die sich auf der Spur befindet, kann während der Zeit ∆t die Distanz v·∆t durchlaufen. Diese Distanz bestimmt die Länge des sogenannten Segmentes. Die Anzahl der Segmente in einer Spur entspricht m = w/(v·∆t), wobei das Ergebnis der Division bis zur nächstgrößten ganzen Zahl erhöht wird. Normalerweise ist die gesamte Länge aller m Segmente größer als w, so dass ein Teil des letzten Segments mit der Nummer m außerhalb der Spur liegt. Abbildung 4 zeigt ein Beispiel, bei dem die Anzahl der Segmente m=3 ist. Zusätzlich wird noch ein „virtuelles Segment“ mit der Nummer (m+1) definiert, das zur Berechnung der output-Menge dieser Spur für einen Takt ∆t notwendig ist. Die Bezeichnungen s1,…,s4 werden für die Längen von einzelnen Segmenten und n1,…,n3 für die Anzahl der Personen, die sich in jeweiligen Segmenten am Ende des entsprechenden Zeitintervalls ∆t befinden, genutzt. Abbildung 4 illustriert die Arbeit des Modells einer Spur im Laufe von fünf Takten ∆t. Im ersten Takt wird die erste input-Menge n1 aufgenommen, wobei der Inhalt der gestrichenen Fläche der Zahl n1 gleich ist. Die ersten Vertreter dieser Menge verlassen die Spur im dritten Takt, wobei die Anzahl der Personen, welche die Spur verlassen, dem Inhalt der gestrichenen Fläche hinter der Grenze des Weges gleich ist. In den Takten 4 und 5 kann man sehen, dass die gesamte output-Menge als eine Summe zweier Mengen (output alt und output neu) gebildet wird. In jedem Takt wird also die neue input-Menge n1 angegeben und die output-Menge berechnet. w s1

s2

s3

s4 output(1)=0

t=∆t

output(2)=0

t=2·∆t

output(3)>0

t=3·∆t

output(4)>0

t=4·∆t

output(5)>0

t=5·∆t n1=input

n2

n3

output neu output alt

Abbildung 4: Grundmodell einer Spur des freien Weges beim mesoskopischen Ansatz mittels Methode der dynamischen Segmentierung mit äquidistanter Zeitfortbeschreibung

Abbildung 5 zeigt die Modellierung eines kompletten Weges, der aus drei Spuren besteht. Dabei bedeutet die Bezeichnung S3-2: „Spur 3, Segment 2“. Die input-Menge des vollständigen Weges muss entsprechend der angegebenen statistischen Verteilung der Geschwindigkeit von Personen zwischen den Spuren zersplittert werden. Die outputMenge des Weges ergibt sich als Summe der output-Mengen der einzelnen Spuren. w

input

S1-1

S1-2

S2-1

S1-3 S2-2

S3-1 Spur 1

S1-4 S2-3

S1-5 S2-4

output

S3-2 Spur 2

Spur 3

Abbildung 5: Grundmodell des freien Weges als Komposition von mehreren Spurmodellen

Bei der Verknüpfung einer Modellkomponente vom Typ „freier Weg“ mit den anderen Modellkomponenten gelten die folgenden Annahmen: • •

Die Komponente „freier Weg“ kann in einem Takt eine beliebige input-Menge aufnehmen. Eine beliebige output-Menge, die von der Komponente „freier Weg“ in einem Takt ausgegeben wird, wird von Nachfolgern dieser Komponente vollständig aufgenommen. Als Nachfolger in der Struktur des Systems können die folgenden Typen von Modellkomponenten angegeben werden: - Senke, in der die Personenmengen sofort vernichtet werden, - andere freie Wege, die unmittelbar oder mittels eines logischen Verzweigungspunktes angeknüpft werden können und - Warteschlange (Wartezone), die ein Bestandteil einer Modellkomponente vom Typ „Servicestation“, oder „Übergang“ ist.

Die Verbindung dieses Modelltyps mit den online Daten wird u.a. dadurch gewährleistet, dass vor Beginn der Simulation oder in jedem Takt der Simulationszeit die folgenden, auf die Modellkomponente „freier Weg“ bezogenen Daten aktualisiert werden: • • • •

die input-Menge und/oder output-Menge des Weges die Anzahl der Personen auf dem gesamten Weg oder in einzelnen Segmenten des Weges die Verteilung der Geschwindigkeit von Personen, die sich auf dem Weg befinden die Konfiguration und demzufolge die Länge des Weges

Natürlich kann auch die Anzahl der Personen, die sich in den Wartezonen befinden, in die anderen entsprechenden Modellkomponenten eingeführt werden.

5.3 Verifizierung eines Testmodells Die Struktur des Testmodells ist in Abbildung 6 gezeigt. Den Quellen 1 und 2 sind spezielle Zeitpläne zugeordnet, mit denen die Ankunft von Personengruppen simuliert wird. In der Quelle 1 werden innerhalb einer Stunde 13 Gruppen generiert, wobei jede Gruppe 115 Personen enthält. Durch die Quelle 2 werden innerhalb dieser Zeit 9 Gruppen mit je 23 Personen erstellt. Insgesamt werden 1702 Personen innerhalb einer Stunde erzeugt. Alle Personen bewegen sich mit einer konstanten Geschwindigkeit von 1 m/s. Die mesoskopische Simulation wurde mit der Taktzeit ∆t=1 min durchgeführt. Alle anderen Eingangsdaten des Modells können dem Bild entnommen werden. Die Implementierung erfolgte mit einer universellen Programmiersprache. Gleichzeitig wurde ein klassisches Mikromodell mit Hilfe eines Simulators für diskrete Prozesse entwickelt. Raum R6

