Humor und Schule: Eine Einführung in die

PDF-eBook-ISBN: 978-3-8428-3609-9 ..... der Grenze menschlichen Verhaltens (zuerst erschienen 1941) sowie Das Lächeln (zuerst erschienen 1950) von Helmuth. Plessner können an dieser Stelle als drei ausgewählte Beispiele genannt ...
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Katharina Piepenbrink

Humor und Schule Eine Einführung in die Soziologie des Humors für den Unterricht

Diplomica Verlag

Piepenbrink, Katharina: Humor und Schule: Eine Einführung in die Soziologie des Humors für den Unterricht, Hamburg, Diplomica Verlag GmbH 2015 Buch-ISBN: 978-3-8428-8609-4 PDF-eBook-ISBN: 978-3-8428-3609-9 Druck/Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2015 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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„In seinem Hirne, das so trocken ist Wie Überrest von Zwieback nach der Reise, Hat er seltsame Texte, übervoll Von Lebensweisheit, die er brockenweise Nun von sich gibt.

Oh wär ich doch ein Narr!“ Jaques gegenüber dem Herzog, in William Shakespeares Wie es euch gefällt (1623)

Inhaltsverzeichnis

1 Humor der Klasse – Eine Einführung in die Soziologie des Humors für Lehrer ..........................................1 1.1 Einleitung...................................................................................................................................................... 1 1.2 Aufbau und Fragestellungen ......................................................................................................................... 2 2 Humor als Untersuchungsgegenstand ...............................................................................................................5 2.1 Historische Perspektiven auf den Humor und das Lachen ............................................................................ 5 2.1.1 Antike ....................................................................................................................................................5 2.1.2 Mittelalter ..............................................................................................................................................6 Erster Narrenspiegel: Karneval/ Fest der Narren, Narrenvereinigungen, Hofnarrentum .............................7 2.1.3 Moderne .................................................................................................................................................9 2.2 Traditionelle Theorien des Humors ............................................................................................................ 11 2.2.1 Überlegenheitstheorien ........................................................................................................................ 11 2.2.2 Entspannungstheorien .......................................................................................................................... 13 2.2.3 Inkongruenztheorien ............................................................................................................................ 15 2.3 Verwandte Begriffe und ihr Bezug zum Humor ......................................................................................... 16 2.3.1 Humor und Komik ............................................................................................................................... 16 2.3.2 Ausgewählte Formen der Komik ......................................................................................................... 19 2.4 Lachen und Lächeln .................................................................................................................................... 27 2.4.1 Lachen ................................................................................................................................................. 27 2.4.2 Lächeln ................................................................................................................................................ 32 3 Konsequenzen für eine Soziologie des Humors .............................................................................................. 34 4 Ausgewählte Theorieelemente einer Soziologie des Humors ......................................................................... 36 4.1 Theorie der Zivilisation .............................................................................................................................. 36 4.1.1 Wirkungen der Fremd- und Selbstzwänge auf Humor und Komik ..................................................... 37 4.1.2 Zivilisierter Humor und zivilisierte Komik ......................................................................................... 39 4.1.3 Sozialisation von zivilisierter Komik und zivilisiertem Humor .......................................................... 40 4.1.4 Sozialisationskontexte und ihre Auswirkungen auf die Zivilisierung von Humor und Komik ........... 42 4.2 (Körper-)Disziplinierung und Macht .......................................................................................................... 44 4.2.1 Humor und Komik als Elemente der Sub-Justiz .................................................................................. 46 4.2.2 Humor und Komik als abweichendes Verhalten ................................................................................. 47 4.2.3 Normierende Sanktionen und Humor und Komik ............................................................................... 48 4.3 Theorie der Kunstwahrnehmung................................................................................................................. 50 4.3.1 Komikwahrnehmung als Kunstwahrnehmung ..................................................................................... 50 4.3.2 Sozialisation von Komikwahrnehmung als Kunstwahrnehmung ........................................................ 51

