Klimaschutzkonzept Hessen 2012 - Hessisches Ministerium für ...

... Kulturen in Frage) wird das Hessische Umweltministerium im Dialog mit der Mine- ... Mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im August ...
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Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz

Klimaschutzkonzept Hessen 2012 März 2007

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

....................................................................................................................................... 4

1. 1.1 1.2 1.3

Internationale und nationale Klimaschutzverpflichtungen ........................................... 6 Internationale Klimaschutzverpflichtungen .................................................................. 6 Das europäische Klimaschutzprogramm....................................................................... 7 Das Nationale Klimaschutzprogramm .......................................................................... 9

2.

Treibhausgasemissionen in Hessen ............................................................................. 10

3. 3.1 3.2 3.3

Klimawandel in Hessen............................................................................................... 14 Klimaentwicklung in Hessen ...................................................................................... 14 Klimaprognose ............................................................................................................ 20 Fazit............................................................................................................................. 23

4. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8

Klimafolgen für Hessen .............................................................................................. 24 Grundwasser und Boden ............................................................................................. 24 Fließgewässer .............................................................................................................. 26 Pflanzenphänologie ..................................................................................................... 29 Landwirtschaft, Obst- und Weinbau ........................................................................... 31 Forstwirtschaft............................................................................................................. 34 Artenvielfalt ................................................................................................................ 35 Gesundheitsschutz....................................................................................................... 36 Fazit............................................................................................................................. 37

5. 5.1 5.2

Grundsätze, Möglichkeiten und Ziele ......................................................................... 38 Grundsätze................................................................................................................... 38 Möglichkeiten und Ziele ............................................................................................. 40

6. 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8

CO2-Vermeidung in den verschiedenen Bereichen und Sektoren .............................. 43 Bisherige Ansätze für Hessische Klimaschutzaktivitäten........................................... 43 Bereich der Energiewirtschaft ..................................................................................... 45 Bereich der Erneuerbaren Energien ............................................................................ 50 Bereich von Gebäuden ................................................................................................ 55 Bereich der hessischen Landesliegenschaften............................................................. 59 Bereich Gewerbe und Industrie................................................................................... 62 Bereich Verkehr .......................................................................................................... 63 Querschnittsmaßnahmen zur CO2-Vermeidung.......................................................... 66

7. 7.1 7.2

Geplante Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte ............................................. 72 Forschungs- und Wissenschaftsstandort Hessen......................................................... 72 Forschungs- und Entwicklungsbedarf im Bereich Klimaforschung Klimafolgenforschung und Anpassungserfordernissen .............................................. 74 CO2-Sequestrierung .................................................................................................... 76

7.3

2

8.

Zusammenfassung....................................................................................................... 77

9.

Quellen- und Literaturverzeichnis............................................................................... 81

Adressen:

..................................................................................................................................... 82

Anhang:

Abschätzung der künftigen CO2-Entwicklung............................................................ 83

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

Rahmendaten ............................................................................................................... 83 Referenzszenario ......................................................................................................... 84 Maßnahmenszenarien und Varianten .......................................................................... 86 Variantenvergleich ...................................................................................................... 89 Grenzkostenkurven und Arbeitsplatzeffekte ............................................................... 89 Fazit............................................................................................................................. 93

Photo Titelseite: Hessische Bergstraße

3

Einleitung Mit Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls am 16. Februar 2005 und der Einführung des Emissionshandels in der Europäischen Union ist der Klimaschutz in eine neue Phase eingetreten. Angesichts

des

beobachtbaren

Klimawandels

werden

einerseits

verstärkt

regionale

Auswirkungen und geeignete regionale Anpassungsstrategien diskutiert. Andererseits stellt sich die Frage, wie die volkswirtschaftlich kostengünstigsten Techniken und Strategien zur CO2 Vermeidung umgesetzt werden können. Das Zeitfenster für die Reaktion auf den Klimawandel ist knapp bemessen, da die heutigen Emissionsminderungen erst in ca. 30 bis 50 Jahren die volle Wirkung

zeigen.

Im

Februar

2007

hat

der

beratende

Ausschuss

der

UN

-

Klimarahmenkonvention einen aktuellen Bericht vorgelegt, der den anthropogenen Klimawandel bestätigt. Eine prognostizierte mittlere globale Temperaturerhöhung von 1,1 C bis 6,4 C bis zum Ende des Jahrhunderts hätte weit reichende Auswirkungen auf Landwirtschaft, Landnutzung, Infrastruktur und Gesundheitsschutz. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Sir Nicholas Stern, erregte Ende Oktober 2006 mit einem Bericht für die britische Regierung über die Kosten und Risiken des Klimawandels großes Aufsehen. Hiernach ist zu befürchten, dass die bei einem Nichthandeln entstehenden volkswirtschaftlichen Schäden etwa 5 bis 20% des globalen Bruttosozialproduktes bis zur Mitte des Jahrhunderts erreichen werden. Nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) können bei einer Temperaturerhöhung um + 1°C Schäden in Deutschland durch Naturkatastrophen in einer jährlichen Höhe von bis zu 137 Mrd. € im Jahr 2050 auftreten. Die Münchner Rück bezifferte die 3 größten Wetterkatastrophen in Europa für die Versicherungswirtschaft wie folgt: Datum

Betroffenes Gebiet

26.12.99

Frankreich Deutschland Schweiz, Italien Mitteleuropa Wintersturm Daria Deutschland, Unwetter, Österreich Hochwasser Tschechien

25.01.9026.01.90 12.08.0220.08.02 Tabelle 1:

Schadensereignis

Zahl/ Todesfälle Wintersturm 110 Lothar

Volkswirtschaft -liche Schäden (in Mio. US $) 11.500

Versicherte Schäden (in Mio. US $) 5.900

94

6.800

5.100

37

16.000

3.400

Volkswirtschaftliche und versicherte Schäden von Wetterkatastrophen, Quelle: Münchner Rück 4

Eine übergreifende Strategieentwicklung ist daher notwendig, um den Herausforderungen des langfristigen Klimawandels zu begegnen. Während dem Vorsorgedanken folgend die Stabilisierung von Treibhausgasen in unserer Atmosphäre vordringlich globale, europäische und nationale Politikansätze erfordert, die landespolitisch flankiert werden können, stellen die Folgen eines Klimawandels und daraus resultierende Anpassungsmaßnahmen eine vordringlich regionale Herausforderung dar. Die Ansätze regionaler Klimaschutzpolitik müssen auch in den bundesrechtlich verbindlichen Rahmen integriert werden. Klimaschutz als Querschnittsaufgabe kann neue Impulse für die Technologieentwicklung, Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung geben. Damit ergeben sich auch Chancen zur Innovation, Modernisierung der Energiewirtschaft und Verkehrssysteme sowie der Sicherung von Arbeitsplätzen. Wissenschaftliche Basis für das Klimaschutzprogramm bildet das Forschungsprojekt „Integriertes Klimaschutzprogramm Hessen 2012 (INKLIM 2012)“ unter Federführung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und des Instituts für Energiewirtschaft und rationelle Energieverwendung (IER) sowie des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie (HLUG). Die Forschungsarbeiten umfassten die drei Bausteine •

Grundlagen / Szenarien



Klimawandel / Klimafolgen



Instrumente / Maßnahmen

Insgesamt waren an dem interdisziplinären Forschungsprojekt 19 Institute und Institutionen beteiligt. Das Ergebnis wurde mit der begleitenden Interministeriellen Arbeitsgruppe Klimaschutz zu dem vorliegenden Maßnahmenkatalog weiter entwickelt. Die CO2 Emissionen in Hessen sind von 43,3 Mio. t in 1990 auf 44,6 Mio. t in 2002 gestiegen, was einen Anstieg um 3% bedeutet. Etwa 37% der CO2-Emissionen sind dem Verkehrsbereich und etwa 34% dem Bereich der privaten Haushalte zuzurechnen. In diesen Bereichen ist es daher besonders wichtig, eine ökonomisch effiziente und klimapolitisch tragfähige Zukunftsstrategie zu entwickeln. Das vorliegende Klimaschutzkonzept Hessen 2012 stellt die wesentlichen Strategien zur CO2 Minderung unter den europäischen und nationalen Rahmenbedingungen dar. Eine regionale Klimaprognose bis zum Ende des Jahrhunderts zeigt die Anpassungserfordernisse insbesondere in der Wasser-, Land- und Forstwirtschaft auf. Für die verschiedenen Bereiche und Sektoren werden Maßnahmen zum Klimaschutz und der Klimavorsorge entwickelt. 5

1. Internationale und nationale Klimaschutzverpflichtungen Entsprechend der globalen Dimension des Treibhauseffekts findet Klimapolitik in einem Mehrebenensystem (internationale Völkergemeinschaft / Europäische Union / Mitgliedstaaten / Bundesland / Kommunen) statt. Die Handlungsoptionen des Landes Hessen werden dabei maßgeblich von der internationalen und nationalen Gesetzgebung bestimmt; regionale Klimapolitik muss in den völkerrechtlich, europarechtlich und bundesrechtlich verbindlichen klimapolitischen Rahmen integriert werden.

1.1

Internationale Klimaschutzverpflichtungen

Als internationales Abkommen in der Folge des 1992 verabschiedeten Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) ist im Februar 2005 das KyotoProtokoll in Kraft getreten. Im Kyoto-Protokoll verpflichten sich die Vertragsstaaten zu einer völkerrechtlich verbindlichen Senkung ihrer Treibhausgase um 5,2 % (bis 2008-2012 gegenüber 1990). Zur Verbesserung der Kosteneffizienz in Anbetracht erheblicher Vermeidungskostenunterschiede zwischen den Vertragsstaaten sieht das Kyoto-Protokoll die Anwendung der flexiblen Mechanismen Internationaler Emissionshandel (ET), Joint Implementation (JI) and Clean Development Mechanism (CDM) vor. Die „Vereinbarungen von Marrakesh“ (2001) enthalten weiterführende Beschlüsse der Vertragsstaaten zu den flexiblen Mechanismen. Die EU-15 hat sich im Kyoto-Protokoll zu einer Emissionsreduktion von 8% verpflichtet. In dem EU-intern abgestimmten Vertrag zur Lastenverteilung vom Juni 1998 wurde, gemäß bestimmter länderspezifischer Voraussetzungen, eine Aufteilung der EU-weiten Reduktionspflichten auf die einzelnen Mitgliedsstaaten vorgenommen. Bezogen auf 1990 muss Deutschland seine Emissionen um -21% reduzieren. Zwar gibt es für die EU-25 kein gemeinsames Emissionsreduktionsziel, für acht der zehn neuen EU-Länder wurden aber Einzelverpflichtungen in Höhe von -8% bzw. -6% festgelegt. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der CO2-Emissionen in der EU-15 von 1990 bis 2003. Deutschland kommt mit -18,5% seinem Ziel zwar sehr nahe, jedoch sind auch hier zusätzliche Maßnahmen nötig. Der Handlungsbedarf zur Emissionsminderung zeigt sich insbesondere in den EU-15 Staaten vor der Osterweiterung der EU.

6

Abbildung 1: Kyoto-Ziele und Entwicklung der Treibhausgase bis 2003 /1/ Nach den Hochrechnungen im Bericht über „Nachweisbare Fortschritte bei der Verwirklichung des Kyoto-Protokolls“, welcher von der EU Kommission für die 11. UN-Klimakonferenz in Montreal (28. November - 9. Dezember 2005) vorbereitet wurde, werden 17 der 25 EU Mitgliedsstaaten voraussichtlich ihre Emissionsziele einhalten können, während die anderen Staaten noch Maßnahmen einleiten müssen. Dieser Bericht geht davon aus, dass die existierenden und geplanten Klimaschutzmaßnahmen zusammen mit den im Rahmen von projektbasierten Mechanismen erhaltenen Gutschriften zu einer Emissionsreduktion in der EU-15 in Höhe von 9,3% bis 2010 gegenüber 1990 führen werden. 1.2

Das europäische Klimaschutzprogramm

Im Jahr 2000 hat die EU-Kommission das erste Europäische Programm zur Klimaänderung (ECCP) verabschiedet, welches zahlreiche Maßnahmen zur Emissionsreduktion auf EU-Ebene angestoßen hat. In dem Zusammenhang sind insbesondere zu nennen: •

das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft zur Begrenzung der Kohlendioxid-Gesamtemission, insbesondere die Emissionshandelsrichtlinie 7



die Verbindungsrichtlinie, durch die die Emissionshandelsrichtlinie dahingehend geändert wird, dass die Mitgliedstaaten den Betreibern gestatten können, Gutschriften, die im Rahmen des Kyoto-Mechanismus erlangt wurden (zertifizierte Emissionsreduktionen und Emissionsreduktionseinheiten), auf die Erfüllung ihrer Verpflichtungen im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems anrechnen zu lassen,



das Programm „Intelligente Energie – Europa“ unterstützt die nachhaltige Entwicklung im Energiebereich und fördert einen sparsameren Energieverbrauch, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen und die Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen im Verkehrssektor sowie auch die Förderung erneuerbarer Energiequellen und die Energieeffizienz in Entwicklungsländern,



das „Verdoppelungsziel“ der EU, das sie sich in ihrem Weißbuch 1997 gesetzt hat, den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoinlandsenergieverbrauch der EU von ca. 6 % im Jahr 1997 bis zum Jahr 2010 auf dann 12 % zu verdoppeln, sowie die Richtlinie zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Elektrizitätsbinnenmarkt, nach der der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion der gesamten EU von knapp 14 % im Jahr 1997 auf rund 22 % im Jahr 2010 gesteigert werden soll,



die Biokraftstoffrichtlinie mit der Zielvorgabe, dass bis Ende 2005 mindestens 2% und bis Ende 2010 mindestens 5,75% der im Verkehr verbrauchten Kraftstoffe Biokraftstoffe sein sollen,



die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, nach der die Mitgliedstaaten Mindestanforderungen für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden festsetzen, einen Energieausweis beim Verkauf oder der Vermietung von Gebäuden vorschreiben und für Neubauten von größeren Gebäuden vorschreiben müssen, dass die Möglichkeiten des Einbaus von Kraft-Wärme-Kopplungs-Systemen (KWK-Systemen) oder Techniken zur Nutzung erneuerbarer Energien geprüft werden,



die Kraft-Wärme-Kopplungs-Richtlinie zur Schaffung von Anreizen für die Entwicklung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK),



eine freiwillige Selbstverpflichtung der Automobilherstellerverbände, den CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2008/2009 um 25 % gegenüber 1995 zu senken,



das 6. Forschungsrahmenprogramm (2002–2006), welches mehr als 3 Milliarden € für die Entwicklung und Demonstration neuer Technologien in den Bereichen Energie, Verkehr und Umwelt bereitstellt,



die Richtlinie für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für energiebetriebene Produkte, die die Erarbeitung von Mindestanforderungen für zahlreiche Produkte vorsieht, 8



die Richtlinie zur Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen, nach der die Mitgliedstaaten angehalten werden, ihren Endenergieverbrauch mittels Energiedienstleistungen und Energieeffizienzmaßnahmen durchschnittlich um 1 % pro Jahr zu senken.



der Aktionsplan für Energieeffizienz „Das Potenzial ausschöpfen“ (Mitteilung der Kommission, KOM(2006)545 endgültig), in dem die zentrale Rolle der Energieeffizienz nicht nur für die umweltpolitischen Ziele, sondern gleichermaßen für die energiepolitischen Ziele herausgestellt wird und der als strategischer Rahmen für die nächsten sechs Jahre dazu dienen soll, das Potenzial zur Verminderung des Primärenergieverbrauchs, das die EU mit mindestens 20 % beziffert, zu realisieren.

Im Oktober 2005 wurde die zweite Phase des ECCP eingeleitet. Schwerpunkte des Programms sind unter anderem die Abtrennung und Speicherung von Kohlenstoffemissionen, der Straßenund Luftverkehr sowie Klimafolgen und Anpassungsmaßnahmen. Insbesondere erwägt die EUKommission eine Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel. Im Rahmen des ECCP II wird eine Arbeitsgruppe zur Luftfahrt eingerichtet; Ende 2006 wurde ein Richtlinienvorschlag für die Einbeziehung vorgelegt. 1.3

Das Nationale Klimaschutzprogramm

Im Nationalen Klimaschutzprogramm, Fortschreibung 2005 sind die für Deutschland relevanten Klimaschutzziele (Emissionsreduktionsziele sowie technologie- und energieträgerbezogene Ziele) aufgeführt. Dabei handelt es sich teilweise um rechtlich verbindliche, teilweise um freiwillig gesetzte Ziele, wobei letztere eine Vorreiterrolle Deutschlands im Klimaschutz (und damit zukünftigen Handlungsbedarf) dokumentieren: •

Reduktion der jährlichen Emissionen der sechs Treibhausgase (CO2, CH4, N2O, H-FKW, FKW und SF6) um 21% im Zeitraum von 2008 bis 2012 gegenüber dem Emissionsniveau von 1990 (EU-interne Lastenverteilung).



Sektorale CO2-Emissionsziele für Deutschland auf der Grundlage der Nationalen Allokationspläne 2005 bis 2007 und 2008 bis 2012 (Tabelle 2): Zuteilungsperiode

Energie und Industrie [t CO2/Jahr]

2005-2007

503 Mio.

2008-2012

456 Mio.

Tabelle 2:

Verkehr und Haushalte [t CO2/Jahr]

Gewerbe, Handel und Dienstleistungen [t CO2/Jahr]

298 Mio.

58 Mio. 349 Mio.

Nationaler Allokationsplan (NAP II) 2008-2012 9



Ausbau des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2010 auf mindestens 12,5% und bis zum Jahr 2020 auf mindestens 20% (gemäß Richtlinie über die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt, seit 2001 in Kraft).



Erhöhung des Einsatzes alternativer Kraftstoffe im Verkehrssektor gemäß EUBiokraftstoffrichtlinie auf 2% bis 2005 und auf 5,75% bis 2010.



Selbstverpflichtung der Bundesregierung zur Reduktion der CO2-Emissionen in ihrem Geschäftsbereich um 25% bis 2005 und um 30% bis 2008-2012 gegenüber 1990.



Das nationale Klimaschutzprogramm 2005 befürwortet ein Treibhausgas-Reduktionsziel von -40% bis zum Jahre 2020, vorausgesetzt die EU beschließt eine Reduktion von 30% (Vorreiterrolle Deutschlands innerhalb der EU). Im aktuellen Koalitionsvertrag 2005 findet sich zwar keine konkrete nationale Zielfestlegung, aber eine Unterstützung des EU-weiten -30% Ziels.

Zur Umsetzung dieser Ziele wurde auf der Bundesebene in den letzten Jahren und im Rahmen der nationalen Klimaschutzprogramme (2000, 2005) eine Reihe von Maßnahmen zur Reduktion des fossilen Energieverbrauchs und zur Förderung von Umwelttechnologien beschlossen.

2.

Treibhausgasemissionen in Hessen

Obwohl in Hessen die energiebedingten CO2 Emissionen von 1990 bis 2000 gestiegen sind, liegen im Vergleich der Bundesländer die pro-Kopf Emissionen in Hessen mit 7,5 Tonnen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (10,4 Tonnen). Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt liegen die Emissionen in Hessen unter allen Bundesländern sogar auf dem zweitniedrigsten Niveau.

10

Spezifische energiebedingte CO2-Emissionen 2000

Energiebedingte CO2-Emissionen

1990

Land Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen Deutschland in Summe Alte Bundesländer Neue Bundesländer inkl. Berlin

Tabelle 3:

Veränderung 2000 / 1990

2000

bez. auf bez. auf BruttoinlandsBevölkerung produkt

Durchschnittliche jährliche Emissionsberechtigungen in 2005-07

Mio. t 74,4 84,1 26,9 81,9 13,4 13,7 43,3 12,7 78,7 298,9 27,6 23,4 91,5 50,9 22,8 28,1 972,2

Anteil in % 7,6 8,6 2,8 8,4 1,4 1,4 4,5 1,3 8,1 30,7 2,8 2,4 9,4 5,2 2,3 2,9 100,0

Mio. t 74,9 87,7 23,5 60,4 14,1 14,6 45,6 10,3 75,5 293,9 29,0 23,4 41,6 26,3 20,4 12,1 853,3

Anteil in % 8,8 10,3 2,8 7,1 1,7 1,7 5,3 1,2 8,9 34,4 3,4 2,7 4,9 3,1 2,4 1,4 100,0

in % 0,8 4,4 -12,8 -26,2 5,6 6,5 5,2 -19,1 -4,1 -1,7 4,8 -0,2 -54,6 -48,3 -10,4 -57,0 -12,2

t/Kopf 7,1 7,2 6,9 23,2 21,4 8,5 7,5 5,8 9,5 16,3 7,2 21,8 9,4 10,0 7,3 5,0 10,4

t/Mio. €1995 264,5 256,2 318,8 1417,6 659,1 208,5 251,3 366,7 443,9 676,1 331,7 982,4 590,3 645,5 332,4 316,7 433,2

Mio. EB 29,3 26,2 9,3 52,7 11,7 4,3 13,8 3,6 34,7 218,3 8,8 17,8 33,2 19,7 7,6 4,1 495,0

680,2 292,0

70,0 30,0

679,2 174,1

79,6 20,4

-0,2 -40,4

10,5 10,1

405,3 593,1

372,4 122,6

Entwicklung der CO2-Emissionen im Zeitraum 1990 bis 2000 nach Bundesländern

Die Veränderung der energiebedingten CO2-Emissionen in den neuen Bundesländern zeigt den starken Einfluss der Energiestrukturen, insbesondere die Ablösung der Braunkohlewirtschaft auf die Emissionen. Da im Bereich der energiebedingten Emissionen das CO2 das bedeutendste Treibhausgas (THG) ist, wird im Folgenden die Betrachtung der Treibhausgase auf das Kohlendioxid (CO2) beschränkt. Darüber hinaus ist das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie mit der Erarbeitung einer umfassenden Treibhausgasbilanz beauftragt. Hier sollen auch andere Treibhausgase wie Methan (CH4) und Lachgas (N2O) für Hessen abgeschätzt und quantifiziert werden. Die sehr unterschiedliche Entwicklung der CO2-Emissionen in den einzelnen Bundesländern wird in Tabelle 3 aufgezeigt. Während die Emissionen in den neuen Bundesländern von 1990 bis 2000 um über 40 % gesenkt werden konnten, blieb sie in den alten Bundesländern nahezu konstant (-0,2 %). In Hessen stiegen die Emissionen im betrachteten Zeitraum sogar um 5,2 %. Bezüglich der Emissionen je Einwohner blieben die neuen Bundesländer mit 10,1 t/Kopf im Jahr 2000 bereits knapp unter dem spezifischen Wert der alten Länder (10,5 t/Kopf). Die CO2intensität ist mit 405,3 t je erwirtschafteter Million €1995 in den alten Ländern jedoch noch deutlich geringer als in den neuen (593,1 t/Mill. €1995). In beiden Kategorien liegt Hessen deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Gründe hierfür sind der Einfluss des Bevölkerungswachstums, BIP-Zuwachs und die Energieintensität. Aus den aktualisierten Quellenbilanzen der hessischen Energiebilanzen für 2002 und den Emissionsfaktoren des Umweltbundesamtes wurden die energiebedingten CO2-Emissionen für Hessen ermittelt. Der Verlauf der CO2-Emissionen von 1990 bis 2002 ist in Abbildung 2 dargestellt. Das Gesamtniveau stieg von 43,3 Mio. t CO2 (1990) auf 44,6 Mio. t CO2 (2002), was 11

Energiebedingte CO2 -

Emissionen [Mio. t CO2]

einen Anstieg von 3 % bedeutet. Die Entwicklung in den einzelnen Sektoren verlief jedoch sehr unterschiedlich. Die größten Einsparungen gelangen in der Industrie (-37 %) und auch der Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen konnte seine Emissionen leicht verringern (-3 %). Dem gegenüber stehen Zuwächse in der Energieumwandlung (+34 %), im Verkehr (+8 %) sowie eine leichte Zunahme im Bereich der privaten Haushalte (+1 %). Das Gesamtemissionsniveau beinhaltet nicht die Anteile des internationalen Luftverkehrs, der gemäß internationalen Vereinbarungen (IPCC) 80 % des gesamten Luftverkehrs ausmacht.

60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1990

Abbildung 2:

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

Industrie

Gewerbe, Handel, Dienstleist.

Energiegewinnung, -umwandl.

Haushalte

Verkehr (nat.)

Internationaler Luftverkehr (80 %)

2002

Entwicklung der CO2-Emissionen in Hessen im Zeitraum 1990 bis 2002

Etwa 31% der CO2-Emissionen in Hessen (2002) unterliegen den Mengenbegrenzungen des Emissionshandelssystems. Dies bezieht sich besonders auf die Strom- und Fernwärmeerzeugung sowie die energieintensive Industrie. Der Anteil der Sektoren Energieerzeugung und der Industrie an den CO2-Emissionen liegen jeweils bei etwa der Hälfte des bundesweiten Wertes.

12

CO2 - Emissionen in Hessen nach Sektoren 2002 Haushalte, Gewerbe, Dienstleistungen 34%

13,8 Mio. t CO2 unterliegen dem Emissionshandel (31%) Energieerzeugung 20 % Industrie 9%

Verkehr 37%

Gesamtmenge: 44,6 Mio. t CO2 1990/2002 + 3%

Abbildung 3:

Verteilung der CO2-Emissionen in Hessen nach Sektoren in 2002

Die Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen in Abbildung 4 zeigt, dass bis Mitte der 1990er Jahre die deutschen CO2 Emissionen insbesondere aufgrund der Umstrukturierungen in den neuen Bundesländern stark zurückgegangen sind, während die hessischen ihren Maximalwert im Jahr 1996 erreichten. Ab dann sanken die hessischen CO2-Emissionen jedoch verhältnismäßig stärker als die gesamtdeutschen. Temperaturbedingte Schwankungen sind sowohl in Deutschland als auch in Hessen deutlich zu beobachten. 120.00

Index [1996 = 100]

110.00

100.00

90.00

80.00 1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

Deutschland

Abbildung 4:

1997

1998

1999

2000

2001

2002

Hessen

Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen in Hessen und Deutschland (1996 = 100) 13

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die hessischen CO2-Emissionen - entgegen dem Bundestrend - seit 1990 leicht ansteigen. Gleichwohl liegt Hessen derzeit im Vergleich der Bundesländer im Hinblick auf die CO2-Emissionen pro Kopf auf Rang 6. Die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich machen in Hessen mit ca. 37% einen erheblichen Anteil an den CO2Emissionen in Hessen aus. 34% der hessischen CO2-Emissionen entstammen dem Bereich der privaten Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (s. Abbildung 3). Der Anteil der Sektoren Energieerzeugung und der Industrie an den CO2-Emissionen liegen jeweils bei etwa der Hälfte des bundesweiten Wertes.

3.

Klimawandel in Hessen

Im Rahmen des Forschungsprojektes Integriertes Klimaschutzprogramm Hessen INKLIM 2012 wurde der jetzt schon beobachtbare Klimawandel in Hessen in seiner historischen Entwicklung abgebildet und die weiteren Veränderungen bei Temperatur, Niederschlägen, etc. prognostiziert. Hierfür wurde der Prognosezeitraum bis 2100 zu Grunde gelegt. Die regionalen Klimafolgen wurden insbesondere im Bereich der Wasserwirtschaft als auch der Forst- und Landwirtschaft in Hessen auch in den Auswirkungen auf laufende Planungen und Szenarien untersucht. Entsprechende regionale Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel einschließlich der daraus resultierenden wahrscheinlichen Kosten sollten daraus abgeleitet werden. Im nachfolgenden Kapitel sind die wesentlichen Arbeitsergebnisse zusammen getragen.

3.1

Klimaentwicklung in Hessen

Temperaturtrends Im Flächenmittel und im Mittel über alle Jahreszeiten hat sich Hessen in der Zeit 1951-2000 um 0,9 °C erwärmt. Das entspricht fast genau der Erwärmung, wie sie auch für das Flächenmittel Deutschland gefunden worden ist. Der größte Beitrag dazu kommt vom Winter mit 1,6 °C, der geringste vom Herbst mit 0,2 °C. Besonders rasant stieg die Temperatur in den letzten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts, im Winter beispielsweise um 2,3 Grad. Selbst die Jahresdurchschnittstemperatur stieg in dieser Zeit um 1,1 Grad. Das entspricht 0,55 Grad pro Dekade und liegt damit erheblich über der vom Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung (WBGU) höchstens für zulässig gehaltenen Änderungsrate von 0,2 Grad pro Dekade.

