Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor - Transparency ...

14.12.2012 - Bundesländer im Vergleich: Baden-Würtemberg . .... eine Bank wissen, woher die Gelder kommen und was damit ...... Konto 11 46 00 37 00 ...
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März 2013 18. Jahrgang

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Scheinwerfer

Themenschwerpunkt: Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor

Foto: Hans-Martin Große-Oetringhaus/tdh

Rohstoffreichtum geht häufig einher mit Korruption, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzung – strikte Transparenz kann helfen, das zu ändern. Zinnmine Huani, Bolivien

Heidi Feldt: Rohstoffreichtum – Garant für Entwicklung oder Weg in die Armut? ����������������������������������������������������������� 5

Oliver Classen: Verschwiegen und risikoreich – Rohstoffdrehscheibe Schweiz ����������������������������������������������������������� 8

Transparency International-Gründer Peter Eigen erhält Großes Bundesverdienstkreuz ��������������������������������������������������������� 24

| Inhalt

Scheinwerfer 58 Editorial................................................................................................................................................ 3

Themenschwerpunkt: Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor 4 Christa Dürr: Transparenz im Rohstoffsektor.................................................................................4 Heidi Feldt: Rohstoffreichtum – Garant für Entwicklung oder Weg in die Armut?....................................................................................................................5 Heidi Feldt: Intransparent und inakzeptabel: Das Beispiel Glencore...........................................6 Edda Müller: Rezension „Landraub – Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus“ ..................6 Friedel Hütz-Adams: Unheilige Allianz: Korruption, Intransparenz und Menschenrechtsverletzungen ...................................................................................................7 Oliver Classen: Verschwiegen und risikoreich – Rohstoffdrehscheibe Schweiz.........................8 Peter Eigen: Globale Standards für eine transparente Rohstoffentwicklung– Die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI)................................................................9 Interview mit Annemieke Wijn: Vom Rohstofffluch zum Rohstoffsegen: Was müssen, was können Unternehmen beitragen?......................................................................10 Generalversammlung von Transparency International: Resolution „Transparenz und Verantwortlichkeit im Rohstoffsektor herstellen“.......................11

Nachrichten und Berichte

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Politik...................................................................................................................................................12 Gesundheit ..........................................................................................................................................16 Aus den Ländern.................................................................................................................................17 Wirtschaft............................................................................................................................................19 Wissenschaft........................................................................................................................................20 Wolfgang B. Schünemann: Personalpolitische Transparenz im Wissenschaftsbetrieb ist hinreichend...............................................................................................21 Bundesländer im Vergleich: Baden-Würtemberg.......................................................................... 22

Über Transparency

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Konferenz zur Strafverfolgung ....................................................................................................... 23 Erstes Treffen der korporativen kommunalen Mitglieder............................................................. 23 Transparency International-Gründer Peter Eigen erhält Großes Bundesverdienstkreuz ......... 24 Junge Aktive im Portrait: Till Leopold........................................................................................... 24 Gemeinsam gegen Spielmanipulation............................................................................................. 25 Der Beirat stellt sich vor: Prof. Dr. Hubert Weiger........................................................................ 26 Vorstellung korporativer Mitglieder: ICC Deutschland ................................................................ 27 Transparency International Israel.................................................................................................... 28 Impressum.......................................................................................................................................... 25

Rezensionen29 | Transparency Deutschland | Scheinwerfer 58

Editorial I

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Gabriele C. Klug ist Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland

Liebe Leserinnen und Leser, Rohstoffe, jene natürlichen Energieund mineralischen Ressourcen, Wälder, Grund und Boden, sind unerlässlich für das weltweite Wachstum. Paradox: Es gibt sie in vielen Ländern im Überfluss, und die Länder sind trotzdem noch immer arm, weil die Abgaben, Boni, Steuern und anderen Einnahmen aus dieser Ausbeute nicht der Bevölkerung in den betreffenden Staaten zugute kommen. Damit beschäftigt sich das Schwerpunkt-Thema dieses Heftes. Wohin fließen die Gelder, die in den rohstoffreichen Staaten durch Konzessionen, Lizenzen, Verträge, Staatsverträge durch Dritte ausgebeutet werden und ebenso einer Verwertung durch Dritte zufließen? Die Verhältnisse bilden den üblen Nährboden für Korruption. Seit langem fordert daher ein breites Bündnis von Nichtregierungsorganisationen weltweit die Herstellung von Transparenz. Auch Unternehmen und Staaten haben den Wert dieser Transparenz erkannt. So umfasst die auf Selbstregulierung beruhende Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) heute 37 Staaten und 70 der wichtigsten in der Rohstoffindustrie tätigen Unternehmen unterstützen bereits heute die

Transparenzinitiative. Zudem wird von Investorenseite darauf hingewiesen, dass verbesserte Transparenz auch die Risikoadjustierung der Erträge verbessere. Insgesamt wird eine Verbesserung des Investitionsklimas durch größere Stabilität infolge einer verbesserten Governance erwartet. Nun wird es Zeit, die Selbstregulierung durch komplementäre gesetzliche Vorschriften zu ergänzen: Seit 2010 regelt Sektion 1504 des Dodd-Frank Act die verbindliche Offenlegung der Zahlungen an Staaten von den an der US-Börse gelisteten Unternehmen der Rohstoff fördernden Industrie. Ein Vorschlag der EU-Kommission liegt ebenfalls vor. Zweck der Regelung ist, die Regierungen ressourcenreicher Staaten dabei zu unterstützen, „die EITI-Grundsätze und -Kriterien umzusetzen und ihren Bürgern Rechenschaft über die Zahlungen abzulegen, die sie von den in ihrem Hoheitsgebiet tätigen Unternehmen der mineralgewinnenden Industrie und der Industrie des Holzeinschlags in Primärwäldern erhalten.“ Im Herbst 2012 hat der federführende Rechtsausschuss seinen ergänzenden Vorschlag vorgelegt: Auch der Banken-, Bau- und Telekommunikations-

sektor soll eingeschlossen werden. In der Diskussion ist eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auch auf die Landwirtschaft. Transparency unterstützt diese Erweiterungen und erwartet, dass die Bundesregierung die Verabschiedung der Direktiven zügig vorantreibt. Natürliche Ressourcen sind besondere Güter. Ihre wirtschaftliche Ausbeute muss allen Menschen zugute kommen. Die Bereicherung korrupter Kleptokraten auf Kosten der Bevölkerung muss ein Ende haben. Ich finde, Europa hat eine moralische Pflicht, sich zu engagieren. Deutschland als zweitem Exportweltmeister kommt eine besondere Verantwortung bei diesem Engagement zu. Sie, liebe Leserinnen und Leser, können das bedeutende Anliegen unterstützen. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre dieses Heftes. Sollten Sie sich darüber hinaus engagieren wollen, dann formulieren Sie Ihre Erwartungen an die Bundesregierung, unterstützen Sie Transparency International und wenden Sie sich an Ihre Europaabgeordneten und Ihre Bundestagsabgeordneten.

Ihre Gabriele C. Klug

Scheinwerfer 58 | Transparency Deutschland |

4 | Themenschwerpunkt: Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor

Transparenz im Rohstoffsektor

Teilnehmer der Podiumsdiskussion in Bremen von links: Prof. Karl Wohlmuth, Dr. Heidi Feldt, Moderator Theo Schlüter, Stephan Werner, Annemieke Wijn, Prof. Edda Müller.

Von Christa Dürr

„Der Zusammenhang von Ressourcenreichtum in einzelnen Ländern, hohem Grad an Korruption und gleichzeitig hohem Grad an Armut ist empirisch bewiesen.“ Mit dieser Feststellung und dem Verweis auf den aktuellen Korruptionswahrnehmungsindex eröffnete Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland ihren einführenden Vortrag. Transparency stelle seit Jahren fest, dass überall dort, wo korrupte Regierungen an der Macht sind, „politische Instabilität herrscht sowie Friedensbedrohung und Menschenrechtsverletzungen sehr wahrscheinlich sind.“ Das Problem werde zusätzlich durch die Geschäftstätigkeit transnationaler Konzerne verschärft, die die Intransparenzen in den Förderländern und im internationalen Banken- und Finanzsystem nutzen, um Steuern zu vermeiden und Gewinne zu verschieben. Damit entziehen sie den rohstoffreichen Ländern dringend benötigte Einnahmen. Den bisherigen Lösungsstrategien wie PWYP (Publish What You Pay), EITI (Extractive Industries Transparency Initiative) und Global Witness fehle die breite Wirksamkeit, weil sie freiwillig sind und dadurch nicht über Sanktionsmöglichkeiten verfügen. Verbindliche gesetzliche Regelungen, wie der in den USA bereits auf den Weg gebrachte DoddFrank Act, und die von der EU-Kommission vorgeschlagene Transparenzrichtlinie seien deshalb dringend notwendig und werden von Transparency mit aller Kraft unterstützt. (Der ganze Vortrag ist auf der Webseite von Transparency Deutschland im Veranstaltungsarchiv nachzulesen). Teilnehmer der anschließenden Podiumsdiskussion waren neben Professor Edda Müller, Dr. Heidi Feldt (Entwicklungsexpertin), Stephan Werner (Portfoliomanager Rohstoffe DWS), Annemieke Wijn (Anchor Consult) und Professor Karl Wohlmuth (Universität Bremen). In der Problemanalyse waren sich alle Teilnehmer einig. Professor Wohlmuth verwies auf das positive Beispiel Norwegen, das seinen Ölreichtum in einen Staatsfonds investiert und auf dem Korruptionswahrnehmungsindex einen der vorderen Ränge belegt. Auch in Botsuana laufe es besser als in vielen anderen rohstoffreichen Ländern. Grundbedingung sei aber, dass vor Beginn der Rohstoffförderung zivilgesellschaftliche Reformen durchgeführt werden: „Wenn das Geld fließt, ist es meist schon zu spät, wie im Sudan und Nigeria.“

Beim Begriff „Rohstoff“ sei zwischen mineralischen und landwirtschaftlichen Rohstoffen zu differenzieren, so Heidi Feldt. Das neue Geschäftsfeld internationaler Investoren, der Kauf oder die langjährige Pacht von ertragreichen Böden für den Anbau von Nahrungsmitteln, Blumen und nachwachsenden Rohstoffen, führe häufig zur Vertreibung und dem Entzug der Lebensgrundlagen der einheimischen Bevölkerung. Annemieke Wijn stellte dar, wie auch im kleinbäuerlich organisierten Kaffee- und Kakaoanbau intransparente Strukturen zu prekären Lebensbedingungen führen. Kraft Foods habe deshalb schon vor Jahren eine Nachhaltigkeitsstrategie eingeführt, deren Kernelement sei, mehr Transparenz herzustellen. Auslöser für diese Maßnahmen sei der Konsument gewesen, der nachgefragt habe, unter welchen Bedingungen der Kaffee hergestellt wird. Für mehr Transparenz bei Rohstofffonds plädierte ebenfalls Stephan Werner, Vertreter von DWS, der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank. Im Interesse ihrer Investoren müsse eine Bank wissen, woher die Gelder kommen und was damit passiere. Korruptionsgelder bedeuteten für eine Bank ein hohes Reputationsrisiko. Auch der Themenbereich Spekulation wurde diskutiert. Transparency sei in zwei Bereichen tätig: Transparenz im Bankensystem und Transparenz in der Anlagepolitik, so Edda Müller. Es gehe dabei um die Frage, was mit den Korruptionsgeldern passiere und dass Banken „Risiken“ wie Menschenrechtsverletzungen, politische Instabilität und kriegerische Auseinandersetzungen im Auge behalten müssten. Abschießend zeigte sich Edda Müller optimistisch, was die Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie anbetrifft. Allerdings müsse weiterhin politischer Druck auf die Bundesregierung und auf die Bundestags- und EU-Abgeordneten ausgeübt werden. Die Podiumsdiskussion wurde am 14.12.2012 im Nordwestradio übertragen und kann auf der Webseite von Radio Bremen nachgehört werden. |

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Christa Dürr ist Mitglied der Transparency-Arbeitsgruppe Wirtschaft und gehört der Redaktion des Scheinwerfer an. Zusammen mit Dorthe Siegmund hat sie den Schwerpunkt dieser Ausgabe betreut.

Foto: Wolfgang Frauenkron

Bericht von einer Veranstaltung in Bremen am 10.12.2012, zu der die Transparency-Regionalgruppe anlässlich des Antikorruptionstages eingeladen hatte.

Themenschwerpunkt: Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor I

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Rohstoffreichtum – Garant für Entwicklung oder Weg in die Armut?

Foto: www.medico.de

Von Heidi Feldt

Fast 60 Entwicklungs- und Schwellenländer sind in ihren öffentlichen Einnahmen von dem Erdöl-, Erdgas- und Bergbausektor abhängig. In einigen Ländern hat der Rohstoffreichtum die wirtschaftliche Entwicklung unterstützt wie in Malaysia oder Botsuana, doch in vielen rohstoffreichen Entwicklungsländern ist das Gegenteil der Fall. Die Länder der zentralafrikanischen Region gehören zu den rohstoffreichsten Ländern des Kontinents gleichzeitig rangieren sie – mit Ausnahme von Gabun – am Ende der Länderliste des Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen. Wiederum mit Ausnahme von Gabun (Rang 102) befinden sich diese Länder im unteren Viertel des Korruptionswahrnehmungsindex und in der Einordnung der Freiheit und der politische Rechte durch den Freedomhouse­ index werden sie als ‚nicht frei‘ eingestuft. Ähnliches gilt auch für andere Regionen der Welt wie Zentralasien oder den Maghreb. Studien unter anderem des Revenue Watch Instituts (2012) belegen, dass Rohstoffreichtum die wirtschaftliche Entwicklung eher verlangsamt und die Macht diktatorischer Regime festigt. Die Aufstände in der arabischen Welt haben dieses Verhältnis noch mal sehr deutlich gemacht: Trotz großer Ölvorkommen stagnierte die Wirtschaft in den Ländern, die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch und ihre Aussichten auf Arbeit sind minimal. Die Regierungen haben einseitig auf die Erdölförderung gesetzt, die Entwicklung anderer Wirtschaftszweige vernachlässigt und damit auch die wirtschaftlichen Perspektiven für die Bevölkerung verringert. Viele rohstoffreiche Länder sind zudem von großer innerer Ungleichheit geprägt. 1970 lebten ein Drittel der Nigerianer unter der Armutsgrenze, heute – 450 Milliarden US-Dollar Erdöleinnahmen später – sind es zwei Drittel der Bevölkerung. Korruption und Bestechung zementieren diese Ungleichheiten. Im April 2012 wurde der ehemalige Gouverneur im erdölreichen Nigerdelta in London wegen Geldwäsche verurteilt. Er hatte zwischen 1999 und 2007 Gelder in Höhe von 79 Millionen US-Dollar veruntreut. Ressourcenreichtum einerseits und wirtschaftliche Armut andererseits sind aber nicht zwangsläufig zwei Seiten einer Medaille. Rohstoffe sind neutral. Wie sie genutzt werden und zu welchen Konditionen, wie die staatlichen Institutionen den Sektor regulieren können, das ist entscheidend: Sierra Leone und Botsuana verfügen beide über Diamantenvorkommen. Während Botsuana zwischen 1974 und 2002 ein durchschnittliches wirtschaftliches Wachstum von 5,2 Prozent aufweisen konnte, versank Sierra Leone im selben Zeitraum in blutige Auseinandersetzung über die Kontrolle

Diamantenschürfer in Sierra Leone

der Diamantenminen. Ob Rohstoffe zum Nutzen eines Landes und seiner Menschen abgebaut werden können, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Wichtig sind: 1. Die Fähigkeit des Staates den Bergbau- und Erdölsektor zu regulieren und starke Institutionen, die in der Lage sind, die Regulierungen durchzusetzen. Dies umfasst auch die Umsetzung von Umwelt-, Sozial- und menschenrechtlichen Standards. 2. Eine entwicklungsorientierte Politik und die konsequente und effektive Verwendung von Einnahmen aus dem Rohstoffsektor für die Armutsbekämpfung inklusive langfristiger, begleitender wirtschaftlicher Maßnahmen, die verhindern, dass das Land in eine zu starke Abhängigkeit von der Preisentwicklung einzelner Rohstoffe kommt. 3. Die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in die Entscheidung über die Durchführung der Bergbau- und Erdölvorhaben und die Förderung der lokalen Wirtschaftsstruktur. Um dies zu ermöglichen ist die Herstellung von Transparenz über die Finanztransfers und über die Bedingungen, unter denen der Rohstoffabbau betrieben wird (Transparenz der Verträge), eine wesentliche Voraussetzung. Diese Informationen bilden eine notwendige Grundlage, damit die Bevölkerung und zivilgesellschaftliche Organisationen Rechenschaft über die Einnahmen und Ausgaben einfordern können, um Korruption und Bestechung eindämmen und Entwicklungsmaßnahmen nachhaltig finanzieren zu können. | Dr. Heidi Feldt ist Mitglied von Publish What You Pay und Ansprechpartnerin für die PWYP Kampagne in Deutschland. Sie arbeitet seit über 20 Jahren zu entwicklungs- und umweltpolitischen Fragestellungen.