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4.3.3 Sozialisationskontexte und ihre Auswirkung auf Komikrezeption und –produktion .......................... 52 Zweiter Narrenspiegel: Narrentum des 21. Jahrhunderts – Sinn und Stil der modernen Narretei in den Medien .................................................................................................................................................................. 55 5 Soziologische Perspektiven und ihre Konsequenzen für den Humor in der Schule .................................... 60 6 Humor und Komik in Schule und Unterricht ................................................................................................. 62 6.1 Schule – Ernst des Lebens? ........................................................................................................................ 62 6.2 Humor und Komik der Lehrenden und Lernenden ..................................................................................... 63 6.2.1 Bedeutung und Funktion des Humors für Lehrende ............................................................................ 63 6.2.2 Humorentwicklung von Kindern und Jugendlichen ............................................................................ 66 6.2.3 Herausforderung des Kinder- und Jugendhumors für Bildung und Erziehung .................................... 69 6.3 Pädagogischer Humor im Klassenzimmer .................................................................................................. 71 6.3.1 Pädagogischer Humor und Unterrichtsqualität .................................................................................... 72 6.3.2 Pädagogischer Humor und Unterrichtsdisziplin .................................................................................. 73 6.3.3 Humor als Unterrichtsgegenstand ........................................................................................................ 74 6.4 Herausforderungen und Grenzen pädagogischen Humors .......................................................................... 76 6.4.1 Herausforderungen pädagogischen Humors ........................................................................................ 76 6.4.2 Grenzen des pädagogischen Humors ................................................................................................... 78 Dritter Narrenspiegel: Klassenclown vs. Klassennarr ...................................................................................... 80 7 Humor im Klassenzimmer - Zwischenfazit ..................................................................................................... 82 7.1 Pädagogischer Humor als erfolgreiches didaktisches Mittel ...................................................................... 82 7.2 Negativer Humor als ungeeignetes Mittel in Bildung und Erziehung ........................................................ 83 8 Zusammenfassung und Ausblick ..................................................................................................................... 84 8.1 Zusammenfassung ...................................................................................................................................... 85 8.2 Ausblick ...................................................................................................................................................... 87 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................. 90

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Humor der Klasse – Eine Einführung in die Soziologie des Humors für Lehrer

1.1 Einleitung Humor, Komik und Lachen sind alltägliche Begleiter des Menschen. Es sind soziale Phänomene, die als Elemente menschlichen beziehungsweise gesellschaftlichen Miteinanders auftreten (Bergson 2011: 14; Kuipers 2006: 365; Keith-Spiegel 1972: 21). Die Bedeutung und Relevanz eines Sinns für Humor wird meist erst dann erkennbar, wenn er jemandem (scheinbar) fehlt. Menschen wirken zu seriös, zu ernst und meist auch unsympathisch, wenn mit ihnen nicht gespaßt oder gelacht werden kann. Andererseits erscheinen auch Situationen befremdlich in denen Menschen einen Witz nacheinander erzählen, aber nur wenige Anwesende wirklich mitlachen möchten oder können. Insgesamt wirken Menschen mit Humor sozial attraktiver als jene ohne einen erkennbaren Sinn für Humor (Höfner/Schachtner 2010: 52; Kuipers 2006: 1). Doch was steckt hinter Zustimmung zum Humor der einen und Ablehnung von Humor der anderen Art? „Was haben die Grimasse eines Clowns, ein Wortspiel, eine Verwechslung in einem Schwank, eine geistvolle Lustspielszene miteinander gemein? Wie destillieren wir die immer gleichbleibende Substanz heraus, die so vielen verschiedenen Dingen entweder einen aufdringlichen Geruch oder ein zartes Aroma verleiht?“ (Bergson 2011: 13)

