Innerkapitalistischer Paukenschlag - Kritische Aktionäre

16.03.2016 - Gysi: Auch Wagenknecht für Verluste verantwortlich. Dresden. Der frühere Linksfrakti- onschef Gregor Gysi hat seine. Nachfolgerin Sahra Wagenknecht für Stimmenverluste bei den ver- gangenen Landtagswahlen indi- rekt mitverantwortlich gemacht. In der Flüchtlingsfrage müsse man eine einheitliche ...
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Mittwoch, 16. März 2016 u neues deutschland

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NACHRICHTEN

Immer mehr Minijobs als Nebenerwerb

Gysi: Auch Wagenknecht für Verluste verantwortlich Dresden. Der frühere Linksfraktionschef Gregor Gysi hat seine Nachfolgerin Sahra Wagenknecht für Stimmenverluste bei den vergangenen Landtagswahlen indirekt mitverantwortlich gemacht. In der Flüchtlingsfrage müsse man eine einheitliche Position haben, sagte Gysi der »Sächsischen Zeitung« (Mittwoch). »Und wenn dann herausragende Persönlichkeiten wie Katja Kipping und Sahra Wagenknecht unterschiedliche Positionen beziehen, dann wird es eben schwierig«. Wagenknecht hatte am Tag vor den Abstimmungen in einem Interview von »Kapazitätsgrenzen und Grenzen der Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung« gesprochen. »Es können nicht alle Flüchtlinge nach Deutschland kommen«, sagte sie. Parteichefin Kipping hatte sich am Tag nach der Wahl von dieser Aussage distanziert. dpa/nd

Vor allem im Osten Zuwachs von prekärer Beschäftigung

Pegida will Arbeit der AfD kontrollieren

Bei der BASF-Hauptversammlung 2015 forderte der südafrikanische Bischof Johannes Seoka Entschädigungen für die Familien getöteter Bergleute.

Dresden. Die rassistische PegidaBewegung hat am Montagabend in Dresden den Wahlerfolg der AfD gefeiert und sich zugleich als Kontrollorgan der Rechtspartei in Stellung gebracht. Dieser Erfolg sei nicht nur ein Grund zu feiern, sondern auch ein klarer Auftrag, erklärte Pegida. Damit die AfD nun in drei weiteren Landesparlamenten diese Pflicht wahrnehme, sei Pegida wichtiger und nötiger denn je. Bei dem montäglichen Aufmarsch auf dem Dresdner Theaterplatz wurde neben den üblichen »Merkel muss weg«-Forderungen auch der Schulterschluss mit den Rechten in anderen europäischen Ländern beschworen. Nach Schätzungen von »Durchgezählt« lag die Teilnehmerzahl bei 3500 bis 4200. Nach dem bislang vergeblichen Werben um ein Zusammengehen mit der AfD will Pegida nun offenbar sich »in sehr naher Zukunft als eigenständige, konservative Partei« etablieren, wie es weiter heißt. epd/nd Kommentar Seite 4

Innerkapitalistischer Paukenschlag

Steinbach lehnt Rücktritt nach Merkel-Kritik ab Berlin. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach lehnt einen Rücktritt als Fraktionssprecherin für Menschenrechte wegen umstrittener Mitteilungen über den Kurznachrichtendienst Twitter ab. »Ich trete nicht zurück«, erklärte sie am Dienstag in Berlin. Die Politikerin hatte am Sonntag in einem Tweet die Flüchtlingspolitik der Regierung indirekt mit einer Diktatur verglichen. »Seit September alles ohne Einverständnis des Bundestages. Wie in einer Diktatur«, schrieb Steinbach. Das hat in der eigenen Partei für Kritik gesorgt. So nannte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) den Vergleich »inakzeptabel«. Steinbach stoße mit ihrem Verhalten auch bei anderen Fraktionskollegen auf »Unverständnis«. Agenturen/nd ANZEIGE

