Hippies in Höhlen

20.02.2016 - wenden muss, steht ein bunt bemalter VW-. Bus neben einem beschnitzten Baum- stamm. Ohne Nummernschild, aber ein. Wahrzeichen ...
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SAM ST A G, 20 . FEBRUAR 201 6

REISEN & FREIZEIT

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Hippies in Höhlen

Badefreuden am einstigen Aussteigerstrand.

Sagenhaftes Südkreta. Nach Matala entführte Zeus einst Europa. GÜNTER SPREITZHOFER

Nur ein Weg führt in die versteckte Bucht.

Ob der griechische Göttervater und seine Königstochter Blumen im Haar hatten, ist leider nicht überliefert. Es muss jedenfalls vor George Harrisons Zeit gewesen sein. Und die ist auch schon lang her, sollte dieser dort tatsächlich je an Land gespült worden sein. „Welcome to Matala, George“, ist jedenfalls an die weiße Hafenmauer gepinselt, „Today is Life. Tomorrow never comes.“ Ältere Ortsbewohner schwören Stein und Bein, dass damit der legendäre Beatle gemeint war. Bob Dylan war jedenfalls da. Joni Mitchell auch, deren Song „Carey“ 1969 in Matala entstanden sein soll. In einer Höhle. Und davon gibt’s hier genug, gleich in den mächtigen Sandsteinfelsen, die die kleine Bucht in Südkreta begrenzen. Diese Höhlen existieren seit der Jungsteinzeit. Von dort begab sich das bezaubernde Paar – Zeus und Europa nämlich – nach Gortis in der Messara-Ebene, wo unter einer immergrünen Platane Minos, der Stammvater der Minoer, gezeugt worden sein soll. Einige Zeit später war die Bucht von Matala der Haupthafen der römischen Besetzer. Und die ersten Christen begruben ihre Toten in den Höhlen der mächtigen Schollen, die aussehen wie Schweizer Hartkäse, wo sogar in den Fels gehauene Sarkophage gefunden wurden. Dazu Steinbetten, Feuerstellen und Durchlässe zu anderen Höhlen, alles wind- und wetterfest. Dass man dort gratis nächtigen kann, hatte sich

Hippie-Ikonen in Blech und Holz.

INFORMATION Informationen über Unterkünfte, Tavernen und Festivals: www.matala-kreta.eu; Matala Beach Festival: 17.–22. 6. 2016; Sea Turtle Protection Society of Greece (Meeresschildkröte Caretta caretta, Komos-Beach): www.archelon.gr.

BILDER: SN/GÜNTER SPREITZHOFER (3)

bald herumgesprochen, ganz ohne Twitterei. Und so wurde das winzige Fischerdorf in den 1960ern zuerst zum Hippie-Zentrum, dann zum Traumziel sonnenhungriger Backpacker auf Billigurlaub, die sich an Stränden und in Höhlen behaglich einrichteten und recht gern rauchten. Die ersten Tavernen öffneten, doch bald wurde rigoros durchgegriffen: Denkmalschutz, Zäune und Eintritt für die Höhlen, Übernachtungsverbot an den Stränden, denn die ersten Charterflieger waren unterwegs, und Paradiese dürfen nicht gratis sein. Basta. Aber ein wenig Kokettieren mit dem alten Image kann nicht schaden, auch wenn die Kinder der Blumenkinder von damals heute im klimatisierten Ausflugsbus anreisen. Der Weg durch Matala ist nicht zu verfehlen. Es gibt nämlich nur einen. Seit 2011 setzt man wieder auf Hippie-Revivals, obwohl fast keiner mehr da haust. Oder lassen sie sich bloß nicht blicken? Ein paar verfilzte, ausgezehrte Langbärte sitzen weit hinter den Sonnenschirmen, im Schatten der Tamarisken, einer sogar im Designer-Badehöschen – etliche in Gesellschaft von adretten Aphroditen in Blond, die übrigens keine Plastikblumen ins Haar geflochten haben, obwohl der Frisiersalon am Ortseingang sehr heftig damit wirbt. Dort, wo der Bus aus Heraklion mühsam wenden muss, steht ein bunt bemalter VWBus neben einem beschnitzten Baumstamm. Ohne Nummernschild, aber ein Wahrzeichen braucht ohnedies keinen Boxermotor mehr. LOVE ist auf die staubige Rückscheibe gesprayt, und Werbung für die Bunga-Bunga-Bar am Komos-Beach ein paar

Kilometer nordwärts. Dahinter beginnt die einzige Straße, die alljährlich zu Saisonbeginn von Straßenmalereien verschönert wird und im Labyrinth der Bars am Sunset Point endet, wo ein paar Motorräder, Tretroller und Bierkisten in Höhlen geparkt werden. Ab und zu ein geblümter VW-Käfer vor der orthodoxen Kapelle, in den Shops viel Volkskunst, Olivenholz und Bioprodukte. Und Swarovski-Steine, in Blumenform gebracht. Erst abends dann gibt es selbst gemachten Schmuck, den ein versprengtes IndienFahrer-Pärchen feilbietet und nebenbei ein wenig Flöte spielt. Tagsüber bewohnen die beiden ein Zelt am Talschluss Richtung Roter Strand. Dort draußen, vorbei an der Pension „Die zwei Brüder“ beherbergen ein paar Kastenwagen die letzten Freigeister ihrer Art, die Matala zu bieten hat. Und dabei wird es wohl noch eine Weile bleiben, denn die meisten Reifen haben schon lang so wenig Luft, dass weder Hermes noch ein Autofahrer-Schutzbrief mehr helfen könnten. Die Höhleneingänge hinter den römischen Ausgrabungen, bei der alten Hafenanlage, oben auf halber Hanghöhe, sind mit rotem Vorhang verhängt. Wohnraum auf Abruf? Ob es dort hinten je so laut wird wie in der Beach-Bar Akuna Matata zu Mitternacht, ist ungewiss: Die frühere HippieHöhlenstadt gegenüber, in den Klippen auf der anderen Seite der Bucht, ist magisch beleuchtet, wenn die DJs Gas geben. Beim Zeus, richtige Höhlenmenschen brauchen keine Happy Hour! Tomorrow comes, ob wir wollen oder nicht. Good night, George.