Hinter dem alltäglichen Humor versteckt sich offenbar ein kompliziertes Gebilde (KeithSpiegel 1972: 4), das erst deutlich wird, wenn eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Phänomen und seinen Begleiterscheinungen gewagt wird. Viele scheuen jedoch eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Humor. Es ist zu vermuten, dass die Furcht davor selber komisch zu wirken, häufig schwerer wiegt als das Interesse der Wissenschaftler (Prommer 2012: 124). Bisher haben sich überwiegend Philosophen, Psychologen sowie Kommunikations-, Sprach- und Literaturwissenschaftler an diese Thematik gewagt. Mit den Werken Good Humor. Bad Taste. von Giselinde Kuipers (2006) und Humor als Kommunikationsmedium von Jörg Räwel (2005) liegen nur zwei aktuellere soziologische Werke vor, die sich dem Humor in der Gesellschaft ausführlich widmen.1 Dennoch zeigt sich gerade bei näherer Betrachtung der philosophischen und psychologischen Ausführungen über Humor und Komik eine Vielzahl soziologisch relevanter Aspekte. Treffender wäre es, bei manchen Werken sogar davon zu sprechen, dass es sich um soziologische Analysen und Interpretationen handelt, die irrtümlich dem Bereich der Psychologie oder Philosophie zugeordnet wurden.2 Die Herausforderung ist es, diese versteckten soziologischen Elemente des Untersuchungsgegenstandes auch sozi-

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Weitere soziologische Werke, die sich mit dem Humor auseinandersetzen, sind Anton C. Zijdervelds Humor und Gesellschaft. Eine Soziologie des Humors und des Lachens (1976) sowie Peter L. Bergers Werk Erlösendes Lachen. Das Komische in der menschlichen Erfahrung (1998). 2 Das Werk Das Lachen von Henri Bergson (zuerst erschienen 1900) und Über das Lachen und Weinen. Eine Untersuchung der Grenze menschlichen Verhaltens (zuerst erschienen 1941) sowie Das Lächeln (zuerst erschienen 1950) von Helmuth Plessner können an dieser Stelle als drei ausgewählte Beispiele genannt werden.

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alwissenschaftlich greifbar zu machen.3 Die folgende Abhandlung versucht diesen gordischen Knoten zu lösen, indem sie den Humor als „Sammelbegriff eines Mixtum Compositum“ (Sindermann 2009: 16)4 entzerrt. Es wird darum gehen, verschiedenste soziale Funktionen und Wirkungen sowie objektive Erscheinungsformen von Humor und Komik zu beschreiben, die Rückschlüsse auf milieutypische Unterschiede der Humorwahrnehmung erlauben. Diese theoretischen Annahmen gilt es im Anschluss auf erfolgreiche, pädagogische Strategien in Erziehung und Bildung zu übertragen. Die folgenden Ausführungen können und sollen für die Nutzbarmachung humorvoller Potenziale in Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen sensibilisieren und nicht zuletzt Möglichkeiten aufzeigen, den Belastungen des Berufsalltags bewusst positiv(er) zu begegnen.