14

Frühling

Sommer

Herbst

Winter

Jahr

1,1 °C

1,0 °C

0,2 °C

1,6 °C

0,9 °C

Tabelle 4:

Übersicht der in Hessen (Flächenmittel) beobachteten Temperaturtrends 1951-2000

1901 bis 2003 liegen die jährlichen Erwärmungen an den erfassten Stationen im Bereich von 0,7 °C bis 1,8 °C und somit zumeist deutlich über dem globalen Trend (1901-2000: +0,7 °C). Beispielsweise beträgt die Erwärmung an der Station Frankfurt am Main über die Jahre 19012000: 1,1 °C bzw. 1901-2003: 1,4 °C, seit Beobachtungsbeginn im Jahr 1826: 1,8 °C und allein in den letzten 20 Jahren, wo auch global der Temperaturanstieg besonders drastisch gewesen ist: 1,5 °C. 13

Jahresmitteltemperaturen Frankfurt/M. Stadt (1826-2004)

2000

Temperatur in °C .

12 1868

1934

11

10 1996

9 1940 8 1829 1842 1832

7 1820

1840

Trends 1826-2004: 1,8 °C; 1901-2000: 1,1 °C; 1951-2000: 1,2 °C 1860

1880

1900

1920

1940

1960

1980

2000

Zeit in Jahren

Abbildung 5:

Jahresmittelwerte 1826-2004 der bodennahen Lufttemperatur in Frankfurt/Main (Stadtgebiet), mit Gesamttrend und Trendwerten für verschiedene Zeitintervalle /6/

Fasst man die Temperaturdaten (1951-2000) jahreszeitlich zusammen (Winter: Dezember des Vorjahres, Januar und Februar; Frühling: März-Mai usw.), so ergeben sich die in Abbildung 6 gezeigten Trendstrukturen. In Abbildung 6 fällt dabei die starke winterliche Erwärmung auf, die im Bereich von ca. 1-2 °C liegt, mit den höchsten Werten in Südhessen. Mit einem Bereich von ca. 0,5-1,5 °C ist die Erwärmung im Frühjahr und Sommer etwas geringer, wobei – im Gegensatz zum Winter – die sommerliche Erwärmung vor allem von einem Monat, nämlich dem August getragen wird. Der Herbst weist mit Trends zwischen ca. -0,5 °C und +0,5 °C auch Abkühlungen auf, und zwar in der Region Kassel und weiteren relativ kleinen Regionen in Westund Mittelhessen, während in Südhessen auch in dieser Jahreszeit die Erwärmung dominiert.

15

Fr

So

Wi

He

Abbildung 6:

Jahresze Tempera Trends in 1951

Räumliche Verteilung der jahreszeitlichen Temperaturtrends 19512000 in Hessen in °C (Fr: Frühling, März-Mai; So: Sommer, JuniAugust; He: Herbst, September-November; Wi: Winter, Dezember des Vorjahres, Januar und Februar). Erwärmungen sind durch Rot-, Abkühlungen durch Blautöne hervorgehoben /6/

Niederschlagtrends Der Niederschlag zeigt ein wesentlich komplizierteres Trendbild. Zunächst, bezogen auf das Flächenmittel Hessen und die Zeit 1951-2000, stehen Niederschlagszunahmen im Herbst, Winter und Frühling mit rund 25 %, 22 % und 20 % sommerlichen Abnahmen um rund 18 % gegenüber, siehe Tabelle 5. In der Jahressumme ist eine Zunahme um 8,5 % eingetreten. Monatlich gesehen fallen der März mit einer enormen Zunahme um rund 62 % und der August mit einer Abnahme um 18 % besonders auf, Trends, die in diesen Monaten zeitlich wie auch regional innerhalb Hessens ziemlich stabil sind. In ähnlicher Weise zeigen 1901-2000/2003 alle in Hessen erfassten Stationen Niederschlagszunahmen im Winter, Frühling und Herbst und fast alle Abnahmen im Sommer. 16

Frühling

Sommer

Herbst

Winter

Jahr

+ 20,3 %

- 17,8 %

+ 24,9 %

+ 22,2 %

+ 8,5 %

Tabelle 5:

Übersicht der in Hessen (Flächenmittel) beobachteten Niederschlagtrends 1951-2000

Abbildung 7:

Fr

So

He

Wi

Räumliche Verteilung der jahreszeitlichen Niederschlagtrends 19512000 in Hessen in Prozent. Zunahmen sind durch Grün-, Abnahmen durch Gelbtöne hervorgehoben /6/

Bei regionalen Differenzierungen ist für die Zeit 1951-2000 eine scharfe Zwei- bzw. Dreiteilung im Juli bemerkenswert: Abnahme bis über 30 % in Nordhessen, starke Zunahme bis über 50 % in Mittelhessen und eher moderate Zunahme (ca. 5-20 %) in Südhessen. Ebenfalls regional unterschiedlich, aber mit unsystematischer Verteilung der Zu- und Abnahme-Bereiche, bei überwiegender Zunahme, zeigen sich die Monate Januar, Februar, April, September und November. Im Mai lassen sich größere Bereiche mit Abnahmen auffinden, wobei im Hessenmittel die Zunahme gerade noch überwiegt. Im Juni ist die Abnahme flächendeckend, ähnlich 17

wie im August, wenn auch nicht so extrem (Juni je nach Station ca. 0-30%, August bis über 50%). Jahreszeitlich zusammengefasst, fällt (wie in Tabelle 5) der Sommer mit Niederschlagsabnahmen aus dem Rahmen, die sich regional zwischen ca. 5 % und 30 % bewegen (siehe Abbildung 7). In den anderen Jahreszeiten treten fast nur Zunahmen in Erscheinung, und zwar zwischen ca. 0 % und 40 %. Bemerkenswert ist dabei die hochkomplizierte räumliche Struktur, die allerdings bei einem Klimaelement mit so ausgeprägter räumlicher Variabilität, wie es der Niederschlag ist, nicht überraschen kann. Extremwert-Trends Das Jahr 2003 zeigte einen außergewöhnlich warmen Sommer an. Alle 3 Sommermonate waren nach Aussagen des DWD erheblich zu warm. Der Juni und der August waren im Gebietsmittel von Deutschland jeweils die wärmsten seit Beginn der Gebietsmittelzeitreihe, d.h. beginnend im Jahr 1901. Auch die Lufttemperaturen des Monats Juli lagen ebenfalls deutlich über den Mittelwerten der internationalen klimatologischen Referenzperiode 1961-1990. Damit wurde natürlich auch der gesamte klimatologische Sommer zum Rekordsommer. Die mittlere Tagestemperatur betrug etwa 19,6 °C und lag damit +3,4 Grad über dem Referenzwert. Mit Ausnahme einiger Stationen in Nord- und Nordwestdeutschland war dies also der heißeste Sommer seit Beginn der Messreihen im Jahre 1901 /3/. Im Rahmen des Klimawandels sind außer den Trends der Mittelwerte auch Erkenntnisse darüber gefragt, ob diese Trends mit Veränderungen der Häufigkeit und somit Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Extremwerten verknüpft sind. Um dieser Frage nachzugehen, müssen an den einzelnen Stationen die Häufigkeitsverteilungen und ihre zeitlichen Änderungen betrachtet werden. Dank einer bei der Universität Frankfurt neu entwickelten Methode ist es möglich, solche Veränderungen im zeitlich kontinuierlichen Ablauf zu berechnen und dementsprechend auch die Veränderung der Eintrittswahrscheinlichkeit relativ hoher bzw. relativ niedriger Werte anzugeben. Bei den hier betrachteten Klimaelementen Temperatur und Niederschlag geht es dabei um extreme Kälte bzw. extreme Hitze sowie extreme Stark- bzw. extrem geringe Niederschläge. In Abbildung 8 ist diese Analysetechnik anhand des Beispiels der Jahresmitteltemperaturen 1901-2003 in Kassel veranschaulicht. Diese Daten folgen recht genau einer sog. Normalverteilung, die die Form einer symmetrischen Glockenkurve aufweist. In der Zeit 19012003 hat sie sich ohne signifikante Änderung der Streuung (anschaulich: Breite der Verteilung) systematisch zu wärmeren Werten hin verschoben, vgl. schwarze und grüne Kurve in Abbildung 8. Da die Fläche unter der gesamten Kurve jeweils gleich 1 bzw. 100 % ist (Normierung), gibt die Fläche oberhalb beliebiger Werteintervalle an, mit welcher Wahrscheinlichkeit diese Werte zu erwarten sind. Für das in Abbildung 8 gezeigte Beispiel Kassel bedeutet das, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Jahresmittelwerte unter 8 °C eintreten, von 23,6 % auf 3,9 % 18

abgesunken, dagegen die Wahrscheinlichkeit der Werte oberhalb 10 °C von 1,8 % auf 14,5 % angestiegen ist. Für ganz Hessen lässt sich in groben Zügen sagen, dass sich bei der Temperatur – da sich in diesem Fall, zumindest bei den Monatsdaten, die Streuung nicht systematisch geändert hat – im Extremverhalten die Trends widerspiegeln. Das heißt: Extrem kalte Jahreszeiten bzw. Monate werden seltener, extrem warme häufiger. Das gilt weitgehend für Frühling und Sommer. Im Winter ist das Verhalten insofern etwas anders, als bei den Tagesdaten die Eintrittswahrscheinlichkeit extrem kalter Tage nicht in dem Maß abgenommen wie sie für extrem warme Tage zugenommen hat. Der Herbst zeigt, vergleichbar den Trends, kaum eine Neigung zu Häufigkeitsänderungen von Extremereignissen.

Abbildung 8

Abbildung 9

Abbildung 8: Veränderung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens relativ hoher bzw. niedriger Werte der Jahresmitteltemperatur in Kassel in der Zeit zwischen 1901, schwarze Kurve, und 2003, grüne Kurve /6/ Abbildung 9: Veränderung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens relativ hoher bzw. niedriger Werte des Winter-Niederschlags in Eppenrod (bei Limburg) in der Zeit zwischen 1901, blaue Kurve, und 2003, rote Kurve /6/

Für ganz Hessen sind die Abnahme extrem feuchter Monate im Sommer und die Zunahme extrem feuchter Tage im Herbst und Winter am auffälligsten. Dabei neigt, wie in Abbildung 9 dargestellt der Winter allgemein zu stärkerer Streuung, so dass die Wahrscheinlichkeit sowohl extrem trockener als auch extrem feuchter Tage bzw. Monate zunimmt, jeweils auf Kosten mittlerer Gegebenheiten. Im Sommer ist dagegen eher das Gegenteil feststellbar, das heißt, mittlere Gegebenheiten werden häufiger, aber zugleich auch extrem viel Niederschlag wesentlich seltener und extrem wenig Niederschlag etwas häufiger. Dabei fällt der Monat August besonders auf, der auf dem Weg zu einem besonders extrem warm-trockenen Monat ist.

19

3.2

Klimaprognose

Die Klimamodellentwicklung wurde in den letzten Jahren vor allem durch die Frage beeinflusst, wie sich das Klima in der Zukunft unter dem Einfluss der Emissionen anthropogener Treibhausgase entwickeln wird. Um diesen Einfluss abzuschätzen, wurden für das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) verschiedene Emissionsszenarien entwickelt. Dabei werden unterschiedliche Ansätze bei der Entwicklung der Weltbevölkerung, der erreichbaren Lebensstandards, des Energieverbrauchs und der dann zu erwartenden Emissionen berücksichtigt. Die Szenarien werden in die vier Hauptgruppen (A1 bis B2) unterteilt. Die Welt der B2Szenarien setzt auf lokale Lösungen der wirtschaftlichen, sozialen und umweltorientierten Nachhaltigkeitsfragen. Die Weltbevölkerung nimmt ständig zu, wenn auch weniger stark als bei den A2-Szenarien. Die Wirtschaftsentwicklung bewegt sich auf mittlerem Niveau, und der technologische Wandel ist weniger schnell und regional unterschiedlicher als bei den A1- und B1-Szenarien. Der Umweltschutz und eine ausgewogene Verteilung des Wohlstands spielen zwar ebenfalls eine wichtige Rolle, aber auf lokaler und regionaler Ebene. Die erwarteten Änderungen der globalen Mitteltemperatur bis 2100 sind für 7 Szenarien in Abbildung 10 ersichtlich. Aus der Bandbreite ergibt sich, dass bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer Erwärmung der globalen Mitteltemperatur zwischen 1,4 °C und 5,8 °C gerechnet wird.

Abbildung 10 :

Erwartete Änderungen der globalen Mitteltemperatur bis 2100 für 7 Szenarien /7/

20

Hierbei ist anzumerken, dass Klimamodelle sehr komplexe und rechenaufwändige Computermodelle darstellen. Die Klimaszenarien sind naturgemäß mit gewissen Unsicherheiten behaftet, da hier lange Zeiträume in Betracht gezogen und eine große Zahl zusätzlicher Parameter (Wirtschafts-, Bevölkerungs-, technologische Entwicklungen, Emissionen) zu berücksichtigen sind. Der hessischen Klimaprognose liegt eine Modellrechnung mit dem allgemeinen Zirkulationsmodell ECHAM4-OPYC3 des Max Planck Instituts für Meteorologie, Hamburg für das international anerkannte IPCC B2 Szenario als Eingangsgröße zugrunde. Auf dieser Grundlage wurde mit einem wetterlagenbasierten statistischen Regionalisierungsverfahren für das 21. Jahrhundert für Hessen ein mehr als viermal so starker Temperaturanstieg der Winter-Mitteltemperaturen abgeschätzt, als er für das vergangene Jahrhundert ermittelt werden konnte. Besonders schnell wird danach ein Ansteigen der Temperaturen nach 2050 erwartet. Weitere Szenarienbetrachtungen sind angedacht und notwendig, um die Spannweite prognostizierter klimatischer Veränderungen in Hessen unter verschiedenen Randbedingungen erfassen zu können.

Temperatur Die Tagesmitteltemperatur verändert sich am stärksten im Winter und zwar um rund 4 K bis zum Ende des 21. Jahrhunderts (alle hier und im Folgenden beschriebenen Änderungen sind bezogen auf den Mittelwert der Referenzperiode 1981 bis 2000). Auch der Sommer wird viel wärmer. Im Herbst bzw. Frühjahr findet dagegen nur eine leichte Erwärmung statt. Die Änderungen der Tagesmaximumtemperatur sind in Abbildung 11 dargestellt. Im Winter nehmen die Maxima bis um ca. 4,5 K zu und im Sommer um bis zu 3,4 K, wohingegen die Zunahme im Frühjahr und Herbst 2-3 K beträgt.

21

5,0 Frühling

4,5

Sommer

4,0

Herbst

3,5

Winter

3,0

K

2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 20012010

Abbildung 11:

20112020

20212030

20312040

20412050

20512060

20612070

20712080

20812090

20912100

Änderung der Tagesmaximumtemperatur von 2001-2010 bis 20912100 gegenüber dem Referenzzeitraum 1981-2000 (Dekadenmittelwerte für Hessen) /8/

Die Tagesminimumtemperaturen nehmen nicht so stark zu, nämlich im Winter um knapp 4 K, im Sommer um etwa 2 K, im Frühjahr und Herbst um 1-2 K. Bei der räumlichen Verteilung sind bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts keine Unterschiede zu beobachten. Danach weist der Nordosten eine stärkere Zunahme auf als der Süden. Die Höhenlagen erwärmen sich im Sommer mehr, im Winter hingegen weniger als das Tiefland. Niederschlag Die prognostizierte Änderung des Niederschlags ist in Abbildung 12 zu sehen. Bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts wird der Winter feuchter (um bis zu 25 Prozent); danach wird er wieder trockener und am Ende des 21. Jahrhunderts ist das Winter-Niederschlagsniveau wieder ähnlich dem der Referenzperiode. Frühjahr und Sommer werden ausgeprägt trockener (um bis zu 30 Prozent) unter Zunahme der Variabilität. Im Herbst ist keine signifikante Änderung zu erwarten. Die räumliche Niederschlagsvariabilität ist im Sommer sehr groß (und nimmt stetig zu), im Winter gering (dafür existieren hier ausgeprägte Luv- und Lee-Effekte). Im Sommer trocknen der Nordosten und die Mittelgebirge stärker aus als der Süden.

22

40 Frühling 30

Sommer Herbst

20

Winter 10

%

0 -10 -20 -30 -40 20012010

Abbildung 12:

20112020

20212030

20312040

20412050

20512060

20612070

20712080

20812090

20912100

Änderung der Tagessumme des Niederschlags von 2001-2010 bis 2091-2100 gegenüber dem Referenzzeitraum 1981-2000 (Dekadenmittelwerte für Hessen) /8/

Weitere Klimaelemente Die Sonnenscheindauer nimmt im Frühjahr am stärksten (kontinuierlich bis um 1,5 Stunden pro Tag bis zum Ende des 21. Jahrhunderts) zu. Im Sommer erfolgt die Zunahme um rund 1 Stunde pro Tag schon im ersten Drittel des 21. Jahrhunderts und verharrt dann auf diesem Niveau. Herbst und Winter zeigen keine signifikanten Änderungen. Bei der Windgeschwindigkeit sowie der relativen Feuchte sind keine großen Veränderungen zu erkennen.

3.3

Fazit

Im Flächenmittel und im Mittel über alle Jahreszeiten hat sich Hessen in der Zeit 1951-2000 um 0,9 °C erwärmt. Das entspricht fast genau der Erwärmung, wie sie auch für das Flächenmittel Deutschland gefunden worden ist. Der größte Beitrag dazu kommt vom Winter mit 1,6 °C, der geringste vom Herbst mit 0,2 °C. Besonders rasant stieg die Temperatur in den letzten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts, im Winter beispielsweise um 2,3 Grad. Die räumliche und zeitliche Verteilung der Niederschläge ist hingegen sehr heterogen. Niederschlagszunahmen in Herbst, Winter und Frühling stehen sommerliche Abnahmen gegenüber. Für ganz Hessen sind die Abnahme extrem feuchter Monate im Sommer und die Zunahme extrem feuchter Tage im Herbst 23

und Winter am auffälligsten.

Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird nach der regionalen Klimaprognose der Sommer viel wärmer. Im Herbst bzw. Frühjahr findet dagegen nur eine leichte Erwärmung statt. Die Änderungen der Tagesmaximumtemperatur sind erheblich. Im Winter nehmen die Maxima bis um ca. 4,5 K zu und im Sommer um bis zu 3,4 K, wohingegen die Zunahme im Frühjahr und Herbst 2-3 K beträgt. Die räumliche Niederschlagsvariabilität ist im Sommer sehr groß (und nimmt stetig zu), im Winter gering (dafür existieren hier ausgeprägte Luv- und Lee-Effekte). Im Sommer trocknen der Nordosten und die Mittelgebirge stärker aus als der Süden.

4.

Klimafolgen für Hessen

4.1

Grundwasser und Boden

Veränderungen im Niederschlags- und Verdunstungsverhalten haben Auswirkungen auf den Wasserhaushalt in Hessen. Somit sind neben den unmittelbar betroffenen Bereichen der Wasserwirtschaft (Grundwasserneubildung, Abflussgang der Gewässer) auch benachbarte Bereiche über einen veränderten Wasser- oder Wärmehaushalt von den Klimafolgen berührt. Auch wenn die Niederschlagsprojektionen nur mit erheblich höherer Unsicherheit als Temperaturprojektionen abgeschätzt werden können, werden Trends zu größerer Trockenheit im Sommer und Zunahme der Winterniederschläge erwartet. Weiterhin ist mit sommerlichen Starkregenereignissen zu rechnen, die zu lokal begrenzten Überschwemmungen führen können. Dies kann Auswirkungen auf viele Systeme und Sektoren haben, die bei der Untersuchung der regionalen Klimafolgen von Bedeutung sind. Für hessische Flüsse wird beispielsweise im Winter eine Zunahme der Hochwassergefahr erwartet, während im Sommer durch extreme Niedrigwasserstände die Schifffahrt, der Betrieb von Großkraftwerken und die Einleitung aus Kläranlagen problematisch werden können. Für das Grundwasser bedeuten die Projektionen in weiten Gebieten Hessens größere Neubildungsraten und somit eine Tendenz zu höheren Grundwasserständen. Die mittlere Grundwasserneubildung des gesamten Szenarienzeitraums (bis 2050) wird mit bis zu 25 mm/a (24,8 %) oberhalb des Mittelwertes des Referenzzeitraumes abgeschätzt. Wegen der großen Kohlenstoffvorräte im Boden (weltweit rund doppelt so viel wie in der Atmosphäre) könnte eine Klimaveränderung zu Rückkopplungseffekten führen, wenn der mikrobielle Kohlenstoffabbau beschleunigt wird. Es kann infolge der langen Trockenperioden in 24

Kombination mit sommerlichen Starkregen zu verstärkter Erosionsbildung kommen. Auch Nutzungsänderungen (z. B. verstärkter Anbau von Mais) führen zu einer verstärkten Erosionsgefährdung. Aus den vorliegenden Daten über die Kohlenstoffgehalte der Bodendauerbeobachtung lässt sich zurzeit noch kein einheitlicher Trend ableiten. Vertiefende Untersuchungen zur Abschätzung der im Boden gespeicherten Kohlenstoffpotenziale sind hierzu erforderlich. Für die dezentrale Wasserversorgung von Gemeinden könnte der prognostizierte Rückgang der Sommerniederschläge negative Auswirkungen haben. Insbesondere Quellen, die zur Trinkwasserversorgung herangezogen werden, könnten während der Sommermonate in ihrer Schüttung stark nachlassen, so dass die Trinkwassergewinnung erheblich beeinträchtigt wäre. Dies wäre vor allem in Gebieten mit geringem Speicherpotenzial für Grundwasser der Fall. In Lockergesteinsgebieten mit ihrem wesentlich höheren nutzbaren Hohlraumvolumen und somit auch größerer Pufferkapazität als in Festgesteinsregionen dürfte dieser negative Effekt keine Rolle spielen, im Gegenteil wird hier das Grundwasserangebot positiv beeinflusst werden. Davon würden vor allem Großwasserwerke, die insbesondere in Südhessen für die zentrale Wasserversorgung eine bedeutsame Rolle spielen, profitieren. Mit der Erhöhung der Grundwasserneubildung geht gleichzeitig eine Erhöhung der Grundwasserstände einher. Es muss jedoch beachtet werden, dass die simulierten Klimadaten keine Aussage über die Häufung von extrem nassen Jahren bzw. trockenen Jahren erlauben. Diese Abfolge bestimmt jedoch sehr stark die tatsächliche Ausprägung der Grundwasserstände bzw. von extremen Hoch- und Niedrigständen des Grundwassers. Als wahrscheinlich wird angenommen, dass sich die bereits vorhandenen Vernässungsflächen ausdehnen werden bzw. die Häufigkeit von Vernässungen in Zukunft zunimmt. Dies kann zu erheblichen Beeinträchtigungen der gegebenen Landnutzung führen. Ackerflächen könnten infolge der Vernässung nicht termingerecht bestellt werden, Biotope könnten durch extremer werdende Grundwasserstandsänderungen in Stresssituationen geraten und Waldgebiete längere Zeiten im Jahr Staunässe erfahren. Ebenfalls ist eine Zunahme von Vernässungsschäden an Gebäuden zu erwarten. Das Auftreten feuchter Keller, Tiefgaragen und überschwemmter Unterführungen könnte in Grundwasser beeinflussten Regionen räumlich und zeitlich eine Anhäufung erfahren. Die prognostizierten Klimaveränderungen (feuchte, milde Winter und trockene wärmere Sommer) würden bedingen, dass während der Sommermonate die Nitratbildung trotz hoher Temperaturen durch die geringe Bodenfeuchte nahezu zum Stillstand kommt. Im Herbst, bei Wiederbefeuchtung des Bodenkörpers und noch relativ hoher Bodentemperatur, kann es allerdings zu einer verstärkten Stickstoff-Mobilisation aus der organischen Bodensubstanz und damit zu einer verstärkten Anlieferung von Nitrat kommen. Damit würde die Nitratanlieferung in eine Zeit fallen, in der das Pflanzenwachstum weitgehend abgeschlossen ist und somit nur ein geringer Entzug durch den Pflanzenaufwuchs gegeben wäre. Die Folge wäre eine erhöhte 25

Nitratanreicherung im Oberboden. Da durch die prognostizierte Erhöhung der Winterniederschläge mit einer erhöhten Grundwasserneubildung zu rechnen ist, ist daher von einer erhöhten Nitratverlagerung auszugehen. Durch diese Mechanismen könnten selbst Böden, die ein hohes Nitratrückhaltevermögen aufweisen (z. B. Lössböden der Wetterau), in Zukunft vermehrt zu Eintrag von Nitrat in den Grundwasserleiter beitragen. Gleichfalls ist zu erwarten, dass die landwirtschaftliche Beregnung im Sommerhalbjahr intensiviert werden wird. Dies betrifft sowohl die Anzahl der Beregnungsgaben pro Jahr als auch die Ausweitung der Beregnungsflächen. Mit dieser Entwicklung wäre eine erhebliche Zunahme des Wasserverbrauchs im Agrarbereich verbunden. Durch eine erhöhte Grundwasserneubildung ist ebenfalls ein verstärktes Auslaugen von Schadstoffen denkbar. Dies könnte eine verstärkte Verlagerung von Schadstoffen in den Grundwasserraum zur Folge haben. Da eine enge Kopplung von Klima und Wasserkreislauf besteht, werden sich Klimaänderungen immer auch auf alle Komponenten des Wasserkreislaufes auswirken. Alle Maßnahmen müssen daher im Zusammenhang gesehen und diskutiert werden. Wie die Nassperiode 1999 -2003 im Hessischen Ried gezeigt hat, ist ein nachträgliches Reagieren auf Veränderungen im Wasserhaushalt nur mit erheblichem Aufwand möglich. Bestehende Bauwerke können nur mit großem Aufwand gegen Vernässungen geschützt werden. Die prognostizierten Veränderungen hinsichtlich der Grundwasserneubildung sollten daher sowohl Eingang in die Landes- und Bauleitplanung, als auch in die vorhabenbezogene Planungsebene finden.

4.2

Fließgewässer

Insgesamt wurden die möglichen klimabedingten Abflussveränderungen für die Pegel Marburg (1666 km²) und Leun (3571 km²) an der Lahn, Bad Vilbel/Nidda (1619 km²), Bad Hersfeld/Fulda (2120 km²), Schmittlotheim/Eder (1202 km²) und Helmarshausen/Diemel (1755 km²) untersucht (vgl. Lahn Abbildung 13). Aufgrund der komplexen Steuerung der Edertalsperre (202 Mio m³), die auch für Energieerzeugung und Niedrigwasseraufhöhung in Abhängigkeit von Wasserständen an der Weser gesteuert wird, wurden für die Unterliegerpegel Fritzlar/Eder (1804 km²) und Guntershausen/Fulda (6366 km²) lediglich die Hochwasserabflüsse mit den hierfür wesentlichen Steuerungsregeln simuliert. Das Abflussregime der hessischen Gewässer (vgl. Lahn in Abbildung 13) ist gekennzeichnet durch höchste Monatsabflüsse von Dezember bis März und danach deutlich abfallenden Monatswerten bis in den Spätsommer. Für die Monate Dezember und vor allem für Januar und Februar sind markante Zunahmen der mittleren Abflüsse festzustellen, während für den Zeitraum von April bis Oktober die Abflüsse des simulierten Vergleichszeitraumes 1981-2000 26

unterschritten werden. Ein ähnliches Muster ergibt sich auch für die mittleren monatlichen Niedrigwasser- und Hochwasserabflüsse.

Abbildung 13:

Untersuchte Pegel an hessischen Gewässern und Veränderungen für mittlere monatliche Abflüsse am Pegel Leun/Lahn /2/

Lahn-Nidda-Fuldaoberlauf (Pegel Marburg, Leun, Bad Vilbel und Bad Hersfeld): Die Pegel dieser Gruppe, deren Einzugsgebiete alle im Vogelsberg aneinandergrenzen, zeigen übereinstimmend eine Zunahme der mittleren Abflüsse in einer Größenordnung von rund 5 %. Dabei treten etwas höhere Zunahmen von 8 bzw. 9 % in den Oberläufen von Lahn und Fulda auf. Für das hydrologische Winterhalbjahr ergeben sich bis auf den Pegel Leun (10 %) Zunahmen von 18 %, während im hydrologischen Sommerhalbjahr Abnahmen um 15 bis 20 % resultieren. Die Niedrigwasserkenngröße MNQ nimmt an diesen Pegeln generell zwischen 10 % und 15 % ab. Größere Unterschiede gibt es bei dem Ausmaß der Änderungen der Hochwasserkennwerte. Die größten Zunahmen für den mittleren monatlichen Hochwasserabfluss der Monate Dezember bis Februar (+ 30 %), für den mittleren jährlichen Hochwasserabfluss MHQ (+ 15 %) und den statistischen Extremhochwasserabfluss (+ 39 %) werden für den Pegel Bad Hersfeld ermittelt. Die übrigen Pegel weisen Zunahmen zwischen 8 und 20 % für den Hochwasserabfluss der Monate Dezember bis Februar, 2 bis 8 % für den mittleren Hochwasserabfluss und 20 bis 25 % für den statistischen Extremhochwasserabfluss auf.