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6 | Themenschwerpunkt: Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor Intransparent und inakzeptabel: Das Beispiel Glencore Die Publish What You Pay-Kampagne in Norwegen hat in einer Studie „Piping profits” (2011) die Transparenz europäischer und US-amerikanischer Rohstoffunternehmen untersucht. Das in der Schweiz ansässige Unternehmen Glencore (jetzt Glencore-Xstrata) hat am schlechtesten abgeschnitten: Fast die Hälfte der Subunternehmen der Glencore International AG mit Sitz in der Schweiz befinden sich in sogenannten Secrecy Jurisdictions, in Ländern in denen keine Offenlegungspflicht herrscht. Dies nutzt der Konzern anscheinend auch, um seine Steuerverpflichtungen in den Abbauländern zu umgehen wie das Beispiel Sambia zeigt. Dort hat die Glencore-Tochter Mopani trotz hoher Kupferpreise in den letzten Jahren immer nur Verluste ausgewiesen und deshalb nie Gewinnsteuern bezahlt. Zu den auffälligsten Unregelmäßigkeiten gehören die darin untersuchten, weil unerklärlich aufgeblasenen Betriebskosten von Mopani. Allein für das Jahr 2007 haben die Buchprüfer für Ausgaben in Höhe von 380 Millionen Dollar keinerlei plausible Erklärung gefunden. Dazu kommen im Vergleich mit anderen Minen

viel zu niedrige Kobalterträge und Verkaufspreise für Kupfer, die weit unter dem internationalen Referenzpreis lagen. Da Glencore fast alleiniger Abnehmer der Minenproduktion von Mopani ist, das heißt die Rohstoffe firmenintern gehandelt wurden, stellen die zu niedrigen Kupferpreise eine eklatante Verletzung des „Arm’s Length Principle“ der OECD dar. Die dort festgeschriebene Pflicht auch im firmeninternen Handel Marktpreise zu verrechnen, soll genau das vermeiden, was Glencore jahrelang getan hat: Durch systematische Unterfakturierung ein rohstoffreiches Entwicklungsland um seine Einnahmen bringen. Sambia ist eines der ärmsten Länder der Welt und die von Glencore im Jahr 2000 ausgehandelten „Royalties“ (Förderabgaben) lagen lange nur bei 0,6 Prozent. Damit war die Steuer- und Abgabenlast des Unternehmens bereits sehr gering. Die Schweizer NRO „Erklärung von Bern“ hat daher Beschwerde vor der nationalen Kontaktstelle der OECD gegen Glencore erhoben.  Heidi Feldt |

rezension

Berlin: Rotbuch Verlag 2012 ISBN 978-3-86789-155-4 254 Seiten. 19,95 Euro

Stefano Liberti: Landraub – Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus Seit einigen Jahren lässt sich auf der Südhalbkugel eine neue Form von Kolonialismus beobachten. Es geht um den Kauf oder die langfristige Pacht fruchtbarer Ackerböden vor allem in Afrika, aber auch in Asien und Südamerika. Stefano Liberti beschreibt in seinem Buch „das neue Betätigungsfeld von Abenteurern und Geschäftsleuten, von Staaten, die die Versorgung ihrer Bürger mit Nahrungsmitteln sicherstellen wollen, und von Finanziers, die nach Möglichkeiten suchen, ihre Profite zu vervielfachen“ (S. 9). Liberti ist Journalist, er nutzt die Form der Reportage, um seine Leser mit der Problematik des aktuellen „Landraubs“ zu konfrontieren. Das Buch umfasst sechs

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spannende Reportagen. Im Kapitel 1 wird am Beispiel Äthiopiens das „Eldorado der Investoren“ aus der Sicht des Landes sowie der Investoren geschildert. Kapitel 2 illustriert am Beispiel Saudi-Arabiens die „Eroberung der Ackerflächen“ durch reiche Wüstenstaaten. Den finanziellen Mechanismen des Agroinvestments widmen sich Kapitel 3: „Genf – die Finanziers der bestellten Flächen“ sowie Kapitel 4: „Chicago – Die Hunger-Börse“. Die Kapitel 5: „Brasilien – Die Herrschaft der Agrokonzerne“ sowie 6: „Tansania – Die Grenze der Biotreibstoffe“ behandeln zum einen das Zusammenspiel von Großgrundbesitzern und multinationalen Konzernen am Beispiel der Soja-und Äthanol-Produktion in Brasilien sowie die Problematik der Umwidmung von Agrarflächen für die Energiepflanzenproduktion in Tansania. Ich kann das Buch von Stefano Liberti wärmstens empfehlen. Es garantiert eine spannende und informative Lektüre. Zu wünschen ist dem Autor eine engagierte Leserschaft, die dafür sorgt, dass das Thema „Landraub“ auf die politische Agenda kommt. In den USA wurden im letzten Jahr verbindliche Regeln für die Offenlegung der Zahlungen an Regierungen im Bereich der Rohstoffgewinnung verabschiedet. Eine entsprechende Regelung wird derzeit in der Europäischen Union verhandelt. Was fehlt, ist eine Einbeziehung der Ressource Boden. Nicht zuletzt mit der von Transparency Deutschland initiierten und auf der letzten Mitgliederversammlung von Transparency International verabschiedeten Resolution zur Rohstofftransparenz treten wir für eine Ausweitung der Transparenzregelungen im Rohstoffgeschäft auf den Landkauf und die Landpacht ein. Das Buch von Stefano Liberti ist für die Durchsetzung unserer Forderung hilfreich.  Edda Müller |

Themenschwerpunkt: Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor I

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Unheilige Allianz: Korruption, Intransparenz und Menschenrechtsverletzungen Von Friedel Hütz-Adams

Beim Abbau und bei der Weiterverarbeitung von Rohstoffen kommt es in vielen Staaten zu massiven Menschenrechtsverletzungen. Das beginnt in einigen Abbauländern mit der Vertreibung der Menschen, die genau dort leben, wo der Bergbau stattfinden soll, führt über die Verschmutzung von Luft und Wasser in den Minengebieten und deren Umland über miserable Arbeitsbedingungen bis hin zu Verseuchungen durch Chemikalien. Dabei gibt es eine Vielzahl von Regulierungen auf internationaler Ebene, die solche Missstände verhindern sollten. Dies reicht von der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ bis hin zu Konventionen von Unterorganisationen der Vereinten Nationen, die beispielsweise den Umweltsektor, den Schutz der Arbeitnehmer oder die Rechte indigener Völker umfassen. Für alle diese Bestimmungen allerdings gilt: Bei Verstößen gibt es keine Sanktionsmechanismen. Auch nationale Regierungen haben eine Vielzahl von Gesetzen erlassen, die soziale und ökologische Mindeststandards festlegen. Doch vielen Regierungen mangelt es entweder an der Fähigkeit oder am Willen, die eigenen Gesetze durchzusetzen. Dabei kann der Versuch eine Rolle spielen, Investoren anzulocken und Arbeitsplätze zu schaffen. Doch häufig gibt es gerade bei Rohstoffprojekten Korruptionsvorwürfe.

Foto: Friedel Hütz-Adams

Kongo Ein besonders eklatantes Beispiel dafür ist die Demokratische Republik Kongo. Aufgrund seiner großen Rohstoffvorkommen wird das Land häufig als reich bezeichnet. Was dabei allerdings übersehen wird: Selbst in gut verwalteten Staaten fließen in der Regel nur rund zehn Prozent der Exporterlöse aus Rohstoffen als Steuern in den Staatssäckel. Im Kongo waren diese Einnahmen in der Vergangenheit noch weit geringer. Ein Grund für die niedrigen Einnahmen sind die Verträge, die staatliche Stellen mit den Minenkonzernen geschlossen haben. Im Frühjahr 2008 veröffentlichte eine von der kongolesischen Regierung eingesetzte Untersuchungskommission einen Bericht über 61 wichtige Vertragsabschlüsse im Rohstoffbereich. Nach Ansicht der Kommission müssten alle untersuchten Verträge neu verhandelt werden. 22 Verträge wurden sogar in die Kategorie C eingeteilt und gelten damit als besonders unvorteilhaft sowohl für die kongolesische Regierung als auch für die Bevölkerung des Landes. Nach diesem Bericht wurden einige Verträge gekündigt, aber auch

viele neue abgeschlossen, die nach Ansicht kongolesischer Nichtregierungsorganisationen erneut sehr nachteilig für den Staat sind. Immer wieder gibt es Gerüchte über Korruption.

Verantwortung der Unternehmen Um die Debatte über Wege zur Beseitigung von Missständen voranzutreiben, wurde vom Generalsekretär der Vereinten Nationen mit John Ruggie ein Sonderbeauftragter für Wirtschaft und Menschenrechte eingesetzt. Dieser hat seit dem Jahr 2008 Studien über die Beachtung der Menschenrechte in internationalen Wirtschaftsbeziehungen ausgewertet. Ein Ergebnis seiner Recherche lautet: Im Vergleich mit anderen Branchen bestehen die gravierendsten Probleme in den Bereichen Rohstoffförderung und Infrastrukturprojekte. Ruggie sieht zwar an erster Stelle die Regierungen in der Pflicht, die Einhaltung der Menschenrechte in der Wirtschaft durchzusetzen. Geschieht dies nicht, tragen seiner Meinung nach Unternehmen eine Verantwortung für Missstände in der eigenen Produktion sowie bei den Zulieferern, etwa Kinderarbeit oder unsichere Arbeitsumgebungen. Ein zentraler Begriff in der Argumentation von Ruggie ist die Sorgfaltspflicht („due diligence“): Unternehmen sollen in ihrer täglichen Geschäftspraxis sicherstellen, dass sie in allen Geschäftsabläufen nationale Gesetze und grundsätzliche Menschenrechte einhalten. Opfern von Menschenrechtsverletzungen soll der Zugang zu Rechtsmitteln und Wiedergutmachung erleichtert werden. Ruggies Berichte führten im Juni des Jahres 2011 zu Richtlinien, die durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verabschiedet wurden. Allerdings sind das keine einklagbaren Gesetze. Um kontrollieren zu können, ob die Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette dieser Verantwortung gerecht werden, ist Transparenz eine wichtige Voraussetzung. Die Nachvollziehbarkeit des Weges der Metalle von der Mine bis zum Endprodukt würde den Druck auf die Unternehmen erhöhen, Korruption bei ihren Lieferanten zu bekämpfen. | Friedel Hütz-Adams ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des SÜDWIND-Instituts. Er beschäftigt sich mit der Frage, wie in globalisierten Wertschöpfungsketten ökologische und soziale Mindeststandards durchgesetzt werden können.

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8 | Themenschwerpunkt: Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor

Verschwiegen und risikoreich – Rohstoffdrehscheibe Schweiz Von Oliver Classen

Zwei Drittel aller Energie- und Metall-Ressourcen und ein Großteil der Agrarrohstoffe stammen aus Entwicklungsländern. Viele dieser Staaten aber bleiben bettelarm und leiden häufig unter Korruption und kriegerischen Konflikten. Genauer: Je gesegneter ein afrikanisches, südamerikanisches oder asiatisches Land mit Bodenschätzen ist, desto größer ist auch die Gefahr, dass die Bevölkerung unter deren Ausbeutung mehr leidet als davon profitiert. Dieser sogenannte „Rohstofffluch“ ist ein politischer Skandal, an dem in Genf oder Zug ansässige Konzerne immer kräftiger verdienen. Und der eigentliche Skandal ist, dass diese Tatsache nicht als Skandal wahrgenommen wird. Seit 1998 ist der hierzulande abgewickelte Handel mit Öl, Gas, Kohle, Metallen und Landwirtschaftsprodukten um Schwindel erregende 1700 Prozent gewachsen. Die Folge: Sieben der zwölf umsatzstärksten Schweizer Unternehmen handeln und/oder fördern Rohstoffe. Anders formuliert: Mindestens 25 Prozent des globalen Rohstoffhandels läuft derzeit über die Schweiz. Zum bedeutenden „Commodity Hub“ (Rohstoffdrehscheibe) wurde das ressourcenarme Binnenland dank seines smarten Mix‘ aus gezielten Steuerprivilegien, starkem Finanzplatz, schwacher Regulierung und lascher Embargo-Politik. Die sechs Top-Manager von Glencore verdienten beim Börsengang ihres Unternehmens 2011 mehr als die 96 ärmsten Länder der Welt im gleichen Jahr erwirtschafteten. Einer der Hauptgründe für die Verarmung rohstoffreicher Länder ist die Intransparenz bei den Zahlungen zwischen Förderstaaten und Bergbau- beziehungsweise Handelsunternehmen wie zwischen den weit verzweigten Tochterfirmen dieser

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Global Player. Der grassierenden Korruption in den Abbaugebieten und der aggressiven Steuervermeidung in Schweizer Konzernzentralen ist nur durch die Offenlegung aller relevanten Geldflüsse beizukommen. Eines der Geschäftsprinzipien von Glencore, Vitol, Trafigura & Co ist die Steuervermeidung mittels sogenanntem „Transfer Pricing“. Dieser nicht nur in der Rohstoffbranche gängige Begriff bezeichnet die konzerninterne Verschiebung von Gewinnen an den steuergünstigsten Ort – zum Beispiel die Schweizer Kantone Zug, Luzern oder Genf. Das Herkunftsrespektive Förderland geht bei dieser Profitverlagerung und -verschleierung leer aus. Heute wird rund die Hälfte des Welthandels nicht zwischen verschiedenen Unternehmen abgewickelt, sondern zwischen Tochtergesellschaften weitverzweigter Firmengruppen. Die Rohstoffbranche spielte hier eine Vorreiterrolle. Durch ihr gesetzliche Grauzonen ausnutzendes Geschäftsmodell kommt diese verschwiegene Boom-Branche zudem immer wieder in Konflikt mit den Menschenrechten. Dazu tragen auch der immense Landverbrauch und die häufig grenzwertüberschreitenden Luft- und Wasserverschmutzungen bei, die die Rohstoffkonzerne verursachen. Gefährlich ist das „Commodity Business“, wie es heute in der Schweiz betrieben wird, also besonders für all jene Menschen, die im Dreck und Staub der Minen und Fördertürme leben. Gefährlich ist es aber auch für die politische Schweiz solange sie für diesen heiklen Sektor eine Steuer-, Transparenzund Regulierungsoase bleibt. Dies auch, weil die US-Börsenaufsicht letzten Herbst ein wegweisendes Transparenzgesetz vorgelegt hat. Die EU wird im Frühling nachziehen und den Schweizer Rohstoffplatz politisch weiter isolieren. | Oliver Classen ist Mediensprecher der Erklärung von Bern (EvB), einer entwicklungspolitischen Schweizer Organisation, die sich für mehr globale Gerechtigkeit einsetzt. Darüber hinaus ist er Co-Autor des von der EvB herausgegebenen Sachbuchs „Rohstoff – Das gefährlichste Geschäft der Schweiz“ (Salis Verlag 2012, 2. Auflage).

Foto: Anni Schlumberger

Rohstoffe sind das Blut in den Adern der Weltwirtschaft und von wachsender strategischer Bedeutung. Denn wir (ver) brauchen immer mehr: Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden mehr natürliche Ressourcen konsumiert als in der gesamten vorherigen Menschheitsgeschichte. Heute transportieren zwei von drei Frachtschiffen Rohstoffe. Entsprechend mächtig und systemrelevant sind die dieses globale Multimilliarden-Business dominierenden Konzerne.