1.2 Aufbau und Fragestellungen Schon ein erster Blick in die umfangreiche Literatur zum Thema Humor lässt ein weites Spektrum vielfältiger Auseinandersetzungen erkennen. Die Wissenschaft bedient sich dabei diverser Zugänge, um der Beschaffenheit und Aufgabe von persönlicher Heiterkeit auf die Spur zu kommen (Prommer 2012: 110; Schindler 1986, zitiert nach Knop 2007: 45). Im Rahmen dieses Buches wird es zunächst darum gehen, den Untersuchungsgegenstand Humor vorzustellen, um eine eigene Begriffsdefinition zu konstruieren, die einer soziologischen Beschäftigung mit dem Thema hilfreich ist. Einen Überblick über die vielfältigen Verflechtungen, (historischen) Deutungen und Wertungen des Humors, der Komik sowie des Lachens gibt das zweite Kapitel. Dabei werden hinsichtlich des historischen Überblicks, wie auch in Bezug auf die konkreten Komikformen, nur ausgewählte Aspekte5 behandelt. Vor dem Hintergrund dieser exemplarischen Ausführungen soll im dritten Kapitel die Frage beantwortet werden, welche Elemente des Untersuchungsgegenstandes für eine soziologische Auseinandersetzung mit dem Thema wertvoll und nützlich sind. Die Antwort auf diese Frage wird die Konsequenzen für eine soziologische Betrachtungsweise von Humor und Komik aufzeigen und als Grundlage der theoretischen Transfers dienen. Im vierten Kapitel werden schließlich drei ausgewählte Theorieelemente vorgestellt, die Erklärungsansätze für eine Soziologie des Humors bieten. Das zuerst behandelte Theorieelement in Kapitel 4.1 beschäftigt sich mit der zunehmenden Affektkontrolle des Menschen als Folge sozialer Verflechtungen. Hierfür wird der Entwurf einer Theorie der Zivilisation aus Norbert Elias‘ Werk Über den Prozess der Zivilisation für einen Transfer auf Humor und Komik herangezogen. Innerhalb seiner Ausführungen beschreibt Elias den sozialstrukturellen Wandel sowie die ökonomischen Wandlungsprozesse innerhalb der Gesellschaft, um dessen Auswirkungen auf den zivilisationsgeschichtli3

Um dabei nicht ausschließlich auf die vier genannten soziologischen Werke zurückgreifen zu müssen, entwickelt dieses Buch überwiegend eigenständige Erklärungsansätze und versucht diese mit Hilfe der umfangreichen philosophischen, psychologischen sowie kommunikations-, sprach- und literaturwissenschaftlichen Literatur zu belegen. 4 Thorsten Sindermann wählt einleitend sehr bildhafte und treffende Worte, wenn er schreibt: „Am Anfang, da war es wüst – wüst und voll. Verschiedene Begriffe zeigten gleiche Sachen an. Gleiche Begriffe verschiedene Sachen. Ein begriffliches und phänomenales Tohuwabohu ließ die Welt des Humors erschaffen sein. Eine Welt, in der es wüst, nicht weil es leer, sondern in der es wüst, weil es voll war – an Bedeutung –, und daher doch wieder leer – an Bedeutung. Eine Welt mit vielen Möglichkeiten. Eine Welt mit vielen Wirklichkeiten. – Mit zu vielen“ (Sindermann 2009: 7). 5 Es wird diesbezüglich kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und darauf hingewiesen, dass ein anderer Zugang dementsprechend andere oder weitere Konsequenzen für eine soziologische Betrachtung hervorgebracht hätte.

