Kloster Walkenried

kühnes Geschichtsbewusstsein. Das harte Leben der Zisterzienser fasst Otto von Freising, einst Abt des Klosters Morimond, in dessen Filiation Walkenried.
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Kloster Walkenried

Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser • Band 27

Nicolaus Heutger

Kloster Walkenried Geschichte und Gegenwart

Lukas Verlag

Abbildung auf dem Umschlag: Abtssiegel von Kloster Walkenried, Holzschnitt aus Eckstorms Chronicon Walkenredense (Detail), 1617

© by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 2007 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstraße 57 D–10405 Berlin www.lukasverlag.com Lektorat und Satz: Susanne Werner Reprographie und Umschlag: Lukas Verlag Druck: Art Druk, Szczecin Printed in EU ISBN 10    3–86732–018–7 ISBN 13 978–3–86732–018–4

Inhalt Vorbemerkung Einführung Die Zisterzienser

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Die frühe Klostergeschichte Walkenrieds

Die Walkenrieder Urkunden und Akten Die Erforschung der Walkenrieder Klostergeschichte Die Stiftung des Klosters 1127 Der Einzug der Mönche 1129 Die romanische Klosterkirche Walkenried und das Reich Die Vogtei Die Beziehungen Walkenrieds zur Kurie

13 14 18 20 21 22 28 29

Baugeschichte Walkenrieds Die frühgotische Klosterkirche Der hochgotische Chor Die Klausur Der Walkenrieder Klosterbezirk

36 40 41 52

Organisation und Wirken Walkenried im zisterziensischen Ordensorganismus Die Walkenrieder Filiation Die Walkenrieder Äbte Die Walkenrieder Abtsliste Die Walkenrieder Klosterämter Die Walkenrieder Konventualen Die Walkenrieder Laienbrüder Der Tageslauf der klösterlichen Familie Die Walkenrieder Familiaren Walkenrieds Konfraternitätsbeziehungen mit geistlichen Korporationen außerhalb des Zisterzienserordens Walkenried und das Heilige Land Die klösterliche Liebestätigkeit Walkenrieder Handschriften Walkenrieder Kunstwerke

56 62 74 76 78 80 84 86 90 92 93 95 97 98

Ökonomische Aktivitäten und Klosterbesitz

Wirtschaftliches Wirken um Walkenried Die Grangien Walkenrieds Walkenrieds Stadthöfe Walkenrieds Bergbau- und Hüttenbetriebe Die Weingüter Walkenrieds Walkenrieds Beteiligung an der Salzgewinnung Weiterer Klosterbesitz Die Sondervermögen Zusammenfassung der wirtschaftlichen Aktivitäten

103 110 126 133 137 138 139 142 143

Die Entwicklung Walkenrieds im historischen Kontext Die Kirchen des Klosters Walkenried 144 Walkenried im Herbst des Mittelalters 149 Walkenried und die Studien 152 Walkenried im Bauernkrieg 154 Luther und Walkenried 157 Walkenrieds Reichsstandschaft 160 Ein Märtyrer des evangelischen Glaubens aus Walkenried 165 Die Reformation in Walkenried 166 Die Klosterschule Walkenried 170 Das Walkenrieder Abendmahlsbild 176 Die Administratoren des Klosters Walkenried 177 Prior Heinrich Eckstorm 183 Das Kloster im Dreißigjährigen Krieg 186 Der Walkenrieder Konventual Gesenius über evangelisches Klosterleben 188 Die vasa sacra des Reichsstiftes 190 Die Säkularisation 191 Walkenried in Kunst und Gegenwart Die Walkenrieder Münzprägung Walkenried-Bilder Das Kloster Walkenried in der Sicht der Dichter Die Nachgeschichte des Klosters Neues Leben auf altem Grund Das Walkenried-Jubiläum 1977 Die jüngste Entwicklung des Klosters Walkenried Die Dauerausstellung 2006: Der weiße Konzern



193 199 207 214 220 224 226 229

Inhalt

Zusammenfassung

Das Kloster Walkenried am Südharz

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Anhang

Quellen und Literatur Register Der Autor

Inhalt

233 239 252



Der Walkenrieder Familie Reinboth, die sich immer für das Kloster eingesetzt hat.