Themenschwerpunkt: Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor I

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Globale Standards für eine transparente Rohstoffentwicklung– Die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) Von Peter Eigen

Foto: klaas hartz / pixelio.de

Vor genau zehn Jahren hielt der damalige Präsident von Nigeria, Olusegun Obasanjo, in der überfüllten Aula der Freien Universität Berlin einen Vortrag zum zehnten Jahrestag der Gründung von Transparency International. Darin verkündete er, dass seine Regierung nicht nur die Veröffentlichung aller Zahlungen der Öl- und Gas-produzierenden Unternehmen an den nigerianischen Staat erlauben würde, sondern dass diese Veröffentlichung sogar zur Pflicht gemacht werden würde. Gleichzeitig würde seine Regierung alle Zahlungen, die sie von den Unternehmen erhalten, offenlegen. Das war die Geburtsstunde der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI); denn an der Weigerung mancher Rohstoffländer – wie etwa Angola – diese Veröffentlichung zu erlauben, wäre zu dieser Zeit beinahe die Publish What You Pay Kampagne gescheitert, die von einer Reihe wichtiger Nichtregierungsorganisationen - wie Transparency International, Global Witness und Oxfam – betrieben wurde und der Idee von EITI voran ging. Seitdem haben sich 37 Rohstoffländer, von Aserbaidschan und Mongolei über Nigeria und Peru bis Norwegen und Ost-Timor, diesem Standard angeschlossen. Über 30 EITIBerichte sind bisher veröffentlicht worden. So wissen die Bürger, Medien und Parlamentarier jetzt, oft zum ersten Mal, wie viel ihre Regierungen an Steuern, Bergwerksgebühren, Dividenden, Boni und anderen Zahlungen jährlich erhalten (im Fall von Nigeria in manchen Jahren über 50 Milliarden US-Dollar). Dieser Standard wurde entwickelt und wird jetzt umgesetzt durch eine globale Multi-Stake­ holder-Organisation, in der Regierungen, Privatunternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen gleichermaßen vertreten sind; das gleiche Dreiecksverhältnis wiederholt sich auf nationaler Ebene in den Arbeitsgruppen der teilnehmenden Rohstoffländer. Darauf beruhen Glaubwürdigkeit und Nutzen von EITI, die insbesondere bezüglich der Teilnahme der Länder weitgehend auf Freiwilligkeit basiert. Das Mandat von EITI ist ziemlich eng, weil es von der Übereinstimmung aller Beteiligten getragen werden muss. Eine Reihe von anderen Initiativen ist ebenfalls darum bemüht, die Regierungsführung bei der Rohstoffentwicklung zu verbessern. Dabei hat insbesondere eine Neuregelung im US Dodd-Frank Act für viel Diskussion gesorgt: In Section 1504 schreibt er nämlich vor, dass alle dem US-Recht unterliegenden Unternehmen – und dazu genügt schon ihre Registrierung an einer US-Börse – zukünftig veröffentlichen müssen, was sie bei

EITI nur freiwillig leisten wollten. Dabei verlangt das Gesetz, das am 22. August 2012 durch Verordnung der USBörsenaufsichtsbehörde SEC in Kraft gesetzt wurde, nicht nur eine pauschale Veröffentlichung der Zahlungen, sondern aufgeschlüsselte Berichte für jedes einzelne Projekt. Eine ähnliche Richtlinie wird gegenwärtig in Brüssel auf EU-Ebene vorbereitet. Viele betroffene Unternehmen und ihre Verbände wehren sich gegen diese Vorschriften. Sie meinen, dass hierdurch der einvernehmliche Standard von EITI kaputtgemacht wird, ein großer Arbeitsaufwand und vor allem ein Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen entstehe, die das nicht tun müssen. Wir teilen diese Befürchtungen nicht. Die geplanten Regeln sind komplementär zu den Standards und Zielen von EITI. Zunächst ist zu bedenken, dass sich die Arbeit von EITI nicht auf die Veröffentlichung von Zahlen der großen Rohstoffunternehmen beschränkt. Viele wichtige, wenn auch kleinere Unternehmen müssen nicht an den Börsen in Frankfurt, London oder New York berichten; dagegen sind alle Unternehmen, die in den beteiligten Rohstoffländern operieren, dazu verpflichtet. Die Abgleichung der empfangenen Zahlungen gegen die geleisteten Zahlungen ist von großer Bedeutung. Außerdem bietet EITI über das reine Zahlenwerk hinaus in vielen Ländern eine Plattform für Dialog und gemeinsames Lernen, die von den meisten Beteiligten hoch geschätzt wird. Die Umsetzung dieser Transparenzstandards kann sowohl bei den Regierungen der Rohstoffländer, als auch in den einschlägigen Unternehmen und ihren Heimatländern, einen wichtigen Anstoß zu besserer Regierungsführung, insbesondere größerer Rechenschaftspflicht der Entscheidungsträger und mehr Stabilität und Gerechtigkeit beitragen. | Prof. Dr. Peter Eigen ist Gründer und Beiratsvorsitzender von Transparency International und war von 2005 bis 2011 der Gründungsvorsitzende der EITI.

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10 | Themenschwerpunkt: Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor

Vom Rohstofffluch zum Rohstoffsegen: Was müssen, was können Unternehmen beitragen? Annemieke Wijn ist eine führende Expertin auf dem Gebiet der Nachhaltigkeitsberatung von Unternehmen. Nach einer erfolgreichen Laufbahn bei Kraft Foods Inc., zuletzt als General Manager, Deutschland, hat sie die Nachhaltigkeitsstrategie für den Konzern initiiert und umgesetzt. Bei der Podiumsdiskussion „Transparenz im Rohstoffsektor“ am 10. Dezember 2012 in Bremen erläuterte die Unternehmensberaterin die Möglichkeiten und die Schwierigkeiten von Unternehmen, transparente Strukturen im Kaffee- und Kakao-Anbau durchzusetzen. Der Scheinwerfer hat sie dazu befragt.

operieren deshalb mit Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und der GIZ. Unternehmen spielen eine wichtige Rolle als Abnehmer und Vermarkter, die die Produktkriterien definieren und sich für einen Zertifizierungsstandard entscheiden.

Welche Kernelemente sind zur Verbesserung der Lebens-und Arbeitssituation der Kaffee- und Kakaobauern notwendig? Das Grundproblem ist ein strukturelles. Es gibt weltweit 25 Millionen Kleinbauern, die Kaffee auf meist weniger als einem Hektar Land anbauen. Wenn sie verbesserte Agrartechniken anwenden und sich zu Gruppen zusammenschließen, sind deutliche Einkommensverbesserungen möglich, auch bei nachhaltiger Wirtschaftsweise. Gemeinsam bringen sie mehr Stärke in den Markt, sie kennen die Exportpreise und können vernünftige geschäftliche Entscheidungen treffen. Derartige Modelle können Unternehmen nicht selbst initiieren. Sie ko-

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Welche Bedeutung haben freiwillige Initiativen? Sie sind sehr nützlich für Firmen, die interessiert sind, etwas zu tun. Denn für sie ist es wichtig, dass sie nicht die Einzigen sind, sondern dass der Wettbewerb mitzieht. Freiwillige Initiativen sind auch deshalb toll, weil Firmen keine Ahnung haben, was getan werden muss. In den freiwilligen Initiativen beschäftigt man sich intensiv damit, welche Programme und welche Erzeugermaßnahmen sinnvoll sind. Ein Problem bei der Umsetzung ist, dass alle Beteiligten, das heißt Regierungen, Konzerne, Nichtregierungsorganisationen und Produzenten, einen gemeinsamen Nenner finden müssen. Eine Einzelinitiative könnte schnellere und weitreichendere Erfolge erzielen. Dafür ist auf breiter Ebene ein gemeinsames Verständnis, von dem was zu tun ist, erarbeitet worden. | Das Interview führte Christa Dürr. Sie ist Mitglied in der Transparency-Arbeitsgruppe Wirtschaft und in der Redaktion des Scheinwerfer. Zusammen mit Dorthe Siegmund hat sie den Schwerpunkt dieser Ausgabe betreut.

Foto: Annemieke Wijn

Bei der Veranstaltung „Transparenz im Rohstoffsektor“ haben Sie das „Null-Toleranz-Prinzip gegen Korruption“ als Grundvoraussetzung für ein strategisch denkendes Unternehmen genannt. Welche Bedeutung hat Korruption im Kaffee-/Kakao-Sektor? Korruption kann eine Bedeutung haben und zwar vor allem in Ländern, wo ein Großteil der Verarbeitungskette in Händen der Regierung liegt. Wenn zum Beispiel die Regierung hohe Exportsteuern erhebt, kann es sein, dass sie nicht den Menschen im Lande zu Gute kommen, sondern in dunklen Kanälen verschwinden. Das ist sehr unterschiedlich. In Brasilien erhalten die Kleinbauern mittlerweile über 90 Prozent des Exportpreises, in anderen Ländern sind es teilweise nur 30 bis 40 Prozent. Wo der Rest hängen bleibt, darüber weiß man naturgemäß nicht viel. Zum einen sind es Zwischenhändler, die es geben muss, weil die Bauern ihren Kaffee nicht selbst zum Exporteur in den Hafen bringen können. Diese Zwischenhändler haben manchmal monopolistische Strukturen, von denen die Kleinbauern völlig abhängig sind. Zum anderen sind es die besagten Regierungsstrukturen, die ganz offiziell hohe Steuern erheben, von denen man nicht weiß, wohin sie fließen.

Auf welche praktischen Schwierigkeiten stoßen Unternehmen bei der Umsetzung? Es ist ein sehr langwieriger Prozess, denn etliche 10.000 Bauern müssen zusammengebracht werden, damit sie am Ende ihren Kaffee, Kakao oder Tee vernünftig vermarkten können. Dazu ist großes Vertrauen in die Entwicklungsarbeiter notwendig und – nicht zu unterschätzen – die Bereitschaft der Bauern, technische und soziale Neuerungen anzunehmen. Ebenfalls nicht einfach ist die Zusammenarbeit mit den Regierungen. Sie müssen für Infrastrukturmaßnahmen, den Aufbau von Gesundheitssystemen und Schulen gewonnen werden. Das sind Maßnahmen, die von privater Seite nicht geleistet werden können. Auch im Unternehmen muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Meist führt die Angst vor negativen Konsumentenreaktionen zur Einsicht, wie nützlich nachhaltiges Wirtschaften für alle Beteiligten – auch für den Konzern selbst – ist.

Themenschwerpunkt: Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor I

11

Generalversammlung von Transparency International: resolution

Transparenz und Verantwortlichkeit im Rohstoffsektor herstellen Rohstoffreichtum geht viel zu oft mit Korruption einher. Der Kampf gegen Korruption im Rohstoffsektor ist seit unserer Gründung ein Schlüsselaspekt in der Arbeit von Transparency International. Das erfolgreiche Wirtschaften mit Bodenschätzen (Öl, Gas, Mineralien, Forstwirtschaft, etc.) erfordert Transparenz sowie Rechenschaft von Regierungen und Unternehmen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern sowie der interessierten Öffentlichkeit. Wir brauchen Transparenz vom Abbau bis zum Verkauf oder Verbrauch, einschließlich der Entsorgung. Die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) hat gezeigt, dass Fortschritte möglich sind und Transparenz sowohl den Staaten als auch den Unternehmen zu Gute kommt. Transparency International erkennt die umfangreiche Arbeit an, die viele zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit in diesem Bereich geleistet haben, und begrüßt diese. Herauszustellen sind hier das Revenue Watch Institute, Publish What You Pay und Global Witness. Transparency International begrüßt, dass die Natural Resource Charter Regeln für Regierungen und Gesellschaften festhält, wie die Chancen, die durch natürliche Ressourcen entstehen, genutzt werden können. Das Annual Membership Meeting von Transparency International ruft deshalb zum globalen Handeln auf: -- Weltweit sind Regierungen aufgefordert, verbindliche und kohärente Gesetze und Verwaltungsvorschriften zur Rohstofftransparenz auf länder- und projektbezogener Basis zu verabschieden und umzusetzen. -- Gesetze und Verwaltungsvorschriften sind über den Öl-, Gas- und Mineraliensektor hinaus auf Forstwirtschaft und Landerwerb auszudehnen. -- Regierungen sollen ein offenes, wettbewerbliches und transparentes Ausschreibungsverfahren zum Abbau natürlicher Ressourcen einführen und ihre Ausgaben und Erlöse offenlegen. -- International Accounting Standard Boards werden dazu aufgefordert, verpflichtende Transparenzanforderungen für den Rohstoffsektor auf projekt- und länderbezogener Basis einzuführen. -- Weltweit müssen Börsen und ihre Regulierungsbehörden

Transparenzstandards auf projekt- und länderbezogener Basis verlangen. -- Unternehmen sollen diese Transparenzvorschläge aktiv unterstützen und keine Lobbyarbeit zu ihrer Verwässerung betreiben. -- Investoren sollen sicher stellen, dass die Unternehmen, in die sie investieren, mit den höchsten Transparenzstandards arbeiten und sich nicht neuen Transparenzregeln widersetzen oder entsprechende Lobbyarbeit betreiben. -- In der Zivilgesellschaft muss Kapazität aufgebaut werden, Expertise entwickelt werden und gemeinsam mit Regierungen und Unternehmen ein Engagement für Initiativen wie EITI erfolgen. Länder und Unternehmen weltweit werden aufgerufen, EITI beizutreten und die EITI Standards umzusetzen. -- Transparency International unterstützt einen ganzheitlichen Ansatz zur Entwicklung des Rohstoffsektors, wie ihn auch die Natural Resources Charter und die Africa Mining Vision verfolgen. Transparency International begrüßt die vorbildlichen Regelungen, die die USA in Abschnitt 1504 des Dodd-Frank Act erlassen haben, und die entsprechenden Verordnungen der Securities and Exchanges Commission (SEC). Transparency International begrüßt ebenso die Änderungsanträge des Rechtausschusses des Europäischen Parlamentes zu den von der Europäischen Kommission vorgelegten Entwürfen der Transparenz- und der Rechnungslegungsrichtlinie. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind aufgerufen, diese Anträge zu unterstützen. Die Bereicherung korrupter Kleptokraten auf Kosten der Bevölkerung muss ein Ende haben. Dies kann nur gelingen, wenn einzelne Regierungen den fairen Wettbewerb um Rohstoffe nicht weiter behindern. Wir brauchen beides: verbindliche Regelungen für Transparenz der Zahlungsströme wo immer möglich, und freiwillige Initiativen wie EITI. | Verabschiedet auf der Generalversammlung von Transparency International am 6.11.2012 in Brasilia. Übersetzt von Elisabeth Kahler.

Scheinwerfer 58 | Transparency Deutschland |

12 | Nachrichten und Berichte

Die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) hat Deutschland zum wiederholten Male wegen der Nichtumsetzung internationaler Vorgaben zur Korruptionsbekämpfung kritisiert. Sie bemängelt in einem Ende November 2012 veröffentlichten Bericht, die Bundesrepublik habe die meisten ihrer Empfehlungen aus dem Jahr 2009 zur Kriminalisierung von Korruptionshandlungen und für eine transparente Parteienfinanzierung noch immer nicht berücksichtigt. GRECO sieht unter anderem folgenden Reformbedarf: Ratifizierung des Strafrechtsübereinkommens über Korruption des Europarats und des dazugehörigen Zusatzprotokolls, Verschärfung

Nordrhein-Westfalen wird gegen Abgeordnetenbestechung aktiv Auf Beschluss der Länderjustizminister erarbeitet das Land Nordrhein-Westfalen zurzeit einen Gesetzesentwurf, der das aktuell geltende Strafrecht zur Bestechung von Abgeordneten neu regeln soll. Wie verschiedene Medien Anfang Januar berichteten, soll die Neufassung im Frühjahr in den Bundesrat eingebracht werden. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD)

der Straftatbestände für Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten sowie ausländischen und internationalen Amtsträgern und Erweiterung des Straftatbestands für Korruption im geschäftlichen Verkehr. Außerdem soll Deutschland ein Verfahren zur Publikation von Rechenschaftsberichten für Wahlkämpfe einführen, die Grenzen für die Veröffentlichung von Parteispenden und Spendern senken, die Regeln für Spenden an Abgeordnete reformieren, die verschiedenen Formen der staatlichen Parteienfinanzierung transparenter darstellen und die externe Rechenschaftsprüfung der Parteien sowie die Aufsicht über die Parteienfinanzierung stärken. Deutschland wurde aufgefordert, bis zum 31. Juli 2013 über etwaige Fortschritte zu berichten. Transparency Deutschland unterstützt die Forderun-

gen des Europarats und wird sich auch in Zukunft mit Nachdruck für deren Umsetzung einsetzen.  Sebastian Wolf |

hatte den bestehenden Gesetzesstand zur Abgeordnetenbestechung wiederholt kritisiert und sich im November 2012 in der Konferenz der Länderjustizminister erfolgreich für die Neuregelung eingesetzt. Der Entscheid eröffnet eine positive Perspektive, endlich die Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption in die Tat umsetzen zu können. Dieser Schritt setzt eine Verschärfung des Strafrechts zur Abgeordnetenbestechung unmittelbar voraus. Trans-

parency Deutschland hatte vor der Konferenz an die Länderjustizminister appelliert, aktiver gegen Korruption vorzugehen: So kritisierte unter anderen Vorstandsmitglied Jochen Bäumel: „Das Parlament hat es bis heute nicht aus eigener Kraft geschafft, die lückenhafte Regelung der Abgeordnetenbestechung zu verschärfen. Wir fordern die Länder-Justizminister auf, die Neuregelung der Abgeordnetenbestechung über eine gemeinsame Initiative im Bundesrat voranzubringen.“ lt |

Informationsfreiheitsbeauftragte fordern mehr Transparenz in Parlamenten

vember 2012. Dadurch würden auch im Sinne der Abgeordneten unsachliche Diskussionen vermieden und Bedenken der Bürger zerstreut, dass Partikularinteressen bestehen, so der Bundesbeauftragte Peter Schaar laut dpa. Um gläserne Abgeordnete zu vermeiden, müssten allerdings Besonderheiten des Mandats und Berufsgeheimnisse berücksichtigt werden. Darüber hinaus sprachen sich die Teilnehmer der Tagung für eine umfassende Verbesserung der parlamentarischen Informationspolitik aus. So

Abgeordnete sollen weitere Tätigkeiten und Einkünfte weitgehend offenlegen. Das forderten die Informationsfreiheitsbeauftragten von Bund und Ländern auf einer gemeinsamen Konferenz Ende No-

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 58

Foto unten: Heike / pixelio.de

Erneute Rüge des Europarats wegen ausbleibender Antikorruptionsreformen

Foto oben: Benjamin Thorn / pixelio.de

POL I T I K

Nachrichten und Berichte I

sollten künftig Tagesordnungen von Plenardiskussionen und Ausschusssitzungen ebenso veröffentlich werden wie Stellungnahmen, Protokolle und weitere Unterlagen, die Gegenstand der Beratungen sind. Ausschusssitzungen sollten öffentlich stattfinden, wissenschaftliche Ausarbeitungen der Parlamentsdienste und sonstige

