Kleiner Stein, großer Schmerz

Prostata ist einseitig ein wenig vergrößert. Der PSA war damals bei 5,2, im März 2015 bei 6,2. Im Mai wurden Ge- webeproben genommen – kein Krebs, PSA aber schon bei 7,2. Nun sind wieder ein PSA-Test und eine Biopsie geplant. Gibt es keine andere Möglichkeit? Falls ein Ein- griff nötig ist: Gibt es Methoden ohne OP ...
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Münchner Merkur Nr. 138 | Montag, 19. Juni 2017

STIEFS SPRECHSTUNDE Leser fragen – Experten antworten

Prof. Christian Stief Liebe Leserinnen und Leser, als Chefarzt im Münchner Klinikum Großhadern erlebe ich täglich, wie wichtig medizinische Aufklärung ist. Doch im hektischen Alltag von Klinik und Praxis bleiben manchmal Fragen offen. Und: Geht es um ein „Tabuthema“, trauen sich Patienten häufig erst gar nicht nachzufragen. Meine Kollegen und ich wollen Ihnen daher Antworten geben. Haben Sie auch eine Frage zu einem medizinischen Thema? Dann schicken Sie uns diese zu! Bitte fassen Sie Ihr Anliegen in wenigen Sätzen zusammen und geben möglichst Ihr Alter an. Schicken Sie uns keine Krankenakten zu. Die Antworten werden auf dieser Seite anonymisiert veröffentlicht – aber nicht persönlich zugeschickt. Haben Sie Fragen an unsere Ärzte? Schreiben Sie uns! Per Mail: [email protected] Per Post: Münchner Merkur, Redaktion Gesundheit, Paul-Heyse-Straße 2-4, 80336 München Leserin, 68: Trotz täglicher Gymnastik nach Anleitung des Physiotherapeuten kann ich nur noch schlecht gehen und stehen. Die Probleme haben vor acht Jahren angefangen, ein Jahr nach einer DarmkrebsOP, bei der ein Teil des Darms und 20 Lymphknoten entfernt wurden. Heute kann ich nur noch mit Stöcken gehen, es fehlt mir an Stabilität im unteren Rücken. Ich habe das Gefühl, ich falle zusammen. Ein Rucksack bringt Erleichterung. Röntgenbilder zeigen nichts Auffälliges, ich habe kein Taubheitsgefühl. Könnte ein Zusammenhang mit der OP bestehen?

Rückenprobleme: Ist die Darm-OP schuld? Einen direkten Zusammenhang mit der Darmkrebs-OP kann ich hier nicht erkennen. Die Beschwerden deuten auf ein Problem der Wirbelsäule hin. Hier sollte eine weitere Abklärung per Kernspin (MRT) erfolgen. Die mangelnde Stabilität der Wirbelsäule könnte auch auf eine Gleichgewichts-Störung oder einen Achsenfehler der Wirbelsäule hindeuten. Da die Beschwerden schon seit Jahren bestehen, rate ich zu einer Vorstellung in einer Spezialambulanz für Wirbelsäulen-Erkrankungen. Prof. Volkmar Jansson Facharzt für Orthopädie und Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Physikalische Medizin und Rehabilitation am Klinikum der Universität München

DIE ZAHL DER WOCHE

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Zecken können Krankheiten übertragen. Vor der Hirnhautentzündung FSME schützt immerhin eine Impfung. Keinen Impfstoff gibt es indes gegen die Borreliose, eine Nervenentzündung. Eine Infektion lässt sich aber meist verhindern, wenn die Zecke innerhalb von 24 Stunden vorsichtig entfernt wird. Leser: Ich war im Herbst 2014 bei der Krebsvorsorge, die Prostata ist einseitig ein wenig vergrößert. Der PSA war damals bei 5,2, im März 2015 bei 6,2. Im Mai wurden Gewebeproben genommen – kein Krebs, PSA aber schon bei 7,2. Nun sind wieder ein PSA-Test und eine Biopsie geplant. Gibt es keine andere Möglichkeit? Falls ein Eingriff nötig ist: Gibt es Methoden ohne OP? Ich bin sehr unsicher, höre oft, dass viele das Wasser danach nicht mehr halten können und Potenzprobleme haben.