27

Eder-Diemel-Gebiet (Pegel Schmittlotheim und Helmarshausen): Die Ergebnisse der beiden in Nord- bzw. Nordwesthessen gelegenen Pegel zeigen im Gegensatz zu den übrigen Pegeln für alle Mittelwasserkenngrößen und den mittleren Niedrigwasserabfluss abnehmende Abflüsse in den Zukunftsszenarien. In diesen im Norden und Nordwesten Hessens gelegenen Gebieten nehmen die Niederschläge in den Zukunftsszenarien nicht oder nur unwesentlich zu, so dass eine Zunahme der Verdunstung überwiegt und zum Rückgang der Abflüsse führt. Die Abnahmen betragen für den mittleren Jahresabfluss 16 % (Helmarshausen) bzw. 20 % (Schmittlotheim), für das Sommerhalbjahr 25 % bzw. etwa 50 % und für das Winterhalbjahr je etwa 10 %. Aufgrund der insgesamt trockeneren Verhältnisse ergeben sich für diese beiden Pegel auch nur geringere Veränderungen in einer Größenordnung von ± 5 % für die Hochwasserkenngrößen. Vergleich mit Ergebnissen aus anderen Untersuchungen Die Ergebnisse für die hessischen Pegeleinzugsgebiete lassen sich recht gut mit Untersuchungen aus benachbarten Ländern/Flussgebieten vergleichen: Für das Neckargebiet ergibt sich vor allem in den Wintermonaten eine starke Zunahme der mittleren monatlichen Abflüsse. Auch für die monatlichen Hochwasserabflüsse zeigt sich ein zu den hessischen Pegeln ähnliches Bild mit jedoch noch größerem Ausmaß der Hochwasserzunahme. Im Gegensatz zur Abflussminderung in den Sommermonaten in Hessen ergibt sich für das Neckargebiet keine Niedrigwasserverschärfung. Für das Gebiet des oberen Mains ergibt sich eine deutliche Zunahme der mittleren monatlichen Abflüsse von Dezember bis März um 60 bis 80 %, während diejenigen der Sommermonate um bis zu 20 % zurückgehen. Bei den Niedrigwasserabflüssen zeigt sich ein Rückgang um bis zu 10 %, die mittleren monatlichen Hochwasserabflüsse zeigen eine Zunahme um bis zu 60 % für die Monate Dezember bis Februar. Aus den vorliegenden Ergebnissen lässt sich eine deutliche Veränderung im Abflussverhalten hessischer Gewässer ableiten. Insbesondere eine Umverteilung hin zu Mehrabflüssen im Winterhalbjahr und verminderten Abflüssen im Sommerhalbjahr mit korrespondierender Abnahme der Niedrigwasserabflüsse ist anzunehmen. Eine Verschärfung der Hoch- und Niedrigwassersituation scheint nach den Ergebnissen wahrscheinlich. Reduzierte Abflussmengen können insbesondere im Zusammenhang mit erhöhten Lufttemperaturen und einer starken Sonneneinstrahlung die Gewässerqualität und –ökologie negativ beeinflussen. Maßgebliche Faktoren für die betroffenen Organismen sind hierbei der Sauerstoffgehalt und die Wassertemperatur. Eine ungünstige Entwicklung dieser Parameter kann physiologische Stresssituationen auslösen und zur Eutrophierung und Verkrautung der Gewässer beitragen. Insbesondere unterhalb von Abwasser- oder Wärmeeinleitungen sind nachteilige Effekte auf Gewässergüte und Lebensgemeinschaften im Gewässer bei reduzierten Abflussmengen zu erwarten. Wasserwirtschaftliches Planen und Handeln wird in den Bereichen Hochwasserschutz, 28

Wasserversorgung und den möglichen Auswirkungen veränderter Abflüsse auf die Gewässerqualität unmittelbar durch mögliche Klimabeeinflussung berührt. Die Wasserwirtschaft hat sich schon immer an Veränderungen (Klimaschwankungen, geänderte Nutzungsansprüche) anpassen müssen. Eine generelle Strategie liegt daher in Planungen mit anpassbaren Maßnahmen (Berücksichtigung von späteren Ausbaustufen) und einer pragmatischen Vorgehensweise, solange die Prognosen der Klimaänderungen nicht ausreichend abgesichert sind. Anpassungsmaßnahmen bezüglich unausgeglichener Wasserführung sind lediglich bei vorhandenen Talsperren im Rahmen der Optimierung der Talsperrensteuerung möglich. Eder- und Diemeltalsperre werden z. B. zur Niedrigwasseraufhöhung für die Schifffahrt auf der Weser genutzt. Eine Anpassung wird dabei laufend auf die aktuelle hydrologische Situation vorgenommen, ist aber durch unterschiedliche konkurrierende Nutzungsansprüche (Hochwasserschutz und Niedrigwasseraufhöhung) nur in einem engen Rahmen möglich. Bezüglich einer Niedrigwasserverschärfung im Sommer mit möglicher Beeinträchtigung der Gewässerqualität und der Wasserentnahmemöglichkeit (Kühlwasser für Kraftwerke, Brauchwasser, Bewässerungswasser, Fischteiche) sowie bezüglich einer Erhöhung der Wassertemperatur mit möglichen Auswirkungen auf die Einleitung von erwärmten Prozess- und Kühlwasser liegen Handlungsmöglichkeiten (neben eventueller Nutzung von Grundwasser in seltenen Fällen) lediglich in einer Fortschreibung der Bemessungsgrößen für Einleite- und Entnahmebescheide, wo dies rechtlich möglich ist. Einer möglichen Zunahme der Hochwasserabflüsse muss durch Beibehaltung und Intensivierung der Anstrengungen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes begegnet werden. Konkrete Anpassungsmaßnahmen baulicher Art an vorhandenen Einrichtungen sind vergleichsweise kostenintensiv bzw. nicht machbar. Neben der vorausschauenden Ausweisung von Vorrang- und Vorbehaltsflächen für den Hochwasserschutz in der Regionalplanung ist es sinnvoll, auf der vorhabenbezogenen Planungsebene schon bei der Planung eine ggf. spätere Erweiterungsmöglichkeit vorzusehen, so dass sich dann erforderliche Anpassungsmaßnahmen technisch durchführen lassen und sich vom Aufwand her in Grenzen halten. Fortschreibung von Bemessungsgrößen („Klimazuschlag“) sind insbesondere für neue Maßnahmen und besonders gefährdete Gebiete denkbar, wenn schärfere Aussagen für die Veränderungen von Hochwasser vorliegen, die aufgrund der Verwendung von Tageswerten und der Unsicherheit von vorhergesagten Starkniederschlägen in Klimaszenarien von allen hier untersuchten Kenngrößen die größte Unschärfe aufweisen.

4.3

Pflanzenphänologie

Am Institut für Pflanzenökologie der Universität Gießen wurde untersucht, wie sich die Veränderung des Klimas auf die Pflanzenentwicklung in Hessen auswirkt. Das Klima in Hessen hat sich in dem Untersuchungszeitraum (1961-2000) nachweislich verändert. Am Beispiel von 29

Gießen konnte gezeigt werden, dass die Jahresmittelwerte der Lufttemperatur um 1 °C in den letzten 4 Dekaden gestiegen sind und damit verbunden die Anzahl der Sommertage (Tmax ≥ 25 °C) und der heißen Tage (Tmax ≥ 30 °C) zugenommen und die der Frosttage (Tmin < 0 °C) abgenommen hat. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Pflanzen auf die Klimaänderung in Hessen reagiert haben. In der Pflanzenentwicklung konnten – wie nachstehend zusammengefasst – in den letzten 40 Jahren zeitliche Verschiebungen beobachtet werden.

Tabelle 7:

Beginn der phänologischen Jahreszeiten in Hessen /9/

Der Eintritt der phänologischen Phasen hat sich verfrüht, wobei die Frühjahrsphasen den stärksten Trend zeigen. Sie reagieren sehr deutlich auf die höheren Temperaturen in den Wintermonaten. Der frühere Beginn der Phänophasen wurde im Jahresverlauf kleiner und hat sich im Herbst in manchen Regionen sogar verzögert, was eine Folge milder Witterung sein könnte. Insgesamt zeigen Untersuchungen der Veränderung phänologischer Phasen wie Blühbeginn oder Blattaustrieb bei Pflanzen im Allgemeinen eine Verschiebung zu früheren Terminen im Jahr, während sich das Ende der Vegetationsperiode nicht oder nur unwesentlich verlagern wird.

Abbildung 14:

Phänologische Uhr für Hessen /9/ 30

Die klimatischen Veränderungen haben folglich unterschiedliche Auswirkungen auf die Pflanzen. Nicht alle Pflanzenphasen reagieren mit einer früheren Entwicklung. Die Blattverfärbung der Stiel-Eiche setzt in vielen Regionen Hessens später ein. Am Beispiel dieser Phase wird deutlich, dass sich die Pflanzen regional unterschiedlich entwickelt haben. Bei Betrachtung der vereinfachten phänologischen Uhr für Hessen (vgl. Abbildung 14) zeigt sich, dass sich die Eintrittsdaten für die Dekade 1991-2000 (innere Uhr) im Vergleich mit der äußeren Uhr (Klimanormalperiode 1961-1990) entgegen den Uhrzeigersinn gedreht hat. Die beobachteten Veränderungen in der Pflanzenentwicklung werden sich auch in der Zukunft fortsetzen.

4.4

Landwirtschaft, Obst- und Weinbau

Die Simulationsergebnisse des wissenschaftlichen Zentrums für Umweltsystemforschung der Universität Kassel zeigen, dass im landesweiten Durchschnitt der Einfluss des Klimawandels auf die hessische Landwirtschaft in den nächsten 50 Jahren teils zu sinkenden teils zu leicht steigenden Erträgen führen wird. Die Ursachen für die Änderungen der Ertragsniveaus liegen einerseits in den steigenden Temperaturen, welche bei Getreide im Mittel zu einem verfrühten Abreifen führen. Weiterhin treten häufigere Phasen von warmen bis heißen Sommern bei gleichzeitiger Sommertrockenheit auf, die sich an wasserlimitierten Standorten negativ auf das Pflanzenwachstum und die Ertragsbildung auswirken können. Die Ertragsrückgänge werden am stärksten bei Raps, gefolgt von Weizen abgeschätzt, während Gerste kaum betroffen ist. Durch die Zunahme der Häufigkeit extremer Wetterbedingungen nimmt die Variabilität der Erträge vor allem bei Zuckerrüben und Gerste zu, und auch die Biomasseproduktion von Grünland zeigt eine erhöhte Variabilität. Die Ertragssicherheit für die Landwirte nimmt für die genannten Feldfrüchte deutlich ab. Die im Mittel für Hessen zu erwartenden Klimaänderungen werden weder zeitlich noch räumlich homogen oder in einem kontinuierlichen Trend auftreten. Die auch in Zukunft zu erwartende hohe kleinräumige Klimavariabilität spiegelt sich in dieser Studie in den teils gegenläufigen Ertragstrends der hessischen Agrarregionen Nord – Mitte – Süd wider, was sich hier deutlich bei der Gerste zeigt Die Erträge der Feldfrüchte entwickeln sich zum Teil regional unterschiedlich. Die negativen Klimawirkungen auf die Erträge in Hessen angebauter Feldfrüchte können durch den Anbau geeigneter Sorten, welche an die höheren Temperaturen und trockeneren Sommer angepasst sind, kompensiert oder sogar für Mehrerträge genutzt werden. Sowohl Neuzüchtungen als auch die Verwendung von Sorten aus wärmeren Klimazonen sind in diesem Kontext denkbar. Ob der Einsatz von Bewässerungsmaßnahmen zur Kompensation von Ertragsverlusten sinnvoll ist, kann nur standortspezifisch beurteilt werden. Weitere Anpassungsstrategien sollten darauf zielen, die durch die Zunahme der Klimavariabilität verursachten Risiken zu minimieren. 31

Der Einfluss klimatischer Veränderungen auf den Wein- und Obstbau wurde von der Forschungsanstalt in Geisenheim untersucht. Für die Pflanzen im Obst- und Weinbau könnte sich die Gefahr von Sonnenbrand erhöhen, die zu Qualitäts- und Ertragsrückgängen führen können. Ferner sind durch höhere Temperaturen Veränderungen der Wein-Charakteristik zu erwarten. Ein Temperaturanstieg wird die phänologische Entwicklung der Rebe sowie die Sorteneignung nachhaltig beeinflussen. Die milderen Winter, Frühjahre und wärmeren Sommer werden den Vegetationsablauf beschleunigen. Bereits heute liegt der Austriebstermin in Geisenheim ca. 7 Tage früher als im Durchschnitt der letzten 40 Jahre, die Blüte beginnt 10 Tage früher und der Reifebeginn hat sich bereits 12 Tage nach vorne geschoben. Diese Tendenz wird anhalten und je nach verwendetem Klimaszenario werden sich eine weitere Verfrühung des Austriebs von bis zu 1 Woche und eine Verfrühung der Blüte von bis zu 10 Tagen einstellen. Von weinbaulicher Relevanz ist die errechnete Verfrühung der phänologischen Entwicklung vor allem für die Reifephase, die dann unter sehr viel höheren Temperaturen ablaufen wird, was die Inhaltsstoffbildung nachhaltig beeinflusst. In Kalifornien geht man bereits von Einflüssen auf die Weinqualität aus, die vor allem auf den durchschnittlich wärmeren Nachttemperaturen beruhen sollen. Die erhöhten Temperaturen haben einen deutlichen Einfluss auf die Abbauraten bei der Äpfelsäure. Da Säuerung nach dem deutschen Weingesetz nicht erlaubt ist, kann es hier langfristig gesehen notwendig werden, auch rechtliche Grundlagen zu schaffen, um den zu erwartenden Problemen entgegenzuwirken. Diese liegen vor allem im Bereich von niedrigen Säuregehalten und dadurch bedingt hohen pH-Werten, die dann zu mikrobiologisch problematischen Bedingungen führen können. In Europa wird die Erwärmung mittelfristig auch zu Verschiebungen im Sortenspektrum führen. Insgesamt kann im Rheingau die Anbaueignung von Sorten wie Merlot oder Cabernet Sauvignon erreicht werden und die Produktion von Eiswein wird für die Erzeuger ein zunehmendes Risiko darstellen. Ein Temperaturanstieg wird die potenziell möglichen Weinanbaugrenzen nordwärts und in die Höhe verschieben. Dies wird Auswirkungen auf den Weinmarkt haben, welche den Weinbau vielleicht stärker beeinflussen als die direkten klimatischen Änderungen. Von weinbaulicher Seite kommen gegebenenfalls folgende Anpassungsmaßnahmen in Betracht: •

Verändertes Laubwandmanagement, um die Reife zu verzögern und aus den warmen Sommermonaten nach hinten zu schieben. Dies könnte den Weintyp weitgehend erhalten.



Verändertes Humusmanagement mit verstärktem Eintrag an organischer Masse, um die Wasserspeicherfähigkeit der Böden zu erhöhen und den höheren Abbauraten entgegenzuwirken.



Wassersparendes Bodenmanagement durch Abdeckung mit organischem Material.



Einsatz von Bewässerung.



Gesetzesänderung hinsichtlich der Zugabe von Säure zur Stabilisierung des pH-Wertes. 32



Anbau von Rebsorten, die derzeit in Deutschland noch kaum Verwendung finden.



Einsatz anderer Pflanzenschutzmittel, um neu auftretende Schädlinge und Pilzkrankheiten zu bekämpfen.

Der Klimawandel wird sich jedoch nicht nur in einer Temperaturerhöhung ausdrücken. Auch bei anderen Klimaparametern wie Niederschlag, Wind oder Strahlungsintensität ist mit Veränderungen zu rechnen. Der Obstbau ist in starkem Maße wetterabhängig und damit auch hohen Risiken durch ungünstige oder extreme Wetterereignisse ausgesetzt. Das war schon immer so und ist zunächst keine Folge des Klimawandels. Durch den Klimawandel ist jedoch eine Häufung extremer Wetterereignisse zu erwarten, was die Anbaurisiken für den Obstbau verschärfen kann. Wenn Maßnahmen zur Frostabwehr ergriffen werden müssen, um die Produktion zu sichern, muss mit zusätzlichen Kosten gerechnet werden. Durch extreme Wetterereignisse wie Hagel, Sturm, Starkregen, Trockenheit oder auch intensive Sonneneinstrahlung und hohe Temperatur können Schäden an Pflanzen und Früchten hervorgerufen oder die Fruchtqualität beeinträchtigt werden. Auf den heutigen gesättigten Märkten können beschädigte oder qualitativ minderwertige Früchte nicht abgesetzt werden. Die so entstehenden Ertragseinbußen, die sich auch als finanzieller Verlust für den Produzenten bemerkbar machen, können jedoch nicht genau quantifiziert und als Kosten definiert werden. Bei den Anpassungsmaßnahmen im Obstbau handelt es sich hauptsächlich um Maßnahmen zum Schutz der Kulturen vor extremen Wetterereignissen, die zu Schäden an Pflanzen oder Früchten führen würden. Viele dieser Maßnahmen werden aktuell schon vereinzelt eingesetzt. Der Klimawandel kann aber dazu führen, dass der Einsatz von Schutzmaßnahmen verstärkt notwendig wird, um die Erzeugung von qualitativ hochwertigem Obst in Hessen weiterhin zu gewährleisten. Risiken für den Obstbau Frostschäden

Anpassungsmaßnahme Frostschutzberegnung in Kombination mit einer Vegetationsberegnung (Kostenaufwand zwischen 550 und 5500 €/ha)

Hagel

Verstärkter Einsatz von Hagelschutznetzen

Starkniederschläge

Verstärkter Einsatz von Überdachung oder Regenschutzkappen vor allem bei Beerenobst und Kirschen

Sonnenbrand infolge hoher Sonneneinstrahlung und Temperaturen

Benetzung, Schattiernetze, klimatisierende Bewässerung

Tabelle 8:

Risiken und mögliche Anpassungsmaßnahmen im Obstbau 33

4.5

Forstwirtschaft

Klimatische Faktoren wie Temperatur und Niederschlag bestimmen neben der forstlichen Bewirtschaftung und den örtlichen Bodenverhältnissen maßgeblich die Baumartenzusammensetzung sowie die Ertragsleitung der Wälder. Die Produktionszeiträume in der Forstwirtschaft -beginnend mit ca. 60 Jahren, aber auch weit über 200 Jahre hinausverdeutlichen, dass die Analyse prognostizierter Klimaveränderungen mit entsprechenden Schwankungen innerhalb des Prognosezeitraums schwierig ist und forstliche Reaktionen nur langfristiger Art sein können. Hinzu kommen eine große Variabilität von lokalen Standorten und Baumarten sowie komplexe Regelkreise in naturnahen Ökosystemen. Hessen-Forst FIV (Servicestelle für Forsteinrichtung, Information und Versuchswesen) hat die Auswirkungen der landesweit prognostizierten Klimaveränderungen anhand der die forstlichen Standortsverhältnisse wesentlich bestimmenden Parameter Wuchszone (festgelegt über Temperaturgrenzwerte) und Klimafeuchte (Feuchtigkeitsindex während der Vegetationsperiode) untersucht. Bis zum Ende des Prognosezeitraums 2050 ergibt sich eine erhebliche Verschiebung hin zu den Eichenmischwaldzonen. Die Verschiebung der Klimafeuchte vom subatlantischen hin zum subkontinentalen Bereich ist deutlich geringer ausgeprägt. Zahlreiche standörtliche Verhältnisse nach der Prognose bis 2050 sind in der Hessischen Anweisung für Forsteinrichtungsarbeiten (mittelfristige Betriebsplanung) als Standorts- und Betriebszieltypen wegen ihres bisherigen nicht Vorkommens in Hessen nicht definiert. Für die in Hessen dominierende Buche ist die Mehrzahl dieser Standorte aber weiterhin für den Anbau geeignet. Die Zahl der potenziell für Eichen tauglichen Standorte steigt deutlich, wobei andere Baumarten aufgrund örtlicher Bodenverhältnisse und ihrer Wuchsdynamik überlegen bleiben können. Rückläufig ist die standortgerechte Fläche für Fichte. Kiefer wird in Verbindung mit Douglasie in ihrem potenziellen Wuchsbereich zulegen. Von besonderer Bedeutung sind in der Forstwirtschaft die klimatischen Extremereignisse wie Sturm und Trockenheit. Sie sind besonders schwer prognostizierbar, steigern aber das forstliche Produktionsrisiko erheblich. Die Sturmereignisse 1984/85, 1990/91 und 1999/2000 sind Beispiele. Während die Windgeschwindigkeit im Durchschnitt im Winter leicht zulegt, werden in der Vegetationszeit besonders die Temperaturspitzen und Trockenphasen zunehmen. Trockene und warme Jahre sind förderlich für Insektenkalamitäten, das Jahr 2003 war in Bezug auf die Massenvermehrung der Borkenkäfer an Nadelholz ein Beispiel. Die prognostizierten milden Winter begünstigen aber auch pilzliche Schädlinge. Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen lassen einen erheblichen Einfluss der prognostizierten Klimavariabilität auf den hessischen Wald erkennen. Die Auswirkungen auf die forstlichen Standorte wie auch die Betriebsziele für die Hauptbaumarten bedürfen ständiger Beobachtung und Wertung. 34

4.6

Artenvielfalt

Einige Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität in Hessen sind bereits zu beobachten. So hat sich die Phänologie von Pflanzen und Tieren, zum Beispiel die Blüte des Fuchsschwanzes, die Eiablage der Kohlmeise und das Erwachen des Siebenschläfers aus dem Winterschlaf, in den letzten 30-50 Jahren verfrüht. Die Verbreitungsareale vieler Tier- und Pflanzenarten haben sich nach Norden und in der Höhenzonierung der Gebirge aufwärts verschoben. Wärmeliebende Arten wie die Feuerlibelle sind nach Hessen eingewandert und haben ihre Areale ausgedehnt, während feuchtigkeitsliebende und an kühle Standorte angepasste Pflanzen im Rückzug begriffen sind. Die einwandernden Tiere und Pflanzen sind zum Teil gebietsfremd und verändern das Artenspektrum hessischer Lebensräume vermutlich dauerhaft. Diese Effekte des Klimawandels werden sich noch verstärken und das Aussterben von Arten oder zumindest einzelnen Populationen zur Folge haben, die aufgrund ihrer Ausbreitungsmechanismen oder aufgrund von Barrieren in der fragmentierten Landschaft nicht in der Lage sind, schnell genug mit den von ihnen benötigten klimatischen Bedingungen mitzuwandern. Die Verschiebung des Artenspektrums und die unterschiedlichen Reaktionen verschiedener Organismen auf Temperaturveränderung, Trockenheit und Treibhausgase verändert Konkurrenzverhältnisse, Schädlingsresistenz und Schädlingsbefall, Räuber-Beute-Verhältnisse und viele andere Beziehungen zwischen Elementen von Ökosystemen, wodurch es ebenfalls zum Aussterben von Populationen oder sogar Arten kommen wird. Tiere und Pflanzen sind in gewissem Maße in der Lage, auf klimatische Veränderungen zu reagieren, und zwar einerseits durch phänologische Plastizität (gemeint ist die Flexibilität der Individuen). Arealveränderungen und Vorverlegung der Fortpflanzung sind Beispiele für diese Anpassungsfähigkeit. Andererseits können auf Grundlage der genetischen Vielfalt innerhalb von Populationen durch natürliche Selektion die unter den geänderten Bedingungen erfolgreichsten Individuen ausgelesen werden, was zu einer dauerhaften Veränderung der vererbten Eigenschaften einer Art führt. Verändertes Zugverhalten bei Vögeln ist ein Beispiel für eine erbliche Anpassung an den Klimawandel durch genetische Variation und Selektion. Folgende Anpassungsmaßnahmen erscheinen aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse und Prognosen sinnvoll und wichtig: •

Durch Vernetzung von Habitaten zum Ausgleich der Fragmentierung der Landschaft, wie sie durch das europäische Programm eines Schutzgebietsnetzes NATURA 2000 vorgesehen ist, soll Pflanzen und Tieren das Mitwandern mit den veränderten Bedingungen ermöglicht werden.



Besonderer Wert sollte auch auf den Schutz intakter, stabiler Ökosysteme gelegt werden, da diese widerstandsfähiger gegen die Einwanderung von neuen Tier- und Pflanzenarten sind als gestörte Habitate.

35

4.7

Gesundheitsschutz

Zu den direkten Auswirkungen werden die unmittelbaren Folgen von z. B. Hitzewellen, erhöhter Sonnenexposition und von Wetterextremen auf die menschliche Gesundheit gezählt. Damit sind z. B. vermehrte Todesfälle durch Hitzeextreme, vermehrte Sonnenbrände und Fälle von Hautkrebs sowie unmittelbare gesundheitliche Folgen von Überschwemmungen, Blitzschlag, Sturm, Dürre etc. gemeint. Für Hessen werden ein Anstieg der Temperatur und damit ein häufigeres Auftreten von Hitzeextremen erwartet. Gefährdet sind hierbei insbesondere ältere Menschen und Menschen, die nur eingeschränkt für sich sorgen können. In diesen Risikogruppen können Hitzeperioden zu einem deutlichen Exzess der Todesfälle und vermehrter Beanspruchung der Versorgung führen. Für den Hitzesommer 2003 kann für Hessen ein deutlicher Anstieg der Todesfälle von bis zu etwa 1000 Todesfällen abgeschätzt werden. In Zukunft muss mit häufigeren und noch extremeren Hitzeperioden gerechnet werden. Für Hessen ist neben einer Erwärmung auch eine vermehrte Sonnenscheindauer insbesondere im Frühjahr und Sommer prognostiziert. In einem Klima wie dem in Hessen führt dies meist – insbesondere im Frühjahr – zu deutlich vermehrten Aufenthaltszeiten im Freien bei leichter Kleidung. Eine Zunahme von Sonnenbränden, Sonnenallergien und Hautkrebs ist daher plausibel. Inwiefern auch Lichtschädigungen der Augen in Form von Katarakten zunehmen, ist kaum abzuschätzen, ebenso wie die Auswirkungen von UV-bedingten Immunsuppressionen. Günstige Lebensbedingungen für Überträger von Krankheitserregern oder Wirtstieren für bestimmte Erreger können den Infektionsdruck auf die menschliche Population erhöhen oder die Verbreitung von Endemiegebieten für bestimmte Erkrankungen erheblich verändern. Die Vermehrung und winterliche Überlebensrate verschiedener, für Krankheitsübertragungen wichtiger Insekten und Nagetiere sind stark von der Temperatur beeinflusst. Eine Klimaerwärmung erhöht somit die Gefahr massenhafter Vermehrung vorhandener Arten oder des „Ansiedelns“ neuer Arten. Eine Vermehrung von bereits heimischen Zeckenarten könnte die Häufigkeiten von Erkrankungen wie Borrelliose oder FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) erhöhen. Ein Einwandern weiterer, bisher nicht in Hessen heimischer Vektoren (Überträger) oder Wirtstiere ist aufgrund der Klimaerwärmung möglich. So wurden Populationen der „Braunen Hundezecke“ (Rhipicephalus sanguineus) und verschiedene Arten von Schmetterlingsmücken (Phlebotomus) bereits in Baden-Württemberg beobachtet. Das Auftreten von überwiegend tropischen Erkrankungen mit hoher epidemischer Potenz ist jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Somit ergeben sich in Zusammenhang mit der Klimaerwärmung auch für Hessen gesundheitliche Risiken durch Infektionskrankheiten, die von heimischen oder eingeschleppten Wirtstieren und Vektoren ausgehen, deren epidemiologische Bedeutung bei guter Gesundheitsversorgung aber eher gering ist. Infektionen über Badegewässer können durch höhere Temperaturen begünstigt werden. Dabei 36

spielt zum einen das Verhalten, d. h. häufigere und längere Aufenthalte im Wasser aufgrund der Klimaerwärmung eine Rolle, und zum anderen klimabedingte Einflüsse auf die Gewässerqualität. Die Qualität der Gewässer und die Überwachung der Qualität haben sich in den letzten Jahren insbesondere durch intensivierte Schutzmaßnahmen verbessert. Die erwartete Klimaveränderung könnte jedoch aufgrund höherer Gewässertemperaturen sowie Verunreinigungen der Oberflächengewässer infolge von Witterungsextremen (Überschwemmungen und Dürre) einen negativen Effekt auf die Wasserqualität haben. Auch das Auftreten von toxinproduzierenden Blaualgen kann durch höhere Gewässertemperaturen begünstigt werden. Die derzeitige Überwachung kann eine Früherkennung der Gefahren nur für einen Teil der Risiken bieten (fäkalkoliforme Erreger als Indikatoren und einige chemische Indikatorsubstanzen). Zukünftig werden nach der neuen EU-Badegewässerrichtlinie E.coli und Fäkalstreptokokken als Indikatoren für fäkale Verunreinigungen gemessen. Belastungen und Erreger, die nicht mit der Belastung durch koliforme Bakterien korrelieren, sind nicht ausreichend abgedeckt. Im Rahmen der Erwärmung und vermehrten Sonneneinstrahlung sind zunehmende gesundheitliche Belastungen durch Ozon und Luftschadstoffe (Sommersmog) möglich. Erhöhte Belastungen mit Schadstoffen sind im Rahmen der Klimaänderung insbesondere in Stadtgebieten mit Kessellage auch in Hessen nicht auszuschließen. In ländlichen Gebieten ist durch Eintrag der Vorstufen und vermehrter Ozonbildung ebenfalls mit Sommersmog zu rechnen. Diese Faktoren können ebenfalls zu einer steigenden Belastung der Gesundheitsversorgung und vermehrten Todesfällen, insbesondere bei Risikogruppen wie älteren Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen der Atemwege etc. führen. Allergische und Autoimmunerkrankungen zeigen in den letzten Jahren eine zunehmende Tendenz. Hier sind die Zusammenhänge ebenfalls sehr komplex und das Zusammenspiel genetischer Faktoren und Veränderungen der Lebensumstände (z. B. wesentlich breiteres Nahrungsangebot, Kontakt mit wesentlich mehr chemischen und biochemischen Substanzen, verändertes Stillverhalten, geringere Exposition gegenüber Parasiten und Krankheitserregern etc.) ist nicht detailliert entschlüsselt. In Zusammenhang mit den klimatischen Änderungen können insbesondere bei den Allergien und Asthma Veränderungen angenommen werden. Eine zeitliche Verschiebung ist durch z. B. veränderte Blühperioden oder Sporenbildung wahrscheinlich.