Vorbemerkung

Die folgende Arbeit ist gewissermaßen eine verjüngte, vielfach vertiefte und fast überall erweiterte Fassung meiner Festschrift von 1977, die dem Kloster am Südharz viele neue Freunde gebracht hat und seit langer Zeit vergriffen ist. Wegen der vielen Nachfragen – selbst das evangelische Pfarramt Walkenried hat kein vollständiges Exemplar mehr – habe ich mich zu einer vollständigen Neubearbeitung entschlossen, in der sich die Jahrzehnte meiner Weiterarbeit in der Klosterforschung sicherlich bemerkbar machen. Auch eine Fülle von neuem Quellenmaterial und von Grabungsergebnissen war einzuarbeiten. Der bewährte, einfache Aufriss ist aber beibehalten worden. Die Ausführungen zur Walkenrieder Ökonomie stammen weitgehend von dem verewigten Walter Baumann, wie schon in der ersten Ausgabe dieses Buches. Prof. Dr. Dr. theol. Nicolaus Heutger, Kapitulare des Klosters Amelungsborn

St. Bernhard

Einführung Die Zisterzienser

Ein Zisterzienserkloster kann man nur mit stetem Blick auf die Geschichte des Zisterzienserordens behandeln, die wichtigsten Daten sind hier kurz genannt. 1098 beschlossen Abt Robert von Molesme, sein Prior Alberich und einundzwanzig Mönche, ganz nach den Vorschriften der Regel des abendländischen Mönchsvaters Benedikt zu leben. Sie setzten sich so von dem hochliturgischen, kunstfreudigen Klosterleben im Bannkreis Clunys ab und begannen als Reformbenediktiner im Walde Cîteaux in der Nähe von Dijon ein Leben des Gebetes und der Arbeit. 1099 übernahm Alberich die Leitung der neuen Gemeinschaft. Er gab ihr die helle Tracht aus der naturfarbenen Schafwolle und gewann die Brüder für die glühende Verehrung der Gottesmutter. Das regelstrenge, weltentlegene Kloster gedieh aber nicht recht. Da trat 1113 der 1090 im Schloss von Fontaines als dritter Sohn des Ritters Tezelin und der frommen Aleth geborene, burgundische Ritter Bernhard mit etwa dreißig Gefährten begeistert in die erste Zisterze ein und erweckte das Kloster zu neuem Leben. In dem entscheidenden Jahr 1113 wurde in La Ferté die erste Filia von Cîteaux gegründet. 1115 kam Clairvaux hinzu, wo Bernhard, anscheinend gegen seinen Willen, zum Abt gewählt wurde. Petrus der Ehrwürdige, Abt von Cluny, nennt ihn »die starke Säule, die durch einen besonderen Plan der göttlichen Vorsehung das ganze Gebäude des Mönchtums aufrecht erhält.« Bernhard wurde wegen seines innigen Versenkens in die Menschlichkeit Jesu, seines mystisch geprägten Aufschwung zu Gott, seiner auf einen kümmerlichen Körper einstürzenden, die Selbstsucht tötenden Askese, seiner hingebungsvollen Nächstenliebe, seiner unwiderstehlichen Beredsamkeit und seines leidenschaftlichen Widerwillen gegen kühles, wissenschaftliches Denken die faszinierende, überall zitierte Zentralgestalt des Zisterzienserordens, ja des ganzen Zeitalters der Kreuzzüge. Als 1146 einer seiner Schüler zum Papst Eugen III. gewählt wurde, beherrschte der zisterziensische Geist die ganze Weltkirche. Das Jahr 1119 brachte den Zisterziensern die von Stephan Harding geprägte Charta Caritatis, die Liebesurkunde, das Grundgesetz des Ordens, das ein straffes System der Neben- und Unterordnung der einzelnen Klöster aufrichtet. Die zentrale Vollmacht lag bei dem alljährlich in Cîteaux abgehaltenen Generalkapitel. In einer Art Schneeballsystem kamen Zisterzen in alle Gebiete Mitteleuropas. Als am 20. August 1153, dem späteren Bernhardstag,