Raum R5

Raum R3

Quelle 1 Weg W1

Station S1

Weg W7

Weg W4

180 m

60 m

80% 60 m

Raum R7

40 Pax/min Raum R1

Weg W3

Quelle 2

20%

Weg W2

Station S2

100 m Weg W5

330 m

50 m

100 Pax/min

Raum R2 Raum R8 Senke 1

Station S3

20 m

Weg W6 30 m

Weg W9 100 Pax/min

Weg W8 30 m

Abbildung 6: Struktur des Testmodells

Zwei Diagramme mit den Simulationsergebnissen sind in Abbildungen 7 und 8 dargestellt. Der Raum R5 umfasst beispielsweise zwei freie Wege und die Station S1, vor der sich eine Warteschlange bilden kann. Im Raum R3 ist nur der freie Weg W7 enthalten, wobei die Intensität seines Eingangstromes den Durchsatz der Station S1 (40 Pax/min) nicht überschreiten kann. Die maximale Anzahl der Personen im Raum R3 kann manuell berechnet werden: Intervall (Zeit) = 60/40 = 1,5 [s] Abstand (Länge) = 1·1,5 = 1,5 [m] Anzahl der Personen = 60/1,5 = 40 [Personen]

Die Diagramme in Abbildungen 7 und 8 zeigen keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Ergebnissen, die mit Hilfe des mesoskopischen bzw. mikroskopischen Modells erzeugt worden sind. mesoskopisch

Raum 3

mikroskopisch

45 40 35

Anzahl Pax

30 25 20 15 10 5 0 0

10

20

30

40

50

60

Zeit [min]

Abbildung 7: Anzahl der Personen im Raum R3 mesoskopisch

Gesamtraum

mikroskopisch

400 350

Anzahl Pax

300 250 200 150 100 50 0 0

10

20

30

40

50

60

Zeit [min]

Abbildung 8: Gesamte Anzahl der Personen in Räumen R1-R8

6 Ergebnisse und Ausblick Im Rahmen dieses Artikels wurden die Möglichkeiten der Datenkollektion für ein Frühwarnsystem untersucht. Besonders der Aspekt der Datenmanipulation vor der eigentlichen Simulation war ausschlaggebend für die Wahl einer Proxydatenbank zur Datenbereitstellung im Frühwarnsystem. Für die Befüllung der Proxydatenbank wurde dabei auf den Einsatz von Agenten zurückgegriffen. Diese Variante zeichnet sich durch

ein hohes Maß an Flexibilität aus, da hierbei Funktionalität durch einen einfachen Austausch einzelner Agenten geändert oder erweitert werden kann. Beim eigentlichen Simulationsmodell wurde sich für einen mesoskopischen Ansatz entschieden. Allein die Modellierung der freien Bewegung von Personen machte dabei die Entwicklung spezieller Algorithmen erforderlich, welche sich von denen der klassischen Simulation diskreter Prozesse qualitativ unterscheiden. Experimente mit einem Testmodell haben die Möglichkeit zur Erstellung effizienter Modelle auf der Basis der Methode der dynamischen Segmentierung des Weges bewiesen. Zu den zukünftigen Aufgaben wird die detaillierte Ausarbeitung eines geeigneten Agentenkonzeptes zur Befüllung der Proxydatenbank gehören. Hierbei wird es hauptsächlich um die Architektur und Koordination der Befüllungsagenten gehen. Die Spezifikation geeigneter Agenten zur Manipulation und Aufbereitung der Daten in der Proxydatenbank wird dabei ebenfalls einen wichtigen Bestandteil eines solchen Konzeptes bilden. Eine prototypische Umsetzung kann zur qualitativen Überprüfung eingesetzt werden. Bezogen auf das Simulationsmodell liegen die zukünftigen Arbeiten hauptsächlich bei der datenbasierten, automatischen Generierung der einzelnen Modelle. Als Grundlage dient eine Modellbeschreibung, welche beispielsweise in XML erfolgen kann. Diese Beschreibung soll dabei von einem speziellen Interpreter umgewandelt und in das bestehende Frühwarnsystem dynamisch integriert werden.

7 Literatur [DH03]

Daamen, W. and Hoogendoorn, S. Research on pedestrian traffic flow in the Netherlands. http://www.americawalks.org/PDF_PAPE/Daamen.pdf; 15.11.03.

[Jan91]

Janson, B. Dynamic traffic assignment for urban road networks. In: Pergamon Press, GB, 1991, Transp. Res.-B, Vol. 25B, Nos. 2/3, S. 143-161.

[LHKDMP00] Lerner, G., A. Hochstaedter, R. Kates, C. Demir, J. Meier, A. Poschinger. The interplay of multiple scales in traffic flow: coupling of microscopic, mesoscopic, and macroscopic simulation. In: 7th ITS World Congress on Intelligent Transport Systems, Turin, Italy, 2000. [HS97]

Heuer, A. und Saake, G. Datenbanken - Konzepte und Sprachen. Thomson Publishing, 1. korrigierter Nachdruck, 1997.

[Mit97]

Mitchell, T. Machine learning. McGraw-Hill international editions, computer science series, 1997.

[HTRS03] Hanisch, A., Tolujew, J., Raape, U., Schulze, T. Online-Simulation für Personenströme in einem Frühwarnsystem. In: Simulationstechnik, 17. ASIM-Symposium in Magdeburg. R. Hohmann (Hrsg.), SCS Int., Ghent 2003, S. 221-226. [THRS03] Tolujew, J., Hanisch, A., Richter, K., Schulze, T. Online Simulation of Pedestrian Flow in Public Buildings. In: Proceedings of the 2003 Winter Simulation Conference, S. 1635-1641.