4.8

Fazit

Die klimatischen Veränderungen wirken sich auf die einzelnen Bereiche unterschiedlich aus. Bei den Hochwasserabflüssen wird beispielsweise eine Verstärkung der mittleren monatlichen Hochwasserabflüsse für die Wintermonate erwartet. Im Sommer kann es aufgrund des ausbleibenden Niederschlages vermehrt zu extremen Niedrigwasserständen kommen. 37

In der Pflanzenentwicklung zeichnet sich ein deutlicher Trend zur Verfrühung ab. Durch die Zunahme der Häufigkeit extremer Wetterbedingungen nimmt die Variabilität der Erträge vor allem bei Zuckerrüben und Gerste zu, und auch die Biomasseproduktion von Grünland zeigt eine erhöhte Variabilität. Die Ertragssicherheit für die Landwirte nimmt für die genannten Feldfrüchte deutlich ab. Das Gleiche gilt für den Obst- und Weinbau, wobei Weinqualität und – sorten durch die klimatischen Änderungen beeinflusst werden können. In der Forstwirtschaft ist die standortgerechte Fläche für Fichten rückläufig. Klimatische Extremereignisse wie Sturm und Trockenheit steigern das forstliche Produktionsrisiko erheblich. Trockene und warme Jahre begünstigen den Borkenkäfer und andere forstliche Schadinsekten, milde Winter die Ausbreitung pilzlicher Schädlinge. Generell sind bereits jetzt Auswirkungen des Klimawandels auf die Artenvielfalt zu beobachten. Auch im Gesundheitsschutz werden sich Risiken ergeben, die durch direkte Hitzewirkungen (z.B. vermehrte Ozonbildung, Hitzetote), aber auch durch Verbreitung bisher in Hessen seltener Krankheiten entstehen können (z.B. bei Übertragung durch bestimmte Zeckenarten). Eine vertiefte Untersuchung der direkten und indirekten Folgen des Klimawandels sowie geeigneter Anpassungsstrategien ist dringend notwendig. Dabei steht insgesamt vor allem die ökonomische Bewertung der Schadenspotentiale erst am Anfang.

5.

Grundsätze, Möglichkeiten und Ziele

5.1

Grundsätze

Das Klimaschutzkonzept Hessen 2012 benennt die auf Landesebene umsetzbaren Maßnahmen für einen ökonomisch effizienten, ökologisch wirksamen und gesellschaftlich akzeptablen Klimaschutz. Das Land Hessen unterstützt die Klimaschutzziele der Bundesrepublik Deutschland (Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 21% bis zur Periode 2008 – 2012 gegenüber 1990) im Rahmen des Kyoto-Protokolls. Die notwendigen Schritte für einen international wirksamen Klimaschutz ergänzen sich mit den Zielsetzungen einer nachhaltigen Energieversorgung. Insgesamt soll vor dem Hintergrund möglichst niedriger CO2Vermeidungskosten ein breiter Energie-Mix und ein nachhaltiger Strategie-Mix genutzt werden. Dazu zählt neben den vorrangig regionalen Anpassungsmaßnahmen an den beobachtbaren Klimawandel und der regionalen Innovationspolitik vor allem die Nutzung der internationalen Instrumente nach dem Kyoto-Protokoll und dem EU-Emissionshandel.

38

Der von EU-weiten und der bundesdeutschen Klimaschutzpolitik gesetzte Rahmen für ein hessisches Klimaschutzkonzept gewährt nach Maßgabe der verfügbaren Haushaltsmittel den größten Handlungsspielraum für regionale Maßnahmen bei den nicht vom Emissionshandel betroffenen Sektoren (private Haushalte, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und Verkehr). Bei der Entwicklung regionaler Strategien gilt es auch darauf zu achten, dass es nicht zu einer ineffizienten oder (EU-)rechtlich bedenklichen Überlagerung (z. B. Überförderungen, Verstoß gegen EU-Gemeinschaftsrahmen für Staatliche Umweltschutzbeihilfen 2001, Mehrfachbelastung durch verschiedene Instrumente) der regionalen Maßnahmen mit den EU- und bundesweiten Regulierungen kommt. Das Klimaschutzkonzept Hessen 2012 greift wesentliche Eckpunkte aus dem Regierungsprogramm 2003 bis 2008 der hessischen Landesregierung auf: •

Klimaschutz wird innovativ umgesetzt durch Projekte zu den flexiblen Mechanismen nach dem Kyoto-Protokoll oder dem Hessischen Klimapakt.



Hessen als Standort für Bioenergie wird nachhaltig weiterentwickelt. Mit einem Förderprogramm „Erneuerbare Energien“ soll die Errichtung von Anlagen zur energetischen Nutzung von Biomasse und Biogas gefördert werden. Hierdurch gewinnt der ländliche Raum insgesamt, aber auch der Landwirt und Forstwirt als Energiewirt an Bedeutung. Das Land Hessen setzt sich das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch (ohne Verkehrssektor) bis zum Jahr 2015 in Hessen auf 15% zu erhöhen.



Es ist Ziel der hessischen Landesregierung, dass Wirtschaft und Verbrauchern langfristig sichere und umweltfreundliche Energie zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung gestellt werden kann. Das Land Hessen unterstützt deshalb einen ökonomisch und ökologisch ausgewogenen Energiemix. Dieser schließt die friedliche und sichere Nutzung der Kernenergie ein.

Bei der Umsetzung dieser Eckpunkte durch sektorale Maßnahmenpakete sind folgende Grundsätze von Bedeutung: -

Erzielbare quantitative CO2-Minderungen,

-

Volkswirtschaftliche CO2-Vermeidungskosten, Abwägung klima- und energiepolitischer Ziele der Landesregierung im Hinblick auf Klimaverträglichkeit, Energiepreisentwicklung und Versorgungssicherheit, Eignung der Instrumente für die einzelnen Bereiche und Technologien,

-

39

-

Haushaltspolitische Zielsetzungen der Landesregierung (Subventionsabbau, Einsparungen), Schlanker Verwaltungsvollzug, Beteiligung der Akteure aus der Wirtschaft, den Landkreisen und den Kommunen (z.B. in der Umweltallianz Hessen), Verknüpfung mit anderen Politikbereichen, die einen CO2-senkenden Beitrag leisten können (z.B. Staufreies Hessen).

Von besonderer Bedeutung ist die Verbindung von klimaschutzpolitschen Zielsetzungen der Landesregierung mit den wirtschaftspolitischen Zielen. Vor dem Hintergrund der weltweit steigenden Energienachfrage, den wachsenden Emissionen und den deutlich angestiegenen Energiepreisen gewinnt der Innovationswettbewerb um Energieeffizienz, CO2-arme und CO2freie Energietechnologien stetig an Bedeutung. Der Einsatz von Energieeffizienztechnologien sichert zukunftsfähige Arbeitsplätze vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen sowie im Handwerk. In Hessen ist zudem eine Reihe von Herstellern der Effizienztechniken und Techniken zur Nutzung erneuerbarer Energien ansässig. Die marktwirtschaftliche Ausrichtung des Klimaschutzkonzepts bietet Ansätze für Innovationen insbesondere bei Forschungs- und Modellvorhaben. Marktwirtschaftliche Ansätze als Grundlage für die Instrumentenwahl und das Wirtschaftlichkeitsprinzip bilden die generellen Leitlinien des Klimaschutzkonzepts der Landesregierung. So ist dafür Sorge zu tragen, dass die wettbewerblichen Strukturen erhalten und ausgebaut sowie die Belastung der öffentlichen Haushalte und der Energiepreise für alle Verbrauchergruppen möglichst gering gehalten wird. Dem Abbau von volkswirtschaftlich nicht mehr zu rechtfertigenden Subventionen als eigenständigem landespolitischem Ziel ist auch hier Rechnung zu tragen. 5.2

Möglichkeiten und Ziele

Für die Entwicklung eines klimapolitisch zielführenden und wirtschaftlich tragfähigen Klimaschutzkonzeptes steht die Bewertung von CO2-Vermeidungskosten bei unterschiedlichen Technologieansätzen im Vordergrund. Hierzu werden verschiedene Klimaschutzszenarien (siehe Anhang) untersucht. Die Klimaschutzszenarien beschreiben, welche politischen Spielräume in Hessen bestehen, um die CO2-Emissionen zu beschränken und in welchem Rahmen das Land Hessen vorhandene Potenziale ökonomisch sinnvoll nutzen kann. Die Szenarienanalyse spannt somit den Rahmen für den Vergleich verschiedener Handlungsansätze auf, die in einem Baukastensystem zusammengefügt sind. Auf Bundesebene entspricht dies dem Vorgehen der verschieden Politikszenarien für das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. 40

Die künftigen hessischen CO2-Emissionen erhöhen sich einem Referenzszenario („business as usual“) bis 2012 deutlich auf knapp 49 Mio. t CO2 Dies bedeutet gegenüber dem Jahr 1990 eine Steigerung von 13 %. Für die Zuwächse im Vergleich zu 1990 und 2002 ist vor allem der Bereich Energieumwandlung verantwortlich. Geringe Zuwächse verzeichnen die Haushalte. Bei Umsetzung aller Maßnahmen bis 100 € /t CO2-Vermeidungskosten würde CO2-Niveau in Hessen voraussichtlich auf insgesamt 40,26 Mio. t CO2 in 2012 abgesenkt. Ein Großteil der CO2-Einsparung in der Energieumwandlung ist auf die Laufzeitverlängerung des Kernkraftwerkes Biblis zurückzuführen. Bedeutend sind auch Effizienzmaßnahmen im Bereich Gebäude und Verkehr. Bei Umsetzung aller Maßnahmen können bis zu 8 Mio. t CO2 bis 2012 eingespart werden. Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt bei Projekten mit dem Ziel, die energetische Gebäudesanierung voranzutreiben, die Energieeffizienz im Gewerbe und Dienstleistungssektor zu steigern und durch Optimierung, Verkehrslenkung und alternative Kraftstoffe die CO2-Emissionen auch im Verkehrsbereich signifikant zu senken. Der altersbedingte Reinvestitionsbedarf und der zwischen der Bundesregierung und der Versorgungswirtschaft vereinbarte Kernenergieausstieg machen in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland einen Kraftwerksneubau in der Größenordnung von über 40.000 MW erforderlich. Das bedeutet, dass durchschnittlich jedes dritte Kraftwerk durch einen Neubau ersetzt werden muss. Hinsichtlich der Kraftwerke in Hessen gilt, dass die Landesregierung, um eine sichere, wirtschaftliche und umwelt- und klimaverträgliche Stromversorgung in Hessen auch in Zukunft zu gewährleisten, für eine Kraftwerksstruktur mit zentralen und dezentralen Anlagen, mit einer kostengünstigen Grundlaststromerzeugung und einem diversifizierten Energiemix unter Einschluss von Kernenergie, Gas und Kohle eintritt. Die Landesregierung unterstützt deshalb einen ökonomisch und ökologisch ausgewogenen Energiemix. Je breiter die Basis an einsetzbaren Energieträgern und Energietechnologien ist, desto sicherer und preisgünstiger wird sich die Versorgung gestalten. Das bedeutet in Hessen konkret, dass − die Nutzung der Kernenergie am Standort Biblis in unvermindertem Umfang fortgesetzt werden sollte, − die Energieträger Steinkohle und Braunkohle im Kraftwerkssektor umweltschonenden Techniken zum Einsatz kommen sollten,

weiter

mit

− die Abhängigkeit von den Energieträgern Öl und Erdgas nicht wesentlich weiter erhöht werden sollte, da ihre langfristig verfügbaren Vorkommen sich auf wenige Lieferregionen konzentrieren und angesichts der weltweit steigenden Nachfrage mit vergleichsweise hohen Preisrisiken behaftet sind.

41

Der Einsatz von Stein- und Braunkohle in Kraftwerken ist mit relativ mehr Emissionen an Treibhausgasen und Luftschadstoffen verbunden als beispielsweise der Einsatz von Erdgas und daher durch technologische Maßnahmen, z.B. CO2-Abscheidung und -Sequestrierung weiter zu optimieren. Die Steinkohle ist neben der Braunkohle der bedeutendste fossile Energieträger für die Stromerzeugung in Deutschland. Auf den Einsatz von Kohle kann deshalb nicht verzichtet werden. Die Landesregierung verspricht sich langfristig von der „Clean Coal Strategie“ eine sichere, preiswerte und umweltverträglichere Stromversorgung auf Basis hoch entwickelter Kohleverstromungstechniken. Ab etwa 2015 wird nach Abschluss zahlreicher Forschungs- und Entwicklungsvorhaben auch die CO2-Abscheidung und -Sequestrierung eine zunehmend bedeutsame Rolle spielen. Derzeit (3/2007) bewegt sich der Preis für CO2-Emissionen zwischen 1 und 15 € / t CO2. Die künftigen Investitionen in Erzeugungstechniken werden sowohl von den langfristigen Brennstoffkosten, als auch den Kosten für die CO2-Minderung bestimmt sein. Der Vergleich der Grenzvermeidungskosten verschiedener Energieerzeugungstechnologien im Bereich Kraftwerke, Kraft-Wärme-Kopplung und Erneuerbaren Energien zeigt die Bandbreite der jeweils unterschiedlichen CO2-Minderungskosten auf. Biomassekraftwerke sind bereits zu gleichen Bedingungen wie konventionelle Kraftwerke verfügbar, Erdwärme bzw. Solarthermie liegen noch deutlich über CO2-Vermeidungskosten von 100 bzw. 250 €/t CO2.

Abbildung 15:

CO2-Vermeidungskosten im Vergleich, Quelle: IER /1/

Zur dauerhaften Sicherheit, Preisgünstigkeit und Klimaverträglichkeit der Energiesysteme trägt die Ausschöpfung der Effizienzpotenziale und der Potenziale zur rationellen Energienutzung bei. Die Verminderung des spezifischen Energiebedarfs durch Effizienz und rationelle Energienutzung schafft die Basis für einen wirtschaftlichen Einsatz erneuerbarer Energien und die Voraussetzung, dass diese mittel- und langfristig einen größeren Beitrag zur Energieversorgung leisten können. Die Landesregierung hat in einer Doppelstrategie aus mehr Energie42

effizienz und Nutzung der regenerativen Energieträger ein konkretes Ausbauziel formuliert: den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch in Hessen (ohne Verkehrssektor) bis zum Jahre 2015 in Hessen auf 15 % zu erhöhen. Die Einführung des Emissionshandels hat dem Klimaschutz eine marktwirtschaftliche Grundlage gegeben. Zukünftig müssen sich alle Instrumente an den niedrigsten Grenzvermeidungskosten für Treibhausgase messen lassen. Die Deponierung von Treibhausgasen in der Atmosphäre hat somit eine mengenmäßige Begrenzung und einen realen Preis bekommen. Hier liegen für das Land Hessen Chancen im Bereich der Innovationen, Technologieentwicklung und dem KnowHow Transfer. Ferner sind die langfristigen Auswirkungen auf den Banken- und Versicherungssektor zu beachten. Bei einem Nachfragemarkt von über 1,5 Mrd. US-Dollar eröffnen die flexiblen Kyoto-Mechanismen der „Gemeinsamen Umsetzung“ (Joint Implementation, JI und Clean Development Mechanisms, CDM) Investoren die Möglichkeit, CO2-Emissionen in einem Drittland zu senken und dafür handelbare Zertifikate zu erhalten. Der Markt für den Handel mit Emissionszertifikaten wächst stetig. Allein im ersten Jahr des EUEmissionshandels wurden im deutschen Register mehr als 90 Mio. Emissionsberechtigungen im Wert von etwa 1,8 Mrd. € transferiert. Die Transaktionen in Europa betrugen mehr als 12 Mrd. €. Dies macht deutlich, dass Lösungsansätze für einen wirtschaftlichen Klimaschutz auch in dem internationalen CO2-Markt zu suchen sind.

6.

CO2-Vermeidung in den verschiedenen Bereichen und Sektoren

6.1

Bisherige Ansätze für Hessische Klimaschutzaktivitäten

Die bisherigen Aktivitäten zum Klimaschutz in Hessen beziehen sich besonders auf den Gestaltungsspielraum von Förderprogrammen und bei den Vorschriften des Bundes und der EU. Sie optimieren diese Vorgaben zur Verbesserung der Standortbedingungen in Hessen. In den letzten Jahren wurden, insbesondere unter Einbeziehung der hessischen Wirtschaft und unter Umsetzung des Grundsatzes „Kooperation statt Konfrontation“, in Hessen eigene Vorhaben, Projekte und Fördermaßnahmen zum Klimaschutz initiiert. Zu nennen sind in dem Zusammenhang zum Beispiel:

43



der „Hessen-Tender“ (Gemeinschaftsinitiative des Landes Hessen zum Erwerb von CO2Emissionsminderungsgarantien zur Umsetzung flexibler Kyoto-Instrumente in einem Pilot- und Demonstrationsvorhaben)



die EUMOS Software zur Erfassung von betrieblichen Treibhausgasemissionen



EEFA-Studie zur Evaluation des Emissionshandels in Hessen



Klimaneutrale Produkte



Klimaschutzregion Hessisches Ried



3-Städte-Klimaschutzprojekt



Treibhausgasbilanz und Klimaschutz-Monitor



Förderung von Maßnahmen zur emissionsarmen Energieerzeugung und rationalen Energienutzung, insbesondere von Biomasse (Biomasse-Feuerungsanlagen 50-100 kW, Biomasse-Feuerungsanlagen ab 101 kW) auf der Grundlage des am 1.4.2005 in Kraft getretenen „Programm und Richtlinien zur Förderung der ländlichen Entwicklung in Hessen“ sowie von Biogasanlagen.



das Hessische Klimaschutzforum als jährliche

Veranstaltung für Entscheider aus

Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Im Bereich des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung wurden darüber hinaus bisher insbesondere folgende Maßnahmen mit Klimarelevanz gefördert: •

Förderung von solarthermischen Anlagen, insbesondere im kommunalen Bereich, sowie von PV-Anlagen, die nicht vom Bund gefördert werden



Förderung von Pilot- und Demonstrationsvorhaben sowie Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in den Bereichen Solarenergie, Niedrigenergie- und Passivbauweise, rationale Elektrizitätsanwendung, rationelle Energienutzung (insbesondere KWK).



Beratungsangebote für potenzielle Investoren, z.B. durch dezentrale Energieberatungseinrichtungen



Beratungsprogramme, z.B. Impuls-Programm Hessen (seit 1996) sowie die im Rahmen dessen gegründete Hessische Energie-Spar-Aktion (seit 2002) für Energieeinsparungen im Alt- und Neubau.



Für die Neuaufstellung der Regionalpläne wurden in Hessen flächendeckend eine Klimafunktions- und Klimabewertungskarte erarbeitet. In diesen Karten sind die räumlich unterschiedlichen Ausprägungen des Klimas und seine Belastungen dargestellt. Damit steht eine landesweite fachliche Arbeitsgrundlage für die Sicherung der Klimafunktionen im Rahmen der Landes- und Regionalplanung zur Verfügung.

44

Besonders erfolgversprechend sind Maßnahmen, die sowohl dem Klimaschutz dienen, als auch Standortvorteile in der Region ausbauen. Sinnvoll erscheint insbesondere die Unterstützung exportstarker Industrien und innovativer Dienstleister, um die Chancen, die sich aus einer auf eine Vorreiterstrategie setzenden Klimapolitik des Bundes und der EU ergeben könnten, voll nutzen zu können /12/. Daher unterstützt das Land Hessen Demonstrations- und Pilotprojekte von ausgewählten Klimaschutztechnologien ebenso wie die gezielte Förderung Erfolg versprechender technologischer Kerne (etwa den der Brennstoffzellentechnologie). Diese sollten aber innerhalb des anvisierten Förderbereichs möglichst viele Freiräume zum Wettbewerb zwischen unterschiedlichen technologischen Lösungsansätzen lassen. In den nachfolgenden Kapiteln werden die Aktionslinien, Maßnahmenpakete und strategischen Aktivitäten näher beschrieben, die im Zuge des Hessischen Klimaschutzkonzeptes Umsetzung finden sollen. 6.2

Bereich der Energiewirtschaft

11

33

10

30

9

27

8

24

7

21

6

18

5

15

4

12

3

9

2

6

1

3

0

0 1990

1991

Steinkohle Sonstige (Müll usw.)

Abbildung 16:

1992

1993

1994

1995

1996

Braunkohle Bruttostromerzeugung [TWh]

1997

1998

1999

Gase Fernwärmeerzeugung [PJ]

2000

2001

2002

Mineralöle

Entwicklung der CO2-Emissionen im Energiesektor sowie Bruttostrom- und Fernwärmeerzeugung in Hessen im Zeitraum 1990 bis 2002

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Bruttostrom- bzw. Fernwärmeerzeugung

Energiebedingte CO2-Emissionen [Mt CO2*]

Die hessischen Anlagen der Energiewirtschaft emittieren jährlich ca. 8,85 Mio. t CO2, das sind etwa 20 % der gesamten CO2-Emissionen in Hessen (bezogen auf das Jahr 2002, siehe Abbildung 16).

Die Situation ist gekennzeichnet durch einen hohen Anteil der Kernenergie an der Stromproduktion und hohe Stromimporte. Der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung beträgt ca. 8,5%. Der überwiegende Teil der CO2-Emissionen stammt aus Steinkohleanlagen. Der Braunkohleeinsatz in Hessen ist zu vernachlässigen. Das wesentliche Instrument zur Begrenzung der CO2-Emissionen im energiewirtschaftlichen Bereich stellt der EU-weite Emissionshandel dar. Alle Energieerzeugungsanlagen über 20 MWth unterliegen einer Emissionsbegrenzung im Rahmen der nationalen CO2-Zielsetzung (siehe Kap. 1) Während bundesweit etwa 54% der CO2-Emissionen vom Emissionshandel betroffen sind, werden in Hessen aufgrund der Industriestruktur und der geringen fossilen Stromerzeugung nur etwa 30% der CO2-Emissionen (Energie + energieintensive Industrie = 13,8 Mio. t CO2) vom Emissionshandel erfasst. In ihrem Regierungsprogramm 2003 - 2008 setzt sich die Landesregierung das Ziel, zu einer „langfristig sicheren und umweltfreundlichen Energie zu bezahlbaren Preisen“ für die hessische Wirtschaft und die hessischen Verbraucher beizutragen. Damit ist das Zieldreieck für ein zukunftsfähiges Hessisches Klimaschutzkonzept umschrieben: Es gilt, den Energiebedarf möglichst preisgünstig zu decken und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten; dabei sollen Energiegewinnung, -verteilung und –nutzung möglichst Ressourcen schonend und Klima verträglich erfolgen. Laufzeitverlängerung für die beiden Blöcke Biblis A und Biblis B Gemäß der so genannten „Ausstiegsvereinbarung“ zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen verbleiben (Stand 31. Dezember 2006) dem Block A des Kernkraftwerkes Biblis eine Reststrommenge von 13.681 GWh, dem Block B eine Reststrommenge von 23.839 GWh. Ende September 2006 hat die Betreiberin von Biblis, die RWE Power AG die Übertragung von Strommengen auf den Block A beantragt. Biblis deckt (je nachdem, ob lange Revisionen anstehen oder nicht) ca. die Hälfte bis zwei Drittel des hessischen Strombedarfs und leistet mit seiner Einspeisekapazität einen bedeutsamen Beitrag zur Netzstabilität – eine unabdingbare Voraussetzung für viele Industriebetriebe bei der Standortauswahl. Das Kernkraftwerk Biblis ist zudem mit der wichtigste Wirtschaftsfaktor der Region. Wie im hessischen Regierungsprogramm 2003 – 2008 dargestellt, sollte an der weiteren Nutzung und Fortentwicklung der Kernenergie festgehalten werden. Die Kernenergie ist in einer Welt mit weiter steigendem Energiebedarf eine quantitativ bedeutende, zusätzliche, keine Klima gefährdenden Emissionen verursachende und eine bereits heute technisch und wirtschaftlich verfügbare Energiequelle. Solange die zentrale Frage offen bleibt, wie auf die Kernenergie 46

langfristig verzichtet werden kann, ohne die Atmosphäre durch den verstärkten Einsatz fossiler Brennstoffe zusätzlich zu belasten, oder sich in neue Abhängigkeiten von Brennstofflieferungen aus politisch instabilen Regionen der Welt zu begeben, wie dies beim Energieträger Erdgas zunehmend der Fall ist, ist der Ausstieg aus der Kernenergie nicht zu vertreten. Die Technologie ist sicherheitstechnisch so hoch entwickelt, dass ihre Nutzung verantwortbar ist. Deutschland wird seiner Verantwortung als Hochtechnologie-Land nicht durch einen Ausstieg, sondern nur durch engagierte Weiterentwicklung dieser Technologie entsprechend seiner hohen Kompetenz gerecht. Ein Ende der Kernenergie in Deutschland würde auch den Verlust des Einflusses auf die Sicherheitsstandards in anderen Staaten bedeuten. Daher gilt, dass Laufzeiten von Kernkraftwerken nach sachlichen Erwägungen zu entscheiden sind, somit nach Erfordernissen der Sicherheitstechnik, des Klimaschutzes und der Betriebswirtschaft. Die Landesregierung hat sich deshalb in den letzten Jahren auf der Grundlage des Atomgesetzes engagiert für sicherheitstechnische Nachrüstungen der Kraftwerksblöcke eingesetzt und wird auch in Zukunft dafür eintreten, einen Fortbestand des Kraftwerksstandortes und einen Betrieb der Anlagen auf höchstem Sicherheitsniveau zu gewährleisten. Sie wird sich dafür einsetzen, zügig zu einer Entscheidung über den Weiterbetrieb zu kommen. Unter dem Gesichtspunkt der Emissionsreduktion in Hessen würde der Weiterbetrieb der Blöcke A und B des Kernkraftwerks Biblis einen wesentlichen Beitrag leisten. Nach Erfahrungen in anderen Ländern, Planungen der USA und technisch-ökonomischen Analysen der Kraftwerkshersteller und –betreiber sind Betriebszeiten von bis zu 60 Betriebsjahren möglich. Die Landesregierung Hessen vertritt gemeinsam mit den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen in einem Positionspapier für die Arbeitsgruppe „Nationale Aspekte“ des Energiegipfels vom 09. Oktober 2006 die Auffassung, dass die Kernkraft wesentlich zu einer sicheren, kostengünstigen und umweltverträglichen Stromproduktion am Standort Deutschland beiträgt. Die CO2-Entlastung durch den Weiterbetrieb von Biblis A und B ist erheblich. Bei einer Auslastung von 7.000 Stunden pro Jahr ergeben sich durch beide Blöcke jeweils 6,3 Mio. t jährliche CO2-Minderungen gegenüber einer Stromerzeugung aus Steinkohle (gerechnet mit 750 g CO2 pro kWhel). Der volkswirtschaftliche Gewinn würde sich unter diesen Annahmen auf 27 € pro eingesparte t CO2 belaufen.