Foto: Kritische Aktionäre

Axel Köhler-Schnura über 30 Jahre als Kritischer Aktionär gegen die Macht der Konzerne Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre ist gerade 30 Jahre alt geworden. Sie gehören zu den Gründern. Was trieb Sie und Ihre Mitstreiter im Winter 1986 an, Konzernkritik als Anteilseigner, als Kapitalist zu betreiben? Der Anfang war eigentlich ganz einfach. Die Konzerne verantworten alles Mögliche in der Welt: Umweltverbrechen, politische Einflussnahme, Hunger, Kriege und vieles mehr. Aber man kriegt in aller Regel die letztendlich Verantwortlichen in den Vorständen nicht zu Gesicht. Geschweige denn die hinter diesen stehenden Kapitalbesitzer. Doch in den Hauptversammlungen, da sitzen die Vorstände. Dort besteht die Möglichkeit, die Akteure von Angesicht zu Angesicht zu konfrontieren. Sie können nicht ausweichen, wie wir es sonst immer wieder erleben. Selbst wenn ein Problem mal ganz, ganz hoch kocht, weichen die Vorstände aus, verweigern Gespräche, schieben Pressesprecher vor. Auf den Hauptversammlungen können sie nicht ausweichen. Zumal die Medien vor Ort sind. Und das reicht Ihnen? Wir machen uns keinerlei Illusionen darüber, dass die Hauptversammlungen als Machtinstrumente der Konzerne dienen. Veränderungsmöglichkeiten sind angesichts der Stimmverhältnisse nahezu ausgeschlossen. 90 Prozent der Aktien sind in den Händen von zehn Prozent der AktionärInnen oder von noch weniger. Entsprechend sind die Abstimmungsergebnisse bei einer Stimme je Aktie meist zu 99,9 Prozent im Sinne der Vorstände. Trotzdem ist es so, dass bei allen Konzernen Tausende von KleinaktionärInnen anwesend sind, die in der Regel nur fünf, zehn Aktien im Depot haben. Darunter sind viele BelegschaftsaktionärInnen und andere Menschen, die zur arbeitenden Bevölkerung gehören. Sie wurden absurderweise von ihren Banken oder sonst irgendwie zu Aktien überredet. Das ist ein Publikum, welches die Informationen, die sie von uns Kritischen Aktionären erhalten, sehr aufmerksam aufnimmt und uns oft zustimmt. Die Hauptversammlung als doppelte Propagandabühne für Medien und Kleinaktionäre? Nein, das ist genau das falsche Verständnis. Entscheidend ist die direkte Konfrontation mit den Verantwortlichen, der sie sich sonst entziehen. Ihre Strategie? Auftritte von Aktionären auf den Hauptversammlungen bringen alleine gar nichts. Das verpufft. Man muss an großen Widerstandsbewegungen ansetzen. Je größer der Widerstand, desto effektiver ist der Auftritt auf der Hauptversammlung. Auch international. Etwa wenn der Bürgermeister von Tarragona auf der Bayer-Hauptversammlung berichtet, dass der Kon-

ckelte sich daraus eine internationale Bewegung. Meilensteine waren die Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika oder die Proteste in Japan gegen Reis, der mit Blei vergiftet war.

Seit 30 Jahren gibt es den Dachverband der Kritischen Aktionäre. Zu den Gründungsmitgliedern gehört Axel Köhler-Schnura. Der studierte Betriebswirt wurde populär als Kritiker des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer. 1983 gründete er die Coordination gegen Bayer-Gefahren. Mit dem Konzernkritiker sprach Hermannus Pfeiffer. Foto: Ethecon

zern das Trinkwasser der ganzen Stadt verseucht. Und das als Vertreter der Proteste vor Ort tut und seinen Auftritt auf der Hauptversammlung in Tarragona wieder in die Bewegung zurückkoppelt. Was sagen Sie zu der Kritik in der Linken, den Shareholder-Value-Kapitalismus könne man nicht von Innen besiegen? Sicherlich gibt es auch Illusionen bei manchem Kritischen Aktionär beziehungsweise mancher Kritischen Ak-

tionärin. Wir sind keine fest gefügte Organisation mit einheitlicher Meinung. Doch uns als Bewegung ist klar, dass der Kapitalismus nicht durch Aktionen der Kritischen AktionärInnen überwunden werden kann. Das ist nur möglich durch breite gesellschaftliche Bewegungen. Immerhin ist die kritische Aktionärsbewegung so alt wie der Klassenkampf. Es hat von Anbeginn an Widerstand etwa von GewerkschafterInnen bei Aktionärstreffen gegeben. Auch innerhalb des Saales. In den 1980er Jahren entwi-