Korruptionswahrnehmungsindex 2012: Deutschland bleibt Mittelmaß Am 5. Dezember 2012 hat Transparency International den Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) für das Jahr 2012 veröffentlicht. Diesmal wurden 176 Länder nach der im öffentlichen Sektor – bei Beamten und Politikern – wahrgenommenen Korruption bewertet. Angeführt wird der CPI 2012 von Dänemark, Finnland und Neuseeland mit 90 von 100 Punkten. Politik und Verwaltung dieser Länder werden also als besonders integer wahrgenommen. Afghanistan, Nordkorea und Somalia hingegen bilden mit acht von 100 Punkten das Schlusslicht. Deutschland nimmt mit 79 von 100 Punkten Rang 13 ein und liegt damit im Mittelfeld vergleichbarer Länder. Mit dem Jahr 2012 wurde die Methodologie für den Korruptionswahrnehmungsindex aktualisiert. Die neue Methodologie ist leichter nachvollziehbar und verständlicher. Vor allem ermöglicht sie, die Veränderungen der Wahrnehmung über die Jahre zu erfassen. Als Folge dieser Aktualisierung wird es ab 2013 möglich sein, den aktuellen Wert eines Landes mit dem Wert vom

Verteidigung gegen Korruption mangelhaft Kaum ein anderer Sektor wird so sehr mit den Worten „geheim“ oder „intransparent“ assoziiert wie der Verteidigungssektor. Diese Wahrnehmung wird beispielsweise durch geringe Antikorruptionsbemühungen von Rüstungsunternehmen bestärkt, wie der

Gutachten in Zukunft grundsätzlich publik gemacht werden. Auch Informationen über Beschaffungen, Reisen sowie Sachausgaben der Parlamente und ihrer Ausschüsse sollten einsehbar werden. In welchem Umfang Transparenz herzustellen ist, heißt es in der gemeinsamen Entschließung, sei eine Frage

Rang

Land/Gebiet

13

des verfassungsrechtlich gebundenen, gesetzgeberischen Ermessens. Dieses verpflichte die Parlamente dazu, die bereits vorhandenen Transparenzregelungen regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob sie sich bewährt haben oder gegebenenfalls zu konkretisieren und zu ergänzen sind.  rf |

CPI Wert 2012

Zahl der Umfragen

Standardabweichung

Vertrauensintervall

1

Dänemark

90

7

2,0

87 - 93

1

Finnland

90

7

3,0

85 - 95

1

Neuseeland

90

7

2,2

87 - 94

4

Schweden

88

7

1,9

85 - 91

5

Singapur

87

9

2,1

83 - 90

6

Schweiz

86

6

2,6

81 - 90

7

Australien

85

8

1,1

83 - 86

7

Norwegen

85

7

1,6

82 - 87

9

Kanada

84

7

2,2

80 - 87

11

Island

82

6

4,1

75 - 89

12

Luxemburg

80

6

2,8

75 - 85

13

Deutschland

79

8

2,3

75 - 83

16

Belgien

75

7

2,4

71 - 78

17

Japan

74

9

2,3

70 - 78

17

Großbritannien

74

8

1,3

72 - 77

19

USA

73

9

4,1

66 - 79

Frankreich

71

3

1,0

70 - 73

Somalia

8

4

2,3

04 - 12

(…)

(…) 22 (…) 174

Vorjahr zu vergleichen. Um auf diese Veränderung hinzuweisen, wurde der Korruptionswahrnehmungsindex auf

einer Skala von 0 (sehr korrupt) bis 100 (sehr integer) Punkte dargestellt.  Elisabeth Kahler |

letztjährige Defence Companies AntiCorruption Index herausstellt. Der Index untersuchte die 129 größten Rüstungsfirmen weltweit hinsichtlich ihrer Maßnahmen zur Korruptionsprävention. Nur zehn Prozent der Unternehmen zeichnen sich durch gute, öffentlich zugängliche Informationen aus. 60 der 129 untersuchten Unternehmen fallen in

die untersten beiden Bewertungskategorien des Index und weisen kaum oder gar keine Anti-Korruptionsbemühungen auf. Hier finden sich zwei der sechs deutschen Firmen: Rheinmetall und Kraus-Maffei Weggmann. Die Diehl Stiftung, MTU Aero Engines und Tognum verfügen nur über sehr begrenzte Mechanismen zur Korruptionsprävention. ThyssenKrupp hat

Scheinwerfer 58 | Transparency Deutschland |

GOVERNMENT DEFENCE ANTICORRUPTION INDEX 2013

es gerade noch in das obere Mittelfeld geschafft. Das hieraus entstehende öffentliche Misstrauen erstreckt sich entsprechend auch auf die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung und spie-

Gauselmann und die FDP Zur Erinnerung: Im September 2012 hatte das ARD-Magazin Monitor auf Zahlungen aus der SpielautomatenBranche an die FDP aufmerksam gemacht. Der Glücksspielunternehmer Gauselmann hat rund 2,2 Millionen Euro investiert, um sich bei Tochterunternehmen der FDP zu beteiligen. Dieser Umstand hat die Frage aufgeworfen, ob es sich um eine verdeckte Spendenzahlung an die Partei handelt. Der Verdacht wurde laut Monitor auch dadurch genährt, dass Gauselmann für

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft: Neue Studie zur Psychologie von Korruption Korruption kann viele Formen annehmen, die von unterschwelliger Beeinflussung bis hin zu offener und einvernehmlicher Bestechung reichen. In der im November 2012 erschienen Studie „You Owe Me“ haben Forscher der Uni-

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 58

gelte sich im Jahr 2012 durch erhöhte mediale Aufmerksamkeit wider. Aber wie transparent sind die mit Verteidigungs- und Sicherheitsfragen befassten staatlichen Institutionen wirklich? Diese Frage stellt sich der erstmals erschienene Government Defence Anti-Corruption Index 2013, der vom Verteidigungs- und Sicherheitspolitischen Programm von Transparency Großbritannien herausgegeben wurde. Der Index analysiert die Maßnahmen von 82 Staaten, Korruptionsrisiken zu reduzieren. Die untersuchten Staaten sind die größten Waffenexporteure und -importeure der Welt. Im Index werden die Staaten in Kategorien von A (sehr geringes Risiko) bis F (kritisches Risiko) eingestuft. Die Einstufung erfolgt auf Grundlage einer detaillierten Analyse von 77 Indikatoren, die fünf zentrale Risikobereiche umfasst: Politik, Finanzen, Personal, Operationen und Auftragsvergabe. Insgesamt zeichnet der Index ein ernüchterndes Bild.

Beispielsweise sind robuste politische Kontrollen in nur 15 Prozent der 82 untersuchten Staaten zu finden. Deutschland ist neben Australien der einzige Staat, der in die Kategorie A fällt und somit über die vergleichsweise stärksten Anti-Korruptionsmechanismen im Verteidigungssektor verfügt. Deutschland zeichnet sich unter anderem durch ein angemessenes Personalmanagement und transparente Vergabeverfahren aus. Letztere unterliegen zum Teil auch Vorgaben der EU. Trotz des guten Abschneidens gibt es klare Verbesserungsmöglichkeiten. Defizite werden Deutschland bei der Korruptionsprävention bei Auslandseinsätzen attestiert; in einschlägigen Leitlinien wird Korruption nicht als wesentliches Risiko hervorgehoben. Die unzureichende Transparenz in der Rüstungsexportpolitik wird ebenfalls bemängelt; beispielsweise sind Informationen detaillierter und schneller zu veröffentlichen. Tobias Hecht |

die Beteiligungen „sehr hohe Summen zahlte, die mit der Ertragskraft der Unternehmen kaum erklärt werden konnten.“ Anfang Dezember 2012 hat die Bundestagsverwaltung, die den Verdacht prüfte, dazu nun eine schmallippige, neunzeilige Pressemitteilung herausgegeben: „Zu klären war die Frage, ob die FDP durch das Engagement eines Mitgesellschafters der parteieigenen Firma altmann-Druck GmbH sowie im Zusammenhang mit einem Grundstücksverkauf verdeckte Spendenzuflüsse zu verzeichnen hatte. Dieser Verdacht hat sich als unbegrün-

det herausgestellt.“ Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, kündigte daraufhin an, im Ältestenrat nachfragen zu wollen, „wie tief die Prüfung gegangen ist und ob man sich einfach auf von der FDP selbst vorgelegte Testate gestützt hat.“ Die Aufmerksamkeit, die Gauselmanns Aktivitäten zukommt, hat ihren Hintergrund in einer vom FDP-geführten Wirtschaftsministerium geplante Novelle der Spielverordnung, die die Rahmenbedingungen für Spielautomaten, wie sie von Gauselmann hergestellt werden, reformieren soll.ms |

versitäten in München und Berkeley gezeigt, wie vor allem kleine Geschenke und Zuwendungen das Verhalten von Entscheidern steuern können. In einer umfangreichen Serie von Laborexperimenten mussten dabei Entscheidungsträger im Interesse und auf Kosten von Auftraggebern aus mehreren Optionen die optimale wählen. Anwendbar ist dieses

Foto: Jorma Bork / pixelio.de

14 | Nachrichten und Berichte

Nachrichten und Berichte I

Szenario zum Beispiel auf einen Praxisarzt, der Medikamente im Auftrag der Solidargemeinschaft verschreibt oder einen Politiker, der Entscheidungen im Auftrag seiner Wähler treffen soll. Als dritte Partei konnten „Unternehmer“ den Entscheidern vorher eine kleine Zuwendung zukommen lassen. Bemerkenswert waren nun die Umstände der Interaktion. Insbesondere war geheim, welche Option der Entscheider letztlich wählt und für den Unternehmer damit nicht nachvollziehbar. Zudem war kein weiteres

Aufeinandertreffen von Unternehmern und Entscheidern mehr möglich. Motive, die auf den Erhalt von künftigen Zuwendungen abstellen, konnten bei der Wahl also ausgeschlossen werden. Dennoch kam es zu massiven Verzerrungen der Entscheidungen. So wurde eine Option in 50 Prozent der Fälle gewählt, wenn kleine Zuwendungen im Spiel waren, selbst wenn sie für den Auftraggeber zwar klar erkennbar am schlechtesten, für den Unternehmer jedoch profitabel war. Die Forscher führen diese überraschende Verzer-

Foto unten: M. Großmann / pixelio.de

Foto oben: Romy / pixelio.de

Grüne legen Entwurf zur Änderung des Parteiengesetzes vor

Die deutschen Parteien erhalten immer weniger Großspenden über 50.000 Euro. Das geht aus einer Aufstellung der Bundestagsverwaltung hervor, die die Behörde zu Jahresbeginn 2013 veröffentlichte. Danach bekamen die Parteien 2012 insgesamt „nur“ 1,3 Millionen Euro (2011: 2,03 Millionen Euro). Darben müssen die Parteien dennoch nicht. Im Gegenteil: Die Parteien sei-

rung auf unausgesprochene moralische Verpflichtungen zurück, die das Geschenk erzeugt. Der psychologische Effekt kleiner Geschenke genügt also, um eine deutliche Verhaltensänderung hervorzurufen. Größere Zuwendungen waren dagegen deutlich wirkungsloser, da sie von den Entscheidern als Bestechung wahrgenommen wurden und Abwehrreaktionen auslösten.  Norman Loeckel |

Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, Leistungen im Rahmen von Sponsoringvereinbarungen künftig wie Spenden zu behandeln, soweit sie „im Verhältnis zur Gegenleistung der Partei erkennbar über dem marktüblichen oder angemessenen Preis“ liegen. Übersteigen derartige Leistungen einen Wert von 5.000 Euro, sollen sie in den Rechenschaftsberichten der Parteien verzeichnet werden. Im Gegensatz zur konventionellen Spende soll das Sponsoring auch juristischen Personen weiterhin erlaubt sein. Die SPD hat ebenfalls angekündigt, Vorschläge zur schärferen Regulierung von Parteispenden zu unterbreiten. Transparency Deutschland fordert schon lange die Begrenzung der Spenden auf maximal 50.000 Euro sowie eine unmittelbare Veröffentlichung aller Zuwendungen ab 10.000 Euro. rf |

Die Grünen-Bundestagsfraktion hat Mitte Dezember 2012 einen Entwurf zur Änderung des Parteiengesetzes beschlossen. Der Entwurf sieht eine Begrenzung der Parteispenden sowie herabgesetzte Schwellenwerte für Anzeige- und Veröffentlichungspflichten vor. So sollen Spenden bei 100.000 Euro gedeckelt werden. Zuwendungen von juristischen Personen, etwa Unternehmen und Verbände, würden ganz verboten. Die Grenze, ab der Spenden in den Rechenschaftsberichten der Parteien aufgeführt werden müssen, soll von 10.000 Euro auf 5.000 Euro pro Jahr herabgesetzt werden. Zudem sollen bereits Beträge über 25.000 Euro unmittelbar dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden; bislang ist dies nur bei Zuwendungen von über 50.000 Euro der Fall.

Weniger große, aber mehr kleinere Parteienspenden

15

en mit dem Spendenaufkommen ganz zufrieden, denn was an Großspenden fehlt, wird also durch kleinere Beträge aufgewogen. Das fand die Frankfurter Rundschau auf Nachfrage bei den Parteien heraus. Der Vorteil für Spender und Parteien: Das Parteiengesetz sieht vor, dass nur Großspenden über 50.000 Euro sofort ans Bundestagspräsidium gemeldet und dort veröffentlicht werden müssen. Zuwendungen ab 10.000 Euro werden erst in den Rechenschaftsbe-

Scheinwerfer 58 | Transparency Deutschland |

16 | Nachrichten und Berichte richten der Parteien mit ein- bis zweijährigem Abstand veröffentlicht. Es kann also durchaus bis 2015 dauern, bis die Öffentlichkeit mehr über diese Spenden aus dem Bundestagswahljahr 2013 erfährt. Über Spenden unter 10.000 Euro erfährt man überhaupt nichts. Nichts vom neuen Down-sizing-Trend halten wohl die Verbände der Metall- und Elektroindustrie aus Bayern, Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen. Sie spendeten 2012 insge-

samt 675.000 Euro an Grüne, FDP, CDU und CSU. Gerade gegen diese Spenden aus Dachverbänden richtet sich auch Transparency Deutschland, denn hier lassen sich die Absender und ihre Motive noch weniger nachvollziehen. Das Beispiel zeigt, wie dringend notwendig eine Neuregelung ist, die klare Grenzen für Parteispenden setzt und Transparenz sicherstellt. Unterstützung für mehr Transparenz gab es Ende 2012 auch aus der Wirtschaft. Wolfgang Ischinger, Generalbevollmäch-

tigter der Allianz, bat in einem Brief an Bundestagspräsident Norbert Lammert, der der Frankfurter Rundschau vorliegt, darum, dass die 30.000-EuroSpenden des Konzerns an CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP in den Bericht des Bundestags über die Großspenden aufgenommen würden. Begründung: „Die Allianz legt als überzeugter Unterstützer der parlamentarischen Demokratie großen Wert auf die Transparenz und Nachvollziehbarkeit ihrer Parteispenden.“as |

Niedergelassene Ärzte und deutsche Abgeordnete darf man bestechen, ohne sich strafbar zu machen

Klug nutzte der Gesundheitsexperte und junge CDU-Abgeordnete Jens Spahn (32) die nachrichtenarme Weihnachtszeit, um darauf aufmerksam zu machen, dass man die Korruption unter den niedergelassenen Ärzten nun aber dringend bekämpfen müsse. Vermutlich wird ja nach der Bundestagswahl im September 2013 beim zuständigen Ministerium ein Posten frei; da wollte er wohl rechtzeitig „hier“ rufen. Seit 2002 ist Spahn bereits Abgeordneter und derzeit Vorsitzender der Gesundheitsarbeitsgruppe der CDU/ CSU im Parlament. Die Medien waren dankbar, denn bestechliche Ärzte sind immer für Schlagzeilen gut, und mit Rücksicht auf den Anzeigenmarkt sind sie auch weniger problematisch als das Thema „Bestechende Pharmaindustrie“. Prompt stimmte auch der Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) in den Chor