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Einsatz modernster Kohletechnologien am Standort Staudinger und ggf. anderen geeigneten Kraftwerksstandorten Am Standort Staudinger der E.ON Kraftwerke GmbH sind derzeit insgesamt 1.923 MW elektrische Nettoleistung installiert. Davon entfallen 791 MW auf die Blöcke 1 bis 3, die mit Steinkohle betrieben werden und auf den Mittellastbetrieb ausgelegt sind. Block 5 mit 510 MW, ebenfalls mit Steinkohle betrieben, dient der Grundlastabdeckung und Block 4 mit 622 MW (mit Erdgas befeuert), zur Spitzenlastabdeckung. E.ON Kraftwerke GmbH plant die Errichtung eines neuen Kraftwerksblockes, Block 6, auf Steinkohlebasis am Standort Staudinger in Großkrotzenburg. Der neue Block soll die in 2012 abgängigen Leistungen der Blöcke 1 bis 3 ersetzen. Nach Angaben von E.ON wird sich die Leistung des neuen Blockes zwischen 800 und 1.100 MWel bewegen. Die Ausführung ist in modernster Technik mit einem Kraftwerkswirkungsgrad deutlich über dem der bestehenden Anlagen geplant. Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung sowie der Fern- und Nahwärme Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist eine besonders effiziente Form der Stromerzeugung, da die bei der Stromerzeugung entstehende Wärme zur Raumheizung und Warmwasserbereitung genutzt werden kann und nicht als Abwärme ungenutzt an die Umgebung abgegeben werden muss. KWK ist in allen Leistungsbereichen möglich, und es steht eine ganze Reihe von hoch entwickelten und wirtschaftlichen Technologien zur Verfügung. KWK stellt deshalb neben der Energieeinsparung und den regenerativen Energiequellen ein bedeutendes Potenzial dar, um wirtschaftlich, kurzfristig und nachhaltig Primärenergieeinsparung und Klimaschutz zu realisieren. In Hessen geht es künftig vor allem um - den Bau neuer Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mittlerer und kleiner Leistungsgröße mit ggf. entsprechenden Wärmenetzen, - die Umrüstung vorhandener Heizwerke auf Kraft-Wärme-Kopplung und - den Ausbau vorhandener Fern- und Nahwärmenetze. Vor dem Hintergrund des KWK-Gesetzes und der Privilegierung im EU-Emissionshandel bieten sich z.B. durch Contracting Ansätze für neue Kooperationen. Als „virtuelle Kraftwerke“ können Kleinanlagen zur Netzstabilisierung und höherer Einzelwirtschaftlichkeit beitragen. In der Diskussion um eine künftige Energieversorgung wird als Vision oft eine Energieversorgung aufgezeigt, in der Wasserstoff als Sekundärenergieträger eingesetzt wird. Genutzt werden soll der Wasserstoff nach diesem Konzept überwiegend in Brennstoffzellen, in denen mit hohem elektrischem Wirkungsgrad und geringen Schadstoffemissionen dezentral Strom erzeugt und in ortsnahe Versorgungsnetze eingespeist wird. 48

Eine solche Vision wird mit Sicherheit nicht kurz- oder mittelfristig in die Realität umgesetzt werden. Davon aber unabhängig ist die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie bereits heute eine wichtige Zukunftstechnologie, der neben der klima- und energiepolitischen Bedeutung insbesondere auch eine herausragende technologie- und wirtschaftspolitische Bedeutung zukommt. Die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie sind in Hessen besonders gut. Zum einen haben hier zahlreiche, weltweit bedeutende Unternehmen ihren Sitz, die Zellen- und Systemkomponenten liefern oder sich mit der Entwicklung von mobilen und stationären Systemen beschäftigen. Zum anderen sind auch an den Hochschulen und Fachhochschulen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten vorhanden, um die Technologien weiterzubringen. Als besonderer Pluspunkt für die Region kommt hinzu, dass im Industriepark in Frankfurt-Höchst jährlich rund 30 Millionen Kubikmeter Wasserstoff als Nebenprodukt einer chemischen Produktionsanlage anfallen. Dies ist eine Ausgangssituation, die ideale Bedingungen bietet, um gerade hier die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie zu forcieren. Auf Initiative des Deutschen Wasserstoffverbandes und der Infraserv GmbH & Co. Höchst KG, der Betreibergesellschaft des Industrieparks Höchst, wurde im März 2003 mit Unterstützung der Landesregierung der Verein „Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Initiative Hessen e.V.“ gegründet. Ziel dieser, von den beteiligten Unternehmen und Institutionen getragenen Initiative ist es, die relevanten hessischen Akteure zu vernetzen und die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in gemeinsamen Modell- und Demonstrationsvorhaben beispielhaft anzuwenden und damit voranzutreiben. Konkrete Beispiele bisheriger Aktivitäten sind die jährlichen Brennstoffzellen-Foren Hessen, die auch in Zukunft fortgeführt werden, der Hessische Mobilitätskongress im Rahmen der IAA 2003 und das Demo-Projekt „Zero Regio“, das gemeinsam mit europäischen Partnern im Zuge des 6. EU-Forschungsprogramms unter der Federführung von Infraserv Höchst durchgeführt wird. Die Landesregierung unterstützt die Initiative und stellt der Hessen-Agentur Mittel zur Finanzierung einer personellen Verstärkung der Initiative zur Verfügung, insbesondere zum Aufbau und zum Betrieb einer operativen Geschäftsstelle der Initiative. Diese Unterstützung wird auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden.

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6.3

Bereich der Erneuerbaren Energien

Projekt „Biokraftstoffregion Nordhessen“ Am 17. November 2005 wurde das Projekt „Biokraftstoffregion Nordhessen“ gegründet. Ausgehend von der Initiative des Werra-Meißner-Kreises und der Stadt Bad Arolsen wurde in Kooperation mit dem Kreisbauernverband Werra-Meißner und der Stadt Hessisch-Lichtenau ein Aktionsplan zur Ansiedlung von Unternehmen, die auf der Basis von Biomasse aus der nordhessischen Land- und Forstwirtschaft Biokraftstoffe erzeugen, verabredet. Vorgesehen ist die Einbindung aller nordhessischen Landkreise. Bioethanol Über den Einsatz von Bioethanol (als einheimische Rohstoffe für die Bioethanolerzeugung kommen Getreide - auch als Ganzpflanzengetreide -, Zuckerrüben, Silomais und Kartoffeln, evtl. auch andere Kulturen in Frage) wird das Hessische Umweltministerium im Dialog mit der Mineralölwirtschaft eine stärkere Nutzungsanwendung von Bioethanol fordern. Nach EU-Kraftstoffrichtlinie soll ein Beimischungsanteil von Biokraftstoffen in Höhe von 5,75 % erreicht werden. Hier wird ein Pilotprojekt mit Dienstfahrzeugen beim RP Gießen erste Erkenntnisse liefern. Vor allem im Ballungsraum Rhein-Main will sich das Land Hessen gegenüber den Mineralölunternehmen für eine stärkere Nutzung dieses gleichzeitig klimafreundlichen und emissionsarmen Kraftstoffs einsetzen und in einer Kooperation mit dem Hessischen Bauernverband die Bioethanolgewinnung aus heimischen Zuckerrüben zunächst pilothaft vorantreiben. Am 2. Dezember 2005 wurde in Bad Homburg die erste öffentliche Bioethanol-Tankstelle Deutschlands eröffnet. Biodiesel Die Produktionskapazitäten von Biodiesel (wird hergestellt aus Raps) in Deutschland lagen im Jahr 2004 bei 1,08 Mio. Tonnen, für 2005 war ein Anstieg auf 1,5 Mio. Tonnen zu erwarten. Für die nächsten Jahre werden weitere starke Zuwächse erwartet. Mit der projektierten Einrichtung von Veresterungsanlagen zur Herstellung von Biodiesel auf dem Gelände des Industrieparks Höchst durch die Fa. Cargill kann Hessen mit einem Schlag seinen Anteil an der Biodieselproduktion erheblich auf 200.000 Tonnen steigern. Eine weitere Neuanlage zur Herstellung von Biodiesel mit einer Kapazität von ca. 200.000 t/a ist im Industriepark Kalle-Albert in Wiesbaden in Planung. Auch in Kassel werden die dortigen Kapazitäten ausgebaut. Die Ansiedlungsbereitschaft werden wir durch Investorengespräche, Werbung für die hervorragenden Genehmigungs50

bedingungen und Herausstellen der Infrastruktur- und Logistikvorteile weiter zu erhöhen versuchen. Biogas In anderen europäischen Ländern (z. B. Schweden, Österreich) gibt es Ansätze, Biogas durch Reinigung auch als Kraftstoff anstelle von fossilem Erdgas einzusetzen. Hessen wird prüfen, ob sich hier ein vergleichbares Pilotprojekt durchzuführen lohnt. BioRegio Holz Knüll ausweiten Im Sommer 2003 wurde die Region Knüll zur BIOREGIO Holz erklärt, mit dem Ziel im Knüllgebiet bis Ende 2005 mindestens 14 Holzfeuerungsanlagen in kommunalen Gebäuden zu errichten sowie eine Holzlogistik aufbauen. Die Zielvereinbarung der BIOREGIO Holz Knüll ist bereits erreicht und es werden noch weitere Anlagen hinzukommen. Noch wichtiger ist aber, dass damit ein Prozess zur Erschließung des regionalen Marktes in Gang gesetzt wurde, der sich fortsetzen wird. Zwei weitere Projekte (Süd: Odenwaldkreis/Landkreis Bergstraße/Landkreis Darmstadt-Dieburg und Nord: Werra-MeißnerKreis/Landkreis Kassel) befinden sich im fortgeschritten Entwicklungsstadium. Hessen wird dieses erfolgreiche Projekt weiter auf andere Regionen ausdehnen. Marketingkampagne „Heizen mit Holz (Pellets)“ Für Hessen liegt in der Substitution fossiler Energieträger durch Holz mit dem ConvenienceProdukt „Holzpellet“ noch erhebliches Absatzpotential im Wärmemarkt privater Haushalte, der gewerblichen Wirtschaft und Gebietskörperschaften. Das Kompetenzzentrum HessenRohstoffe (HeRo) wird die Absatzanstrengungen der hessischen Marktbeteiligten von Heizkesselherstellern, Pelletproduzenten und Handel sowie unter Einbindung der maßgeblichen Multiplikatoren des Heizungshandwerks und der Schornsteinfeger ab dem 4. Quartal 2005 durch eine Image- und Marketingkampagne unterstützen. BioRegio Biogas initiieren, Biogasanlagen-Kooperationen verbessern Mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im August 2004 wurde die Einspeisevergütung für Strom aus Biogasanlagen, die nachwachsende Rohstoffe (Mais- und Grassilage, Landschaftspflegeaufwüchse, etc.) einsetzen, deutlich erhöht. Mit der angehobenen Grundvergütung und zusätzlicher Boni (z. B. NaWaRo-Bonus von 6 ct je kWh), die zudem über 51

20 Jahre garantiert sind, hat sich die Wirtschaftlichkeit nachhaltig verbessert. Das Interesse am Bau solcher NaWaRo-Biogasanlagen ist auch in Hessen sprunghaft gestiegen. Neuanlagen sind aufgrund der Kofermentation von nachwachsenden Rohstoffen heute deutlich größer dimensioniert. In Hessen liegen sie zwischen 150 und 700 kW elektrischer Leistung. Die Investitionssumme steigen schnell in Größenordnungen von 1 Mio. € und die Energieerzeugung wird nicht selten zum Hauptbetriebszweig. Analog zu Arbeitskreisen in herkömmlichen Betriebszweigen (Milchvieh, Ackerbau, etc.) wird die Landesregierung auch für diesen neuen Betriebszweig Energieerzeugung ein entsprechendes Beratungs- und Betreuungsangebot forcieren. Erstrebenswert ist in diesem Zusammenhang eine landesweit einheitliche Auswertungsmethodik. Analog zum sehr erfolgreichen Modellprojekt BioRegio Holz im Knüllgebiet und Odenwaldkreis will die Landesregierung auch im Sektor Biogasanlagen eine Clusterbildung fördern, um regionale Synergien beispielsweise durch gemeinsame Ausschreibungen und gemeinsames Anlagenmanagement (Anbauverträge für NaWaRos, Ersatzteilvorhaltung, Wartungsarbeiten, etc.) nutzen zu können. Erste Ansätze sind im Landkreis Kassel unter der Federführung des dortigen Maschinenringes entstanden. Es wird überprüft, ob über einen landesweiten Wettbewerb BioRegio Biogas auch in anderen Regionen Hessens entscheidende Impulse gesetzt werden können. Außerdem muss die Gesamtenergieeffizienz der immer größer dimensionierten Anlagen deutlich verbessert werden. Blockheizkraftwerke produzieren neben dem elektrischen Strom noch ca. das 1,2 bis 1,4-fache an Abwärme. Davon wird lediglich ein geringer Teil von ca. 30 % als Prozesswärme für die Fermenterheizung benötigt. Es ist weder gesamtwirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll, diese Wärmemengen zu vergeuden. Daher wird die Landesregierung bei den zukünftigen Biogasanlagen-Projekten auf schlüssige Wärmenutzungskonzepte verstärkt achten. Dies kann insbesondere durch sinnvolle Kooperationen mit außerlandwirtschaftlichen Wärmeabnehmern (Kommunen, Wohngebieten, Gewerbebetrieben, Kläranlagen usw.) realisiert werden. In diesem Zusammenhang spielt die Frage des optimalen Standortes der Biogasanlage eine bedeutende Rolle. Die Förderung des Landes wird sich auf solche beispielgebenden Demonstrationsprojekte konzentrieren. Zur langfristigen Einbindung in zukünftige Energieversorgungsstrukturen sollten Biogasanlagen für die Bereitstellung bzw. zum Ausgleich schwankender Energiemengen sowohl im Wärme- als auch im Stromsektor herangezogen werden. Hierzu sind so genannte „virtuelle Kraftwerke“ zu entwickeln und zu schalten. Damit wären auch Vergütungsmethoden denkbar, die eine Wirtschaftlichkeit der Anlage auch bei Marktpreisen sicherstellen. Weiterhin kann es zu besseren Gesamtnutzungsgraden kommen, wodurch mit demselben Einsatz an Biomasse eine deutliche 52

Steigerung des Anteils an der Energieversorgung erreicht wird. Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet wird das Hessische Umweltministerium daher unterstützen.

Fördersystematik verbessern in Richtung integrierter Politik für den ländlichen Raum Verbunden damit ist die Integration der Biomasseförderung in den künftigen Entwicklungsplan für den ländlichen Raum Hessen. Damit erfolgen die Erschließung von Kofinanzierungsmitteln und die Herstellung von mehr Kohärenz in der Förderung. Markt- und Technologieentwicklungen sind bei Weiterentwicklung der Förderung stets zu beachten.

Leuchtturm Grüne Energie In jedem Landkreis sollte bis 2008 ein „Leuchtturm Grüne Energie“ stehen. Dabei sollten sich die Ideen nicht alleine auf Maßnahmen des Landes beschränken, auch und gerade der kommunale Bereich ist in die Überlegungen und ggf. auch die Auswahl der Förderprojekte einzubeziehen. Als Beispiele seien bereits laufenden Projekte „Grüner Airport Kassel-Calden“ und „Grüner Asphalt“ genannt.

Energetische Nutzung der Biomasse außerhalb von Land- und Forstwirtschaft Auch die Nutzung der Biomasse außerhalb von Land- und Forstwirtschaft muss einen Beitrag dazu leisten, das dargelegte 15%-Ziel für den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch in Hessen zu erreichen. Hier zeichnen sich interessante technologische Entwicklungen ab, deren Marktreife zu testen und ggf. zu dokumentieren wäre, darunter beispielsweise ein von einer hessischen Firma entwickelter Dampfschraubenmotor. Die Potenzialstudie zum Biomassepotenzial von kleineren und mittleren Unternehmen (KmU) wird dazu Ansatzpunkte ermitteln, die die Landesregierung weiter verfolgen wird.

Solarthermische Nutzung Die Solarthermie ist neben dem Energieträger Holz die zweite wichtige erneuerbare Energie zur Wärmeerzeugung. Das Ziel der Landesregierung, in Hessen bis 2015 einen Anteil der erneuerbaren Energien von 15 % am Endenergieverbrauch (ohne Verkehrssektor) zu erreichen, wird nur dann zu erreichen sein, wenn unter anderem sehr viel mehr solarthermische Anlagen in Hessen als bisher installiert werden. Die Landesregierung unterstützte deshalb diejenigen hessischen Solarinitiativen, die in 2006 von der bundesweiten Aktion „Wärme von der Sonne“ ausgewählt worden waren und eine besondere Förderung für ihre Aktivitäten erhielten. Die Landesregierung beabsichtigt, auch in den kommenden Jahren die Arbeit von regionalen Initiativen zur Verbreitung der solarthermischen 53

Nutzung zu unterstützen. An diesen Initiativen beteiligt sich in der Regel ein breiter Kreis an (regionalen) Akteuren, vor allem auch aus der regionalen Wirtschaft, und es werden messbare Erfolge beim Absatz solarthermischer Anlagen erzielt. Windenergienutzung Zur Erreichung des 15%-Zieles kann auch die Windenergienutzung ihren Beitrag leisten. Dabei geht es um einen vorausschauenden Ausbau der Windenergienutzung, bei dem die verschiedenen Belange, die in der öffentlichen Diskussion über die Windenergie gegen ihren weiteren Ausbau vorgebracht werden, nicht vernachlässigt, sondern sachgerecht bewertet und abgewogen werden. Die Ergebnisse eines solchen Abwägungsprozesses müssen selbstverständlich in die vorausschauende Planung für künftige Gebietsnutzungen einfließen – sei es auf der Gemeindeebene oder in der Regional- und Landesplanung. Die Praxis in Hessen zeigt, dass dies möglich ist und zu guten Ergebnissen führt. Biogasbetriebene Mikrogasturbine Die gekoppelte dezentrale Produktion von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung, KWK) ist grundsätzlich ein sehr effizienter Ansatz, wenn es darum geht, die Politikziele Klimaschutz und Nachhaltigkeit der Energieversorgung in die Tat umzusetzen. Aussichtsreiche innovative KWK-Technologien, sind – bei kurz- und mittelfristiger Betrachtung - beispielsweise KraftWärme-Kopplungsanlagen mit Biomassenutzung und Mikrogasturbinen, sowie – bei mittel- und längerfristiger Sicht – Stirlingmotoren und Brennstoffzellen. Nach der Auswertung des laufenden Feldversuchs, des Vorhabens „Biogasbetriebene Mikrogasturbine“ des Instituts für Solare Energieversorgungstechnik (ISET), sowie des Vorhabens „Klärgasbetriebene Mikrogasturbine“ der HSE in Darmstadt, soll die weitere Unterstützung dieser Technologielinie überprüft werden. Erdwärmenutzung in Hessen Geothermie ist eine regenerative und umweltfreundliche Energiequelle. Sie weist im Gegensatz zu den meisten anderen regenerativen Energien einen entscheidenden Vorteil auf: Sie ist grundlastfähig, d. h. die Erdwärme steht rund um die Uhr, wetterunabhängig und überall zur Verfügung. Grundsätzlich wird bei der Erdwärmenutzung in zwei Kategorien unterschieden: oberflächennahe Geothermie (bis 400 Meter Tiefe) und tiefe Geothermie (ab 400 Meter Tiefe). Die oberflächennahe Geothermie findet ihre größte Verbreitung im privaten Bereich zur Beheizung von neu errichteten Wohngebäuden. Die Erschließung erfolgt in der Regel über

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Erdwärmesonden, die in Bohrungen mit Tiefen von meist weniger als 100 m, teils auch bis 150 m eingebaut werden. Die in Hessen bis April 2006 errichteten 1.500 Anlagen decken einen Heizenergiebedarf von überschlägig 25.000 MWh/a. Das steigende Interesse an Erdwärmebohrungen, die nach dem Wasserhaushaltsgesetz grundsätzlich erlaubnispflichtig sind, hat 2004 zu einer Neuregelung des Genehmigungsverfahrens in Hessen geführt. In einem vom HLUG erstellten Leitfaden „Erdwärmenutzung in Hessen“ mit Karten zur Standortbeurteilung für die Errichtung von Erdwärmesonden werden die Grundlagen der Erdwärmenutzung und des Genehmigungsverfahrens erläutert. Die tiefe Geothermie setzt hohe Temperaturen des Untergrundes und des in ihm enthaltenen Fluids (Grundwasser) voraus, damit weitergehende Nutzungen, z. B. Fernwärmenetze oder zur Stromerzeugung möglich sind. Der Oberrheingraben ist die einzige geologische Struktur in Hessen, in der wegen eines erhöhten geothermischen Gradienten eine Nutzung der Geothermie für die Stromerzeugung heute technisch möglich ist. Erforderliche Bohrtiefen zur Stromerzeugung liegen hier bei ca. 2500 m. Zur Ermittlung der Potenziale für die Nutzung tiefer Geothermie zur Stromerzeugung und zur direkten Wärmenutzung wurde in Hessen ein Kompetenznetzwerk gegründet. Das Kompetenznetzwerk versteht sich auch als Austauschplattform zu aktuellen Projekten, wie z.B. für das hessische Projekt in Riedstadt. In dem Faltblatt „Nutzung tiefer Geothermie in Hessen“ hat das HLUG im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums eine Vielzahl vorhandener Informationen zusammengetragen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im „1. Tiefengeothermie-Forum“ im November 2006 an der Technischen Universität Darmstadt wurde das Thema umfassend beleuchtet. Es ist vorgesehen, weitere Veranstaltungen zu diesem Thema folgen zu lassen. Daneben besteht ein fachlicher Austausch mit bundesweiten Arbeitsgruppen und mit den Nachbarländern, insbesondere Baden-Württemberg und RheinlandPfalz, der weiter vertieft werden wird. 6.4

Bereich von Gebäuden

In Hessen gibt es ca. 1,3 Mio. Wohngebäude. Davon sind etwa 1 Mio. Ein- und Zweifamilienhäuser. Der überwiegende Teil der Wohngebäude (ca. 90 %) wurde vor Inkrafttreten der Wärmeschutzverordnung 1995 gebaut. Im Gebäudebestand liegen erhebliche Potenziale zur Senkung des Energieverbrauchs und damit der CO2-Emissionen. Raumheizung und Warmwasserbereitung beanspruchen rund 40 % des Endenergieverbrauchs. Die Verbesserung des baulichen Wärmeschutzes und der wirtschaftliche Einsatz moderner Gebäude55

und Anlagentechnik erlauben es, diesen Verbrauch um bis zur Hälfte zu reduzieren. Neben den positiven Auswirkungen auf Energieverbrauch und CO2-Emissionen dient die nachhaltige energetische Gebäudemodernisierung auch der regionalen Wirtschaftsförderung. Derzeit werden in Hessen jährlich 38.500 Wohneinheiten von privaten Vermietern und Wohnungseigentümern modernisiert. Diese Modernisierung führt aber nur bei 11.500 Wohneinheiten auch zu einem verbesserten energetischen Standard. Im Forschungsprojekt INKLIM 2012 schätzt das Institut Wohnen und Umwelt die aktuelle energetische Modernisierungsrate der Gebäudehülle auf 0,75 % pro Jahr, ein dringend verbesserungsbedürftiger Wert. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung das ehrgeizige Ziel gesetzt, dass „jedes Jahr 5 % des Gebäudebestands vor Baujahr 1978 energetisch saniert werden“. Um hierfür verstärkte Anreize zu bieten, hat sie verbesserte Förderkonditionen angekündigt und teilweise schon realisiert. Mit dem „Klimapakt“ für Gewerbe, Handwerk und Industrie im Rahmen der Hessischen Umweltallianz haben sich die Landesregierung und die Partner der Umweltallianz darauf verständigt, dazu beizutragen, dieses Ziel langfristig in Hessen zu erreichen.

Hessische Energiesparaktion fortführen und im Hessischen Klimapakt integrieren Die im Jahr 2002 gestartete Hessische Energiespar-Aktion ist eine große und wachsende Kooperation zur Förderung der Energieeinsparung bei Alt- und Neubauten in Hessen. Der Schwerpunkt bildet die Voranbringung der energetischen Modernisierung des Gebäudebestands. Partner sind rund 40 Verbände, Kammern, Hochschulen und Unternehmen. Der Markt für Energiespartechniken wird nur funktionieren, wenn Hauseigentümer ihre Handlungsmöglichkeiten kennen. Der Schlüssel hierfür sind der Energiepass Hessen und die weiteren immobilienspezifischen Informationen der Hessischen Energiesparaktion. Mit vielfältigen und dauerhaft angebotenen Informationen werden Entscheidungsgrundlagen für Hauseigentümer rund ums Gebäude geschaffen. Kostenentlastung plus Wertsteigerung der Immobilie und die Gewährleistung der langfristigen Vermietbarkeit sind der messbare wirtschaftliche Gewinn für Hauseigentümer. Bewohner profitieren von Komfortgewinn, Verbesserung der Behaglichkeit im Winter und Sommer sowie von verringerten Betriebskosten. Im Rahmen des hessischen „Klimapaktes“ werden die Landesregierung und die Partner die Hessische Energiesparaktion weiter ausbauen. So wird die Internetseite des Hessischen Wirtschaftministeriums ergänzend zur Hessischen Energiesparaktion auch weiterhin speziell für die Verbraucher Informationen unter anderem zu den einzelnen Energiespartechnologien („Energiesparinformationen“) anbieten, wo sie in ihrer Nähe eine anbieterunabhängige Energieberatung finden können („Beratungsangebote“) und welche Förderung es ggf. für die einzelnen Technologien gibt. Verschiedene Broschüren und Dokumentationen von Wettbewerbsergebnissen ergänzen zurzeit bereits das Angebot für den Verbraucher. 56

Informationsmaterial für die Zielgruppen KmU sowie den Kommunen bereitstellen KmU weisen oftmals ein hohes Effizienzpotenzial in ihren Gebäuden und bei ihren Produktionsprozessen auf, dessen Ausschöpfung aber aus verschiedenen Gründen auf Schwierigkeiten stößt. Publikationen wie „Gutes Lichtklima“ zur Beleuchtungsoptimierung und die Entwicklung von Planungsinstrumentarien oder wie die „Methodik zur Erfassung, Beurteilung und Optimierung des Elektrizitätsbedarfs von Gebäuden (MEG)“ sind Werkzeuge zur Energieeffizienz, die die Landesregierung in der Vergangenheit bereitgestellt hat. Sie werden auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie in der kommenden Novelle der Energieeinsparverordnung wird u. a. von den KmU eine umfassende Betrachtung der Energiesituation ihrer Gebäude mit einer Nutzfläche von über 1.000 qm erfordern. Dazu wird die Landesregierung verschiedene Hilfestellungen anbieten. Entwicklung eines Energieplanungs-Checks Artikel 5 der EU-Gebäuderichtlinie gibt vor, dass bei Neubauten mit einer Nutzfläche von mehr als 1.000 qm die technische, ökologische und wirtschaftliche Einsetzbarkeit alternativer Systeme vor Baubeginn zu prüfen ist. Es wird ein entsprechender „Energieplanungs-Check“ für KmU entwickelt und in bis zu 20 konkreten Modellvorhaben eingesetzt. Fortsetzung des Arbeitskreises der kommunalen Energiebeauftragten Die Kommunen nehmen bei der Verwirklichung des Klimaschutzzieles eine Schlüsselstellung ein. Zahlreiche öffentliche Gebäude müssen in der näheren Zukunft saniert werden; dabei sollte ein ökonomisch optimaler energetischer Standard realisiert werden. Weiterhin ist kommunales Energiemanagement unverzichtbarer Bestandteil eines modernen Verwaltungsmanagements, das zum Ziel hat, die notwendigen Dienstleistungen für die Bürger zu erbringen und dabei Kosten zu sparen und CO2-Emissionen zu mindern. Die Kommune hat auch eine Vorbildfunktion für die Bürger, indem sie an ihren eigenen Gebäuden demonstriert, wie energieeffiziente Technologien wirtschaftlich eingesetzt werden können. Die Landesregierung organisiert seit über zwanzig Jahren den Arbeitskreis der kommunalen Energiebeauftragten. Die kommunalen Energiebeauftragten sind diejenigen Mitarbeiter der kommunalen Gebietskörperschaften, die für das Energiemanagement und die Energieeffizienz in den kreis- bzw. gemeindeeigenen Liegenschaften zuständig sind. Ziel dieser regelmäßig stattfindenden Treffen ist es, den Energiebeauftragten Gelegenheit zu geben, sich über ihre Erfahrungen mit der Technik und den Gebäuden, mit Produkten, dem Betrieb, der Organisation usw. auszutauschen und gleichzeitig ein Netzwerk von Kollegen zu bilden. Dieser Arbeitskreis wird weiter fortgeführt.