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chen Prozess zu interpretieren. Der Soziologe bietet mit dieser Beschreibung eine umfassende Theorie über die menschliche Natur und die Entwicklung einer sozialen Handlungsweise (Honneth/ Joas 1980: 115f.). Das Kapitel 4.1 beschäftigt sich deshalb mit der Frage, welche Bedeutungen Humor und Komik für das menschliche Handeln haben und welchen Einfluss die gesellschaftlichen Verflechtungen auf das Er- und Ausleben von Humor und Komik nehmen. Das Interesse gilt außerdem milieutypischen6 Unterschieden, die in Hinblick auf die theoretischen Ausführungen gefolgert werden können. Da Elias seine Annahmen überwiegend historisch-anthropologisch begründet, widmet sich das Kapitel 4.2 den strukturalistisch fundierten Ausführungen Michel Foucaults, um eine weitere Perspektive auf das soziale Handeln zu zulassen (Honneth/ Joas 1980: 123f.). In diesem Rahmen werden insbesondere Foucaults Deutungen von Macht, Disziplin, abweichendem Verhalten und normierenden Sanktionen relevant sein. Es wird darum gehen, die Funktion von Humor und Komik innerhalb gesellschaftlicher Strukturen vor dem Hintergrund der vier genannten soziologischen Begriffe zu interpretieren. Für die Analyse und ihren Zusammenhang mit Humor und Komik ist insbesondere das dritte Kapitel Disziplin aus Foucaults Werk Überwachen und Strafen (1975) für den Transfer relevant.7 Dieses Kapitel setzt sich deshalb mit der Frage auseinander, ob und inwiefern Humor und Komik als abweichendes Verhalten oder aber auch als normierende Sanktionen verstanden und als Instrumente der Macht genutzt werden können. Das Kapitel 4.2 bildet innerhalb des vierten Kapitels eine Ausnahme, da es weniger auf milieutypische Merkmale von Humor und Komik eingeht. Dagegen thematisiert Foucault die Anordnung von Rängen innerhalb von Institutionen, die insbesondere für den dritten schulbezogenen Teil dieses Buches von Bedeutung sein werden. Das dritte Theorieelement in Kapitel 4.3 befasst sich mit den Annahmen Pierre Bourdieus über die Kunstwahrnehmung innerhalb der Gesellschaft. Die Ausführungen des Soziologen werden dabei auf die Wahrnehmungsformen von Humor und Komik (Produktion und Rezeption) übertragen. Speziell das fünfte Kapitel Elemente einer soziologischen Theorie der Kunstwahrnehmung seines 1970 erschienenen Werks Zur Soziologie der symbolischen Formen ist dabei von Bedeutung. Bourdieu behandelt darin den Einfluss von Sozialisation sowie kulturellem Kapital auf die bewussten und unbewussten Encodierungsfähigkeiten von Kunst. Seine Ausführungen lassen Schlüsse auf individuelle beziehungsweise milieutypische Komikwahrnehmungen zu. Das fünfte Kapitel dient einer Zusammenfassung der theoretischen Annahmen des vorangegangenen Kapitels. Des Weiteren wird in diesem Abschnitt zu überprüfen sein, welche dieser sozialwissenschaftlichen Aspekte eine besondere Bedeutung für das Er- und Ausleben von Humor und Komik im Schulalltag haben. 6

An dieser Stelle wird explizit darauf hingewiesen, dass die vorliegende Abhandlung milieutypische Differenzen ermitteln möchte. Jedoch ergeben sich in Hinblick auf die verwendeten Termini der theoretischen Grundlagenliteratur Probleme: Norbert Elias, Michel Foucault und Pierre Bourdieu verwenden innerhalb ihrer Ausführungen überwiegend den Schicht- und Klassenbegriff, weshalb auch in diesem Buch die entsprechenden Termini eingesetzt werden. Im Falle ihrer Verwendung stehen sie immer synonym für den Begriff Milieu oder entsprechende milieutypische Eigenschaften. 7 Der Transfer von Humor und Komik auf die theoretischen Annahmen Foucaults kann dem Leser in weiten Teilen plausibel erscheinen, muss aber nicht zwangsläufig als allgemeingültige Perspektive gewertet werden. Foucault wird an dieser Stelle bewusst als Denkwerkzeug genutzt und kommt damit der Aufforderung des Soziologen nach einer unabhängigen, freien – aber dennoch begründeten – Interpretation und Auslegung seiner Texte entgegen. Denn „‚Foucault‘ ist nicht nur der ausgetretene Platz einer geschwätzigen Vulgata, die mit fünf Zitaten und einer Handvoll Klischees auskommt, sondern, um eine Metapher aufzugreifen, die Foucault selbst empfohlen hat, eine große Werkstatt, in der mit Foucault und über Foucault hinaus gearbeitet wird“ (Sarasin 2005: 11).