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 58

der veröffentlichten Meinung ein. Er meinte laut Ärztezeitung sogar, jetzt noch ein Gesetz durch den Bundestag zu bekommen. Alle Ärzteverbände äußerten sich: Bitte kein generelles Ärzte-Bashing, aber klar, man müsse das ändern, lieber heute als morgen. Seit Ende März vergangenen Jahres liegt die Entscheidung des Bundesgerichtshofes auf dem Tisch, der zufolge weder Geber noch Nehmer von Vergünstigungen beim Verschreiben von Arznei- oder Hilfsmitteln strafrechtlich zu belangen sind, wenn es sich um niedergelassene Ärzte oder andere medizinische Freiberufler handelt. Bis zur Weihnachtspause hielten sich die Meinungsäußerungen und schon gar die Taten der Koalitionsvertreter aber sehr in Grenzen: Das Ministerium befragte erst einmal die Spitzenorganisationen; im Januar ging das Ergebnis bei der Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses ein. Wann es wohl debattiert wird, und ob die Öffentlichkeit davon etwas mitbekommt? Ausschussdrucksachen sind nämlich nicht öffentlich. Mit der Verabschiedung des Patientenrechtegesetzes im vergangenen Herbst haben die Koalitionäre die vermutlich einzige Chance verstreichen lassen, noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich die Lücke zu schließen, die zwischen dem Standesrecht der Ärzte und dem Strafrecht besteht und die es den niedergelassenen Ärzten erlaubt, von der Pharmaindustrie Vergünsti-

gungen jeder Art zu kassieren, ohne sich strafbar zu machen. Die Krankenkassen hatten alles versucht, damit in die Beratungen zur Novelle dieses Gesetzes ein Passus aufgenommen wird, der solches Verhalten bestraft. Das hatte aber nichts bewirkt. So konnte Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, den Antikorruptionstag am 9. Dezember dazu nutzen, um vernehmlich zu protestieren, dass die Schande unverändert fortbesteht: Niedergelassene Ärzte und Abgeordnete darf man in Deutschland bestechen und muss sich vor Strafe nicht fürchten. In dieser Legislaturperiode wird der deutsche Bundestag mit ziemlicher Sicherheit nicht umsetzen, was der Bundesgerichtshof im März 2012 anmerkte: dass der Gesetzgeber tätig werden muss, um niedergelassene Ärzte in Korruptionsfällen genauso zu bestrafen wie die angestellten Ärzte. Wenn sich Koalitionspolitiker also heute wortreich darüber empören, dass offenbar viele Ärzte, Apotheker, andere Medizinberufe bestechlich seien, dann schaden sie auch dem eignen Ruf. Sie haben den Pharmalobbyisten mindestens zwei Jahre Luft verschafft. Auf französisch sagt man in solchem Zusammenhang „Honi soit qui mal y pense“ – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. | Ein Kommentar von Anke Martiny

Foto unten: Matthias Preisinger / pixelio.de

Gesundheit

Nachrichten und Berichte I

17

Aus den L ändern Berlin: Eindrücke über die Arbeit des Sonderausschusses „Wasserverträge“ des Abgeordnetenhauses

Eigentümerposition von dann 75 Prozent weiterhin kein Letztentscheidungsrecht über die Geschicke der Wasserbetriebe hat. Der Ausschuss tagte öffentlich. Ein Fragerecht hatten die Besucher nicht. Das zu Anfang starke Interesse der Bevölkerung ließ mit der Zeit nach, Medienvertreter fehlten bei einigen Ausschusssitzungen ganz. Selbst kleinere Beifalls- oder Missfallensäußerungen aus dem Publikum wurden vom Vorsitzenden gerügt. Er drohte mehrfach mit der Räumung des Saals. Die Arbeit des Sonderausschusses war ernüchternd, insbesondere weil die Mehrheit des Ausschusses das mit dem Ergebnis des Volksentscheides verbundene Votum der Berliner Bevölkerung nicht ernst nahm. Die Auslotung aller Möglichkeiten, die unsägliche Teilprivatisierung so kostengünstig wie möglich rückgängig zu machen, erfolgte nicht. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Versagen der im Jahre 1999 Verantwortlichen noch heute nicht beim Namen genannt werden soll. Transparenz und Informationsfreiheit blieben weitgehend auf der Strecke. Der Sonderausschuss hat sich inzwischen aufgelöst. Nach dem Mehrheitsbericht der Koalitionsfraktionen konnte nicht festgestellt werden, dass die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe verfassungswidrig gewesen ist. Nach den Minderheitenberichten der drei Oppositionsfraktionen ist diese umfassende Prüfung von den Regierungsfraktionen verhindert worden. Die Arbeit des Sonderausschusses sei daher gescheitert.  Dieter Hüsgen |

Foto unten: Tobias Bräuning / pixelio.de

Transparency Deutschland unterstützte im Jahr 2010 das Volksbegehren und den schließlich durch das Votum von rund 665.700 Berlinerinnen und Berlinern erfolgreichen Volksentscheid des Berliner Wassertisches für eine Offenlegung der Privatisierungsverträge der Berliner Wasserbetriebe mit RWE und Veolia vom 13. Februar 2011. Die Transparency-Arbeitsgruppe Informationsfreiheit beobachtete anschließend die Arbeit des Sonderausschuss „Wasserverträge“. Dessen Auftrag war es, die Umsetzung des durch den Volksentscheid beschlossenen Gesetzes für die vollständige Offenlegung von Geheimverträgen zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vom 4. März 2011 zu begleiten und voranzutreiben. Damit verbunden war die Klärung aller Umstände der Teilprivatisierung von 1999 und die Frage, ob und gegebenenfalls wie die Privatisierung rückgängig gemacht oder nach Anfechtung rückabgewickelt werden kann. Der Sonderausschuss hat den ihm erteilten Auftrag nicht erfüllt. Er wurde insbesondere durch die Mehrheit im Ausschuss daran gehindert. Im Ausschuss herrschte eine weitgehend angespannte Situation. Alle drei Oppositionsfraktionen wurden trotz überzeugender Argumente mit ihren Versuchen, den Untersuchungsauftrag zu erfüllen, immer wieder abgeblockt. Eigene Sachverständige kamen zwar zu Wort, die Bestellung eines unabhängigen, fachlich besonders kompetenten Sachverständigen zur Prüfung

der Verträge auf ihre Verfassungsmäßigkeit wurde von der Mehrheit des Ausschusses jedoch wegen der damit verbundenen Kosten verweigert. Bei den Abgeordneten der Regierungsfraktionen von SPD und CDU herrschte häufig Sprachlosigkeit. Sie ließen die Nachfragen und Vorhaltungen der Ausschussminderheit – Grüne, Linke und Piraten – an sich abprallen. Offensichtlich wollten sie die auf ein Jahr befristete Arbeit des Ausschusses nur unbeschadet überstehen. Die Privatisierungsverträge waren zu Beginn der Ausschussarbeit bereits veröffentlicht. Fraglich ist weiterhin, ob vollständig. Die Mehrheit des Ausschusses zeigte wenig Interesse an der Aufarbeitung der näheren Umstände der im Jahre 1999 von den damaligen Regierungsparteien veranlassten Teilprivatisierung. Ihre Ausschussvertreter waren nicht bereit, die Verantwortung für die Teilprivatisierung zu Lasten Berlins zu übernehmen. Der Ausschussmehrheit kam es offensichtlich nur darauf an, dass die Bürgerinnen und Bürger das Versagen der damaligen Regierungsparteien möglichst schnell vergessen. Hierbei kamen ihnen die ab Frühjahr 2012 bekannt gewordenen Rückkaufsabsichten der Anteile der RWE durch den Senat zu Hilfe. Sie wurden im weiteren Verlauf der Ausschussarbeit immer mehr zum Thema. Für den Zuhörer war dabei nicht erkennbar, was an dem Rückkauf der RWE-Anteile für die Berliner Wasserbetriebe und Berlin vorteilhaft sein soll, wenn sich aufgrund des Weiterbestehens des für Berlin ungünstigen Konsortialvertrages zwischen RWE und Veolia nichts ändert und Berlin trotz seiner gestärkten

Scheinwerfer 58 | Transparency Deutschland |

18 | Nachrichten und Berichte Thüringen hat ein neues Informationsfreiheitsgesetz Ende Dezember 2012 ist in Thüringen ein neues Informationsfreiheitsgesetz in Kraft getreten. Im Vorfeld hatten viele der geplanten Neuregelungen bei Sachverständigen und der Zivilgesellschaft massive Kritik ausgelöst. Es sollten etwa Anfragen abgelehnt werden können, wenn diese einen zu hohen Verwaltungsaufwand verursachen. Journalisten sahen ihren Auskunftsanspruch gefährdet. Auch Transparency Deutschland hat sich zu den beiden aufeinanderfolgenden Gesetzentwürfen der Regierungskoalition kritisch geäußert. In der Plenardebatte hob der CDU-Abgeordnete Christian Gumprecht hervor, dass das neue Gesetz gegenüber dem alten einen „gewaltigen Sprung zu ei-

Rheinland-Pfalz soll Transparenzgesetz erhalten Ein Transparenzgesetz für RheinlandPfalz hat die neu ins Amt gewählte Ministerpräsidentin von RheinlandPfalz Malu Dreyer (SPD) angekündigt. In ihrer ersten Regierungserklärung am 30. Januar sagte Dreyer im Landtag, sie wolle neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Staat. Staatliches Handeln solle transparenter und die Beteiligung, die politische Partizipation, erleichtert werden. Wörtlich sagte sie: „Unsere Demokratie ist eine Sache mündiger und gut informierter Bürgerinnen und Bürger. Hier hat die Politik eine Bringschuld, sie muss

Anlauf für ein Bayerisches Transparenzgesetz Die SPD-Fraktion hat im Herbst 2012 den Entwurf für ein Bayerisches Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetz in den Bayerischen Landtag eingebracht. „Transparenz und Zugang zu Informationen sind in einer modernen, lebendigen Demokratie notwendige Voraussetzungen für die Meinungs-

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ner größeren Informationsfreiheit“ darstelle. Als Konsequenz aus der vorgebrachten Kritik am ersten Neuentwurf sei nun die vorgesehene Regelfrist zur Bearbeitung von Informationsanfragen von drei Monaten auf einen Monat reduziert und die zunächst geplante „Ablehnungsfiktion“ (also die Möglichkeit der Verwaltung, Anträge einfach in der Schublade verschwinden zu lassen) gestrichen worden. Thüringen sei das erste Flächenland, das ein Informationsregister einführt, über das Daten und Informationen von öffentlichem Interesse veröffentlicht und für die Bürger zentral zugänglich gemacht werden. Die Grünen kritisierten das Gesetz als „zahnlosen Tiger“, weil der Informationsfreiheitsbeauftragte nicht in die Diensträume gehen und die Unterlagen einsehen darf. Für die SPD-Fraktion

rechtfertigte die Abgeordnete Dorothea Marx das neue Gesetz, gestand jedoch ein, dass sie die Kritikpunkte am eingeschränkten Zugangs- und Kontrollrecht teile. Die Abgeordnete der Linken, Martina Renner bezeichnete das Gesetz insgesamt als „Murks“. Hinweise und Vorschläge aus den externen Stellungnahmen seien nur unzureichend berücksichtigt worden. Renner zitierte zum Beleg aus der Stellungnahme von Transparency, wonach wesentliche der vorgesehenen Regelungen nicht geeignet seien, das Recht auf Informationszugang für die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich zu stärken. Damit stelle dieses Informationsregister nicht den von der Regierungskoalition behaupteten Paradigmenwechsel dar.hm |

sich erklären, ihre Vorhaben und Entscheidungsgrundlagen nachvollziehbar machen, veröffentlichen, Barrieren abbauen, sich öffnen.“ Natürlich gebe es auch Grenzen wie den Schutz persönlicher Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Aber: „Im Vordergrund … steht das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf umfassende Information. Dem will ich durch ein Transparenzgesetz entsprechen.“ Das Informationsfreiheitsgesetz aus dem Jahr 2008 solle novelliert und mit dem Umweltinformationsgesetz verbunden werden. Mit dem bisherigen Gesetz erhalten Bürger Informationen auf Nachfrage. Mit dem neuen Transparenzgesetz werde dafür gesorgt, dass

die Verwaltung ihre Informationen aktiv zur Verfügung stellt, so dass der Bürger jederzeit Zugriff hat. Dreyer: „Die vorgesehenen Änderungen sind also nicht nur technischer Natur. Sie sollen einen Kulturwandel im Staat, speziell der Verwaltung, bewirken.“ Auf der CEBIT, die im März in Hannover stattfindet, will die Landesregierung eine internetgestützte Rheinland-Pfalz-Plattform vorstellen und in Betrieb nehmen. Schrittweise sollen darauf alle Informationen und Daten veröffentlicht werden, die für die Bürgerinnen und Bürger „interessant und von Nutzen sein können.“hm |

und Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger“ heißt es in der Vorlage, die nach dem Modell des Hamburger Transparenzgesetz entworfen ist. Ende Oktober 2012 wurde der Entwurf in erster Lesung im Plenum debattiert und anschließend in die Ausschüsse verwiesen. Im Rechtsausschuss wurde der Entwurf Ende Januar 2013 beraten. In diesem Zusammenhang ließ der Bayerische Gemeindetag die Parla-

mentarier wissen, dass er den Vorstoß der SPD ablehne. In Bayern herrsche bereits nach geltender Gesetzeslage größtmögliche Transparenz des Verwaltungshandelns auf kommunaler Ebene. Der SPD-Rechtspolitiker Horst Arnold hält in einer Pressemeldung dagegen: „Mit der Geheimniskrämerei der Behörden muss auch in Bayern endlich Schluss sein“.hm |

Nachrichten und Berichte I

Initiative Bayerntransparent Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Bayerischen Landtag hat im Herbst letzten Jahres die Initiative „Bayerntransparent“ ins Leben gerufen. Bürgerinnen und Bürger, Verbände und andere Parteien waren eingeladen, im Internet gemeinsam einen Entwurf für ein bayerisches Transparenzgesetz zu erarbeiten. „Mit diesem Gesetz wollen wir nicht nur Informationen

einfach zugänglich machen, sondern auch einen effektiven Beitrag leisten, um Korruption zu erschweren, Steuerverschwendung vorzubeugen und das Vertrauen in Politik und Verwaltung zu stärken“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Susanna Tausendfreund in einer Pressemeldung. Ausgangspunkt war das Hamburger Transparenzgesetz. „Bei alledem werden wir den Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger genau im Blick

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behalten, denn bei der Öffnung staatlicher Dokumente muss die Privatsphäre des Einzelnen natürlich besonders geschützt werden“, so Tausendfreund. Inzwischen liegt eine erste Fassung des Gesetzentwurfes vor, der auf der Webseite www.bayerntransparent.de veröffentlicht ist. Er soll noch vor der bayerischen Landtagswahl im September 2013 ins Parlament eingebracht werden.hm |

W irtschaft

Foto oben: Rainer Sturm / pixelio.de

Transparency-Studie: Nachhaltigkeitsberichte sind fehlerhaft Etwa die Hälfte der 150 größten deutschen Unternehmen veröffentlicht Nachhaltigkeitsberichte, in denen sie die ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Aspekte ihres Handelns darstellen. Fast alle diese Berichte orientieren sich an den Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI). Einige Aktive der Transparency Deutschland Arbeitsgruppe „Internationale Vereinbarungen“ haben untersucht, wie weit die Berichterstattung über die Themen Korruptionsbekämpfung und politische Einflussnahme auch tatsächlich den GRI-Richtlinien entspricht. Dazu wurden 21 Nachhaltigkeitsberichte deutscher Großunternehmen analysiert, die alle erklären, dass sie die GRI-Richtlinien auf der höchsten Anforderungsstufe befolgen. Diese sogenannte Anwendungsebene A verlangt, über alle Vorgaben von GRI vollständig zu berichten oder aber jeweils eine Begründung für nicht-vollständiges Berichten zu geben. Im Bereich Korruption und Politik sehen die Richtlinien vier berichtspflichtige Kernindikatoren vor. Für diese insgesamt 84 Indikatoren (je vier Indikatoren in 21 Berichten) wurde in 72 Fällen von den Firmen angegeben, dass darüber vollständig berichtet wur-

de. Die Erhebung von Transparency ergab jedoch, dass dies nur auf 18 Kernindikatoren zutraf; über die anderen wurde nur teilweise berichtet oder – in 13 Fällen – die jeweilige Thematik überhaupt nicht erwähnt. Unter dem Strich hatte nur ein Unternehmen die GRI-Anforderungen der Anwendungsebene A voll erfüllt, während elf Unternehmen über keinen einzigen der vier Kernindikatoren vollständig berichteten. Bemerkenswert ist, dass 17 der Unternehmen ihre Berichte durch die GRIOrganisation prüfen ließen und ihnen bestätigt wurde, „dass der Bericht die Anforderungen der Anwendungsebene A erfüllt.“ Angesichts der Ergebnisse von Transparency teilte GRI auf Anfrage mit, dass die Prüfung der Berichte nur stichprobenweise erfolge und daher Abweichungen von den Vorgaben unentdeckt bleiben könnten. Die offensichtlich mangelnde Bereitschaft der Unternehmen, über Einzelheiten in den Bereichen Korruption und politische Einflussnahme zu berichten, ist besonders bedauerlich vor

dem Hintergrund, dass nach Auffassung von Transparency International die Informationsanforderungen von GRI in diesen Bereichen unzureichend sind und präzisiert sowie erweitert werden müssten. Derzeit findet eine Revision der GRI-Richtlinien statt. Transparency Deutschland und Transparency International haben dazu Vorschläge eingebracht. Sie fordern, dass die nach den GRI-Richtlinien vorgehenden Firmen umfassend über Korruption, Maßnahmen zur Korruptionsprävention und -bekämpfung, Lobbyingaktivitäten und Parteispenden berichten müssen sowie dass die Einhaltung der GRIRichtlinien wirkungsvoll geprüft wird.  Manfred zur Nieden |

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20 | Nachrichten und Berichte