Hierzulande sind Kritische Aktionäre unter anderem bei Adidas, Deutsche Bank und RWE aktiv. Auch nach 30 Jahren sind das doch keine sozial- und umweltverträglichen Vorzeigekonzerne geworden ... Stimmt. Unsere Aktionsform kann alleine keinen Konzern dazu bewegen, sozial- oder umweltverträglich zu werden. Auch das bedarf starker gesellschaftlicher Bewegungen. Ein Erfolg ist etwa die Deutsche Bank. Der unrühmliche Abschied der Vorstände Anshu Jain und Jürgen Fitschen ist das Ergebnis breiter internationaler Kritik – wir Kritische AktionärInnen haben daran unseren Anteil. Schon 2013 auf der Hauptversammlung hatten wir zehn Prozent Gegenstimmen mobilisiert. Hier sieht man das Zusammenspiel mit den KleinaktionärInnen: Das war ein innerkapitalistischer Paukenschlag.

Imageschaden erwünscht Dachverband der Kritischen Aktionäre zieht Bilanz seiner Arbeit Die »Kritische Aktionäre« zogen auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Bonn eine positive Bilanz aus 30 Jahren Arbeit. Von Mona Grosche, Bonn »Wir sind die Stimme für Frieden, Umweltschutz und Menschenrechte«, fasst Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionäre, die Arbeit aus 30 Jahren zusammen. Der Verband mit seinen 26 Mitgliedsorganisationen, darunter der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, die Koordination Südliches Afrika KOSA und die Initiative »Ohne Rüstung Leben« ist von den Hauptversammlungen der deutschen Dax-Konzerne nicht mehr wegzudenken. Dort lässt der Dachverband diejenigen zu Wort kommen, die sonst ungehört bleiben: Fischer aus Brasilien prangern die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage durch ThyssenKrupp an, deutsche Braunkohlegegner erläutern die Folgen des RWE-Tagebaus und ExHausbesitzer aus den USA fordern Entschädigung für Zwangsräumungen von der Deutschen Bank. Ihr »Trick«, um öffentlich Rechenschaft von den Konzernen einzufordern, ist einfach, aber genial: Bereits der Besitz einer Aktie genügt, um auf Hauptversammlungen reden zu dürfen. »Mit nur einer Aktie in der Hand haben wir als Aktionär das gleiche Recht wie der Staat Kuwait«, erklärt Vorstandsmitglied Paul Russmann. So hat der Verband

nicht nur selbst Rederecht, sondern bekommt dies auch von immer mehr Anlegern übertragen. »Mittlerweile sind wir fester Bestandteil des Hauptversammlungszirkus«, kommentiert Barbara Happe, ebenfalls Vorstandsmitglied, die Auftritte bei »alten Bekannten« wie BASF, aber auch neu hinzugekommenen Konzernen wie Hugo Boss. Neben den öffentlichkeitswirksamen Reden dienen auch Gegenanträge oder alternative Geschäftsberichte als Druckmittel, um die Konzernleitungen zu einem Umdenken zu bewegen. Denn viele von ihnen, so etwa der Daimler-Konzern, fürchten sich vor

»Mittlerweile sind wir fester Bestandteil des Hauptversammlungszirkus.« Barbara Happe, Kritische Aktionärin

Imageverlusten, wie Russmann betont. Deren Vorstände haben nämlich längst begriffen, dass es sich bei den Kritischen Aktionären nicht um ein paar »linke Spinner« handelt, wie man sie anfangs abtun wollte. Stattdessen bewiesen Hartnäckigkeit, gründliche Recherchen und immer neue, kreative Kampagnen, dass hier ein Gegner agiert, der sich nicht mundtot machen lässt, auch wenn man ihm einfach das Mikro abdreht.

So kann der Dachverband auf einige Erfolge verweisen, wie etwa den Rückzug von RWE und mehreren deutschen Banken aus dem AKW Belene, das in Bulgarien in einem Erdbebengebiet gebaut werden sollte. »Punkten konnten wir auch, als sich die Deutsche Bank nach jahrelangem Druck aus der Finanzierung von Konzernen, die Streumunition produzieren, zurückzog«, ergänzt Happe. Dennoch bleibt viel zu tun im Kampf »David gegen Goliath«: Allein im Jahr 2015 war man auf 29 Hauptversammlungen vor Ort (unter anderem bei Eon, Rheinmetall und Puma), um einen Stopp von Rüstungsexporten, die Einhaltung von Umweltstandards und die Achtung von Arbeits- und Menschenrechten zu fordern. Dass dies nach wie vor notwendig ist, belegt nach Ansicht von Markus Dufner auch die Ermordung der Umweltaktivistin Berta Cáceres Anfang März 2016 in Honduras, eine der Hauptstimmen gegen den Agua-Zarca-Staudamm. Vor der unhaltbaren Lage der Menschenrechte dort hatten die Aktionäre Siemens mehrfach gewarnt. Doch bis heute hält der Konzern an der Turbinenlieferung der Tochterfirma Voith-Hydro fest. Genau hier setzt die aktuelle Kampagne »Rohstoffe – im Konflikt mit Menschenrechten« an, die zu Verantwortung der kompletten Lieferketten mahnt. »Unsere Arbeit wird auch heute noch dringend gebraucht«, so Dufner.