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Kooperationsprojekte energieeffiziente Gebäudetechnik mit Wohnungsbauunternehmen Die Landesregierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm 2003 bis 2008 dafür ausgesprochen, „die Anwendungsforschung auf dem Gebiet neuer Technologien nach Möglichkeit (zu) fördern. Besondere Schwerpunkte liegen dabei auf der Senkung des Energiebedarfs, der Erhöhung der Energieeffizienz und der Steigerung der Wirtschaftlichkeit neuer Energien.“ Auch im Rahmen des Hessischen Klimapaktes streben die Partner an, dazu beizutragen, insbesondere die Gebäudetechnologien weiter zu entwickeln, um Neubau und Modernisierung von Gebäuden noch effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Neben der Entwicklung und Erprobung Erfolg versprechender innovativer Technologien kommt es darauf an, die Erkenntnisse aus der Förderung möglichst parallel an Investoren und Fachöffentlichkeit zu vermitteln. Hier führt die Landesregierung mit Wohnungsbausgesellschaften verschiedene Kooperationsprojekte zur nachhaltigen energetischen Sanierung auf Niedrigenergie- bzw. PassivhausNiveau durch und beteiligt sich an der Entwicklung von Vakuum-Isolationspaneel-Dämmverfahren. Die Ergebnisse dieser Kooperationsprojekte werden breit in die Fachöffentlichkeit kommuniziert werden. Weitere Vorhaben dieser Art der Zusammenarbeit von Landesregierung mit der hessischen Wohnungswirtschaft insbesondere zur Modernisierung mit Passivhauskomponenten sind beabsichtigt. Fortsetzung des Arbeitskreises „Kostengünstige Passivhäuser“ Der Arbeitskreis „Kostengünstige Passivhäuser“, den die Landesregierung seit 1998 mit dem Passivhaus-Institut und wechselnden Partnern durchführt, ist ein weiteres Beispiel für die Technologieentwicklung einerseits und die zeitnahe Vermittlung der Erkenntnisse an Architekten, Ingenieure und Fachplaner andererseits. Der Passivhaus-Standard ist heute der experimentellen Phase weit entwachsen und hat sich im Neubau mit bewährten Bauprodukten fest etabliert. Die Entwicklungen auf dem Gebiet der energieeffizienten Bauweise sind als „Vorläufer“ für die nachhaltige energetische Gebäudemodernisierung zu betrachten. Die serienmäßige Produktion der Passivhauskomponenten und die damit einhergehende Kostensenkung wird es der Wohnungswirtschaft erleichtern, in Folgeprojekte zu investieren. Der Arbeitskreis „Kostengünstige Passivhäuser“ wird deshalb fortgesetzt werden und unterstützt ebenfalls die Bestrebungen, mit innovativen und zukunftsträchtigen Entwicklungen den Markt für nachhaltige energetische Gebäudemodernisierung voranzubringen. Das „Handbuch Modernisierung auf Passivhausniveau“ wird die Erkenntnisse der Passivhausforschung und –entwicklung zusammenfassen und für die Planungspraxis aufbereiten.

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Emissionsankauf durch Schornsteinfeger für energetische Verbesserungen in Anlagentechnik und Gebäudehülle Hierbei handelt es sich um ein Pilotprojekt des Landesinnungsverbandes der Schornsteinfeger gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und der Umweltallianz Hessen. Zweck ist die Abschätzung, in wiefern der Erwerb reduzierter CO2-Mengen aus Kleinfeuerungsanlagen beim Erzeuger geeignet ist, dazu beizutragen, Emissionsminderungen zu bewirken, die energetische Gebäudesanierung zu forcieren und insgesamt handelbare CO2-Mengen zu generieren. Das Pilotprojekt läuft von 2006 bis 2009.

6.5

Bereich der hessischen Landesliegenschaften

Im Staatlichen Hochbau wird das Land Hessen seiner Vorreiterrolle im Bereich Klimaschutz, Energieeffizienz und erneuerbare Energien gerecht. Den rechtlichen Rahmen für Maßnahmen im Bereich des staatlichen Hochbaus des Landes bildet das Hessische Energiegesetz (Gesetz über die Förderung rationeller und umweltfreundlicher Energienutzung in Hessen vom 25. Mai 1990). Der § 2 Abs. 1 zielt auf die rationelle Nutzung von Primärenergien bis hin zur Möglichkeit der Nutzung erneuerbarer Energieträger, § 2 Abs. 2 bindet die Gebäude in siedlungsbezogene Energiekonzepte ein. Im Energiebericht der Hessischen Landesregierung nach § 9 Hessisches Energiegesetz wird die Bilanz der erzielten Ergebnisse bezogen /11/. Den Maßnahmen im Bereich des Hochbaus ist hierin ein eigener Berichtsteil gewidmet, der auch Hinweise zu CO2-Emissionen bei der Nutzung von Gebäuden enthält. Dieser Berichtsteil wird auch künftig fortgeschrieben und veröffentlicht. Im Energiebericht wird das Land die flächenbezogene Entwicklung des Energieverbrauches und der CO2-Emissionen dokumentieren und den Umsetzungsstand der geplanten Maßnahmen darlegen. So konnte beim Heizenergieverbrauch in Liegenschaften des Landes, der ca. 71 % des Energieaufwandes umfasst, seit 1991 eine CO2-Reduzierung um ca. 20 % festgestellt werden. Weitergehende Aussagen aufgrund neuerer Erkenntnisse enthält speziell der vom Ressort Hessischen

Umweltministerium

vorgelegte

Abschlussbericht

vom

Dezember

2005,

„Ressortbezogene CO2-Bilanz für das Hessische Umweltministerium und nachgeordnete Dienststellen“. Der Energieausweis von öffentlichen Gebäuden soll im Eingangsbereich des Gebäudes sichtbar angebracht werden. Dies erfolgt im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Das Hessische Baumanagement (hbm) wirkt in

59

Abstimmung mit anderen Bundesländern bei der Bildung von Referenzwerten für den Energieausweis mit. Anwendung alternativer Finanzierungsformen für Energiesparmaßnahmen Seit 1997 werden Contracting-Verträge mit privaten Investoren zur Finanzierung von Energiesparmaßnahmen im Gebäudebestand geschlossen. Die 1999 vorgenommene Umstellung der Ermächtigungsgrundlage für den Minister der Finanzen von der ursprünglich starren Refinanzierungszeit von bisher 7 Jahren auf nunmehr 75 % der technischen Lebensdauer ermöglichte einen vermehrten Abschluss von Verträgen mit garantierter Energieeinsparung. Die Vergabe von Leistungen erfolgt auf Grundlage des vom Hessischen Umweltministerium herausgegebenen Contracting-Leitfadens für öffentliche Liegenschaften im Competence-Center Energie- und Betriebstechnik des Hessischen Baumanagement (hbm). Für Photovoltaikanlagen stellt das Land privaten Investoren Dachflächen zur Verfügung. Energiemanagement und –controlling Mit der Gründung des Landesbetriebes hbm wurde das Energiemanagement und -controlling optimiert. Grundlage für das Zusammenwirken der Dienstellen des Landes mit den für das Energiemanagement und –controlling zuständigen Competence-Centren des hbm bildet die Energieverbrauchserfassungsanweisung (EVA) Hessen. Ziele der EVA Hessen sind im Einzelnen: - Erkennung von technischen und organisatorischen Schwachstellen im Betrieb von Energie verbrauchenden Anlagen, - Erarbeitung von Kalkulationsgrundlagen zur Beschaffung von Erdgas und Strom, - Prioritätenbildung zur Umsetzung von energiesparenden Maßnahmen, - Umsetzung von Maßnahmen des Energiespar-Contracting, - Bereitstellung von Planungskennwerten im Rahmen eines Gebäudearchivs, - Beiträge zum Energiebericht gemäß § 9 Hessisches Energiegesetz. Das aus der Durchführung unterschiedlichster Bauprojekte und der Konzentration des Sachverstandes in Competence-Centren gewonnene Know-how im Bereich Energie wird an Kommunen oder Träger von Bauten mit staatlichen Zuwendungen weitergegeben. Beispielhafte Projekte: Um neue Technologien und Verfahren zur effizienten Energienutzung und –beschaffung im Rahmen der Vorbildfunktion der Gebäude des Landes erproben zu können, arbeitet das hbm mit einschlägigen hessischen Institutionen zusammen. Diese Institutionen bearbeiten Schwerpunkte, die einen energetischen Bezug zu Teilbereichen oder Einzelgewerken im Hochbau bilden. Die Integration dieses Know-hows in das staatliche Bauen ist bei geeigneten Objekten Bestandteil des Planungsprozesses. 60

Aus den Bauprojekten des Landes lassen sich beispielhaft Maßnahmen hierzu benennen: Schwerpunkt Photovoltaik

Substitution von Fassaden- und Dachelementen durch Photovoltaikmodule

Block-HeizKraftwerke, Biomassefeuerung

Leistungsbereiche zur Anwendung in Gebäuden

FernwärmeRahmenverträge

Müllverbrennung, Kraft-WärmeKopplung

Tabelle 9:

Beispielhaftes Projekt Justizbehörden Kassel; Bauten mit staatlichen Zuwendungen, z.B. Mutter Theresa Stift in Neuhof Justizvollzugsanstalten, z. B. in Dieburg; Bauten mit staatlichen Zuwendungen, z. B. Margot v. Schutzbar-Stift in Wommen Fernwärmeverträge - Frankfurt - Kassel - Wiesbaden

Schwerpunkte von Maßnahmen bei Landesliegenschaften

Investive Maßnahmen Bei der Planung von Neubaumaßnahmen ist vorgesehen, auf Grundlage der durch das Hessische Umweltministerium entwickelten Kapitalwertmethode neben den Errichtungs- und Bewirtschaftungskosten künftig auch die CO2-Kosten zu beziffern, die bei der Nutzung des Gebäudes entstehen. Einsatz alternativer Technologien und erneuerbarer Energien Wie bereits praktiziert, etwa bei der Nutzung von Geothermie in der Polizeistation im Behördenzentrum Dillenburg und im Amtsgericht Seligenstadt, werden auch künftig alternative Technologien in geeigneten Fällen bei der Errichtung und Planung von Gebäuden eingesetzt. Erkenntnisse aus dem Wohnungsbau wie Passivhausbauweise, Bauteilkühlung, Nutzung von Erdwärme werden auf größere Gebäudekomplexe, wie Verwaltungsbauten, übertragen. Bei den erneuerbaren Energien, wie der Photovoltaik stehen fassaden- und dachintegrierte Systeme an. Die Energiebeschaffung berücksichtigt vermehrt regionale Gegebenheiten - in Ballungsräumen die Nutzung der Fernwärme aus der Müllverbrennung oder der KraftWärme-Kopplung, - in ländlichen Regionen den Einsatz von Biomasse. Bei Anmietungen werden vertragliche Regelungen vereinbart, die es ermöglichen, in Abstimmung mit den Eigentümern Maßnahmen zur Energieeinsparung durchzuführen. 61

6. 6

Bereich Gewerbe und Industrie

Der Industriesektor ist in Hessen zu etwa 9% an den hessischen CO2-Emissionen beteiligt. Einige Teile, wie zum Beispiel die Zement und Kalkproduktion, unterliegen dem Emissionshandel. In vielen Unternehmen des Maschinenbaus, der Elektrotechnik und des Automobilbaus bestehen noch ungehobene Potenziale zur wirtschaftlichen Verminderung der CO2-Emissionen bei gleichzeitiger Senkung der Energiekosten. Wirtschaftliche Maßnahmen setzen an einer Reduktion der Energieintensität und insbesondere der Stromintensität an, um so zu einer verstärkten Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Energieverbrauch beizutragen. Sie konzentrieren sich auf überwiegend kleine und mittlere Unternehmen, da bei diesen die größten Reduktionspotenziale erwartet werden. Als besonders wirkungsvolle Maßnahmen haben sich in der Praxis Maßnahmen zur Reduzierung des Stromverbrauchs bei der Nutzung von Elektromotoren und der Einsatz von Hocheffizienzmotoren erwiesen. Weitere Maßnahmen betreffen den Gesamtenergieverbrauch, der durch eine verstärkte gekoppelte Erzeugung von Wärme und Strom reduziert werden soll. Ergänzend dazu sind Maßnahmen erfolgreich, die Informationsdefizite beim Energieverbraucher zu beseitigen. Hierzu sind Aktivitäten im Rahmen des Hessischen „Klimapakts“ für Gewerbe, Handwerk und Industrie geplant. Weiterentwicklung des Stromeffizienz-Objektchecks für KmU zum Energieeffizienz-Check KmU Der derzeit von der Hessen-Energie GmbH im Auftrag der Landesregierung in Entwicklung befindliche „Stromeffizienz-Objektcheck“ für KmU wird um den Wärmebereich zu einem „Energieeffizienz-Check KmU“ erweitert. Es handelt sich dabei um ein weitgehend standardisiertes Instrument, mit dem anhand von Kenndaten der Elektrizitätsverbrauch und der Brennstoffverbrauch eines KmU bewertet, die Verbrauchsschwerpunkte identifiziert und Empfehlungen für detaillierte Untersuchungen einzelner Verbrauchsbereiche zur Steigerung der betrieblichen Energieeffizienz gegeben werden können. Nach der Entwicklung wird der Energieeffizienz-Check anhand von Modellprojekten geprüft und optimiert. Regionaler Energietisch in Hessen Die Landesregierung führt zusammen mit der Industrie- und Handelskammer Darmstadt das Modellvorhaben „Regionaler Energieeffizienztisch Südhessen“ durch, das in Kürze startet. Vorbild ist das Modellvorhaben „Effizienz-Tisch Hohenlohe in der Wirtschaft“. Dort hat sich ein regionales Netzwerk aus kleinen und mittleren Unternehmen gebildet, die gemeinsam ein verbindliches Einsparziel formulieren, unter Begleitung von Fachleuten die Energiesituation in den teilnehmenden Betrieben analysieren und bewerten, sowie geeignete Maßnahmen planen und umsetzen. Ähnliche Vorhaben sind in Mittel- und Nordhessen geplant.

62

Forschungswettbewerb „Mehr Effizienz mit weniger CO2“ Das Hessische Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz plant die Auslobung eines Unternehmenswettbewerbes zu „mehr Effizienz mit weniger CO2“. Zielgruppe sind hier in erster Linie hessische Großemittenten, aber auch Unternehmen, die hochinnovative und klimaeffiziente Produktionstechniken oder Produkte/Anlagen für den CO2-armen Stoffeinsatz entwickeln. Nutzung von Trockenstabilat und anderen Ersatzbrennstoffen Bei der Substitution von herkömmlichen fossilen Brennstoffen durch Ersatzbrennstoffe ist Hessen bereits heute fortgeschritten. Neben der Trockenstabilat-Pilotanlage in Aßlar sind 4 weitere energetische Verwertungsanlagen für Ersatzbrennstoffe geplant und zum Teil bereits genehmigt. Das vorhandene Know-How sollte genutzt und gestärkt werden. Einen wichtigen Schritt stellt eine gesamthessische Potenzialanalyse dar.

6.7

Bereich Verkehr

Der Verkehr ist mit 16,7 Mio. t CO2 pro Jahr für etwa 37% der energiebedingten CO2Emissionen verantwortlich. Hauptursache für die bisher angestiegenen Treibhausgas-Emissionen im Verkehr war die andauernde Zunahme des Verkehrsaufkommens, die die relativ geringen Erfolge bei der spezifischen Einsparung am Einzelfahrzeug mehr als kompensierte. Auch für die Zukunft sagen maßgebende Prognosen eine weitere Zunahme des Verkehrs voraus. Die steigenden Verkehrsmengen können von der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur, insbesondere der Straße, häufig nur noch in unzureichender Qualität bewältigt werden. Die Folge sind Unfälle und Stauungen, die nicht allein Kosten und volkswirtschaftliche Schäden, sondern auch Umweltbelastungen verursachen. Zur Bewältigung dieser Probleme sind der weitere Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, sowie Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsablaufs, auch als Maßnahmen der Verkehrstelematik und des Verkehrsmanagements, erforderlich. Das diesem Programm zu Grunde liegende Forschungsvorhaben „Integriertes Klimaschutzprogramm INKLIM 2012“ hat für den Bereich Verkehr Felder identifiziert, die mit Maßnahmen zur CO2-Reduzierung unterlegt sind. Dabei haben die Gutachter besonderen Wert auf die Ermittlung der anfallenden Kosten, der CO2-Minderung sowie der Minderungskosten in €/t CO2 gelegt. Darüber hinaus haben die Forscher auch Bereiche vorgeschlagen, bei denen es um die Fortführung oder Unterstützung bestehender Maßnahmen in Bereichen geht, die nur in geringem Maße direkt zu beeinflussen sind, sowie deren Maßnahmewirkung und -nutzen nicht quantifizierbar sind.

63

Mobilität in Unternehmen und Einrichtungen integriert gestalten Bei der integrierten Gestaltung von Mobilitätsangebot und Mobilitätsverhalten wird in Unternehmen und Einrichtungen bereits derzeit ein Bündel von Maßnahmen umgesetzt, das die ÖPNV-, Fahrrad- und Fußnutzung fördert und die Effizienz im motorisierten Verkehr verbessert. Entscheidender Erfolgsfaktor ist, dass Mobilitätsberater in Unternehmen und Einrichtungen die Gestaltungsprozesse initiieren und begleiten und die Maßnahmen auf die konkrete Einrichtung und auf die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten, Besucher und Lieferanten zugeschnitten sind. Das Land Hessen kann bei der Einrichtung von Beratungszentren mitwirken. So hat das Hessische Wirtschaftsministerium bisher eine Reihe von Mobilitätszentralen, am bekanntesten ist die „Verkehrsinsel“ auf der Frankfurter Hauptwache, finanziell unterstützt. Erst in Ansätzen vorhanden sind Bestrebungen der integrierten Mobilitätsgestaltung in Landesverwaltung und angeschlossenen Behörden, die zusätzlich zum direkten Nutzen auch Vorbildcharakter haben. Projekte mit diesem Ansatz bedürfen daher einer sorgfältigen Evaluation. Effiziente Fahrweisen fördern Durch wiederholte Schulungen und Kurse für Führerscheininhaber werden diese motiviert, ihr Kraftfahrzeug kraftstoffsparend zu betreiben. Die Lerninhalte umfassen Fahrzeugausstattung (z. B. Verwendung von Leichtlaufölen, richtiger Reifendruck) und das Führen des Fahrzeugs (niedrigtouriges und vorausschauendes Fahren). Die professionell und mit anerkannten Curricula durchgeführten Kurse umfassen sowohl die theoretische Vermittlung der Sachverhalte als auch praktische Fahrbegleitung. Effiziente Fahrweisen sind geregelt in der Führerscheinverordnung. Zielgruppe sind sowohl Privatpersonen als auch Berufskraftfahrer und Vielfahrer. Die Kurse adressieren an das Kostenbewusstsein und vermitteln Fahrtechniken, welche nicht zu Komforteinbußen oder Minderungen der Reisegeschwindigkeiten führen. Landesforschung Mobilität Durch Forschungsförderung des Landes Hessen bei den Verkehrsträgern wie ÖPNVVerkehrsverbünde, Verkehrszentrale Hessen oder bei Institutionen der Verkehrsträger (Zentrum für integrierte Verkehrssysteme, ZIV, Gesellschaft für ein integriertes Verkehrsmanagement, ivm) in den Feldern Verkehrsmanagement und Verkehrstelematik wird der wissenschaftliche und technologische Stand der Erkenntnis vorangetrieben und die Realisierung innovativer Emissionen mindernder Maßnahmen beschleunigt. Diese Handlungsansätze werden fortgeführt und unter dem Aspekt des Klimaschutzes verstärkt vorangetrieben. ÖPNV attraktiv gestalten In Hessen decken die Verkehrsverbünde Rhein-Main-Verkehrsverbund, Nordhessischer Verkehrsverbund und Verkehrsverbund Rhein-Neckar die ganze Fläche des Bundeslandes ab. Bund und Land Hessen stellen den Verkehrsverbünden jährlich Finanzmittel in Höhe von ca. 64

530 Mio. € zur Verfügung, damit die Verkehrsinfrastruktur und das ÖPNV-Angebot verbessert werden. Diese Maßnahmen werden künftig von den Verbünden fortgesetzt und durch Entwicklungen wie integrierte rechnergestützte Betriebsleitsysteme oder differenzierte Bedienungsformen, verstärkt vorangetrieben. Effiziente Fahrzeugnutzung fördern Charakteristisch für die Nutzung von Pkw sind vergleichsweise geringe Besetzungsgrade von ca. 1,3 Personen pro Pkw. Verkehrszweckabhängig liegt der Besetzungsgrad sogar darunter (im Berufsverkehr z. B. unter 1,1 Personen pro PKW). Durch Park and Ride Anlagen können Verkehrsteilnehmer auf den ÖPNV umsteigen. Durch die Schaffung von Fahrgemeinschafts-Umsteigeparkplätzen („Parken + Mitfahren“) zur Förderung von Fahrgemeinschaften kann die Effizienz der Pkw-Nutzung verbessert werden. Verkehrsleitsysteme ausbauen Dynamische Leitsysteme, „intelligente“ Verkehrssteuerung und individuelle Dienste verbessern den Verkehrsfluss und tragen zu einer besseren Nutzung der Kapazitäten bei. Integrierte Verkehrsmanagementsysteme dagegen orientieren sich am Gesamtnutzen für die Gesellschaft und sind somit unter dieser Prämisse für die Lenkung, Steuerung und Navigation der gesamten Verkehrsströme optimiert. Die bestehenden Systeme, die vor allem aus der Initiative „Staufreies Hessen 2015“ finanziert werden, sind auszuweiten und die in Erprobung und Aufbau befindlichen Systeme sind verstärkt einzuführen. Wirtschaftsverkehr optimieren Der Güterverkehr weist einen steigenden Anteil an den CO2- wie auch an anderen Umweltbelastungen auf. Der Schienenverkehr hat in einigen Bereichen (Massengüter, größere Transportweiten) wesentliche Umweltvorteile gegenüber dem Lkw-Verkehr. Fehlender direkter Zugang von Firmen zum Schienennetz oder komplizierte kosten- und zeitaufwändige Umladevorgänge können u. a. dazu führen, dass auch bahnaffine Güter nicht auf der Schiene transportiert werden. Um diese Nachteile zu verringern, wurden und sollten auch weiterhin Maßnahmen wie Aufrechterhaltung bzw. Instandsetzung von Industrie-Gleisanschlüssen oder der Aufbau verkehrsträgerübergreifender Logistikzentren ergriffen werden. Neben den bereits genannten Maßnahmen, bei denen das Land Hessen selbst unterstützend aktiv ist, gibt es eine Reihe Emissionen mindernder Maßnahmen, die außerhalb der Handlungskompetenzen des Landes liegen. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass das Wirtschaftsverkehrsgeschehen stark von den Interessen der verladenden Wirtschaft und des Transportgewerbes geprägt ist. 65

Einsatz CO2-emissionsarmer Fahrzeuge fördern Klimapolitisches Ziel sollte es sein, möglichst rasch eine Kfz-Erneuerung mit möglichst CO2emissionsarmen Fahrzeugen zu erreichen. Neben dem Marktangebot an Fahrzeugen müssen aber auch entsprechende Kaufanreize für die Endverbraucher geschaffen werden. Hierbei wird sich die Landesregierung weiter um einen Dialog mit dem Bund, der EU und den entsprechenden Verbänden bemühen.

6.8

Querschnittsmaßnahmen zur CO2-Vermeidung

Querschnittsmaßnahmen sind nicht einem einzelnen Sektor zuzuordnen, sondern betreffen verschiedene Sektoren mit unterschiedlichen Adressaten und Akteuren sowie unterschiedliche Handlungsfelder. Die im Folgenden vorgestellten Querschnittsmaßnahmen stellen wichtige Ansatzpunkte dar, über die die Landesregierung – nicht nur im Interesse des Klimaschutzes, sondern auch der hessischen Wirtschaft und Verbraucher – auf die Klimaschutzpolitik des Bundes oder sogar der EU Einfluss nehmen kann. Wesentliche Maßnahmen wirken auch auf regionaler Ebene. So werden der Ausbau von marktwirtschaftlichen Instrumenten, wie beispielsweise der Emissionshandel, oder die Kommunikation von freiwilligen, innovativen und wirtschaftlichen Klimaschutzaktivitäten, wie im „Hessischen Klimapakt“, besondere Schwerpunkte bilden. Hessischer Klimapakt Im Rahmen der Umweltallianz Hessen wird ein „Hessischer Klimapakt“ basierend auf drei Säulen für die Sektoren Gewerbe und Industrie entwickelt. Der Hessische Klimapakt soll sich dabei auf die Unternehmen konzentrieren, die bislang nicht vom Emissionshandel betroffen sind. Dabei sollen Ankerprojekte mit Ausstrahlungseffekten die hessischen Betriebe ansprechen und einen Dialog eröffnen, um weitere Firmen mit neuen Ideen und technischen Innovationsansätzen in den Klimapakt aktiv einzubeziehen. Die drei Säulen bilden die Bereiche Industrie/Gewerbe, Gebäude/Handwerk und Logistik/Transportsektor. In der Säule „Industrie/Gewerbe“ spielen die Durchführung eines Klimaschutzwettbewerbs zur Prämierung hessischer Unternehmen, die besonders beispielhafte Projekte im Klimaschutz durchgeführt haben und die systematische Untersuchung von Innovationspotenzialen bei Klima- und Energieeffizienz eine besondere Rolle. So sollen insbesondere innovative Ansätze für wirtschaftliche Klima- und Energieeffizienzprojekte dargestellt und bekannt gemacht werden. Die Säule „Gebäude/Handwerk“ befasst sich schwerpunktmäßig mit der Steigerung der energetischen Sanierungsrate hessischer Bestandsgebäude. Die dritte Säule „Logistik/Transportsektor“ enthält Vorhaben zur Steigerung des Einsatzes biogener Treibstoffe. Insbesondere sollen im Klimapakt Unternehmenskooperationen gefördert werden.

66

Initiative Hessens zur Neuregelung des Emissionshandels über den Bundesrat Basierend auf den Ergebnissen der Studie „Der Handel mit CO2-Emissionsberechtigungen – erste Erfahrungen und Konsequenzen“ wird sich das Land Hessen über den Bundesrat für folgende Fortentwicklungen des Emissionshandels in folgender Hinsicht einsetzen: 1. Einführung einer Bagatellschwelle für Kleinanlagen (Anlagen mit weniger als 25.000 t CO2/a sollen aus dem Emissionshandelssystem entlassen werden), 2. Vereinfachtes Monitoring für Kleinemittenten, 3. Reduzierung von Ausnahmetatbeständen im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) und Zuteilungsgesetz (ZuG) 2008/2012, 4. Entflechtung von Emissionshandelsrecht und Immissionsschutzrecht. Förderung von JI- und CDM-Projekten in und aus Hessen heraus Einer aktiven Nutzung der flexiblen Kyoto-Mechanismen, die im deutschen ordnungsrechtlich geprägten Umweltschutzrecht bislang einmalig sind, kommt eine besondere Bedeutung zu. Das Land Hessen unterstützt daher aktiv potenzielle hessische Antragsteller bei der Antragstellung beim Umweltbundesamt und gibt Hilfestellung z. B. über den JI-Leitfaden. Die Aktivitäten sollen gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft und den bestehenden Klimafonds verstärkt werden. Klimaneutrale Produkte Das Hessische Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz unterstützt im Rahmen des Projektes „Hessische Klimapartner“ die Klimaschutzinitiative zur Entwicklung von klimaneutralen Produkten und Dienstleistungen in hessischen Unternehmen. Zu den ersten Projektpartnern zählten die Neckermann Versand AG, die HEAG mobilio GmbH, die Deutsche Telekom und die Frankfurter Rundschau. „Klimaneutrale Produkte“ entstehen, wenn CO2-Emissionen einer Ware oder Dienstleistung von der Herstellung der Rohstoffe und Vorprodukte bis zur Lieferung an den Kunden systematisch erfasst und an anderer Stelle vermindert werden. So werden nicht vermeidbare Emissionen, die bei der Produktion eines Gutes oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung entstehen, an anderer Stelle durch entsprechende Klimaschutzmaßnahmen auf freiwilliger Basis kompensiert. Denn es spielt für den globalen Klimaschutz keine Rolle an welchem Ort CO2-Minderungen erzielt werden. In der laufenden Programmperiode 2007 ist eine Weiterentwicklung vorgesehen. Schwerpunkt bilden diesmal Dienstleistungen aus dem Verkehrs- und Logistiksektor. Für die Aktion konnten unter anderen die Deutsche Post/DHL, die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Deutsche Bank neu hinzu gewonnen werden. Das Land Hessen erhofft sich durch diese Initialförderung die Festlegung von Qualitätsstandards und die Motivation weiterer Nachahmer aus anderen Produktions- und Dienstleistungsbereichen. 67

Kommunalwettbewerb „Unsere Kommune ist klimaaktiv“ Das Hessische Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz plant die Auslobung eines Wettbewerbes, um die klimaaktivsten Gemeinden in Hessen zu prämieren. Dabei werden für Kommunen und Städte unterschiedlicher Größenordnung sowie einzelner Landkreise die Projekte mit dem besten konzeptionellen Ansatz und vorbildlichen Einzelleistungen ausgezeichnet. Treibhausgasbilanz und Klimaschutzmonitor Das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) erarbeitet jährlich eine Treibhausgasbilanz für Hessen, die sukzessive erweitert wird. Die Treibhausgasbilanz soll zeigen, wie sich die Emissionen in Hessen, aufgeteilt nach Sektoren und Treibhausgasen im Laufe der Zeit verändern und wie eine quantifizierbare Erfolgskontrolle ermöglicht werden kann. Der Klimaschutz-Monitor des HLUG stellt eine umfangreiche Informationssammlung zu Themen aus dem Bereich internationaler, nationaler und regionaler Klimaschutzpolitik dar: -

Treibhausgasemissionen, naturwissenschaftliche Grundlagen, Abkommen und Vereinbarungen , Klimaschutzprogramme, Forschungsaktivitäten und einschlägige Institutionen.