Einführung

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die Flamme dieses gewaltigen Geistes erlosch, hatte der Orden bereits 343 Klöster, unter denen Walkenried einen geachteten Platz einnahm. In der Folgezeit mühten sich die Zisterzienser um die Kultivierung und Christianisierung der Slavenländer. Im späten 12. Jahrhundert war Joachim von Fiore in Kalabrien der einflussreichste Zisterzienser: Er kündigte das Hereinbrechen eines Zeitalters des Geistes mit einer der Urchristenheit ähnlichen Geisteskirche unter monastischer Vorherrschaft an und erweckte durch seine prophetische Schau neues, kühnes Geschichtsbewusstsein. Das harte Leben der Zisterzienser fasst Otto von Freising, einst Abt des Klosters Morimond, in dessen Filiation Walkenried steht, in folgenden Worten zusammen:»Sie leben in Gemeinschaft, legen sich gleichzeitig schlafen, stehen einmütig auf zum Gebet, nehmen gemeinsam in einem Raum die Mahlzeiten ein, und Tag und Nacht beschäftigen sie sich mit Beten, Lesen, Arbeiten! […] Sie bringen«, schließt Otto von Freising, »obwohl durch Arbeit ermattet, durch Nachtwachen erschöpft, durch Fasten abgezehrt, wie die Grillen, die mehr zirpen, wenn sie hungrig sind, fast die ganze Nacht mit Gesang der Psalmen, Hymnen und geistlichen Lieder zu!« Um 1270 hatte der Orden 671 Klöster. Im späten 13. und 14. Jahrhundert gingen die Zisterzienser von der Demut der kargen Ursprünge ab, wie z.B. die aufwendigen Kreuzgänge in Walkenried, Lilienfeld und Heiligenkreuz zeigen. Im 14. Jahrhundert ruinierten der Hundertjährige Krieg und der Schwarze Tod die Urklöster des Zisterzienserordens. In anderen Ländern überflügelten die städtisch bestimmten Bettelorden die agrarisch geprägten Weißen Mönche. Der Orden erholte sich aber wieder. Im 15. Jahrhundert entstand in Spanien und Italien je eine zisterziensische ­Reformkongregation. Im 17. Jahrhundert gehörten 742 Klöster zum Orden. Damals entstanden die Trappistenklöster, in denen in heiliger Traurigkeit wieder das Schweigen der Wüste beachtet wird. Der Josephinismus, die Französische Revolution und der Reichsdeputationshauptschluss brachten den Zisterziensern gewaltige Verluste. Aber heute gibt es wieder blühende Zisterzienserklöster, besonders in den Vereinigten Staaten. Das Religiosentum wurde unablässig als der »Stand der Vollkommenheit« gepriesen. Dazu sagte der junge Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI.: »Aber die ihm angehören, werden die letzten sein zu leugnen, dass sie gerade so immer wieder am Anfang stehen und voller Ungenügen sind. Der ›Stand der Vollkommenheit‹ ist in Wahrheit die dramatischste Darstellung der bleibenden Unvollkommenheit des Menschen.«1 1 Joseph Ratzinger: Einführung in das Christentum, München 21968, S. 210.

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Einführung

Die frühe Klostergeschichte Walkenrieds

Die Walkenrieder Urkunden und Akten

Wie die meisten Zisterzen bewahrte auch Walkenried die Urkunden im Armarium sorgfältig auf, nachdem die mühsamen Anfänge glücklich überwunden waren. Im frühen 13. Jahrhundert wurde zur Sicherheit und zum ständigen Gebrauch überdies ein Kopialbuch angelegt, das 1333 auf den neuesten Stand gebracht wurde. Durch den Besitz des Kopialbuches mussten die Klosterleute bei auswärtigen Besuchen nicht die kostbaren, empfindlichen Originale mitnehmen. 1473 wurde das Archiv durch den damaligen Prior Heinrich Dringinberg neu geordnet. Das damals angelegte Verzeichnis2 weist auf 340 Seiten in 29 Abteilungen die Regesten von 1383 Original­urkunden auf. Der Name des Priors erscheint nirgends in dem schönen rubrizierten, nach Sachgruppen geordneten Buch, er ergibt sich nur durch Zusammenstellen der mit roter Tinte ausgemalten Anfangsbuchstaben der ersten zwanzig Worte in der Vorrede. Aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammte auch ein 1943 in Hannover vernichtetes Chartularium.3 Im Bauernsturm 1525 gelang es Abt Paulus, das Archiv nach Lüneburg zu retten. Aber die Bibliothek ging in diesem deutschen Schicksalsjahr großen­teils zugrunde. 1535 kamen die Urkunden zurück, um bald darauf in drei Kisten in Göttingen verwahrt zu werden, wo sie bis 1571 blieben. 1580 brachte der Prior Hirsch das schon etwas geschrumpfte Klosterarchiv nach Schloss Lohra. Von dort ließ es der Graf von Schwarzburg, der an der Übernahme der Administration des Stiftes interessiert war, nach Rudolstadt bringen, wo bei einer Feuersbrunst mindestens eine Lade mit Zinsregistern und Urkunden zugrunde ging. Nach dem endgültigen Übergang Walkenrieds an das Haus Braunschweig-Lüneburg gelangten die Urkunden mit gewissen Ausnahmen 1654 nach Osterode und von da 1659 nach Celle, von wo sie später in das Königliche Archiv in Hannover gebracht wurden. 1843 kamen die Urkunden nach Wolfenbüttel. 1852/53 wurden die älteren Urkunden bis 1400 teils vollständig, teils in ausführlichen Regesten als Walkenrieder Urkundenbuch vom Historischen Verein für Niedersachsen publiziert. 1883 kamen in Rudolstadt 2 St.A Wolfenbüttel VII. B 10. 3 Vgl. Nieders. Jb. für Landesgesch. 20, 1947/48, S. 196. – Nieders. Hauptstaatsarchiv Hannover Cop. XI, 30.