Erfurt. Immer mehr Beschäftigte in Deutschland haben zu ihrem Haupterwerb noch einen Minijob. Von 2006 bis 2015 ist die Zahl derjenigen, die im Nebenjob einer geringfügigen Beschäftigung nachgingen, deutschlandweit von 1,63 Millionen auf 2,48 Millionen gestiegen. Das entspricht einer Steigerung um 52 Prozent, berichtet die »Thüringer Allgemeine« unter Berufung auf Zahlen des Bundesarbeitsministeriums. Besonders groß war demnach der Zuwachs an nebenberuflichen Minijobs in Ostdeutschland. Im Juni 2015 hatten in den ostdeutschen Bundesländern mit 227 000 Frauen und Männern 64 Prozent mehr Beschäftigte einen angemeldeten Nebenjob als 2006. Aber auch in Westdeutschland spielt der Nebenerwerb eine größere Rolle (Juni 2015: 2,25 Millionen Minijobs; Juni 2006: 1,49 Millionen). Obwohl die Gesamtzahl der Minijobs nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes im vergangenen Jahr gesunken ist, stieg die Zahl der Minijobber im Nebenerwerb bis Juni 2015 weiter an. Insgesamt lag die Zahl der haupt- und nebenberuflichen Minijobber im vergangenen Sommer bundesweit bei 7,38 Millionen, rund zwölf Prozent mehr als 2006. Wie aus der Auswertung der Arbeitsmarktstatistik durch die Bundesregierung weiter hervorgeht, sind mit bundesweit 4,5 Millionen beinahe zwei Drittel der Betroffenen Frauen. »Das Jobwunder ist eine Nullnummer und Minijobs sind eine Falle für Frauen«, erklärte die gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag, Jutta Krellmann, der Zeitung. Zudem zeige der deutliche Anstieg der Minijobs im Nebenerwerb, dass vielen Menschen in Deutschland von ihren Löhnen nicht leben könnten. epd/nd

Schutz für Frauen in Asylheimen Gesetz soll Missbrauch auch von Kindern verhindern Berlin. Das Bundesfamilienministerium will Frauen und Kindern in Flüchtlingsheimen besseren Schutz bieten. Jede Unterkunft müsse über ein Schutzkonzept verfügen, forderte Familienstaatssekretär Ralf Kleindiek am Dienstag in Berlin. Eine entsprechende Regelung solle bald ins Asylgesetz aufgenommen werden. Kleindiek verwies auf »zunehmende Hinweise auf Vorfälle von Gewalt und insbesondere sexualisierter Gewalt« in solchen Einrichtungen. Diese Häufung mache deutlich, dass die bisherigen Schutzregelungen nicht ausreichten. »Wer sich an Kindern, Frauen oder anderen Schutzbedürftigen vergeht, hat hier in Deutschland kein Gastrecht«, erklärte der Staatssekretär. Notwendig seien unter anderem nach Geschlechtern getrennte Sanitäreinrichtungen, abschließbare Wohneinheiten sowie geschützte kinderfreundliche Räume. Von der Opposition kam Zustimmung zu dem Vorhaben. Die Grünenpolitikerin Franziska Brantner bewertete die Ankündigung des Bundesfamilienministeriums allerdings als »überraschend spät«. Flächendeckende Schutzstandards für Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften seien dringend nötig. »Statt schöner Worte und Ankündigungen brauchen wir endlich Taten.« Vor kurzem hatte bereits der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, zum Schutz von Kindern und Frauen in Heimen für Geflüchtete Nachbesserungen beim Asylpaket II gefordert. Agenturen/nd