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Etablissement auf der anderen Seite des Flusses. Illman hatte. In meinen Taschen war genügend. Kleingeld, sodass ich mir die Fähre leisten konn- te. Die Brücke vermied ich lieber. Sie war wohl der lebhafteste Ort der Stadt. Hier sammelte sich das Sediment, der schmierige und gewaltbereite. Bodensatz der Gesellschaft.
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Alexander Bálly

In Reinheit und Glauben Fantasy-Krimi

© 2013 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2013 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag, Berlin Coverbild: Max Biller Printed in Germany ISBN 978-3-8459-0565-5 AAVAA Verlag www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt .

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Allen, die mir geholfen haben, die an mich glaubten und mich unterstützten, möchte ich danken.

Mein besonderer Dank gilt Max Biller für das Coverbild.

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Prolog

Vorsänger Gepriesen sei Grisal der Starke, die Geißel der Sünder! Chor Jammern sollen sie und heulen! Vorsänger Sie verstecken sich und fliehen. Siehe, sie weinen über ihre Schlechtigkeit. Chor Umsonst! Umsonst! Umsonst! Vorsänger Grisal findet sie alle: Häretiker und Tempeldiebe, Nonnenschänder, Priestermörder! Er findet sie und tritt sie in den Staub zu seinen Füßen! Chor Tritt sie in den Staub! Schlag sie auf das Haupt! Vorsänger Hammerschwer trifft seine Faust. Knochen krachen, Schädel knacken, Blut schießt rot aus ihren Ohren, zerschmettert zucken sie zuletzt. 4

Chor So ist es recht! Gepriesen sei Grisal immerdar! Vorsänger Er sei immerdar gepriesen. Neunzehnter Grisal-Hymnus (Über die Frevler)

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Kapitel 1 Eine tüchtige Hilfe, ein Besuch bei einer alten Freundin und ein erledigter Auftrag

»Ich mache Schluss für heute!«, rief ich Tristold zu. »Wenn du fertig bist, kannst du die Werkstatt aufräumen und hast dann Feierabend. Vergiss bitte nicht abzusperren! Bis morgen!« Ich schloss die Tür hinter mir. Seit einer Woche war ich Chefin. Seit einer Woche hatte ich für meine Stempeldruckerei einen Angestellten. Es fühlte sich gut an. Nicht nur, dass es höchst angenehm war, die ungeliebten Arbeiten abgeben zu können. Es war auch schön, den ganzen Tag jemanden um mich herum zu haben, der mich respektierte, als Arbeitgeber natürlich, vor allem aber als Person. Respekt hatte ich als Halbling in dieser Stadt nicht immer erleben dürfen. Zu oft werden wir von den Großen als minderwertig und verachtenswert angesehen. Doch Tristold

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war ein Halbling wie ich und so stellten sich mit ihm diese spezifischen Probleme gar nicht. Bestens gelaunt machte ich mich auf den Weg zu einem längst überfälligen Besuch. Es war kalt, der winterliche Wechselmond hatte schon begonnen. Ein schwacher Wind ermunterte Schneeflocken, mich zu umtanzen. Ich mochte schon immer den Schnee. Hier im Tal war er selten. Auch wenn er schon morgen graubrauner Matsch sein würde, heute deckte er gnädig ein strahlend weißes Tuch über die Stadt und verwandelte Garbath für ein paar Stunden in einen reinen, schönen Ort. Trotz Schnee und Kälte waren erstaunlich viele Leute auf den Straßen. Die Hauptstadt von Belgaria, die große Hafenstadt und Handelsmetropole Garbath brummte emsig wie ein Bienenstock. Seit beinahe vier Jahren lebte ich nun hier in der Stadt der Menschen. Es war eine harte Zeit gewesen. Doch nun war ich stolz, froh und zufrieden. Es war mir nie besser gegangen. Ein scharfer Knall ließ mich zusammenzucken. Irgendwo hatte jemand einen Feuerwerkskörper 7