Zaghafte Schritte in Richtung Unternehmensstrafrecht Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag Jürgen Trittin setzt sich dafür ein, dass in Deutschland ein Strafrecht eingeführt wird, das für gesamte Un-

ternehmen gilt. Auslöser für Trittins Forderung sind die jüngsten Vorwürfe gegen die Deutsche Bank. Gegen sie wird wegen des Verdachts schwerer Steuerhinterziehung, Geldwäsche und versuchter Strafvereitelung beim Handel mit CO2-Zertifikaten ermittelt. Nach derzeit geltendem Recht können bei Unternehmen ausschließlich Ordnungswidrigkeiten festgestellt werden, für die ein Bußgeld erhoben wird. Strafrechtlich können hingegen nur einzelne Mitarbeiter der Unternehmen verfolgt werden. Ein Unternehmensstrafrecht würde dies ändern. Transparency Deutschland setzt sich seit Jahren für die Einführung eines Unternehmensstrafrechts ein, das in anderen Ländern, zum Beispiel in den USA, Frankreich und Spanien, längst Realität ist. Auch die EU und die OECD

geschaffenen Regelwerk messen lassen müssen. Es wird sich auch zeigen, wie streng die Bahn die angedrohten Konsequenzen umsetzt. Immerhin erwägt das Unternehmen gegen ThyssenKrupp, Teil des Schienenkartells, eine Schadensersatzklage. th |

fordern seit langem die Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland. Deutsche Unternehmen, die an der US-Börse notiert sind, können demnach in den USA nach dem dort gültigen Unternehmensstrafrecht verurteilt werden. In Deutschland bleibt es vorerst beim Bußgeld. Neben Trittin hatte sich auch Nordrhein-Westfalens Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) in den letzten Monaten für die Einführung eines Unternehmensstrafrechts ausgesprochen. Bundespolitisch befinden sich die Fürsprecher eines Unternehmensstrafrechts in der Opposition. Es bleibt abzuwarten, ob die Bundestagswahl im September auch eine Auswirkung auf das Thema Unternehmensstrafrecht haben wird. ms |

W ISSENSCH A F T Macht Wirtschaft Uni? Am 24. Januar 2013 stellte Transparency Deutschland zusammen mit der tageszeitung und dem fzs (freier zusammenschluss von studentInnenschaften)

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in Berlin das neue Internetportal www. hochschulwatch.de vor. Auf der Internetseite sollen Beispiele gesammelt werden, an welchen Hochschulen private Interessen die Unabhängigkeit der Wissenschaft gefährden. Professor/in-

nen, Dozent/innen, Mitarbeitende und Studierende an Hochschulen sind aufgerufen, das Portal mit Beispielen und Hinweisen zu füllen. Die Webseite wird von Redakteuren der tageszeitung moderiert und funkti-

Foto oben: Deutsche Bahn AG

Die Deutsche Bahn hat einen neuen Verhaltenskodex für ihre Geschäftspartner vorgelegt. Das Unternehmen möchte dadurch seine Partner zur „Einhaltung ethischer und rechtlicher Standards“ verpflichten und gegen Bestechung vorgehen. „Antikorruption“ nimmt in dem vierseitigen Dokument einen hohen Stellenwert ein. Unter diesem Punkt werden unter anderem das Verhalten gegenüber Amtsträgern und ihnen gleichgestellten Personen sowie Spenden und Sponsoringleistungen geregelt. Auch wird in dem Kodex explizit auf die Notwendigkeit hingewiesen, Hinweisgeber zu schützen. Bei geringfügigen Verstößen gegen das Regelwerk haben die Geschäftspartner die Möglichkeit, „geeignete Ab-

hilfemaßnahmen“ zu implementieren. Bei schweren Verstößen können jedoch „angemessene Sanktionen“ von Seiten der Bahn in Kraft treten. Dies kann die „sofortige Beendigung der Geschäftsbeziehung“ sowie die „Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und sonstigen Rechten“ beinhalten. Nicht zuletzt der Skandal um das sogenannte Schienenkartell und Korruptionsfälle im eigenen Unternehmen dürften die Bahn bewegt haben, einen entsprechenden Kodex vorzulegen. Doch nicht nur die Lieferanten des Konzerns, auch das Unternehmen selbst wird sich an seinem neu

Foto unten: Gerd Altmann / pixelio.de

Neuer Verhaltenskodex bei der Bahn

Nachrichten und Berichte I

oniert wie die Webseite von wikipedia. Interessierte können anonym oder unter Angabe ihres Benutzernamens Einträge zu etwa tausend deutschen Hochschulen bearbeiten und beantworten, wo private Interessen die Unabhängigkeit der Wissenschaft gefährden. Das Projekt „Hochschulwatch. MachtWirtschaftUni“, das auf ein Jahr angelegt ist, soll so deutlich machen, wo Hörsäle zu Werbeflächen werden und wo es intransparente Verträge gibt. Solche

Fälle sind unter anderem bereits von der Universität Würzburg, an der es einen Aldi-Süd-Hörsaal gibt und von der Universität Köln, die einen Vertrag mit der Bayer Healthcare AG zur Förderung der Krebs- und Herzforschung hartnäckig unter Verschluss hält, bekannt. Zum Start von hochschulwatch.de sagte Transparency-Vorsitzende Edda Müller, dass Transparency Deutschland die Erkenntnisse dazu nutzen

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will, um problematische Formen der Beeinträchtigung der Freiheit und Unabhängigkeit von Forschung und Lehre an unseren Hochschulen systematisch erfassen zu können. Auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, können die Einträge editieren und Ihr Wissen über Kooperationen zwischen einzelnen Hochschulen und Unternehmen online stellen.  Elisabeth Kahler |

Personalpolitische Transparenz im Wissenschaftsbetrieb ist hinreichend Von Wolfgang B. Schünemann

Vorweg: Die kritischen Einwände von Sebastian Wolf (Scheinwerfer 57) gegenüber meinen Ausführungen zur personalpolitischen Transparenz im Wissenschaftsbetrieb (Scheinwerfer 56) begrüße ich. Denn erst im Diskurs vermag man sich der argumentativen Güte der eigenen Position zu vergewissern. Gerade deshalb aber muss ich an meiner Einschätzung auf der Basis jahrzehntelanger Beteiligung in Berufungsverfahren (übrigens auch als Rektoratsbeauftragter) festhalten: Das in den letzten Jahren immer weiter verfeinerte (man kann durchaus auch sagen: aufgeblähte) Prozedere, das Professoren und Professorinnen, den akademischen Mittelbau und Studierende einer Fakultät institutionell ebenso einbindet wie wissenschaftliche Persönlichkeiten außerhalb der betreffenden Hochschule und schließlich noch das Rektorat, generiert ein schwer überbietbares Maß an Transparenz wie auch an qualitativ höchst anspruchsvollen Berufungslisten als Basis anschließender Ruferteilung. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung besteht nun fast schon die Gefahr der Kontraproduktivität: Eine Übersteigerung des Transparenzpostulats zieht die Neubesetzung vakanter Professuren derart in die Länge, dass die Ruferteilung nicht selten ins Leere geht, weil sich ihre Adressaten mittlerweile schon anders orientiert haben. Recht hat Wolf darin, dass es für die Einstellung des akademischen Mittelbaus an einem derart komplexen Auswahlverfahren fehlt. Das habe ich auch nicht behauptet, sondern dass trotzdem Klüngelei und Vetternwirtschaft nach meiner Überzeugung kaum Chancen haben: Angesichts der knap-

pen Ressourcen kann man sich Günstlingswirtschaft einfach nicht leisten, sondern ist als Lehrstuhlinhaber(in) ganz selbstverständlich schon aus egoistischen Gründen heraus bemüht, die raren freien Stellen möglichst gut zu besetzen, um von der Mitarbeit so viel wie möglich zu profitieren. Da kann es hilfreich sein, zum Beispiel aus Prüfungserfahrung eine herausragende Absolventin oder einen solchen Absolventen direkt ansprechen zu können (so begann mein eigener akademischer Werdegang). Vielfach wird aber auch der Fachvermittlungsdienst der Agentur für Arbeit angesprochen, was binnen weniger Tage geradezu zu einem Bewerbungs-Tsunami führt und zu der sprichwörtlichen Qual der Wahl führt, weil so viele gute Bewerbungen (freilich auch viele weniger gute) vorliegen. Dass irgendwo im Lande ein noch größeres Talent schlummern mag, ist zuzugeben und sogar wahrscheinlich, aber hier sind noch mehr als bei der Besetzung einer Professur Grenzkosten gegen Grenznutzen aufzuwiegen, wenn man sich auch für den akademischen Mittelbau ähnlich aufwendige Auswahlverfahren wie bei Professuren wünschen sollte. Mein erneuertes Fazit: Die personalpolitische Transparenz im Wissenschaftsbetrieb ist allemal hinreichend; da gibt es ganz andere Transparenzdefizite, die es aufs Korn zu nehmen gilt, namentlich hinsichtlich der undurchsichtigen Einflussnahme der Drittmittelfinanzierung auf die Inhalte von Forschung und Lehre. Aber das ist ein anderes Thema.  | Univ.-Prof. Dr. iur. habil. Wolfgang B. Schünemann

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22 | Nachrichten und Berichte

en wir leich“ woll rg e V im r de Bundes„Bundeslän hmen der a e n ih ß e a R sm n n e ptio lle, hat neu eschäftsste Anti-Korru In unserer G ie r d e d r e n b ti ü n ka adenrblick as Land B hler, Prakti d a einen Übe K t k a th e Bundesländer im vergleich ft b u sa A um nfolge. en. Eli nd stellt z scher Reihe u länder geb ti e t b e a it h e lp rb a pt era ng folgt in das Konze ie Fortsetzu D r. o v Landeshauptstadt: Stuttgart rg e Württemb Bevölkerung: 10.817 Millionen (Stand: 31.7.2012) Regierende Parteien: Bündnis 90/Die Grünen, SPD

Baden-Württemberg Politik In Baden-Württemberg gibt es keine Karenzzeit für Mitglieder der Landesregierung, wenn sie nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt Tätigkeiten übernehmen, die einen Bezug zu ihrer früheren Tätigkeit im Amt haben. Es gibt keine Offenlegungspflicht für entgeltliche Tätigkeiten, die nicht im Rahmen des ausgeübten Berufs liegen. Die Tätigkeiten müssen lediglich dem Landtagspräsidenten angezeigt werden, wenn sie im Einzelfall über 511 Euro liegen oder jährlich 5.113 Euro übersteigen.

Allgemeine Verwaltung Es gilt die Verwaltungsvorschrift Korruptionsverhütung und -bekämpfung vom 19.12.2005, die sich an dem Präventionsund Bekämpfungskonzept Korruption der Innenministerkonferenz von 1995 orientiert und das übliche Instrumentarium aufzählt: Kontrolle durch Führung und Fachaufsicht, Verbesserung der Abläufe und Personalrotation. Aufklärung und Fortbildung sind sicherzustellen. Für die Feststellung von Hinweisen auf Korruption werden Indikationskriterien erläutert. In einer Anlage wird auf die “ressortübergreifende Rechts- und Verwaltungsvorschriften mit korruptionshemmender Wirkung” insbesondere in den Bereichen Beamtenrecht, Vergabewesen und Kommunalrecht verwiesen. In der Verwaltungsvorschrift, die zurzeit überarbeitet wird, gibt es nicht die Institution eines Ansprechpartners für Korruptionsprävention oder die Notwendigkeit zur Risikoanalyse. Für Kommunen und öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform gilt lediglich eine Anwendungsempfehlung. Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken oder zum Verwaltungssponsoring gibt es nicht.

Informationsfreiheit Baden-Württemberg ist eines der fünf Bundesländer, das bisher kein Informationsfreiheitsgesetz hat. Die grün-rote Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dies zu ändern. Ein Gesetzentwurf wurde jedoch bis heute nicht vorgelegt.

Vergabe Die Wertgrenzerlasse im Vergabewesen nach Konjunkturpa-

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Sitzverteilung im Landtag:

CDU (60), Bündnis 90/Die Grünen (36), SPD (35), FDP/DVP (7)

Nächste Wahl:

2016

Regionalgruppen:

Baden-Württemberg

Mitglieder:

100 (Stand 1.2.2013)

ket II wurden in Baden-Württemberg wieder abgeschafft. Nach dem Auslaufen der Verwaltungsvorschrift der Ministerien zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge zum 31.12.2011 gelten für freihändige Vergaben und beschränkte Ausschreibungen die Wertgrenzen der VOB- und die VOL/A. Laut VOB/A ist bspw. eine freihändige Vergabe der Beschaffungsstellen des Landes bis 10.000 Euro und eine freihändige Vergabe bei den Kommunen bis 20.000 Euro möglich. Die VwV regelt die Einrichtung einer Melde- und Informationsstelle für Vergabesperren. Eine verbindliche Abfrage des Registers erfolgt jedoch erst ab einem Auftragswert von 50.000 Euro. Außerdem ist der Katalog der Taten, die in der Regel zu einem Ausschluss führen, vergleichsweise eng gefasst und es ist nicht genau geregelt, wann ein Tatverdacht hinreichend ist. Ein Bieter kann somit trotz Zweifel an seiner Zuverlässigkeit den Zuschlag erhalten.

Hinweisgeber Seit dem Jahr 2009 gibt es die kostenfreie Möglichkeit, Hinweise anonym bei einem Vertrauensanwalt abzugeben. Zusätzlich gibt es seit 2012 ein anonymes Hinweisaufnahmesystem. Über die Internetauftritte der Polizeidienststellen, des Landeskriminalamtes und des Innenministeriums ist dieses allerdings nur schwer zu finden.

Strafverfolgung Es gibt keine zentrale Staatsanwaltschaft für Korruptionsdelikte. Meistens sind diese Delikte einzelnen Abteilungen bzw. Dezernaten pro Behörde zugewiesen. Seit 1996 (Aktualisierungserlass 2007) gibt es unter der Leitung des Landeskriminalamtes eine Koordinierungsgruppe Korruptionsbekämpfung. Die Staatsanwaltschaften Stuttgart und Mannheim sind Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität und in dieser Funktion für Korruptionsdelikte zuständig. Die Zuständigkeit ist im Gerichtsverfassungsgesetz näher geregelt.

Zivilgesellschaft 14 Organisationen (Stand 1.2.2013) mit Sitz in Baden-Württemberg beteiligen sich an der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (3,7 Prozent aller ITZ-Unterzeichner). |

Über Transparency I

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Konferenz zur Strafverfolgung Von Tobias Hecht Bereits zum fünften Mal haben Transparency Deutschland und die Friedrich-Ebert-Stiftung im Dezember 2012 die Konferenz „Strafverfolgung der Korruption“ in Berlin durchgeführt. Fachleuten aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft sowie einer interessierten Öffentlichkeit bietet die Konferenz die Möglichkeit, sich über aktuelle Entwicklungen und Fragestellungen im Bereich der Korruptionsbekämpfung auszutauschen. Traditionell findet am ersten Tag eine interne Veranstaltung statt, gefolgt von einer öffentlichen Veranstaltung am zweiten Tag. Insgesamt nahmen 250 Personen an der Konferenz teil. Der interne Teil der Konferenz befasste sich unter anderem mit den Themen Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen und internationale Rechts-

hilfe. In je eigenen Arbeitsgruppen hatten Staatsanwälte, Polizei- und Verwaltungsbeamte zudem Gelegenheit, offen über Erfahrungen und Herausforderungen in ihrer Arbeitswelt zu sprechen. Prof. Dr. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, mahnte in ihrer Eröffnungsrede: „Zwei Berufsgruppen in diesem Land müssen kaum fürchten, bei Korruption belangt werden zu können: Abgeordnete und niedergelassene Ärzte. Hier besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf.“ Im Fokus des öffentlichen Teils stand die Frage nach der Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland. Dies wurde vor dem Hintergrund der zunehmenden Internationalisierung der Korruption und existierender Zusammenarbeitsmechanismen auf europäischer Ebene und im Rahmen der

OECD diskutiert. Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Thomas Kutschaty, erklärte auf der Konferenz: „Man kann ein Unternehmen nicht ins Gefängnis stecken, aber wir stellen uns viele zeitgemäße Sanktionsmöglichkeiten vor.“ Schließlich gebe es bereits in allen neun an Deutschland angrenzenden EU-Staaten ein Unternehmensstrafrecht. Wie in den vergangenen Jahren werden die Redebeiträge der Konferenz in einer Dokumentation zusammengestellt und im Frühjahr 2013 auf www. transparency.de unter Publikationen veröffentlicht. |

Erstes Treffen der korporativen kommunalen Mitglieder Von Ulrike Löhr

Fotos: Transparency Deutschland

Vertreter der korporativen Mitglieder zu Gast in der Transparency-Geschäftsstelle.

Anfang dieses Jahres trafen in Berlin erstmals die korporativen kommunalen Mitglieder von Transparency Deutschland zusammen. Die Vorsitzende von Transparency, Edda Müller, begrüßte die Vertreter der Städte Bonn, Halle an der Saale, Hilden, Leipzig und Potsdam und formulierte als Ziel der Veranstaltung, kommunale Themen zu erörtern, Anregungen für die Arbeit von Trans-

parency Deutschland zu erhalten und durch den gemeinsamen Erfahrungsaustausch gegenseitige Unterstützung und Beratung zu fördern. Ebenso solle die Kooperation vor Ort mit den Regionalgruppen gestärkt werden. In kleiner Runde konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer persönlich vorstellen, aktuelle Themen ansprechen und so das Treffen zum gegenseitigen Kennenlernen und interkommunalen Erfahrungsaustausch nutzen. Ulrike Löhr, bei Transparency zuständig für die Betreuung der korporativen kommunalen Mitglieder, berichtete über die aktuelle Arbeit von Transparency Deutschland mit besonderer kommunaler Relevanz, wie zum Beispiel Korruptionsprävention in kommunalen Unternehmen, Positionspapiere zur Ämterpatronage und zu Zuwendungen auf kommunaler Ebene sowie geplante Aktivitäten der Arbeitsgruppe Kommunen.