Prostata: Was tun, wenn der PSA steigt? Sie schildern ein häufiges Dilemma: Die Biopsie, also die Gewebeprobe, ist negativ, aber der PSA-Wert (PSA = prostataspezifisches Antigen; ein Eiweiß, das von der Prostata gebildet wird) erhöht. In diesem Fall empfehlen wir eine „Fusionsbiopsie“. Dabei wird eine Kernspintomografie (MRT) gemacht, und diese Bilder werden danach mit einem Ultraschallbild fusioniert. So weiß der Urologe sofort, wo er die Probe entnehmen soll. Sollten Sie wirklich Prostatakrebs haben, hängt die Therapie maßgeblich von der Aggressivität des Tumors ab. Dabei gibt es generell mehrere Behandlungsstrategien: Bei wenig aggressiven Tumoren gehört dazu das Abwarten mit regelmäßigen Kontrollen, also das „aktive Überwachen“, zudem die Operation und die Bestrahlung. Es gibt zudem die „fokalen“ Therapien. Hier wird mit unterschiedlichen Verfahren ein lokalisierbarer Tumor gezielt behandelt – nicht die gesamte Prostata. Dazu gibt es allerdings noch keine Langzeiterfahrungen, und diese Therapien sind nur auf wenig aggressive Tumoren beschränkt. Ihr Urologe berät Sie gerne dazu.

Prof. Christian Gratzke Facharzt für Urologie und Leiter des Prostatazentrums am Klinikum der Ludwig-Maximilians- Universität München in Großhadern

Leben

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NIERENKOLIK ............................................................................................................................................................................................................................................................................................

Kleiner Stein, großer Schmerz

Nierensteine bleiben oft lange unbemerkt – bis sie in den Harnleiter wandern und dort starke Schmerzen auslösen. Es gibt verschiedene Methoden, die Steine wieder loszuwerden. Doch was hilft wem? Wir haben einen Münchner Experten dazu befragt. VON NADJA KATZENBERGER

Die Patientin krümmt sich vor Schmerzen. Sie sind kaum auszuhalten, kommen in Wellen. Es zieht und sticht, im Rücken, im Unterbauch, bis in den Oberschenkel. Ein Fall für die Notaufnahme. Dort ist die Diagnose schnell klar: eine Nierenkolik, ausgelöst durch einen Harnleiterstein. Mal wieder. Denn immer öfter hat Privatdozent Dr. Frank Strittmatter, Oberarzt an der Urologischen Klinik und Poliklinik am Klinikum der Universität München in Großhadern mit solchen Fällen zu tun. Steinerkrankungen nehmen zu: Nieren- und Harnsteine sind häufig. „Jeder zehnte Deutsche entwickelt im Laufe seines Lebens einen Stein“, sagt Strittmatter. Vor 20 Jahren seien es erheblich weniger gewesen.

Heftige Schmerzen im Unterbauch: Wie der Frau auf dem Foto links geht es immer mehr Menschen – sie leiden an einer Nierenkolik, ausgelöst von „Harnleitersteinen“. Solche Leiden nehmen zu, sagt unser Experte, Privatdozent Dr. Frank Strittmatter (o.). Er ist Oberarzt an der Urologie des Klinikums Großhadern in München. Oft sei eine ungesunde Ernährung schuld, wenn sich solche Steine bilden. Aber auch Patienten mit chronischen Darmerkrankungen treffe es besonders häufig. FOTOS: PANTHERMEDIA/, LMU-KLINIKUM

Wer ist besonders gefährdet? Strittmatter hat bei seinen Patienten drei Gruppen ausgemacht: Da sind zum einen die mit einem hohen Risiko für Volkskrankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes, mit einem Faible für ungesundes Essen, die daher zudem oft Übergewicht haben. „Damit steigt auch das Risiko, einen Stein zu bekommen“, warnt der Urologe. Auch bei Patienten mit chronischen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa bilden sich eher Harnsteine. Größer sei allerdings die zweite Gruppe: „Das sind meist jüngere Patienten, die plötzlich mit einer Nierenkolik und kleineren Steinen in der Notaufnahme landen“, sagt Strittmatter. Viele erwischt es dabei in den Sommermonaten: Trotz Hitze trinken sie zu wenig, schwitzen viel – und bilden einen Stein. Denn je konzentrierter der Urin, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass darin enthaltene kleine Kristalle aneinander haften bleiben. Sie bestehen unter anderem aus Kalzium, Magnesium oder Harnsäure. Bei einer dritten Gruppe werden Steinleiden einfach nur besonders oft entdeckt – weil sie regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen gehen. Meist sieht ein aufmerksamer Hausarzt den Stein beim Nieren-Ultraschall und schickt seinen Patienten dann zur weiteren Abklärung in die Klinik. „Das sind also Zufallsbefunde“, sagt Strittmatter. „Wie lange der Stein dort schon ist und über welchen Zeitraum er gewachsen ist, können wir nicht sagen.“