benutzt. Es war der Erste, den ich in diesem Jahr gehört hatte. Offiziell trieben die Bewohner zwar die Wintergeister erst in etwa einem Monat mit viel Spektakel, Feuer, Rauch und Knallerei aus der Stadt, doch es gab immer ein paar Ungeduldige, die schon früher beginnen mussten. Dieser Böller war vermutlich noch ein Rest von den alten Krachern des letzten Jahres, denn bisher, am Anfang des winterlichen Wechselmondes, hatte ich noch kein Feuerwerk in den Läden gesehen. Ich machte mich auf dem Weg zu Risa, die ihr Etablissement auf der anderen Seite des Flusses Illman hatte. In meinen Taschen war genügend Kleingeld, sodass ich mir die Fähre leisten konnte. Die Brücke vermied ich lieber. Sie war wohl der lebhafteste Ort der Stadt. Hier sammelte sich das Sediment, der schmierige und gewaltbereite Bodensatz der Gesellschaft. Schmalbrüstige Häuser säumten den engen Weg über den Fluss, machten ihn noch schmaler. Bei Tag und Nacht war es eng, laut und gefährlich. Es gibt kein Ausweichen. Die Pöbeleien empfand ich beinahe 8

schon als normal. Es gab noch andere »Scherze«. Ich war immer wieder froh, wenn die Brücke hinter mir lag und es nur bei dreckigen Worten, gemeinen Gesten und klebrigen Blicken geblieben war. Als ich bei der Fähre ankam, sah ich, wie das Fährboot gerade am anderen Ufer des Illman mit Passagieren abstieß und sich an dem Seil geführt von der Strömung langsam über den Fluss tragen ließ. Nun, da ich auf das Boot wartete, wurde es mir doch kalt. Ich stellte mich in den Windschatten einer rollbaren Bohlenwand, die zusammen mit einigem anderen Kriegsgerät und einem Katapult auf dem Kai stand. Im Süden war der Krieg mit den Milwingern noch immer nicht beigelegt. Die Truppen brauchten immer wieder Nachschub an allerlei Gerätschaften und Waffen. Wenig später kletterte ich am östlichen Ufer an Land. Auf dieser Seite des Illman lag der jüngere Teil der Stadt Garbath, vorwiegend erbaut von Kaufherren, reichen Reedern und Grundherren, die dem lauten und emsigen Gewimmel der 9

Westseite mit den vielen kleinen Handwerksbetrieben hatten entfliehen wollten. Im Westen werden die zahllosen Güter hergestellt, die man hier im Osten in alle Lande vertreibt. Natürlich bleibt der größere Teil des Profits bei den ohnehin schon reichen Handelsherren hängen, doch es wäre ungerecht, zu sagen, dass die Handwerker des Westufers darbten. Auch ihnen ging es gut. Garbath war eine reiche Stadt, eine Stadt der Menschen. Eine kleine Weile ging ich durch die prächtigen Straßen auf den Wollmarkt zu und war schließlich am Ziel: eine sorgfältige gestrichene Tür in einem schmucken Haus. Über der Tür war auf einem Schild ›Risas Puderdose‹ zu lesen. Ich stand vor dem nobelsten Bordell der Stadt, stellte mich auf die Zehenspitzen, streckte mich nach dem Türklopfer und pochte. Der Empfang war, wie immer, sehr herzlich: »Lu, mein Mädchen! Wie schön dich zu sehen.« Die Tür ging auf, Risa sank in die Knie und schon wurde ich an den warmen, weichen Busen der üppigen Puffmutter gedrückt. Nur Augen-

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blicke später saßen wir in ihrem Büro, naschten Konfekt und tranken süßen Wein. Ein paar Minuten besprachen wir belanglosen Stadttratsch und plauschten heiter über den vergnüglichen und regen Geschäftsgang in Risas Kammern. »Wie geht es denn dir inzwischen?«, beendete Risa das Vorgeplänkel. »Ich hörte, du hattest Ärger mit den Priestern.« Ich lachte. »Ja, sie wollten mir meine Stempel verbieten. Aus Angst um Sitte und Anstand.« Ein großzügiges Geschenk ‒ Druckstöcke, große Holzstempel mit Darstellungen von Lambaghi, einer Liebesgöttin aus dem Süden und sehr freizügigen, geradezu plastischen Abbildungen, wie man ihr zu zweit oder zu mehreren huldigen konnte ‒ hatte vor einem halben Jahr zur Gründung meines Unternehmens geführt. Ich richtete einen kleinen Laden als Stempeldruckerei ein, nicht allzu weit vom Hafen und machte gute Geschäfte, bis die Priester als strenge Wächter der Moral mir das Drucken verbieten wollten. »Ein paar Tage lang war mein Laden geschlossen. Dann gab es eine regelrechte Verhandlung 11