Vorstandsmitglied Jochen Bäumel informierte über die Arbeit der Potsdamer Transparenzkommission. Die Anwesenden nutzten intensiv die Gelegenheit zu Nachfragen, Diskussion und Beratung. Am Ende des Tages waren sich alle einig, dass zukünftig ein jährliches Treffen der korporativen kommunalen Mitglieder wünschenswert sei. Regelmäßige Treffen ermöglichen ein Netzwerk, das der gegenseitigen Beratung und Unterstützung dienen könne, und bei Folgeterminen sollte auf jeden Fall ausreichend Zeit für einen allgemeinen Austausch und ein gemeinsames Brainstorming eingeplant werden. Zukünftig soll jeweils eine Mitgliedstadt in den Mittelpunkt gestellt werden. Für die nächste Veranstaltung könnten Sinn und Nutzen sowie der Umgang mit Vergaberegistern ein Tagesordnungspunkt sein. |

Scheinwerfer 58 | Transparency Deutschland |

24 | Über Transparency

Transparency International-Gründer Peter Eigen erhält Großes Bundesverdienstkreuz Dem Transparency InternationalGründer Peter Eigen wurde im Januar dieses Jahres das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland als Anerkennung seiner Bemühungen im Kampf gegen Korruption auf globaler Ebene verliehen. Bundespräsident Joachim Gauck verlieh die Auszeichnung und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit,

überreichte sie Peter Eigen feierlich im Berliner Rathaus. Im Jahr 1993 gründete Peter Eigen Transparency International. Damit fällt die Auszeichnung in das Jahr des 20jährigen Bestehens der Anti-Korruptions-Organisation. Von 1993 bis 2005 war Peter Eigen Vorsitzender von Transparency International und ist inzwischen Vorsit-

zender des Beirates von Transparency International. Bis zum Jahr 2011 war Eigen Gründungsvorsitzender der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI). In diesem Zeitraum gründete er das Berlin Civil Society Center und unterstützte die Gründung der HUMBOLDT-VIADRINA School of Governance. rb |

Junge Aktive im Portrait

Was treibt Dich an, Deine freie Zeit ehrenamtlichem Engagement zu widmen? Ehrlich gesagt treffe ich eine solche Unterscheidung zwischen „Freizeit“ und „Ehrenamt“ für mich nicht – und ich kann damit auch recht wenig anfangen. Mich interessieren bestimmte Themen und ich lerne gerne neue

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Nachdem Du die Organisation jetzt besser kennengelernt hast: Gibt es etwas, was Du so nicht erwartet hättest? Ich war positiv überrascht von der Vielfalt der Mitglieder – im Bezug auf ihren beruflichen Hintergrund, Alter, Lebenserfahrung und persönliche Motivation für ihre Mitgliedschaft und ihr

Was würdest Du anderen Interessierten empfehlen, die sich im Kampf gegen Korruption einbringen möchten? Vor meinem Engagement bei Transparency Deutschland hatte ich nur ein sehr eingeschränktes Verständnis von dem Begriff „Korruption“. Transparency hat hier wirklich meine Augen geöffnet. Genauso vielschichtig wie der Korruptionsbegriff selbst sind auch die Erfahrungen, Kenntnisse und Ideen, die man positiv in ein Engagement gegen Korruption einbringen kann. Insofern: Einfach die Organisation kennenlernen und sich überraschen lassen, wo die Reise hinführt! Die Fragen stellte Ricarda Bauch.

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Foto oben: Transparency Deutschland

Till Leopold ist seit 2012 Mitglied bei Transparency Deutschland. Er hat an der University of London Volkswirtschaftslehre studiert und ein Masterstudium in „Finance and Development“ absolviert. Von 2009 bis 2012 arbeitete er bei der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) in Genf. Bei Transparency wirkte er an der Entwicklung eines Positionspapiers der Arbeitsgruppe Finanzmarkt mit.

Es gibt es viele Nichtregierungsorganisationen und Vereine – warum engagierst Du Dich gerade für Transparency? Das Thema, welches mir besonders am Herzen liegt, ist soziale Gerechtigkeit. Nun gibt es viele Wege, hierzu seinen individuellen Beitrag zu leisten, aber Transparency setzt auf der systemischen Ebene an. Korruption ist für mich gewissermaßen das genaue Gegenteil von Chancengerechtigkeit. Wenn einflussreiche Lobbyisten in Hinterzimmern ihre Partikularinteressen durchsetzen, wenn Posten nicht nach objektiven Kriterien an die oder den bestqualifizierte(n) KandidatIn vergeben werden, wenn Steuergelder, die dem Allgemeinwohl dienen sollen, in privaten Taschen landen, dann schadet dies nicht zuletzt dem Glauben der Menschen an Gerechtigkeit und sozialen Frieden in unserem Land.

Engagement. Auch die Organisationsstruktur von Transparency Deutschland – die Zusammenarbeit zwischen lokalen Ehrenamtlichen, nationalen Chaptern und internationalem Sekretariat – finde ich sehr spannend und interessant.   Was nimmst Du für Dich aus Deinem Engagement mit? Nette Kontakte, vielseitige Erlebnisse und ein wesentlich besseres Wissen um einige der großen „Baustellen“ in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.

Foto unten: Photoart Berlin

Menschen kennen – beides lässt sich gut mit einem solchen Engagement vereinen.

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Gemeinsam gegen Spielmanipulation Von Ulrike Spitz Das Thema Spielmanipulation im Sport („Match-Fixing“) hat sich in den vergangenen Jahren zu einem immer größeren Problem entwickelt, das die politischen, finanziellen, kulturellen und moralischen Grundlagen des Sports ernsthaft bedroht. Der internationale Wettmarkt, der zum großen Teil illegal über das Internet abläuft, ist ein schwer kontrollierbares Milliardengeschäft. Denn im Hintergrund der meisten Spielmanipulationen steht der Wettbetrug. Skandale, wie der in der italienischen Fußball-Liga oder in Deutschland der Fall des Schiedsrichters Robert Hoyzer, der sich bestechen ließ und nachweislich Spiele manipulierte, machen deutlich, dass es dringend durchschlagender Präventionsmaßnahmen im Sport gegen das Match-Fixing bedarf. Neben dem Hintergrund der Sportwetten gilt es aber auch, Spielmanipulation aus sportlichen Gründen zu bekämpfen, wenn es zum Beispiel darum geht, den Abstieg eines Vereins zu verhindern.

Die Europäische Union teilt diese Meinung und fördert derzeit fünf europäische Projekte (von insgesamt 20 Projekten im Bereich Sport) allein zum Thema Match-Fixing. Transparency International hat sich mit sechs nationalen Chaptern – darunter auch ddas deutsche – um eines dieser Projekte zur Prävention von Spielmanipulationen beworben. Angeregt wurde die Bewerbung durch das deutsche Chapter, das bereits im Jahr 2010 national ein gemeinsames Projekt mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) initiiert hatte. Erste PräventionsWorkshops mit den Bundesligisten Eintracht Frankfurt und Bayer Leverkusen fanden statt; 2012 wurde das Projekt unter dem neuen Namen „Gemeinsam gegen Spielmanipulation“ mit der DFL und dem Deutschen Fußballbund (DFB) weitergeführt. Neben einem markanten Logo wurden eine Broschüre und ein Handbuch entwickelt; ein E-LearningProgramm ist in Vorbereitung. Die EU gab Transparency International

im Oktober 2012 den Zuschlag für das Projekt, für das weitere Partner zur Mitfinanzierung vonnöten waren. So hat Transparency Deutschland die DFL als Partner mit in dieses Projekt gebracht; auch die Europäische Professional Football League (EPFL) beteiligt sich. Während der Projektlaufzeit (bis 30. Juni 2014) werden die Aktivitäten von Transparency Deutschland zum MatchFixing entsprechend gebündelt und auf eine noch breitere Basis gestellt. Vor allem aber soll die Prävention international vorangebracht werden.  | Ulrike Spitz ist Mitglied der Arbeitsgruppe Sport.

impressum

Fotos: Kurt Michel / pixelio.de

Herausgeber: Transparency International Deutschland e.V. Verantwortlich: Dr. Anke Martiny Kontakt: [email protected] Redaktion: [email protected] Redaktionsleitung: Dr. Heike Mayer Redaktionsteam: Ricarda Bauch (rb), Dr. Christa Dürr (cd), Robert Fröhlich (rf), Tilman Höffken (th), Dr. Christian Humborg (ch), Dr. Anke Martiny (amy), Dr. Heike Mayer (hm), Anja Schöne (as), Maria Schröder (ms), Dorthe Siegmund (ds), Lena Thomsen (lt) Editorial: Dr. Anke Martiny (verantwortlich) Themenschwerpunkt dieser Ausgabe: Dorthe Siegmund und Dr. Christa Dürr (verantwortlich) Nachrichten, Berichte, Kurzmeldungen: Anja Schöne (as) (verantwortlich) Über Transparency: Ricarda Bauch (verantwortlich) Rezensionen: Dr. Christian Humborg (verantwortlich)

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers / der Verfasserin wieder. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 12.2.2013 Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: 26.4.2013 Transparency International Deutschland e.V. Alte Schönhauser Straße 44 · 10119 Berlin Tel: 030/ 5498 98-0 · Fax: 030/ 5498 98-22 Mail: [email protected] www.transparency.de Stärken Sie die Koalition gegen Korruption durch Ihren Förderbeitrag oder Ihre Spende! GLS Bank · BLZ 430 609 67 · KTO 11 46 00 37 00 ISSN: 1864-9068 Layout: Julia Bartsch Druck: Umweltdruckerei Hannover Papier: Circle Matt White, 100% Recyclingpapier Auflage: 1.500

Besuchen Sie uns bei Facebook! www.facebook.com/TransparencyDeutschland Folgen Sie uns bei Twitter! @transparency_de Abonnieren Sie unseren RSS-Feed! Kennen Sie schon unseren Podcast? Die von Transparency Deutschland genutzte Lizenz CC BY-NC-ND 3.0 legt fest, dass die Vervielfältigung und Verbreitung nur dann erlaubt wird, wenn der Name der Autorin/des Autors genannt wird, wenn die Verwendung nicht für kommerzielle Zwecke erfolgt und wenn keine Bearbeitung, Abwandlung oder Veränderung erfolgt.

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26 | Über Transparency

Der Beirat stellt sich vor: Prof. Dr. Hubert Weiger Prof. Dr. Hubert Weiger ist seit 2007 Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und gehört zu dessen Gründungsmitgliedern (1975). Seit 2002 ist er 1. Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern. Daneben ist er als Honorarprofessor an der Universität Kassel und Lehrbeauftragter an der TU München tätig. Seit 2011 ist Hubert Weiger Mitglied im Beirat von Transparency Deutschland.

Wie finanziert sich Ihre Organisation, wie groß ist der bezahlte Mitarbeiterstab, und wieviel ehrenamtliche AktivistInnen zählen Sie? Spenden (einschließlich Erbschaften) machten 2011 fast 47 Prozent der Einnahmen des Bundesverbandes aus, Mitgliedsbeiträge etwas mehr als 34 Prozent. Mit ganz leichten Schwankungen ist es über ein Jahrzehnt so, dass rund 80 Prozent der BUND-Einnahmen aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen stammen. Der Bundesverband hatte im Dezember letzten Jahres 75 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – zwei Drittel Frauen, ein Drittel Männer. Der BUND hat 16 Landesverbände und rund 2000 Kreis- und Ortsgruppen. 2010 haben sich 34.000 BUND-Mitglieder in rund 2,8 Millionen Stunden

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ehrenamtlich für den Natur- und Umweltschutz engagiert. Das größte Kapital von Nichtregierungsorganisationen ist ihre Glaubwürdigkeit, und diese basiert auf Integrität. Was tut BUND, um diese zu bewahren und zu schützen? Unsere Hauptfinanzquellen, Mitglieder und Spenderinnen und Spender, sichern die Unabhängigkeit und damit Glaubwürdigkeit unsres Verbandes. Der BUND verabschiedet seinen Haushalt nach intensiver Diskussion in den Verbandsorganen demokratisch auf einer verbandsöffentlichen Bundesdelegiertenversammlung. Jeder Haushaltsposten steht zur Diskussion. Und BUND macht alle Einnahmen und Ausgaben öffentlich. Der BUND lässt sich nicht von Unternehmen für einen ÖkoAnstrich instrumentalisieren. Mag das Angebot finanziell noch so verlockend sein. Deshalb haben wir verbindlich geregelt, dass kein Geld an den BUND fließen darf, wenn wir vor Gericht eine Klage nicht bis zur letzten Instanz durchfechten, sondern einen Vergleich schließen müssen. Viele Nichtregierungsorganisationen stützen sich überwiegend auf die ehrenamtliche Mitarbeit. Wie gewinnt und fördert der BUND diese Unterstützung? Wir versuchen, durch eine zukunftsorientierte Politik Menschen für den BUND zu gewinnen. Dazu nutzen wir unsere Print- und Onlinemedien. In den Sozialen Medien wächst die Zahl unserer Fans und Follower kontinuierlich. Mit über 30.000 Fans auf facebook

haben wir zum Beispiel eine wöchentliche Reichweite von weit über einer halben Million Menschen. Darüber hinaus macht der BUND Mitgliederwerbung mit Werbeständen in Städten. Der BUND qualifiziert ehrenamtlich Engagierte durch Handreichungen, Veranstaltungen und Exkursionen. Die vom BUND geführten Umweltstationen sind ebenso Ort von Fortbildung wie die Weiterbildungen zur Leitung von Kindergruppen oder einer UmweltArbeitsgruppe in Ganztagsschulen. Der BUND ist Trägereinrichtung für den Bundesfreiwilligendienst. In diesem Rahmen hat er ein systematisches Fortbildungsangebot entwickelt. Umweltschutz ist ebensowenig wie Korruptionsprävention auf regionale, nationale oder nur wenigen Akteuren zuzuschreibende Rahmendaten einzugrenzen, und immer sind sehr unterschiedliche Akteure an Konflikten und ihren Lösungen beteiligt. Wie organisieren Sie Ihre Arbeit? Große Stärke des BUND ist es, dass er mit 16 Landesverbänden und zweitausend Gruppen in der Fläche präsent und als Mitglied von Friends of the Earth Teil eines internationalen Netzwerks ist. BUND-Arbeit folgt dem Motto, global denken, lokal und global handeln. Sozialverbände, kirchliche Einrichtungen, Entwicklungsorganisationen, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen und zivilgesellschaftliche Organisationen wie Transparency Deutschland sehen wir dabei als unsere Partner.  | Die Fragen stellte Anke Martiny.

Foto: Julia Puder / BUND

Wie würden Sie die Schnittstelle in der Arbeit unserer beiden Organisationen beschreiben, die für den BUND interessant ist? Transparenz hat auch und gerade für den Natur- und Umweltschutz einen zentralen Stellenwert: Transparente Verkehrs- und Energieentwicklungsplanung zum Beispiel ist für einen nachhaltigen Schutz der Natur und Umwelt ebenso wichtig wie die Offenlegung von Inhaltsstoffen in Lebensmitteln oder Textilien und leicht zugängliche, umfassende Informationen darüber, wer wofür Subventionen erhält. Auch deshalb tritt der BUND für freien Zugang zu Informationen, für Transparenz und mehr demokratische Partizipation in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein.

Über Transparency I

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Vorstellung korporativer Mitglieder: ICC Deutschland Angelika Pohlenz ist seit 1995 Generalsekretär der Internationalen Handelskammer (ICC) Deutschland. Sie ist Mitglied in den Außenwirtschaftsausschüssen von DIHK und BDI sowie Mitglied im Aufsichtsrat von MAN. ICC Deutschland ist korporatives Mitglied auf Gegenseitigkeit.