Wie kommt es zu einer Nierenkolik? Fällt der Stein aus der Niere in den Harnleiter – die Gründe dafür sind oft unklar –, löst das starke Schmerzen aus: Es kommt zu einer sogenannten Nierenkolik. „Je nachdem, wo die Schmerzen zu spüren sind, kann man mutmaßen, wo sich der Stein befindet“, erklärt Strittmatter. Ein Ziehen im Rücken und an den Flanken deutet darauf hin, dass der Stein im oberen Teil des Harnleiters sitzt. Wandert er weiter, schießt der Schmerz in Richtung Bauchnabel und Unter-

bauch. Gelangt der Stein nach unten in Richtung Blase, kann es bis in die Genitalien und die Oberschenkel ziehen. „Der Schmerz ist brutal“, sagt der Urologe. „Er kommt bei einer Kolik typischerweise in Wellen.“ Sie entstehen, wenn sich der Stein bewegt. Mit Medikamenten lässt sich eine Nierenkolik zunächst gut behandeln. Die starken Schmerzen hören nach dieser Akutbehandlung in der Regel erst einmal auf. Der Stein ist aber noch da.

Wie gefährlich sind Nierensteine? Manche Steine sind hart wie Kiesel, andere zerbröseln, nachdem sie entfernt wurden – das hängt von ihrer Zusammensetzung ab. Glatt und rund sind sie selten, sondern meist eher scharfkantig. Das kann zu kleinen Verletzungen im Harnleiter führen. Dann findet sich oft Blut im Urin. Der Stein an sich ist zwar harmlos. Er kann aber zu Komplikationen führen: Verstopft er den Harnleiter, kommt es zum Harnstau. Der Urin läuft dann nicht mehr ab. Die Niere kann das nicht lange kompensieren. Die Folge: Bakterien gelangen am Stein vorbei nach oben und lösen eine Infektion aus. Die-

se kann zu einer lebensgefährlichen Blutvergiftung, einer Sepsis, führen. Urologen lassen daher bei einer Nierenkolik nicht nur den Urin untersuchen, sondern zusätzlich die Blutwerte. Daran können sie ablesen, ob die Niere gut arbeitet oder der Körper mit einer Entzündung kämpft. „Um die Niere zu schützen, legt man sofort eine Harnleiterschiene“, erklärt Strittmatter. Dafür ist eine kleine Operation nötig. Die Schiene wird dabei in den Harnleiter am Stein vorbei eingelegt. So kann der Urin wieder in die Blase laufen. Die Schiene verhindert zudem, dass es zu weiteren Schmerzattacken kommt.

Müssen Steine immer entfernt werden? „Nicht jeder Stein muss zwangsläufig therapiert werden“, sagt Strittmatter. „Aber Steine gehören nun mal nicht in die Niere.“ Auch ein Stein, der im Nierenbecken keine Probleme macht, kann irgendwann in den Harnleiter fallen und dann zu einer Kolik führen. „Kleinere Steine mit einem Durchmesser von bis zu vier Millimetern gehen meist von selbst ab“, sagt der Experte. „Die Wahrschein-

lichkeit liegt bei 85 bis 90 Prozent.“ In diesen Fällen heißt es also abwarten. Eine Harnleiterschiene verhindert, dass es in der Zwischenzeit zu Komplikationen kommt. Die Patienten bekommen Schmerzmittel mit nach Hause, die sie nehmen können, wenn der Stein wandert und dadurch Schmerzen bereitet. Bis der Stein abgeht, kann es einige Wochen dauern. Der Fortschritt wird regelmäßig vom Urologen kontrolliert. Zur Untersuchung gehören Ultraschall, Blutentnahmen und Urintests. Manchmal lässt sich der Prozess auch mit Medikamenten beschleunigen.