Forschungsprojekte „Regionale Anpassung an den Klimawandel“ KlimaRegio Hier sollen Projekte gefördert und initiiert werden, die zum Ziel haben, in den Bereichen Land-, Forst- und Wasserwirtschaft regionale Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln oder zu bewerten. Insbesondere sollen hier auch vorbereitende oder nachbereitende Projekte in und aus Hessen heraus Unterstützung finden, die auf eine Förderung im Rahmen des deutschen Klimaforschungsprogrammes KlimaZwei des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) abzielen. KlimaZwei werden folgende Kernziele verfolgt: -

die Verbesserung des Verständnisses des Klimasystems und seiner Beeinfluss-

-

barkeit durch den Menschen, eine Verringerung der Unsicherheiten bei der Analyse und Vorhersage,

-

die Ableitung von Handlungsstrategien für den Umgang mit dem Klimawandel (Vermeidung und Anpassung).

68

Querschnittsorientierte Planungen, Landesplanung und hierauf aufbauende Bauleitplanungen Die Raumplanung dient der Vorsorge der verschiedenen Raumfunktionen und Raumnutzungen. Hierzu gehört nach den Grundsätzen in § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG und den hierauf aufbauenden Bestimmungen des Hessischen Landesplanungsgesetzes auch der Schutz des Klimas. Wesentliche Instrumente der Raumplanung zum Klimaschutz sind: 1. Planerische Freiraumsicherung unter dem Aspekt des Klimaschutzes, wozu auf der Ebene des Landesentwicklungsplanes die Festlegung von überregional bedeutsamen Freiräumen gehört. In den Regionalplänen sind der Regionale Grünzug und Vorbehaltsgebiete zum Klimaschutz von Bedeutung. Gleiches gilt für Vorranggebiete für Forstwirtschaft, da sie als dauerhaft zu bewaldende Flächen wichtige Senken des klimarelevanten Kohlendioxides darstellen. 2. Integrierte Siedlungs- und Verkehrsplanung (z. B. durch räumliche Konzentration der Siedlungstätigkeit bzw. des großflächigen Einzelhandels und ihre vorrangige Anbindung an vorhandene Verkehrstrassen), wodurch Flächeninanspruchnahmen und Verkehrsbelastungen sowie damit verbundene Klimaschädigungen minimiert werden können. Hierzu hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung bereits vor einiger Zeit eine Arbeitshilfe für die kommunale Bauleitplanung erstellen lassen /16/. 3. Planerische Vorsorge für klimaverträgliche Energiegewinnung (z. B. durch die Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung). Durch die im Rahmen des Klimaschutzprogramms Hessen erstellten Untersuchungen kann die landesplanerische Steuerung der Raumnutzung im Hinblick auf den Klimaschutz auf eine verbesserte fachliche Daten- und Argumentationsgrundlage gestellt und damit zielgerichteter und wirksamer erfolgen.

Bildung Die Schule ist neben dem Elternhaus der wichtigste Lernort für die Generationen, die in der Zukunft die Verantwortung für das gesellschaftliche Handeln übernehmen werden. Eine wichtige Komponente dieses Handelns ist die Verantwortung für die Umwelt. Die Schule kann sich jedoch nicht damit begnügen, ein abstraktes Umweltbewusstsein zu wecken, sondern ist gefordert, den Schülern die praktische Umsetzung in konkreter Anschauung zu demonstrieren, beispielsweise mittels moderner und innovativer Technologien. In den Schulen ein hohes Einsparpotenzial durch nicht-investive Maßnahmen vorhanden, das bis zu 20 % des Energieverbrauchs betragen kann. Der Lernort Schule ist deshalb ein besonders geeigneter Ort, über effiziente und innovative Energienutzung zu informieren und für die Umsetzung in konkretes Handeln zu motivieren.

69

Die Landesregierung hat am 12. Dezember 2005 beschlossen, sich aktiv und mit eigener Strategie und eigenem Maßnahmenplan an der von den Vereinten Nationen (UN) in den Jahren 2005 bis 2014 in der Durchführung befindlichen Dekade „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ zu beteiligen. Das Hessische Kultusministerium ist beauftragt, in enger Abstimmung und mit aktiver Beteiligung aller Ressorts eine landesbezogene Strategie zur Umsetzung und Gestaltung der UN-Dekade in Hessen zu entwickeln. Akteure und Institutionen der formalen Bildung sowie der nicht-formalen Bildung und Erziehung sind einzubeziehen. Die bisherigen und künftigen Modellprojekte der Landesregierung zum Thema „Lernen und handeln für die Zukunft – hessische Schulen sparen Energie“ werden in diese Strategie integriert. Informationsvermittlung an die Schüler und Unterrichtskonzepte Zum Thema „Lernen und handeln für die Zukunft – hessische Schulen sparen Energie“ hat die Landesregierung innerhalb des Hessischen Bildungsservers eine eigene Internetseite mit eigener Adresse eingerichtet. Dieses Internetangebot für die Lehrer und Schüler wird laufend aktualisiert und weiter ergänzt werden. Es enthält vorhandene Publikationen bzw. Dokumentationen. Die Unterrichtseinheit „Sonne erleben – Energie erfahren“ für die Grundschule, die vom Naturschutz-Zentrum entwickelt worden ist, wird den hessischen Grundschulen kostenlos zur Verfügung werden. Die Landesregierung hat in den Berufsschulen für zwei Lernfelder der neuen Rahmenlehrpläne für Anlagenmechaniker und Elektroniker Unterrichtskonzepte entwickeln lassen, die beispielhaft Energiespartechnologien und die Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien in der Ausbildung sowie die Grundsätze einer wirtschaftlich und ökologisch effizienten Energiebewirtschaftung berücksichtigen. Diese Konzepte wurden an die hessischen Berufsschullehrer weiter vermittelt und stehen auf der o. a. Internetseite zur Verfügung. Zur Abrundung ist noch die Bearbeitung eines dritten Lernfeldes aus dem Rahmenlehrplan für Maler und Lackierer bzw. demjenigen für Maurer geplant, das sich inhaltlich mit energieeffizienter Gebäudetechnik beschäftigen wird. Energieeffiziente Schule In den vergangenen Jahren haben zahlreiche hessische Schulträger Prämienmodelle, Budgetierung und/oder Wettbewerbe unternommen, um die Energiekosten zu senken. Die Landesregierung hat diese Modelle auswerten und Empfehlungen für ihre weitere Entwicklung ausarbeiten lassen, die die Schulträger für ihre weiteren Aktivitäten nutzen. Die Landesregierung wird die Schulträger und die Energiebeauftragten auch künftig bei ihren innovativen Modellen zur Energiekosteneinsparung unterstützen.

70

Die Landesregierung finanziert die wissenschaftliche Begleitung des Erweiterungsbaus der Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld in Passivhaus-Bauweise. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt werden insbesondere den hessischen Schulträgern und anderen potenziellen Investoren vermittelt werden. Es ist beabsichtigt, den Schulträgern und den mit der Planung und Ausführung des Bau sowie der Modernisierung von Schulgebäuden befassten Berufen qualifizierte Informationen gebündelt zur Verfügung zu stellen. Dazu wird eine eigene Rubrik „Energieeffiziente Schulen in Hessen“ auf der Internetseite „Energieland Hessen“ des Hessischen Wirtschaftsministeriums eingerichtet. Es wird ein Leitfaden erstellt werden, der den Investoren Empfehlungen für die Festsetzung der energetischen Qualität des Gebäudes im Rahmen der Planung und der Ausschreibung von Neubau- und Modernisierungsmaßnahmen gibt. Information

und

Know-How

Transfer,

Öffentlichkeitsarbeit,

Ausstellungen

und

Veranstaltungen Die Landesregierung wird in ihrer Informationspolitik zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energien auch künftig Schwerpunkte setzen: - im Gebäudebereich, insbesondere die Wohngebäude, - in der solarthermischen Nutzung als beispielhaft für die Markteinführung erneuerbarer Energien, - für die Zielgruppen der kleinen und mittleren Unternehmen (KmU) sowie der Kommunen. Die Internetseite „Energie“ des hessischen Wirtschaftsministeriums bietet – neben den Informationen für die Verbraucher – insbesondere mit der Rubrik „Energieland Hessen“ zahlreiche Informationen und links zu den einzelnen Themen der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien, die speziell auch für diese beiden Zielgruppen der KmU und der Kommunen von Interesse sind. Diese Internetseiten werden weiter gepflegt und ausgebaut werden. Das Hessische Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz bietet eine Vielzahl spezieller Informationsangebote an. Dazu zählen auch spezielle Informationen im Bereich der Biomassenutzung, z. B. bei dem Kompetenzzentrum HessenRohstoffe (HeRo). Eine der zentralen Aufgaben von HeRo ist die Netzwerkgestaltung mit den relevanten hessischen Akteuren. HeRo fungiert dabei als Plattform und Interessenbündler von Unternehmen, Verbänden, Organisationen und staatlichen Einrichtungen in ihrem Biomasseengagement.

71

7.

Geplante Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte

7.1

Forschungs- und Wissenschaftsstandort Hessen

Eine zentrale Voraussetzung bei der Gestaltung einer hessischen Klimaschutzpolitik stellt die Klimaforschung und die Klimafolgenforschung dar. Der Forschungsstandort Hessen hat hier mit den Universitäten Kassel, Gießen/Marburg, Frankfurt und Darmstadt sowie zahlreichen, interdisziplinär forschenden Einrichtungen auf diesem Gebiet sehr gute Voraussetzungen, um qualifizierte Beiträge zur Schließung von Forschungslücken im Bereich der Klimaforschung und Klimafolgenforschung zu leisten. So hat beispielsweise die Universität Kassel große Erfahrungen in der Modellierung von Landnutzungsänderungen. Die Ergebnisse werden auch in das IPCC eingespeist. Das Land Hessen unterstützt insbesondere die weitergehende Vernetzung hessischer Forschungseinrichtungen mit Bundesforschungsanstalten, Forschungseinrichtungen der Unternehmen oder internationalen Forschungsinstituten. Dabei soll die bestehende Infrastruktur in Hessen intensiv genutzt werden. Als mögliche Anknüpfungspunkte seien hier genannt: •

Deutscher Wetterdienst DWD, Sitz in Offenbach,



EUMESAT (European Organisation for the Exploitation of Meteorological Satellites), Sitz in Darmstadt.

Eine der wichtigsten Größen im Klimasystem ist z. B. die Bewölkung, die bei der Bilanzierung der Energie der Erde eine entscheidende Rolle spielt. Der Wasserdampf und seine Verteilung in der Atmosphäre lassen sich bislang nur ungenau erfassen. Um das Wettersystem künftig kontinuierlich und flächendeckend beobachten zu können, setzt man große Erwartungen in den neuen Europäischen EUMESAT-Satelliten. EUMESAT, die europäische Organisation zur Nutzung meteorologischer Satelliten ist eine zwischenstaatliche Organisation mit Sitz in Darmstadt. Sie kooperiert mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD). Klimainformationen sind Bestandteile vieler Entscheidungsprozesse. Grundlage bildet die fortlaufende, objektive und präzise Überwachung der Teilkomponenten des Klimasystems. Durch den Betrieb seiner Beobachtungssysteme trägt der DWD maßgeblich zur Überwachung all dieser Teilkomponenten bei. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Überwachung des physikalischen Zustandes der Atmosphäre. Auch Unternehmen, wie die Lufthansa engagieren sich in der Klimaforschung. Lufthansa hat in 2004 das für die Klimaforschung Projekt CARIBIC begonnen. Über 50 verschiedene Gase und Partikelverbindungen werden im Reiseflug in acht bis zwölf Kilometern Höhe aufgezeichnet – in 72

einer Atmosphärenschicht, die für die Wissenschaftler von besonderem Interesse ist. Hier können weder Satelliten noch bodengestützte Messungen klimarelevante Parameter in ausreichender Auflösung erfassen. Das EU-Projekt wird detaillierte Aufschlüsse über die chemischen Prozesse und Transportvorgänge in der Erdatmosphäre geben. Zudem wird es helfen, die Modelle zur Klima-Vorhersage deutlich zu verbessern. Auf bis zu vier Flügen im Monat wird ein mit rund 20 wissenschaftlichen Instrumenten bestückter, insgesamt 1,5 Tonnen schwerer Laborcontainer im Dienste der Wissenschaft unterwegs sein /3/. Mobilität ist für Hessen einer der wichtigsten Standortfaktoren. Mit dem größten Flughafen Kontinentaleuropas, dem Frankfurter Hauptbahnhof und dem Frankfurter Kreuz ist das Rhein Main Gebiet eine bedeutende Verkehrsdrehscheibe in Europa. Interessante Ansatzpunkte für Forschungsinitiativen bilden die Felder: •

Energieeffiziente Antriebstechnologien und Betriebsweisen (z. B. marktfähige Kfz-Antriebstechniken, Flugverfahren) z. B. in Kooperation mit der hessischen Automobilindustrie und



Anwendung ökonomischer Instrumente (z. B. gesamtwirtschaftliche und politische Wirkungen monetärer Steuerungsinstrumente).

Die Brennstoffzelle kann in der künftigen Energieversorgungsstruktur eine zentrale Funktion übernehmen. Insbesondere in Fahrzeugen und in der dezentralen Kraftwärmekopplung soll mit dieser Technologie langfristig ein wesentlicher Beitrag zur Reduktion des Verbrauchs fossiler Energieträger und der Emission von Schadstoffen geleistet werden. Die vorhandene ausbaufähige Wasserstoff-Infrastruktur im Industriepark Frankfurt-Höchst – hier entstehen jährlich 30 Millionen Kubikmeter Wasserstoff als Nebenprodukt eines chemischen Produktionsprozesses – bietet optimale Voraussetzungen für die Anwendung und Weiterentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in Hessen. Mit Gründung des „Vereins Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Initiative Hessen“ im März 2003 besteht nun ein Dach für die Konzeption und Durchführung gemeinsamer Projekte und Maßnahmen. /5/

73

7.2

Forschungs- und Entwicklungsbedarf im Bereich Klimaforschung, Klimafolgenforschung und Anpassungserfordernissen

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes INKLIM 2012 zeigen, dass noch erheblicher Forschungsbedarf in der Bereichen Klimaforschung und Klimafolgenforschung besteht. Die bisherigen Folgenabschätzungen im Rahmen von INKLIM 2012 basierten wesentlich auf dem IPCC-Szenario (B2), das als moderat anzusehen ist. Die Spannbreite der Aussagen soll im Vergleich mit weiteren Szenarien überprüft werden. Erstmals standen im Laufe des Jahres 2006 Klimaprojektionsdaten zur Verfügung stehen (für Hessen und auch bundesweit), die auf pessimistischen (vgl. Abbildung 10, S. 20) bis optimistischen (nachhaltige Weltwirtschaftsentwicklung) Szenarien beruhen, so dass die Spannbreite möglicher Entwicklungen betrachtet werden kann. Ausgehend von diesen neuen Klimaprojektionsdaten erscheint weitere Klimafolgenforschung besonders auf folgenden Gebieten notwendig: a) Hoch-/Niedrigwasserproblematik (Hochwasserschutz, Zustand oberirdischer Gewässer), b) Grundwasserstände (z. B. Vernässung von Gebäuden oder landwirtschaftlichen Flächen), c) Forstwirtschaft, d) Landwirtschaft, e) Weinbau, f) Bodenschutz, Gesundheitsschutz, Naturschutz.

Die in den Klimafolgenforschungen gewonnenen Erkenntnisse können u. a. eine wertvolle Grundlage für die räumliche Planung bilden, so z. B. bei der Ausweisung von raumbedeutsamen Flächen für den Grundwasserschutz oder den Hochwasserschutz in den Regionalplanungen.

Die Trinkwasserversorgung der Bundesrepublik Deutschland erfolgt zum weit überwiegenden Anteil aus dem Grundwasser. Im Rahmen der letzten Nassperiode 1999-2003 gerieten in der bundesweit aufgetretenen witterungsbedingten Periode ausgeprägt hoher Grundwasserstände Vernässungsprobleme in Siedlungsgebieten in das öffentliche Bewusstsein. In der politischen Diskussion der Ursachen für die unverträglich hohen Grundwasserstände wurde immer wieder nachgefragt, ob der Klimawandel evtl. schon Ursache für diese Problematik sei, zumal bekannt ist, dass in weiten Teilen Deutschlands die Niederschläge insbesondere im hydrologischen Winterhalbjahr signifikant angestiegen sind. Für die Grundwasserstände sind wiederum gerade die Winterniederschläge von entscheidender Bedeutung, da sie i.d.R. den größten Anteil an der Grundwasserneubildung haben. 74

Die Veränderungen im Grundwasserhaushalt als Folge des Klimawandels und der häufiger auftretenden Extremwetter sollen im Rahmen des BMBF-Projekt „Anpassungsstrategien an Klimatrends und Extremwetter für ein nachhaltiges Grundwassermanagement“ quantifiziert und Anpassungsstrategien für ein nachhaltiges Grundwassermanagement modellhaft für die Region Hessisches Ried und angrenzender Odenwald untersucht werden. Das Teil-Projekt „Konzeptionelle Wasserhaushaltsmodellierung und dezentrale Wasserversorgung“ wird vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie durchgeführt. Im Rahmen von INKLIM 2012 wurden Simulationsrechnungen mit dem Wetterlagen- basierten Regionalisierungsmodell bis 2100 auf der Basis des IPCC B2-Szenarios durchgeführt. Da es sich beim B2-Szenario um ein moderates Szenario handelt, empfiehlt es sich zur Abschätzung der Spannweite ebenfalls pessimistische Szenarien zu rechnen. Bereits das gemäßigte Szenario B2 zeigt schon eine deutliche Erhöhung der Grundwasserneubildung auf. Aus Sicht des Grundwasserschutzes erscheint es daher erforderlich, Modellrechnungen auch mit anderen Emissionsszenarien durchzuführen, um mögliche Bandbreiten hinsichtlich der Variation der Grundwasserneubildung ausloten zu können. In Regionen mit einem grundwasserabhängigen Landschaftswasserhaushalt treten insbesondere bei Hoch- und Tiefständen des Grundwassers häufig Konflikte mit den unterschiedlichen Formen der Landnutzung auf. Exemplarisch seien für Grundwassertiefstände (Trockenperioden) und Grundwasserhochstände (Nassperioden) genannt: Trockenperioden •

Nassperioden

Setzungsschäden an Gebäuden und



Gebäudevernässung

Infrastruktur •

Trockenschäden in Wäldern



Beeinträchtigung der Siedlungsentwässerung



Zerstörung feuchteabhängiger Biotope



Vernässung land- und forstwirtschaftlicher Flächen

Tabelle 10:

Mögliche Landnutzungsbeeinträchtigungen infolge veränderter Grundwasserstände

Nutzungskonflikte treten insbesondere bei Extremständen des Grundwassers auf. Die Konfliktbereiche werden zunächst an Hand von Flurabstandskarten bzw. Grundwassergleichenkarten bei max. und min. Grundwasserständen für das Hessische Ried abgeschätzt. Die Bezugszustände werden aus den umfangreichen Schadenserhebungen abgeleitet. An Hand der prognostizierten Entwicklung der Grundwasserstände wird ermittelt, wie häufig und in welcher Ausdehnung diese kritische Grundwasserniveaus zukünftig über- oder unterschritten werden. 75

Das fertige Gesamtmodell soll in Zukunft auch für Vorhersagezwecke eingesetzt werden. Insbesondere sollen mit dem Modell die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die Wasserhaushaltsgrößen und deren Wechselwirkung mit der Umwelt prognostiziert werden. Von Interesse sind ebenfalls Untersuchungen zur Entwicklung der Wassertemperatur in Oberflächengewässern unter den zu erwartenden klimatischen Bedingungen und ihre Auswirkungen auf die Flora und Fauna im Gewässer. Diese Fragestellungen sind relevant für die Bewertung des ökologischen Zustands oberirdischer Gewässer über die vorhandenen Organismen. Die Entwicklung der Wassertemperatur hat ferner Bedeutung für die zukünftige Zulässigkeit von Wärmeeinleitungen. Die Niedrigwasserproblematik in den Sommermonaten kann zu Problemen bei Wasserentnahmen durch Industrie (Prozesswasser) und Landwirtschaft (Beregnung) führen. Insbesondere für die Land- und Forstwirtschaft aber auch für die Artenvielfalt sind Veränderungen im Auftreten von Schädlingen infolge einer Klimaerwärmung von besonderer Bedeutung. Hier gilt es in Zusammenarbeit mit der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt zu untersuchen, in wiefern sich neue Schädlingsarten in Hessen ausbreiten oder günstigere Rahmenbedingungen für Massenentwicklungen entstehen, um entsprechende Vorkehrungen treffen und die heimischen Nutzpflanzen schützen zu können.

7.3

CO2-Sequestrierung

Es wird allgemein erwartet, dass die Abscheidung von CO2 beim Betrieb fossiler Kraftwerke eine wichtige Übergangstechnologie hin zu CO2 armer Stromerzeugung darstellt. Zu prüfen sind daher die Möglichkeiten der Abscheidung an den bestehenden Kraftwerken, sowie Untersuchungen bezüglich der Transportoptionen und eine Analyse der möglichen Verpressungsgebiete in Hessen.

76

8.

Zusammenfassung

Die im Rahmen des Kyoto-Protokolls von Deutschland eingegangene Verpflichtung zur Reduktion von Treibhausgasen auf der Bundesebene fordert die Bundesländer zunehmend, regionale Strategien als Antwort auf das globale Klimaproblem zu entwickeln. Im Rahmen des Forschungsprojektes INKLIM 2012 wurde gezeigt, welche Anforderungen an die Konzeption eines integrierten regionalen Klimaschutzkonzepts aus ökonomischer Sicht zu stellen sind, aber auch welche Chancen und praktischen Umsetzungsspielräume angesichts der globalen Dimension des Klimaproblems und des nationalen, wie internationalen klimapolitischen Rahmens auf regionaler Ebene existieren /1/. Die Forschungsarbeiten umfassten die drei Bausteine Grundlagen/Szenarien, Klimawandel/Klimafolgen, Instrumente/Maßnahmen. Insgesamt waren an dem interdisziplinären Forschungsprojekt 19 Institute und Institutionen beteiligt. Das Ergebnis wurde mit der begleitenden Interministeriellen Arbeitsgruppe Klimaschutz zu dem vorliegenden Maßnahmenkatalog weiter entwickelt. Aus den hessischen Energiebilanzen leiten sich die energiebedingten CO2-Emissionen für Hessen ab (siehe hierzu Abbildung 2 unten folgend). Das Gesamtniveau der energiebedingten CO2Emissionen stieg von 43,3 Mio. t CO2 (1990) auf 44,6 Mio. t CO2 (2002). Dies bedeutet einen Anstieg von 3 %. Die sektorale Entwicklung verlief jedoch sehr unterschiedlich. Die größten Minderungen gelangen in der Industrie (–37 %) und auch der Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen konnte seine Emissionen leicht verringern (–3 %). Dem gegenüber stehen Zuwächse in der Energieumwandlung in Kraftwerken (+34 %), im Verkehr (+8 %) sowie eine leichte Zunahme im Bereich der privaten Haushalte (+1 %). Der internationale Luftverkehr ist gemäß internationalen Vereinbarungen nicht berücksichtigt. Die Ergebnisse der regionaler Klimaprognosen für Hessen bis zum Jahr 2100 sowie die regional zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels zeigen die Notwendigkeit, sich verstärkt auf regionale Anpassungserfordernisse einzustellen und vorzubereiten. Der Klimawandel ist in Hessen bereits beobachtbar. Im Flächenmittel und im Mittel über alle Jahreszeiten hat sich Hessen in der Zeit 1951-2000 um 0,9 °C erwärmt. Die größte Veränderung erfolgt im Winter mit 1,6 °C, die geringste im Herbst mit 0,2 °C. Besonders rasant stieg die Temperatur in den letzten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts, im Winter beispielsweise um 2,3 Grad. Die räumliche und zeitliche Verteilung der Niederschläge ist hingegen sehr heterogen. Niederschlagszunahmen in Herbst, Winter und Frühling stehen sommerliche Abnahmen gegenüber. Für ganz Hessen sind die Abnahme extrem feuchter Monate im Sommer und die Zunahme extrem feuchter Tage im Herbst und Winter am auffälligsten.

77

Emissionen [Mio. t CO2] Energiebedingte CO2 -

60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1990

Abbildung 2:

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

Industrie

Gewerbe, Handel, Dienstleist.

Energiegewinnung, -umwandl.

Haushalte

Verkehr (nat.)