Foto: ICC

Wie sehen Sie die Arbeit von Transparency Deutschland und die Zusammenarbeit mit ICC Deutschland? Transparency Deutschland hat sich seit seiner Gründung zu einer sehr angesehenen Nichtregierungsorganisation entwickelt. Das liegt einerseits an der thematischen Ausrichtung. Schließlich gehört der Kampf gegen Korruption zu den wichtigsten Aufgaben, um einer Demokratie langfristig das Überleben zu sichern. Andererseits liegt es aber auch an dem breiten Schulterschluss, den Transparency Deutschland nicht nur mit dem Staat und der Zivilgesellschaft sucht, sondern eben auch mit der Wirtschaft. Da gibt es zwangsläufig Berührungspunkte mit der ICC als Spitzenverband der internationalen Wirtschaft, die sich bereits seit den frühen 1970er Jahren gegen Korrup­ tion engagiert. Im Laufe der Zeit hat sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt. Zuletzt kam ICC Deutschland groß heraus mit dem Brief an die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag wegen der überfälligen Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption. Arbeitet ICC Deutschland immer so politisch? Zu unseren Hauptaufgaben zählt die Förderung des freien und fairen Welthandels und offener Marktwirtschaften. Aber – und das ist ganz wichtig – wir setzen auch weltweite Regeln und Standards, die für den Handel gelten. Der angesprochene Brief, der von 37 Unternehmenschefs, darunter 26 DaxVorständen, unterzeichnet wurde, hat tatsächlich viel Wirbel ausgelöst. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn ich sage,

dass er maßgeblich dazu beigetragen hat, die festgefahrene Debatte zu beleben. Für uns stand im Mittelpunkt, das Ansehen unserer einzelnen Mitglieder in die Waagschale zu werfen, um den Entscheidern im Bundestag ein eindringliches Signal zu geben. Das ist uns in diesem Fall hervorragend gelungen. Wirtschaft und Politik durchleben zurzeit eine Phase der Neupositionierung, weil der Politik wenigstens in Teilen der starke Einfluss der Wirtschaft missfällt. Wie sehen Sie dieses Spannungsverhältnis? Dieses Spannungsverhältnis besteht, seitdem Nationalstaaten existieren. Die Wirtschaft bietet den Menschen Arbeitsplätze, und Unternehmen wollen Geld verdienen. Die Politik als Repräsentantin des Staates vertritt zwangsläufig auf einigen Feldern andere Interessen, denn sie muss auch die nicht wirtschaftlich orientierten Interessen in der Gesellschaft berücksichtigen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass auf Phasen, in denen die Wirtschaft weniger Einfluss hatte, solche folgen, in denen sie ihre Interessen besser durchsetzen konnte. Angesichts der Folgen der Finanzkrise scheinen wir gerade wieder einmal an einem Wendepunkt angelangt zu sein. Hier hat es in der Vergangenheit einige Übertreibungen gegeben, gerade bei den Banken. Wir brauchen aber starke Unternehmen. Sie durch neue Gesetze und Auflagen immer mehr einzuengen, bedeutet, den Ast abzusägen, auf dem wir alle sitzen. Es geht nicht nur um Arbeitsplätze. Auch das Geld, das wir für Soziales

oder Kultur ausgeben, will schließlich verdient sein. Wie sollten nach Ihrer Meinung Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung ausgestaltet sein? Keine Frage, hartes Durchgreifen gegen Korruption ist dringend nötig. Dabei geht es aber nicht, wie vielfach angenommen, um neue Gesetze, zum Beispiel um höhere Strafen oder noch mehr Vorgaben. Vielmehr sollten alle Unternehmen die wirtschaftliche, aber auch öffentliche Brisanz verinnerlichen. Gerade deutsche Firmen haben in den vergangenen Jahren viel getan, um korrupte Geschäftspraktiken aus ihren Lieferketten auszuschließen. Und Großunternehmen haben mit Millionenbeträgen Compliance-Abteilungen auf- und ausgebaut. Aus der Sicht der Unternehmen handelt es sich hierbei um eine Gratwanderung. Ihre Anstrengungen dürfen nämlich nicht dazu führen, dass betriebsintern ein Klima des gegenseitigen Misstrauens aufkommt. Werden in Sachen Korruption die Richtigen erwischt? Wahrscheinlich nicht. Vor allem in etlichen anderen Ländern steht die Wirtschaft häufig vor erpresserischen Forderungen, die nicht geahndet werden. Hier ist die Politik gefordert, sich gegen Korruption auszusprechen, und das immer wieder deutlich zu machen. | Die Fragen stellte Anke Martiny.

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28 | Über Transparency

Transparency International Israel „Korruption ist ein Problem von Normen“ Interview mit der Geschäftsführerin Galia Sagi und Projektkoordinator Ido Feder über die Arbeitsweise des israelischen Chapters sowie Chancen und Hindernisse der Korruptionsbekämpfung. von links nach rechts: Galia Sagi, Dorthe Siegmund, Ido Feder

Transparency Israel wurde 1999 gegründet. Gab es dafür einen bestimmten Auslöser? Transparency Israel wurde von Professor Dov Izraeli gegründet. Als Dozent der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät entwickelte er Instrumente zur Korruptionsbekämpfung in Unternehmen. Er nahm gemeinsam mit Repräsentanten von Transparency International an einer Konferenz teil und verliebte sich in die Idee, ein israelisches Chapter zu gründen. Wie ist das Chapter strukturiert und wie viele Mitglieder hat es? Wir haben neun Ratsmitglieder, einen Vorsitzenden, zwei feste und vier bis fünf projektbezogene Mitarbeiter. Regelmäßig absolvieren bei uns Studenten ein Praktikum. Wir arbeiten nicht mit Ehrenamtlichen. Wir haben ungefähr 50 Mitglieder und drei Unternehmen als korporative Mitglieder. In welchen Bereichen sehen Sie in Israel die meisten Probleme von Intransparenz und Korruption? Wir sind der Auffassung, dass es auf lokaler Ebene mehr Korruption gibt als auf nationaler Ebene. Die enge Verbindung zwischen Medien, Regierung und Wirtschaft ist ein zentrales Problem. Das muss sich ändern. Wie sieht die Arbeit des Chapters konkret aus? In Israel ist es sehr populär von Korruption zu sprechen. Wir denken nicht, dass wir ein korruptes Land sind. Aber wir haben damit natürlich auch Probleme. Wir analysieren diese Probleme und bauen darauf unsere Strategien auf. Wir sehen unsere Aufgabe primär darin, Diskussionen anzustoßen. Wir steuern dabei den Prozess, nicht die Inhalte. Eine elementare Aufgabe

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 58

ist außerdem das Monitoring. Vor fünf Jahren haben wir damit begonnen, die Arbeitsweise lokaler Stadtverwaltungen und Institutionen in verschiedenen Bereichen zu analysieren. Darüber hinaus begleiten wir die Einhaltung der OECD-Konvention zur Auslandsbestechung und die Umsetzung der UNKonvention gegen Korruption.

Nein, wir haben keinen großen Kontakt zu Studenten, leider. Studenten sind an konkreten Aktivitäten interessiert. Sie wollen beispielsweise an Demonstrationen teilnehmen und Petitionen unterstützen. Das machen wir nicht. Das liegt an unserer Strategie: wir gehen nicht vor Gericht. Wir machen keine Schlagzeilen.

Wie beurteilen Sie die gesetzlichen Grundlagen zur Korruptionsbekämpfung und –prävention? Die Gesetze in Israel sind sehr gut, aber sie werden in der Praxis nicht umgesetzt. Normen wie „Null-Toleranz für Korruption“ müssen gelebt werden. Korruption ist ein Problem von Normen, nicht von Gesetzen. Wenn bestimmte Normen nicht implementiert werden, werden sich auch Verhaltensweisen nicht ändern. Gesetze sind ein erster wichtiger Schritt. Aber eine Normenänderung hin zu integrem Verhalten muss sich in gesellschaftlichen Strukturen vollziehen.

Wie beurteilen Sie den Erfolg von Transparency Israel? Lokale Behörden und kommunale Institutionen schätzen uns in einem hohen Maße. Mitarbeiter rufen uns an, senden uns Informationen. Sie wollen ihre Strukturen verbessern. Wir sind derzeit auch in ein Projekt involviert, das Stadtverwaltungen darin unterstützt, transparenter zu werden. Dementsprechend entwickeln wir Kriterien wie lokale Regierungen mehr Transparenz erreichen können. Aber es gibt noch viel zu tun.

Gelingt es Transparency Israel die Gesellschaft zu erreichen? Wir sind nicht so bekannt, wie wir sein wollen. Das liegt am Thema. Niemand sieht Korruption und alle denken, dass Korruption hauptsächlich in der Regierung stattfindet. Die Gesellschaft realisiert nicht, dass Korruption auch sie selbst betrifft. Den Korruptionswahrnehmungsindex kennt allerdings jeder. Aber der Öffentlichkeit ist nicht bewusst, dass dieser Index mit der Arbeit von Transparency International zusammenhängt. Ihr Büro befindet sich hier auf dem Campus der Universität in Tel Aviv. Daraus schließe ich, dass Transparency Israel mit Studenten, jungen Entscheidungsträgern „von morgen“ in engem Kontakt steht.

Ein Blick in die Zukunft. Welche Pläne hat Ihr Chapter für die kommenden Jahre, wo sehen Sie weiteren Handlungsbedarf? Wir wollen noch effektivere Instrumente entwickeln, um Korruption zu bekämpfen und Transparenz sowie integeres Verhalten zu fördern. Insbesondere bei staatlichen Unternehmen sehen wir Handlungsbedarf. | Das Interview führte Dorthe Siegmund. Sie ist Politikwissenschaftlerin mit regionalem Schwerpunkt Naher Osten. Gemeinsam mit Christa Dürr ist sie verantwortlich für den Themenschwerpunkt dieser Ausgabe. Das ausführliche englische Interview kann auf dem Blog space for transparency nachgelesen werden: http://blog.transparency.org

Rezensionen I

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rezensionen

München: Redling-Verlag 2011 ISBN 978-86881-318-0 560 Seiten. 60 Euro

Martin Richter und Norbert Naulin: Anti Corruption Wall Strategien gegen Korruption – für Unternehmen und Behörden

Mit ihrem 560 Seiten umfassenden Werk haben Kriminalhauptkommissar Martin Richter und Steueroberamtsrat Norbert Naulin eine Handreichung zur Korruptionsbekämpfung in Unternehmen und Behörden vorgelegt. Die Autoren vertreten die Auffassung, die dargestellten Strategien der Anti Corruption Wall (ACW) wirkten wie eine Kombination „aus Virenscanner und Firewall“. Somit könnten die „Schlupflöcher für Korruption und Wirtschaftskriminalität“ geschlossen werden.

Frankfurt/Main: Westend Verlag GmbH 2012 ISBN 978-3-86489-000-0 316 Seiten. 19,99 Euro

Jürgen Roth: Gazprom – Das unheimliche Imperium Wie wir Verbraucher betrogen und Staaten erpresst werden

Eine wirkungsvolle Antikorruptionsstrategie umfasst nach Richter und Naulin sechs Handlungskomplexe. Erstens: Eine Analyse der Gegebenheiten. Diese beinhaltet die Fallanalyse, die Prozess- und Ablaufanalyse und die Risikoanalyse. Zweitens: Die Sicherung wirksamer Kontrollen durch Dienst- und Fachaufsicht und Revision. Drittens: Präventionsmaßnahmen wie das Vier-Augen-Prinzip, die Transparenz von Entscheidungsprozessen und Whistleblowing. Viertens: Maßnahmen zur Stärkung der Personalintegrität, zum Beispiel durch einen Code of Conduct oder Schulungen. Fünftens: Eine kontinuierliche Regelüberwachung bei Nebentätigkeiten, Sponsoring und Vergaben. Sechstens: Die Forensik und Kriminalistik. Diese Bereiche umfassen unter anderem die Beweissicherung, die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden und Sanktionen. Jede einzelne Maßnahme (Baustein) wird eingehend und schematisch standardisiert dargestellt: Bausteinbeschreibung, praktische Umsetzung, Handlungs- und Ergänzungsmaßnahmen, grundsätzliche Problemfelder, Verweise in die Praxis. Ergänzt werden die Darstellungen durch eine Vielzahl von Fallbeispielen. Das Werk von Richter/Naulin kann dem mit der Korruptionsproblematik befassten Praktiker oder sonst an der Problematik Interessierten als Nachschlagwerk wie auch als Quelle vielfältiger Anregungen dienen. Allerdings scheint die Annahme der Autoren, dass mit der ACW die Korruption überwunden werden könnte, sehr optimistisch zu sein.  Jens Harms |

Der Autor und Journalist Jürgen Roth legt sich diesmal mit einem der weltweit mächtigsten Energiekonzerne an – dem russischen Energieunternehmen Gazprom mit seinen 400.000 Mitarbeitern, weitreichenden Verflechtungen in die Politik und vielen, für den Konzern nützlichen Unternehmensanteilen und Tochtergesellschaften. Der staatlich kontrollierte Energieriese verdoppelte laut Handelsblatt im dritten Quartal 2012 seinen Gewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und deckt momentan etwa ein Drittel des europäischen Gasbedarfs. Roth durchleuchtet in seinem Buch die Machen- und Seilschaften von Gazprom und untermauert seine Thesen mit einer Reihe von ausführlichen Fallbeispielen, die belegen sollen, wie das System Putin wiederum direkt aus den Methoden des Konzerns profitiert. Roth zufolge nutzt der Kreml, den Rohstoffreichtum seines Landes und die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland aus, manipuliert politische Entscheidungen und setzt, ganz nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“, seine politischen Interessen durch. Der Autor beschreibt, wie Milliarden von Gazprom ins Ausland verschoben werden und sich private Vermögen von Vertretern aus Politik und Verwaltung still-

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30 | Rezensionen schweigend vermehren. Er zeigt Verbindungen zu mafiösen Strukturen auf und stellt dar, wie westliche Regierungen, Banken und Konzerne das System Putin stützen. In Politik und Wirtschaft sind nach Roths Fazit ethische Grundsätze bedeutungslos. Auch wie der Konzern um Sympathie wirbt und andererseits mit Kritikern umgeht, wird in verschiedenen Kapiteln untersucht. Roth schildert, wie massive Imagepflege durch Sponsoring und Kampagnen betrieben und gleichzeitig massiv Druck, beispielsweise auf kritische Medien, ausgeübt wird. Immer wieder verweist Jürgen Roth auf konkrete Verstrickungen in Deutschland. Ein Beispiel ist das Unternehmen Nord Stream, das verantwortlich für die Erdgaspipeline durch die Ostsee ist und an dem Gazprom

zu 51 Prozent beteiligt ist. Auch wenn einem viele Fälle des Buches aus den Medien bekannt vorkommen, hat Jürgen Roth es geschafft, die tatsächliche Dimension des „unheimlichen Imperiums Gazprom“ detailliert aufzuarbeiten. Das Buch liest sich spannend, auch wenn Roth an mancher Stelle auf die polemische, thesenlastige Argumentation hätte verzichten können. Der Fülle aneinander gereihter Fallbeispiele hätte eine gelegentliche Zusammenfassung gut getan. Etwas unbefriedigend bleibt es, dass die Beispiele oft nur angedeutet werden und Belege fehlen, die die Fälle in ihrer ganzen Dimension deutlich machen würden.  Sylvia Stützer |

Nach den meisten Verfahrensordnungen liegt wissenschaftliches Fehlverhalten vor, „wenn in einem wissenschaftserheblichen Zusammenhang bewusst oder grob fahrlässig Falschangaben gemacht werden, geistiges Eigentum anderer verletzt oder sonstwie Forschungstätigkeit beeinträchtigt wird“ (MPG - Verfahrensordnungen 2000, Anl. 1).

Baden-Baden: Nomos 2012 ISBN 978-3-8329-6958-5 273 Seiten. 59 Euro

Nadine Schiffers: Ombudsmann und Kommission zur Aufklärung wissenschaftlichen Fehl­ verhaltens an staatlichen Hochschulen Verfahrensrechte und Verfahrensgestaltung zwischen Hochschulautonomie und staatlichem Rechtsschutz

Diese Veröffentlichung beleuchtet die bestehenden verfahrensrechtlichen Regelungen und ihre mangelhafte Umsetzung in Fällen des Verstoßes gegen gute wissenschaftliche Praxis. Da diese Schrift als Dissertation an dem Fachbereich der Rechtswissenschaften der Universität ErlangenNürnberg angenommen wurde, liegt ihr Schwerpunkt auf der rechtswissenschaftlichen Analyse. Es werden Selbstkontrollmechanismen an Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen wie der MaxPlanck-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Hochschulrektorenkonferenz daraufhin untersucht, inwiefern sie Regelungen zur Ahndung wissenschaftlichen Fehlverhaltens, deren Verhinderung, Ermittlung und Sanktionierung enthalten.

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Dabei fand die Autorin bei den untersuchten Einrichtungen eine große Bandbreite der Definition unwissenschaftlichen Verhaltens vor (S.22). In weiteren Kapiteln wird „Wissenschaftliches Fehlverhalten“ als Rechtsbegriff untersucht. Zudem werden die Themen „Wissenschaftliche Selbstkontrolle als Grundrechtsproblem“, „Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren“, „Der Ombudsmann als Schlichter“ und schließlich die „Gerichtliche Kontrolle des Selbstkontrollverfahrens“ behandelt. In ihren abschließenden Thesen kommt die Autorin zu dem Schluss: „Wissenschaftliche Selbstkontrolle kann ... an staatlichen Hochschulen nicht stattfinden“ (S. 234). Diese seien zwar in ein grundrechtsverpflichtendes staatliches Gefüge eingebunden, verfügten aber über keine strukturelle Selbstkontrolle bei Fehlverhalten im Wissenschaftsbetrieb. Ungelöst ist auch die Diskrepanz zwischen dem Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen und der sich damit zum Teil überschneidenden Grundrechtspositionen der Forscher sowie weiterer Personen der Hochschulen und der unabhängigen Kontrollen zur Beurteilung des Fehlverhaltens. Diese Schrift zeigt sehr verdienstvoll die Defizite bei bestehenden Regelungen zur Erkennung und Ahndung wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Vorschläge zu konkreten Maßnahmen zum Abbau der erkannten Mängel finden sich in der auf die juristischen Aspekte konzentrierten Veröffentlichung allerdings weniger.  Peter Büttner |

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