Was tun, wenn der Stein nicht abgeht? Bei einem Teil der Patienten klappt das nicht – der Stein geht nicht ab. „Wenn nach zwei Wochen Warten nichts passiert, kann man über eine Operation nachdenken“, sagt Strittmatter. Dabei gilt: je größer der Stein, desto geringer die Auswahl an Therapien. Als besonders schonend und problemlos gilt die „extrakorporale Stoßwellenlithotripsie“, kurz: ESWL. Dabei werden die Steine mittels Stoßwellen von außen

Abnehmen und viel trinken: So beugen Sie Steinleiden vor! Wer schon mal eine Nierenkolik hatte, will solche extremen Schmerzen nicht noch einmal erleben. Ein guter Anlass also, seinen Lebensstil zu überdenken! Zumindest bei einem Teil der Patienten lässt sich einem Steinleiden gut vorbeugen – indem man Risikofaktoren angeht.

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Dazu zählt zum Beispiel Übergewicht: Vorsicht aber mit radikalen Diäten! Sie können das Risiko für manche Steine noch erhöhen. Zudem scheitern sie meist, weil sich langfristig niemand so ernähren kann und will. Effektiver ist es, seine Ernährung umzustellen. Und: sich mehr zu bewegen!

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Auch wer schlank ist, sollte seine Ernährungsgewohnheiten überdenken: Zu viel Fleisch und Zucker können Steinleiden fördern. Ratsam ist eine ausgewogene Mischkost mit viel Gemüse und Obst, zudem Vollkornprodukten. Maß halten sollte man insbesondere bei Lebensmitteln, die viel Oxalsäure enthalten, etwa Rhabarber, Spinat und Spargel, aber auch Schokolade.

Kleine Nierensteine wie auf dem Foto gehen oft von selbst nach einiger Zeit ab. PANTHERMEDIA

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Besonders wichtig ist es auch viel zu trinken! Zwei bis drei Liter dürfen es an heißen Tagen schon mal sein – sofern keine Vorerkrankungen wie etwa eine Herzschwäche vorliegen. Am besten geeignet sind stilles Wasser, Saftschorlen oder ungesüßter Tee. ae

zertrümmert – ein Verfahren, das Anfang der 1980er-Jahre an der Ludwig-MaximiliansUniversität München entwickelt worden ist. Bis heute gilt es weltweit als berechtigtes Verfahren zur Behandlung von Harnsteinen. Der Vorteil: Der Eingriff wird in der Regel ambulant durchgeführt, es braucht keine Vollnarkose.

Welche alternativen OP-Verfahren gibt es? Immer mehr Mediziner bevorzugen mittlerweile eine andere Methode: die Harnleiterspiegelung. Sie ist vergleichbar mit einer Magenoder Darmspiegelung. Der Urologe führt dabei ein Endoskop durch die Harnröhre über die Blase in den Harnleiter ein. Über diesen Zugang lassen sich dann feine OP-Instrumente einführen, etwa ein Körbchen, mit dem man die Steine herausziehen kann. Oder diese werden zuerst mit einem Laser zerkleinert und dann einzeln entnommen. Diese Operation ist aufwendiger als die ESWL. Die Patienten müssen nach dem Eingriff zwei bis drei Tage in der Klinik bleiben. Eine dritte Methode ist die „perkutane Nephrolitholapaxie“ (PCNL). Sie kommt vor allem bei Steinen, die mehr als zwei Zentimeter groß sind, zum Einsatz. Dann verschafft sich der Arzt über die Haut Zugang zur Niere. Er setzt einen kleinen Schnitt seitlich unterhalb der Rippe und legt einen sogenannten Arbeitsschaft. Durch den werden die Steine dann mit einem Laser zertrümmert und die Bruchstücke anschließend herausgeholt. Auch nach dieser Operation müssen die Patienten etwa drei Tage im Krankenhaus bleiben. Doch egal, mit welcher Methode man Nieren- und Harnsteine loswird: Bei etwa einem Drittel der Patienten ist das Risiko danach hoch, dass sich erneut solche Steine bilden. Es kann aber jeder selbst etwas tun, um es zu senken. Wie man konkret vorbeugen kann, lesen Sie in unserem Infokasten!