Die frühe Klostergeschichte Walkenrieds

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aufgefundene Urkunden ebenfalls nach Wolfenbüttel. Nun wurden 1884/85 im Staatsarchiv Wolfenbüttel Abschriften von Walkenrieder Urkunden bis 1570 angefertigt. In dieser Sammlung4 sind die ursprünglich für den dann nicht mehr erschienenen 3. Band des Walkenrieder Urkundenbuches bestimmten Abschriften besonders wichtig. Einige Vorlagen der Abschrift sind inzwischen merkwürdigerweise verschollen. 1963 beruhten in Wolfenbüttel 1097 Urkunden des Klosters.5 Die in Wolfenbüttel befindlichen Akten6 beziehen sich besonders auf die Klosterschule und enthalten so z.B. Lehrpläne, Schülerverzeichnisse und Speisezettel.7 Bei der Neuordnung des Bestandes 1971 wurden die Akten nach Pertinenzen geordnet. Auch im Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv Hannover beruhen einzelne Akten, die Bezug auf Walkenried haben.8 Die Erforschung der Walkenrieder Klostergeschichte

Die erste geschichtliche Arbeit über das Kloster Walkenried stammt von Johann Letzner und ist in der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover überkommen.9 Fritz Reinboth hat diese Chronik10 2002 vorbildlich ediert. Letzner hat einige Zeit im Kloster verbracht und war von dem Walkenrieder Fortleben der alten monastischen Formen tief beeindruckt. Der Protestant Letzner ist, wie die Walkenrieder selbst, in seinem Buch um einen Ausgleich der monastischen Überlieferung mit dem evangelischen Glauben bemüht. Den Fluch, den Luther in seinem Letzner bekannten Brief über Walkenried gesprochen hat, wolle das evangelische Stift durch gute Werke abwenden, meint Letzner. Die Chronik hat Quellenwert vor allem für die Zeit um 1594. Da erfahren wir z.B., dass das Zisterzienserbrevier noch in Gebrauch sei und dass bis vor kurzem das Heilige Abendmahl nach der Agende Georg von Anhalts gefeiert wurde. Die genaue Schilderung des Walkenrieder Klosterbieres mag Brauereifachleute erfreuen. Auch für das Mittelalter bietet Letzner manchmal Unbekanntes. Letzner hatte noch manche Kunstwerke vor Augen, die heute längst verloren sind. Letzner hat auch noch einige Bücher der alten Klosterbibliothek gesehen, 4 5 6 7 8 9 10

St.A Wolfenbüttel VII B Hs. 107, Bd 2. St.A Wolfenbüttel 25 Urk. St.A Wolfenbüttel 11, Alt Walk. St.A Wolfenbüttel 11, Alt Walk, S. 112–113. Bes. in Cal. Br. 21. MS XXIII 611a. Eduard Bodemann: Die Handschriften der Königl. Öffentl. Bibliothek zu Hannover, Hannover 1867, S. 493.

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Die frühe Klostergeschichte Walkenrieds