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Im sechsten Kapitel werden die soziologischen Erklärungen auf die Kommunikation und Interaktion in der Schule und speziell dem Unterricht übertragen. Demgemäß müssen die theoretischen Annahmen des vierten Kapitels, die in Bezug auf die Mesoebene getroffen wurden, auf die Mikroebene übertragen werden. Es ist anzumerken, dass Humor in der Schule und im Unterricht mehrere Bereiche umfassen und in unterschiedlichen Kontexten gegenwärtig sein können. Zum einen kann Humor die persönliche Disposition des Lehrenden beziehungsweise des Schülers8 betreffen und ihre Einstellung zu Schule, Arbeit und Leistung beschreiben. Zum anderen sind Humor und Komik Bestandteil der Interaktion und Kommunikation im Klassenraum, die zwischen Schüler und Schüler wie auch zwischen Lehrer und Schüler stattfinden können.9 Es gilt zu überprüfen, welche Wirkungen verschiedene Sozialisationskontexte und andere Eigenschaften, wie zum Beispiel das unterschiedliche Alter von Lehrenden und Lernenden, auf den Austausch humorvoller Kommunikation im Klassenraum haben. Die Fragen, die sich dahinter verbergen lauten: Welche Herausforderungen und Chancen bieten Humor und Komik im Unterricht? Wie gelingt Humorproduktion und -rezeption zwischen Lehrenden und Lernenden trotz unterschiedlicher Verständnisebenen und Geschmäcker? Warum scheitert humorvolle Kommunikation in diesem Kontext häufig? Hierüber liegen bislang keine empirischen Studien und Untersuchungen vor, weshalb nur vage Vermutungen auf Grundlage der behandelten Theorieelemente formuliert werden können. Da wiederum eine relativ umfangreiche Literatur der Erziehungswissenschaften über Humor und Komik vorliegt, ist ferner zu überprüfen, welche soziologischen Erklärungsansätze die pädagogischen Erkenntnisse stützen können. In einem anschließenden Zwischenfazit werden die Funktion und Bedeutung pädagogischen Humors mit denen eines unzweckmäßigen Humors im Unterricht verglichen. Das vorliegende Werk schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick ab. Es wird bewusst hervorgehoben, dass es sich aufgrund fehlender empirischer Belege um eine Zusammenfassung und kein konkretes Fazit handelt. Von einem Fazit zu sprechen, erscheint vor dem Hintergrund, dass alle getroffenen Annahmen und Vermutungen von einem theoretischen Transfer herrühren, nicht sinnvoll. Dennoch – oder gerade deshalb – wird es im Ausblick darum gehen, auf potenziell anknüpfende oder erweiternde Forschungsfragen wie auch Konsequenzen für die Lehreraus- und -weiterbildung hinzuweisen. Zudem wird das vorliegende Buch von drei Narrenspiegeln10 begleitet. Der erste Narrenspiegel beschreibt Funktion und Bedeutung des Karnevals, der Narrenvereinigungen und der Institution des (Hof-)Narren im Mittelalter. Der zweite Narrenspiegel widmet sich jenen Merkmalen dieser historischen Erscheinungen, die auch in der heutigen Zeit nicht an Rele-

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Aus Gründen der Übersichtlichkeit und besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Abhandlung das generische Maskulinum genutzt; ist beispielsweise von einem Schüler/ dem Lernenden oder den Schülern/ den Lernenden die Rede, kann es sich dabei sowohl um männliche Schüler/ Lernende als auch weibliche Schülerinnen/ Lernende handeln. Ebenso verhält es sich bei den Begriffen Lehrer/ Lehrender/ Lehrende. 9 Humorvolle Kommunikation und Interaktion zwischen Lehrenden wird im Rahmen dieser Studie vollständig ausgeklammert. 10 Der Spiegel in der Hand des mittelalterlichen Narren diente ihm zunächst der Selbstbespiegelung. Sein regelmäßiges ‚Aufhübschen‘ wurde dabei als Bestandteil seiner Selbstverliebtheit und närrischen Torheit verstanden. Im 18. Jahrhundert änderte sich die Bedeutung des Narrenspiegels und er wurde zunehmend als Zeichen der Mahnung, Aufforderung und notwendigen Kritik an der Gesellschaft verstanden, indem er dieser wortwörtlich den Spiegel vorhielt. Heute tragen noch viele Zeitschriften von Narrenvereinigungen den Titel Narrenspiegel, weshalb diese Bezeichnung bewusst für thematische Einschübe und Zusatzinformationen gewählt wurde (Narrenzunft Wangen 2013).

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