vor dem Priesterrat. Erst wollten sie mir das Geschäft ganz verbieten, doch schließlich erlaubten sie es zähneknirschend unter einer strengen Auflage und gegen ein gewaltiges Bußgeld.« »Oh je! Diese Priester! Alles eitle Jammerlappen in bunten Roben! Ich hatte gehört, dass sie dich ruinieren wollten.« »Das war wohl ihre Absicht gewesen! Ich hatte großes Glück, dass ich das Bußgeld aufbringen konnte. Damit hatten sie nicht gerechnet. Und bei der Auflage, die mich ebenso wie das Bußgeld ruinieren sollte, haben sie sich ebenfalls verkalkuliert. Sie hatten angeordnet, dass ich nur so viele von meinen Lambaghidrucken verkaufen darf, wie ich auch Bilder von anerkannten Stadtgottheiten verkaufe. Zudem sollte ich an die Tempel einen Teil der Einnahmen abführen. Sie wussten, dass ich für die Stadtgötter keine Stempel habe und meinten, so könnten sie mich aus dem Geschäft bringen. Doch auch hier hatte ich wiederum viel Glück und konnte solche Druckstöcke schneiden lassen.

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Zunächst hatte ich befürchtet, die neuen Götterbilder sehr billig anbieten zu müssen, um überhaupt welche verkaufen zu können. Ich hätte sogar bei den Stadtgöttern noch ein wenig draufgelegt, nur um weiter an Lambaghi verdienen zu können. Doch zu meiner großen Überraschung verkaufen sich die neuen Götterbilder von Anfang an ganz hervorragend. Ich drucke inzwischen mehr Bilder der Stadtgötter als Lambaghis und verkaufe sie dazu noch etwas teurer.« »Das ist ja toll!«, jubelte Risa. »Nun ja … ich gebe zu, die neuen Druckstöcke haben große Vorteile: Ich kann drucken, so viele ich möchte, die Drucke werden mir fast aus den Händen gerissen. Zudem sind die Käufer der Stadtgötter ehrlich. Sie klauen keine Bilder, was bei Lambaghi immer wieder ein Problem ist. Zudem sind die Drucke der Stadtgötter kleiner. Ich kann fast doppelt so viele Bilder auf ein Pergament stempeln wie bei Lambaghi. Und das Geschäft mit Lambaghi läuft dennoch ungebrochen weiter.« »Was beklagst du dich dann?« 13

»Ach, es sind die Leute, die die neuen Drucke kaufen. Meist alte, bigotte Weiber mit einem geradezu furchterregenden Mitteilungsdrang. Was sie einem nicht alles erzählen müssen. Ich finde sie schrecklich! Ich bekomme eine Gänsehaut und einen Ekelausschlag, wenn ich zu lange mit diesen götterfürchtigen Schreckschrauben in einem Raum bin. Aber besser so«, lachte ich, »als wieder nur von der Hand in den Mund leben zu müssen. Mein Laden hat sich insgesamt sehr gut entwickelt. So gut, dass ich inzwischen sogar einen Gehilfen habe!« Als Risa eine zweite der kleinen Süßweinflaschen entkorkte, kam ich zur Sache: »Wie ich dir schon kurz geschrieben habe, konnte ich dein kleines Rätsel lösen. Und womöglich war es sogar ein großer Glücksfall für mich, dass du mich auf die Suche geschickt hast.« Vor knapp zwei Wochen hatte mich Risa gebeten, diskret den Besitzer einer wertvollen Schnupftabakdose zu finden, die in einem der Zimmer liegengeblieben war. Leider war der Abend lebhaft gewesen und so kamen mehrere 14

hochgestellte Personen infrage, denen man besser jede Peinlichkeit ersparte. Es war eine Aufgabe, die Spürsinn, Geschick und Takt erforderte. Risa, der ich bisher nur eine kurze Notiz hatte zukommen lassen, wartete gespannt auf die Details meines Berichtes. »Wie hast du es angestellt? Wie hast du den wahren Besitzer gefunden?« »Ich musste schon eine Weile nachdenken, bis ich wusste, wie ich es am besten anstelle. Es wäre wohl nur wenig diskret gewesen, einen solch hochgestellten Herrn geradeheraus zu fragen, ob er seit dem letzten Schäferstündchen mit einem deiner Schäflein etwas vermisst. Doch schließlich fand ich eine Lösung. Ich beschloss, unter einem geschickten Vorwand mit den drei Kandidaten, die du mir genannt hast, möglichst unverfänglich ein Gespräch über Schnupftabak zu führen. Gespräche kann man vorsichtig steuern und man weiß ja nie, was man in einem Gespräch alles erfahren kann. Also besorgte ich mir ein hübsches Quantum des besten Schnupftabaks, den ich nur auftreiben konnte.« »Das war doch sicherlich sehr teuer!« 15