Internationaler Luftverkehr (80 %)

2002

Entwicklung der CO2-Emissionen in Hessen im Zeitraum 1990 bis 2002

Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird nach der regionalen Klimaprognose der Sommer viel wärmer. Im Herbst bzw. Frühjahr findet dagegen nur eine leichte Erwärmung statt. Die Änderungen der Tagesmaximumtemperatur sind erheblich. Im Winter nehmen die Maxima bis um ca. 4,5 Grad zu und im Sommer um bis zu 3,4 Grad, wohingegen die Zunahme im Frühjahr und Herbst 2-3 Grad beträgt. Die räumliche Niederschlagsvariabilität ist im Sommer sehr groß (und nimmt stetig zu), im Winter gering (dafür existieren hier ausgeprägte Luv- und LeeEffekte). Im Sommer trocknen der Nordosten und die Mittelgebirge stärker aus als der Süden. Die klimatischen Veränderungen können sich vielfältig auswirken und mit erheblichen Folgekosten für notwendige Anpassungsmaßnahmen behaftet sein. Bei den Hochwasserabflüssen wird beispielsweise eine Verstärkung der mittleren monatlichen Hochwasserabflüsse für die Wintermonate erwartet. Im Sommer kann es aufgrund des ausbleibenden Niederschlages vermehrt zu extremen Niedrigwasserständen kommen. In der Pflanzenentwicklung zeichnet sich ein deutlicher Trend zur Verfrühung ab. Durch die Zunahme der Häufigkeit extremer Wetterbedingungen nimmt die Variabilität der Erträge vor allem bei Zuckerrüben und Gerste zu, und auch die Biomasseproduktion von Grünland zeigt eine erhöhte Variabilität. Die Ertragssicherheit für die Landwirte nimmt für die genannten Feldfrüchte deutlich ab. Das Gleiche gilt für den Obst- und Weinbau, wobei Weinqualität und -sorten durch die klimatischen Änderungen beeinflusst werden können. In der Forstwirtschaft ist die standortgerechte Fläche für Fichten rückläufig. Klimatische Extremereignisse wie Sturm und Trockenheit steigern das forstliche Produktionsrisiko erheblich. 78

Trockene und warme Jahre begünstigen den Borkenkäfer und andere forstliche Schadinsekten, milde Winter die Ausbreitung pilzlicher Schädlinge. Generell sind bereits jetzt Auswirkungen des Klimawandels auf die Artenvielfalt zu beobachten. Auch im Gesundheitsschutz werden sich Risiken ergeben, die durch direkte Hitzewirkungen (z.B. vermehrte Ozonbildung, Hitzetote), aber auch durch Verbreitung bisher in Hessen seltenen Krankheiten entstehen können (z.B. bei Übertragung durch bestimmte Zeckenarten). Eine vertiefte Untersuchung der direkten und indirekten Folgen des Klimawandels sowie geeigneter Anpassungsstrategien ist dringend notwendig. Dabei steht insgesamt vor allem die ökonomische Bewertung der Schadenspotentiale erst am Anfang. Mit dem vorgelegten Klimaschutzkonzept Hessen 2012 leistet das Land Hessen einen ersten Beitrag für eine integrale Klimaschutzstrategie zur CO2-Vermeidung und Anpassung an den Klimawandel. Einen besonderen Schwerpunkt bildet das Klimaschutzkonzept Hessen 2012 bei der Identifizierung regional verfügbarer CO2-Vermeidungsmaßnahmen und deren spezifische Kosten. Vor dem Hintergrund zu erwartender steigender Schadenskosten infolge klimatischer Veränderungen sind die Kosten für die regionalen und lokalen Anpassungsmaßnahmen im Sinne einer nachhaltigen Risikovorsorge frühzeitig zu minimieren. Gleichzeitig ist es ökonomisch sinnvoll, einen eigenen Landesbeitrag zur Senkung der CO2-Emissionen unter dem Gesichtspunkt der Technologie-, Innovations-, und Wirtschaftsförderung zu leisten. Mit Hilfe verschiedener Szenarien haben das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und das Institut für Energiewirtschaft und rationelle Energieverwendung (IER) ausgelotet, welche Maßnahmebündel sich CO2-mindernd auswirken und welche spezifischen CO2-Vermeidungskosten entstehen. Dabei ist die Einbettung der hessischen Klimapolitik in die bundes- und EU-rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Zur Erfüllung der globalen Klimaschutzziele sind vorrangig globale marktwirtschaftliche Instrument wie der Emissionshandel sinnvoll, aber nicht überall regional und sektoral gleich wirksam. Das im Januar 2005 eingeführte Instrument des Emissionshandels betrifft bisher die Energiewirtschaft und die energieintensive Industrie. In Hessen wird eine CO2-Menge von 13,8 Mio. t CO2/a vom Emissionshandel erfasst. Dies entspricht aber nur etwa 31% der hessischen CO2-Emissionen. Hingegen sind etwa 37% der CO2-Emissionen dem Verkehrsbereich und etwa 34% dem Bereich der privaten Haushalte zuzurechnen. In diesen Bereichen ist es daher besonders wichtig, eine ökonomisch effiziente und klimapolitisch tragfähige Zukunftsstrategie zu entwickeln. Die CO2-Entwicklung wird im Referenzszenario im Jahr 2012 mit 49 Mio. t angegeben. Dies bedeutet gegenüber dem Jahr 1990 eine Steigerung von 13 %. Bei Umsetzung aller Maßnahmen können bis zu 8 Mio. t CO2 bis 2012 eingespart werden. Eine essenzielle Voraussetzung für diese Zielerreichung ist allerdings die Verlängerung der Laufzeit für das Kernkraftwerk Biblis. Ferner steht das Einsparziel unter der Voraussetzung, dass Maßnahmen bis 100 €/t CO2Vermeidungskosten umgesetzt werden. Dies dient der Durchführung von Projekten mit dem 79

Ziel, die energetische Gebäudesanierung voranzutreiben, die Energieeffizienz im Gewerbe und Dienstleistungssektor zu steigern und durch Optimierung, Verkehrslenkung und alternative Kraftstoffe die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich signifikant zu senken. Auf der Basis dieser Szenarienergebnisse ist im Zusammenwirken mit den Ressorts ein Maßnahmengerüst mit 55 Maßnahmen entwickelt worden. Die Maßnahmen umfassen Schwerpunkte bei der künftigen Kraftwerksentwicklung und dezentralen Energiebereitstellung sowie bei Gebäudeeffizienzprogrammen, der Biomassenutzung und Nutzung der fexiblen KyotoMechanismen im Emissionshandel. Das Land Hessen setzt dabei gleichzeitig ein konkretes Ausbauziel um: den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch in Hessen (ohne Verkehrssektor) bis zum Jahre 2015 in Hessen auf 15 % zu erhöhen. Kernelement einer modernen Klimaschutzstrategie ist neben der CO2- armen Modernisierung des Kraftwerksparks und der regionalen Vermeidung von Treibhausgasen durch klima- und energieeffiziente Technologien die internationale Erfüllung von Minderungszielen. Eine verstärkte Nutzung der flexiblen Mechanismen JI und CDM (Joint Implementation und Clean Development Mechanism) dient dem Technologietransfer und der Exportunterstützung. Daher sollen marktwirtschaftliche Instrumente wie der Emissionshandel den langfristigen Strukturwandel hin zu einem klima- und energieeffizienten Wirtschaften unter globalen Bedingungen beschleunigen. Wirtschaft, Kommunen und Verbraucher werden gefordert, stärker ihre Eigenverantwortung wahrzunehmen. Die Ressorts werden in der interministeriellen Arbeitsgruppe (IMA) die Umsetzung der geplanten Maßnahmen koordinieren und evaluieren. Die Verantwortung für die einzelnen Maßnahmebereiche liegt bei den jeweils zuständigen Ressorts. Das nunmehr vorgelegte Klimaschutzkonzept soll mit den relevanten Akteuren diskutiert und weiterentwickelt werden.

80

9.

Quellen- und Literaturverzeichnis

/1/

Abschlussbericht zur Entwicklung eines Integrierten Klimaschutzprogramms Hessen INKLIM 2012, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, März 2006

/2/

Abschlussbericht Baustein II, INKLIM 2012, Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie, Dezember 2005

/3/

Der Rekordsommer 2003, Veröffentlichung des Deutschen Wetterdienstes, 27. August 2003

/4/

Wetterkatastrophen und Klimawandel - Sind wir noch zu retten? Münchner Rückversicherungsgesellschaft, 2005

/5/

Kompetenzatlas Brennstoffzelle Hessen, 2. Auflage Dezember 2003

/6/

Analyse der Klimaveränderungen in Hessen für den Zeitraum 1901 bis 2003, Abschlussbericht, Juli 2005, Prof. Dr. C.-D. Schönwiese

/7/

Abschlussbericht „Anwendung einer Wetterlagenklassifikation für Südddeutschland“, November 2003, Meteo-Research, Dr. W. Enke

/8/

Abschlussbericht „Erweiterung des Simulationszeitraumes der wetterlagenbasierten Regionalisierungsmethode auf der Basis ECHAM 4“, November 2004, Meteo-Research, Dr. W. Enke

/9/

Klimafolgen in der Pflanzenphänologie, Dr. L. Grünhage, Institut für Pflanzenökologie der Universität Gießen

/10/

IFEU 2005, Knörr Fortschreibung „Daten- und Rechenmodell: Energieverbrauch und Schadstoffemissionen aus dem motorisierten Verkehr in Deutschland 1980 bis 2020“; Erstellung und Aktualisierung der Software TREMOD, Heidelberg 2005

/11/

Energiebericht 2004 der Hessischen Landesregierung, Wiesbaden, Juni 2005

/12/

Regionale Klimaschutzprogramme - Zur integrierten Analyse von Kosten des Klimawandels und des Klimaschutzes auf regionaler Ebene -, Dr. Fahl, Dr. Koschel, Dr. Löschel, Dr. Wolf, Herr Rühle, DIW Vierteljahresheft zur Wirtschaftsforschung 74 (2005)

/13/

Unipress 2003, Heft 116, Universität Bern, Prof. Dr. Stephan, Dr. Müller-Fürstenberger

/14/

Hessenreport 2003, Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft (FEH), Wiesbaden

/15/

Prognos, IER und WI: Szenarienerstellung, Endbericht an die Enquete-Kommission „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung“ des 14. Deutschen Bundestages; Prognos AG, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Universität Stuttgart, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie; Basel, Stuttgart, Wuppertal, Juli 2002

/16/

Schriftenreihe der Hessischen Straßen- und Verkehrsverwaltung 2000, Heft 42: Integration von Verkehrsplanung und räumlicher Planung, Teil 1: Grundsätze und Umsetzung, Teil 2: Abschätzung der Verkehrserzeugung durch Vorhaben der Bauleitplanung

81

Adressen

www.ipcc.ch www.hmulv.hessen.de www.klimaneutral-partner.de www.hlug.de www.ier.de www.zew.de

82

Anhang: Abschätzung der künftigen CO2-Entwicklung Für die Gestaltung der hessischen Klimaschutzpolitik sind wissenschaftlich fundierte Aussagen über die künftige CO2-Entwicklung sowie die Möglichkeiten zur CO2-Reduzierung von wesentlicher Bedeutung. Dabei werden die künftigen CO2-Emissionen von einer Reihe unterschiedlicher Faktoren und Rahmenbedingungen beeinflusst, wie z. B. der Bevölkerungs-, der Wirtschafts-, der Verkehrs- und Energiepreisentwicklung. Durch Kombination der verschiedenen Faktorausprägungen entstehen mögliche Szenarien. Die Modellrechnungen umfassen dabei zum einen die trendmäßige Entwicklung der CO2-Emissionen bis 2010/2020 ohne zusätzliche geplante Maßnahmen (Referenzszenario) und zum anderen verschiedene Szenariorechnungen, denen unterschiedliche Maßnahmebündel und Randbedingungen zugrunde liegen.

1.1

Rahmendaten

Die Rahmendaten umfassen die volkswirtschaftlichen Randbedingungen, die sowohl den IstZustand als auch die zu erwartenden Entwicklungen für die Analysejahre bis 2012 sowie einen Ausblick für Hessen auf 2020 beinhalten (Tabelle 1). Sie gehen direkt oder indirekt als Eingangsgrößen in die Szenariorechnungen ein. Für langfristige Entscheidungen, wie z. B. einen Kraftwerksneubau, sind sogar Annahmen bis 2030 erforderlich. Die Rahmendaten umfassen demographische Angaben, die wirtschaftliche Entwicklung sowie die Preisentwicklung von importierten Energieträgern. Des Weiteren sind zu verwendende Referenztechniken für die einzelnen Sektoren explizit aufgeführt.

83

Einheit Demographische Rahmenannahmen Bevölkerung (Jahresende) Anzahl der Haushalte Anzahl der Wohnflächen Bewohnte Wohnfläche Bewohnte Wohnfläche pro Kopf Personenkilometer Personenverkehrsl. pro Kopf

1995 2000 2002 Statistische Werte

Mio. Mio. Mio. m² Mio. m² m² / EW Mrd. Pkm / EW

Ökonomische Rahmenannahmen Mrd. Euro2000 Entwicklung des BIP Mrd. Euro2000 Industrieproduktion real Mio. Erwerbstätige Mrd. Tonnenkilometer (BIP abhängig) tkm / T€2000 Güterverkehrsl. / Industrieprod.

2012 2015 Annahmen

2020

5.994 2.708 230.7 230.7 38.5 102.6 17118

6.059 2.799 246.5 246.5 40.7 116.9 19296

6.085 2.840 251.2 251.2 41.3 102.6 16862

6.127 2.970 264.0 264.0 43.1 127.5 20812

6.125 3.000 270.0 270.0 44.1 132.4 21625

6.122 3.000 280.0 280.0 45.7 140.1 22878

160.3 48.7 2.867 33 674

181.3 51.0 2.993 38.6 757

181.7 51.1 3.022 38.9 761

233.8 55.4 3.0 41.5 749

248.1 57.2 2.981 42.4 741

271.8 60.2 2.966 43.9 729

Tabelle 1: Annahmen zu wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung in Hessen /1/ Die Rahmendaten zur Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung für Hessen bauen im Wesentlichen auf dem Hessen-Report der FEH /14/ auf. Unter Berücksichtigung einer aktuellen Studie von Prognos/IER /15/ für Deutschland hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) versucht, realitätsnähere Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung in Hessen zwischen 2004 und 2010 zu gewinnen. Im Rahmen von INKLIM 2012 wurden ferner für die Jahre 2005 und 2012 die GesamtFahrleistungen des Straßenverkehrs in Hessen bestimmt.

1.2

Referenzszenario

Das Referenzszenario ist dadurch charakterisiert, dass es von einem Fortbestehen der Grundlinien der bisherigen Energie- und Klimapolitik und der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausgeht. Im Folgenden werden zunächst wesentliche Annahmen über die weitere Entwicklung der Bundespolitik und internationalen Politik aufgeführt, die der Berechnung des Basisszenarios ohne Einrechnung verstärkten landespolitischer Aktivitäten zugrunde gelegt werden. Dadurch wird gleichzeitig auch formuliert, unter welchen nationalen und europäischen Rahmenbedingungen die zukünftige Entwicklung der hessischen Energiewirtschaft und des Energiebedarfs im Basisszenario erfolgen kann. In dieser Referenz wird ein mittleres Niveau bei den Energieträgerpreisen angenommen.

84

Die für 2012/2020 definierten Rahmenbedingungen beinhalten die Fortführung der Umsetzung des Treibhausgasemissionshandels und dessen kontinuierliche Ausweitung. Im Referenzszenario ist auch unterstellt, dass die derzeit geltenden Umweltgesetze bzw. deren Weiterentwicklung, wie z. B. die Großfeuerungsanlagenverordnung bzw. die Novellierung der 13. BImSchV, umgesetzt werden. Unterstellt ist ferner dass neue Richtlinien der Europäischen Union z. B. für den Verkehrsbereich, wie die Einführung von EURO III- bzw. EURO IV-Fahrzeugen oder die Biotreibstoff-Richtlinie auch national umgesetzt werden. National wirksam ist des Weiteren die Lkw-Maut. Es wird davon ausgegangen, dass an der Vereinbarung zur Beendigung der Nutzung der Kernenergie vom Juni 2001 festgehalten wird. Dies hat besonders im Hinblick auf die Bedeutung des KKW Biblis eine große Relevanz. Bei konstanter Stromproduktion bedeutet dies, dass der Block A im Februar 2009 und der Block B im August 2009 abgeschaltet werden müssen. Da das betreibende Energieversorgungsunternehmen RWE die Möglichkeit besitzt, Reststrommengen vom KKW Mülheim-Kärlich auf den Block B zu übertragen, wird im Referenzszenario davon ausgegangen, dass die Laufzeit des Blockes B bis Februar 2012 ausgedehnt wird. Ein weiterer entscheidender Faktor sind die Annahmen bezüglich des Stromimports, welcher insbesondere nach dem Abschalten des KKW Biblis an zusätzlicher Bedeutung gewinnen könnte. Für das Referenzszenario wurde deshalb der Stromimport auf einen Maximalwert von 14,6 TWh beschränkt. Diese Grenze repräsentiert den Höchstwert der vergangenen Jahre basierend aus dem Jahre 1991. Die Entwicklung der künftigen hessischen CO2-Emissionen basierend auf dem Referenzszenario ist in Abbildung 1 dargestellt. Das Gesamtniveau erhöht sich im Jahr 2012 deutlich auf knapp 49 Mio. t CO2. Für die Zuwächse im Vergleich zu 1990 und 2002 ist vor allem der Bereich Energieumwandlung verantwortlich. Geringe Zuwächse verzeichnen auch die Haushalte. Diese sind aber zum Teil darin begründet, dass der Ausgangswert von 2002 ein statistischer Wert ist und somit keine Temperaturbereinigung stattgefunden hat. Das Jahr 2002 war ein sehr warmes wohingegen der Wert von 2012 sich auf ein so genanntes Normaljahr bezieht. Währenddessen können die Bereiche Industrie, Gewerbe und Verkehr deutliche Minderungen verbuchen.

85

Energiebedingte CO2 - Emissionen [Mio. t CO2]

60

50

40

2

30

20

10

0 1990

1995

2000

Hausbrand

2002

Industrie

2008

GHD

Verkehr

2010

2012

2015

2020

Energiegewinnung, -umwandl.

Abbildung 1: Entwicklung der hessischen CO2-Emissionen in der Vergangenheit und im Referenzszenario /1/; GHD: Gewerbe, Handel, Dienstleistungen

1.3

Maßnahmenszenarien und Varianten

Mit den berechneten Maßnahmen- bzw. Klimaschutzszenarien soll untersucht werden, welche Spielräume in Hessen bestehen, um die CO2-Emissionen zu beschränken und in welchem Rahmen das Land Hessen vorhandene Potenziale ökonomisch sinnvoll nutzen kann. Für die Entwicklung eines klimapolitisch Ziel führenden und langfristig wirtschaftlich tragfähigen Klimaschutzkonzeptes steht die Bewertung von CO2-Vermeidungskosten bei unterschiedlichen Technologieansätzen im Vordergrund. Die Szenarienanalyse spannt somit den Rahmen für den Vergleich verschiedener Handlungsansätze auf, die in einem Baukastensystem zusammengefügt sind. Auf Bundesebene entspricht dies dem Vorgehen der verschieden Politikszenarien für das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. Die einzelnen Szenarien unterscheiden sich dabei bezüglich drei wesentlicher Annahmen: der Eingriffstiefe des Landes (z. B. rechtlicher Rahmen, verfügbare Haushaltsmittel), den maximalen Grenzvermeidungskosten sowie der Situation am Kernkraftwerk Biblis. Entscheidendes Bewertungskriterium sind die so genannten volkswirtschaftlichen Grenzvermeidungskosten. Unter Grenzvermeidungskosten versteht man die zusätzlichen Kosten einer vermiedenen CO2Emissionseinheit (€ pro t CO2) gegenüber dem Referenzsystem /13/, sei es bei Kraftwerksvarianten oder optimierten Wärmedämmsystemen. Es werden also „Mitnahmeffekte“ oder der Zusatznutzen bei dem Ersatz von Altanlagen herausgerechnet. Der unterschiedliche Einsatz von 86

Landesmitteln markiert die verschiedenen Aktivitäten zur beschleunigten Markterschließung für Technologien und eine befristeter Übernahme von Transaktionskosten. Zusätzlich wurden zwei Varianten zur Sensitivitätsanalyse gerechnet. In der Variante EE15 wurde das von der hessischen Landesregierung Ziel eines Anteils von 15 % erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch ohne Verkehrssektor als Randbedingung vorgegeben. In einer weiteren Variante Preis wurde ein gegenüber der Referenz deutlich erhöhtes Preisniveau für Energieträger und CO2-Zertifikate vorgegeben. Die Maßnahmen im Anwendungsbereich ohne Landesmitteleinsatz werden ähnlich wie im Szenario B bis zu einer Höhe von 20 €/t CO2 umgesetzt. Der erhöhte Preisvektor wirkt somit ähnlich einer vom Lande initiierten Informationskampagne.

Tabelle 2:

Definition der Szenarien, Landesmittel in Mio. € /1/

Das Szenario „Klimaschutz Priorität“ (A) ist dadurch gekennzeichnet, dass alle 59 im Rahmen von INKLIM 2012 vorgeschlagenen Maßnahmen auf der Versorgungs- und Anwendungsseite ergriffen werden (siehe hierzu /1/, Seite 166 ff). Der Betrieb der beiden Blöcke des Kernkraftwerkes Biblis wird in diesem Szenario nach 2009 mit Übertragungsmengen von Mülheim-Kärlich fortgesetzt.

87

Im Szenario „Klimaschutz Kernenergieausstieg“ (B) werden nur Maßnahmen umgesetzt, deren volkswirtschaftliche Vermeidungskosten unter 20 €/t CO2 liegen. Die Blöcke A und B des Kernkraftwerkes Biblis werden, wie zwischen den Energieversorgungsunternehmen und der Bundesregierung vereinbart, nach Erzeugung der festgelegten Reststrommengen außer Betrieb gehen. Das Szenario „Klimaschutz mit geringem Landesbeitrag“ (C) ist das Szenario mit dem geringsten zusätzlichen Haushaltsbeitrag für Hessen. Als Obergrenze wurden 5 Mill. € pro Jahr festgesetzt. Es wird angenommen, dass sonstige Maßnahmen ohne direkten Landesmittelbeitrag bis zu einer Höhe von 100 €/t CO2 umgesetzt werden. Auch in diesem Szenario ist die Option

CO2-Minderung gegenüber REF in Mio. t.

einer Laufzeitverlängerung des Kernkraftwerkes Biblis gegeben.

2 0 -2 -4 -6 -8 -10 -12 -14 B

C

A

B

2008

Hausbrand

Abbildung 2:

C

A

2012

GHD

Verkehr national

Industrie

B

C

A

2020

Energiegewinnung, -umwandl.

Differenz der CO2-Emissionen der Szenarien im Vergleich zu Referenz /1/; GHD: Gewerbe, Handel, Dienstleistungen

Die Differenzen der resultierenden CO2-Emissionen gegenüber dem Referenzszenario sind in Abbildung 2 dargestellt. Hierbei ist erkennbar, dass Szenario „Klimaschutz Priorität“ (A) die stärksten Einsparungen aufweist. In den Szenarien A und C ist ein Großteil der Einsparungen in der Energieumwandlung auf die Laufzeitverlängerung des KKW Biblis zurückzuführen.

88

1.4

Variantenvergleich

Für die Varianten EE15 und Preis sind die Veränderungen der CO2-Emissionen im Vergleich zur Referenz in Abbildung 3 dargestellt. In der Variante Preis kommt es vor allem im Verkehr zu Einsparungen, aber auch die Haushalte tragen durch eine verringerte Endenergienachfrage zur Minderung bei. Bei der Variante EE15 kommt es vor allem zu CO2-Minderungen im Haushaltssektor sowie in der Energieumwandlung. Der größte Anteil wird durch die Biomasse realisiert. Diese wird sowohl als Endenergie (in Haushalten), als auch in der Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt.

Abbildung 3:

1.5

Differenz der CO2-Emissionen in den Varianten EE15 und Preis im Vergleich zur Referenz /1/; GHD: Gewerbe, Handel, Dienstleistungen

Grenzkostenkurven und Arbeitsplatzeffekte

Als Ergebnis der Technik- und Maßnahmenvergleiche der einzelnen INKLIM 2012 Untersuchungen erhält man die in Abbildung 4 dargestellte Kosten-Potenzial-Kurve. Auf der xAchse ist die aufsummierte Gesamtminderung gegenüber den entsprechenden Referenzsystemen aufgetragen, während auf der Y-Achse die spezifischen CO2-Minderungskosten abzulesen sind. Es sind zwei verschiedene Grafiken eingezeichnet. Liegt bei einer möglichen Laufzeitverlängerung der KKW Biblis das Gesamtpotenzial bei knapp 20 Mio. t/a, so beträgt das Gesamt89

potenzial mit einem Ersatzkraftwerk in GuD-Ausführung (Gas- und Dampfturbinen) im Vergleich zu einem Steinkohle-Referenzkraftwerks bei statischer Betrachtung etwa 13,5 Mio. t/a.

CO2 Vermeidungskosten in €/t CO2

Würden alle vorgeschlagenen Maßnahmen der Stufe 1 aus dem INKLIM 2012 Gutachten umgesetzt, so lässt sich nach den Berechnungen mit dem dynamischen Energiesystemmodell TIMES-HS des IER (Erläuterung /1/ Seite 88ff) das CO2-Niveau in Hessen voraussichtlich auf insgesamt 40,26 Mio. Tonnen CO2 in 2012 begrenzen. Nach dem Referenzszenario BAU würde sich das CO2-Niveau ohne Maßnahmen auf knapp 49 Mio. t CO2 in 2012 erhöhen.

800 600 400 200 0 -200 0

5,000

10,000

15,000

20,000

Minderungspotenzial in kt/a im Jahr 2012 Alle Maßnahmen Abbildung 4:

ohne Laufzeitverlängerung

Grenzkostenkurve und Grenztechnologierangfolge gegenüber Referenztechniken für Hessen /1/

Die Kosten-Potenzial Kurve aller im Rahmen von INKLIM 2012 untersuchten Maßnahmen ist in Abbildung 5 dargestellt. Vor allem im Gebäudebereich, aber auch in der Industrie existieren zahlreiche Maßnahmen mit negativen Vermeidungskosten, also mit volkswirtschaftlichen Gewinnen. Insgesamt beträgt das Minderungspotenzial bei einem maximalen Grenzwert von 100 €/t CO2 etwa 10 Mio. t CO2.

90

Abbildung 5:

Minderungspotenziale der INKLIM 2012 Maßnahmen mit Grenzvermeidungskosten unter 200 €/ t CO2 (ohne Laufzeitverlängerung des KKW Biblis) /1/

Der Vergleich der Grenzvermeidungskosten verschiedener Energieerzeugungstechnologien im Bereich Kraftwerke, Kraft-Wärme-Kopplung (KW) und Erneuerbaren Energien (EE) zeigt die Bandbreite der jeweils unterschiedlichen CO2-Minderungskosten auf (Abbildung 6). Biomassekraftwerke sind bereits zu gleichen Bedingungen wie konventionelle Kraftwerke verfügbar, Erdwärme bzw. Solarthermie liegen noch deutlich über CO2-Vermeidungskosten von 100 bzw. 250 €/t CO2.

Abbildung 6:

CO2-Vermeidungskosten im Vergleich, Quelle: IER /1/ 91

Im Rahmen des INKLIM 2012 Gutachtens werden die sektoralen und gesamtwirtschaftlichen Produktions- und Beschäftigungseffekte der verschiedenen Maßnahmepakete quantifiziert. Die Beschäftigungs- und Produktionseffekte der Szenarien werden dabei im Verhältnis zum Referenzszenario REF ausgewiesen. Beschäftigung 4000

300

3000

200

A

100

B

0

C

-100

Beschäftigte

Produktion (in Mio. €)

Produktion 400

2000

A

1000

B C

0 -1000

-200

-2000

-300 2010

Abbildung 7:

2015

Jahr

2020

2010

2025

2015

2020

2025

Jahr

Auswirkungen der Szenarien auf die Produktion in Hessen (netto) und Beschäftigung /1/

Abbildung 7 (links) illustriert die Auswirkungen der drei Szenarien A, B und C auf die Produktion in Hessen in den Jahren 2010 bis 2025 unter der Annahme, dass Maßnahmen induzierte (positive oder negative) Kosten zu entsprechenden Finanzierungseffekten auf der Konsumentenseite führen. In dieser Betrachtung weisen alle drei Szenarien A, B und C positive Nettoeffekte für Hessen auf, wobei der Effekt wiederum am stärksten bei Szenario A ist. Auffällig ist zudem, dass die Szenarien B und C praktisch zu den gleichen, schwach positiven Effekten führen /1/. Der stark positive Produktionseffekt für Szenario A erklärt sich aus den Nachfrageimpulsen für die Land- und Forstwirtschaft, den Bausektor und Dienstleistungen. Diese Sektoren verfügen zudem über relativ geringe Importquoten, so dass ein erheblicher Anteil der Nachfrage in Hessen wirksam wird. Einsparungen (Nachfragerückgang) im Sektor Energie führen über die Gegenfinanzierung zu zusätzlicher Nachfrage. Dieser Effekt ist besonders stark in Szenario C, dem Szenario mit nur relativ schwachen maßnahmeninduzierten Nachfrageimpulsen. Für dieses Szenario führen die erheblichen Kosteneinsparungen im Sektor Energie durch den Kernenergieausstieg (günstiger Atomstrom) zu einer deutlich höheren Konsumnachfrage. Dies erklärt die deutlich höheren Produktionseffekte für C, insbesondere relativ zu Szenario B – verglichen mit der Analyse der Bruttoeffekte /1/. Abbildung 7 (rechts) weist die dazugehörigen aggregierten Nettobeschäftigungswirkungen in Hessen aus. Sie bewegt sich im Bereich von etwa 1.000 bis 3.500 Beschäftigten. Die Ergebnisse sind dabei wiederum als jährliche absolute Abweichungen zum Referenzszenario dargestellt /1/.

92

1.6

Fazit

Mit den berechneten Maßnahmen- bzw. Klimaschutzszenarien sollte untersucht werden, welche Spielräume in Hessen bestehen, um die CO2-Emissionen zu beschränken und in welchem Rahmen das Land Hessen vorhandene Potenziale ökonomisch sinnvoll nutzen kann. Für die Entwicklung eines klimapolitisch Ziel führenden und wirtschaftlich tragfähigen Klimaschutzkonzeptes steht die Bewertung von CO2-Vermeidungskosten bei unterschiedlichen Technologieansätzen im Vordergrund. Die künftigen hessischen CO2-Emissionen erhöhen sich im Referenzszenario bis 2012 deutlich auf knapp 49 Mio. t CO2. Für die Zuwächse im Vergleich zu 1990 und 2002 ist vor allem der Bereich Energieumwandlung verantwortlich. Geringe Zuwächse verzeichnen auch die Haushalte. Bei Umsetzung aller in der Studie INKLIM 2012 vorgeschlagenen Maßnahmen bis 100 €/t CO2-Vermeidungskosten würde das CO2-Niveau in Hessen voraussichtlich auf insgesamt 40,26 Mio. Tonnen CO2 in 2012 abgesenkt. Ein Großteil der CO2-Einsparung in der Energieumwandlung ist auf die Laufzeitverlängerung des KKW Biblis zurückzuführen. Bedeutend sind auch Effizienzmaßnahmen im Bereich Gebäude und Verkehr. Bezogen auf den Zeitpunkt 2010 weist das Szenario A („Klimaschutzpriorität“) den höchsten positiven Produktionseffekt auf, wogegen die Szenarien B („Klimaschutz Kernenergieausstieg“) und C („Klimaschutz mit geringem Landesbeitrag“) schwache bzw. stark negative Effekte auf das gesamtwirtschaftliche Bruttoproduktionsniveau mit sich bringen.

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Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz Mainzer Straße 80 65189 Wiesbaden