Interview Joerg Thadeusz


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Presseinformation vom 15. September 2009

„Der Spaziergang durch den Buchladen ist ein Muss.“ Jörg Thadeusz über alte und neue Kritiker, das geschriebene Wort und das Land der Doofen und Dieter. Wer auf der Suche nach einem guten Buch ist, findet im Internet zahlreiche Rezensionen und Bewertungen. Über den Erfolg eines Buches entscheiden heute nicht die Kritiker in den Feuilletons der Zeitungen, sondern die User im Web. Wir wollten von Jörg Thadeusz wissen, was er über seine Kritiker im Internet denkt und wie er selbst auf Bücher aufmerksam wird. Der Schriftsteller ist derzeit Jurymitglied beim Wettbewerb „Die Leser-Rezension 2009“, der von der Buch-Community LovelyBooks veranstaltet wird.

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LovelyBooks: Woher nehmen Sie Ihre Lese-Tipps? Spielt die Meinung Ihrer Freunde über ein Buch eine Rolle oder finden Sie neue Bücher beim Stöbern in der Buchhandlung? Jörg Thadeusz: Bei Freunden, die nach Mode, oder ‚Spiegel’Bestsellerliste lesen, bin ich vorsichtig. Aber der Spaziergang durch den Buchladen ist ein Muss. Und ein unschlagbares Vergnügen. LovelyBooks: Normalerweise fühlen Sie den Gästen Ihrer Sendung auf den Zahn. Wie ist es für Sie als Autor, wenn Sie der Kritik Ihrer Leser „ausgeliefert“ sind? Jörg Thadeusz: Schrecklich. Beinahe noch schlimmer, als die Sache mit den Mädchen in Teenagerzeiten. Wenn ich mich zur Frage, ob sie mit mir gehen möchte, durchgerungen hatte und sich in ihrem Gesicht ein „Nein“ zusammenbraute. LovelyBooks: Das Internet sorgt dafür, dass jeder Leser seine Meinung abgeben kann und die Expertenmeinungen der alten Kritiker-Garde ihre Bedeutung verliert. Würden Sie sich wünschen, dass es wieder mehr Karaseks und Reich-Ranickis im Fernsehen gäbe? Jörg Thadeusz: Ich war sowohl von Reich-Ranicki, als auch von Helmut Karasek, schon oft sehr beeindruckt. Von ihrer Sprachmacht, von ihrem Esprit, von ihrer Bildung. In kulturpessimistischen Momenten glaube ich, dass wir ganz und gar das Land der Doofen und Dieter geworden sind. Ehe noch mehr Mitteilungsbedürftige unoriginellen Unfug ins Netz stellen, sollten Figuren in Erscheinung treten, denen die Fußstapfen der beiden Genannten nicht zu groß sind. Hoffnung machen mir Persönlichkeiten wie Denis Scheck oder Gerd Scobel. Aber auch die Tatsache, dass der Profifußballer Thomas Hitzlsperger ein großer Leser ist, freut mich. Ich habe selten

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jemand so leidenschaftlich über Bücher sprechen hören, wie den neuen Trainer von Hannover 96, Andreas Bergmann. LovelyBooks: Ihr Buch mit Christine Westermann ist eine Hommage an den Gedankenaustausch in Briefen. Wie gefällt Ihnen eine Welt, in der dem handschriftlichen Austausch immer weniger Bedeutung zukommt und eine Nachricht oft in wenigen Minuten beantwortet ist? Jörg Thadeusz: Die Zuneigung zu schönem Papier und Stiften ist lediglich eine persönliche Vorliebe. So gerne ich andere Handschriften persönlich nehme: Wichtiger ist mir der Respekt vor der geschriebenen Sprache und die Wahrung der Form. Es leuchtet mir nicht ein, warum ich auf die persönliche Anrede verzichten soll, nur weil ich an einer Tastatur sitze. Das Gleiche gilt für die Groß-und Kleinschreibung. Ich habe schlicht Schwierigkeiten, Botschaften zu lesen, die komplett klein geschrieben sind. Gegen die spontane Antwort auf eine Nachricht spricht nichts. Aber der Verzicht auf jeden Gedanken beim Schreiben ist nicht modern. Sondern nur trist. LovelyBooks: Bei welchem Buch, das Sie in letzter Zeit gelesen haben, hätten Sie sich gewünscht, sich mit dem Autor auszutauschen – sei es, weil Sie das Buch besonders gut oder schlecht fanden? Was hätten Sie dem Autor gesagt? Jörg Thadeusz: Ich habe „Verbrechen“ von Ferdinand von Schirach gelesen und konnte sogar mit dem Autor sprechen. Es war also möglich, ihm ausführlich zu danken. Für seine klare Sprache. Für die beeindruckenden Geschichten. Für die Menschlichkeit seines Buches. LovelyBooks: Die Rezensionen von Lesern zu Ihren Büchern sind sehr unterschiedlich, sie scheinen zu polarisieren – was würden Sie Ihren Kritikern gerne sagen? Jörg Thadeusz: Wenn der Leser das Buch gelesen hat, ist von meiner Seite alles gesagt. Es hat seinerzeit niemals weitergeholfen, wenn ich meiner Kunstlehrerin erklären wollte, was ich mir mit dem Bild gedacht habe. Einzelnen Kritikern geht es allerdings nicht um die Bücher. Sondern darum, dass ein Medienheini ein Buch geschrieben hat. Denen kann ich allerdings auch nicht viel erklären. Die fühlen sich in einem akkurat sortierten Schubladenschrank am wohlsten und dieses Lebensglück gönne ich ihnen auch. LovelyBooks: Die Teilnehmer des Wettbewerbs „Die LeserRezension 2009“ möchten natürlich gerne wissen, wie Sie bei Ihnen Punkten können. Was macht für Sie eine gute Rezension aus? Jörg Thadeusz: Die Abwesenheit von Dünkel ist mir wichtig. Bei hochtrabenden Germanisten muss ich an Parkuhren denken. Wieviel Geld musste hier schon eingeworfen werden, vor allem aber: warum? Querverweise auf Autoren, die nur einer Kleingruppe bekannt sind, finde ich überflüssig, meistens sogar nervig. Ein Buch schreibt sich nicht im Vorbeigehen, sondern hat die Autorin, oder den Autor, mindestens mehrere Monate seines Lebens beschäftigt. Den Respekt vor dieser Leistung kann man durch eine Rezension ausdrücken, die auch einfallsreich ist.

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