Healthcare 2020 - Telekom Healthcare Solutions

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Branchendossier

„Healthcare 2020“

Status quo und Herausforderungen für B2B-Dienstleister in Deutschland

Eine Publikation der Lünendonk GmbH in Zusammenarbeit mit

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Inhaltsverzeichnis Editorial................................................................................................................................................................ 5 Das Gesundheitssystem in Deutschland – Ein Überblick.................................................................................... 6 Die Leistungserbringer....................................................................................................................................... 10 Das deutsche Gesundheitssystem im Vergleich................................................................................................. 23 Systemkomplexität: Versagen der bisherigen Rezepte konventioneller Umbauten.......................................... 26 Wege zu mehr Produktivität im Gesundheitssystem.......................................................................................... 28 Kundenorientierung: Lösungstechniken für Effizienzsteigerung durch ICT..................................................... 31 Medizintechnische Lösungen für mehr Effizienz im Gesundheitssystem ........................................................ 41 Zukunft für Healthcare: Eine (fiktive) Patientenerfahrung im Jahre 2020 ....................................................... 46 Fachbeiträge und Interviews

Betreiberleistung 2020....................................................................................................................................... 51 Fähigkeiten-orientierter Strategieansatz für B2B-Dienstleistungen im Gesundheitswesen 2020 .................... 56 Informationsmanagement als strategischer Faktor der Klinikführung: Analyse-Werkzeuge – . Von der Vision zur Anwendung......................................................................................................................... 61 Vernetzung im Gesundheitswesen – Landesweite und regionale elektronische Gesundheitsakten . in Europa auf dem Vormarsch............................................................................................................................ 65 Das Gesundheitswesen 2020.............................................................................................................................. 70 Der Vernetzung gehört die Zukunft................................................................................................................... 78 Interoperabilität – Grundstein für vernetzte Medizin........................................................................................ 81 Kliniken.de und der Kampf um die Talente im Gesundheitsbereich................................................................. 84 Unternehmensprofile

Agfa HealthCare................................................................................................................................................ 88 Booz & Company.............................................................................................................................................. 89 InterSystems....................................................................................................................................................... 90 Kienbaum........................................................................................................................................................... 91 Deutsche Telekom AG ...................................................................................................................................... 92 Lünendonk......................................................................................................................................................... 93

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„‘Das Gesundheitssystem ist irre‘, so die aus langjähriger Erfahrung gespeiste Erkenntnis eines Mannes, der in verschiedensten Funktionen des deutschen Gesundheitswesens tätig war. Ein Grund für diese niederschmetternde psychopathologische Diagnose liegt in der komplexen und unüber­sichtlichen Gemengelage unterschiedlichster Interessen und den mannig­fachen Entfaltungsmöglichkeiten, die ihnen das deutsche Gesundheitssystem bietet. Es geht um Macht, Einkommen, Gewinne und manchmal um das Wohlergehen der Patientinnen und Patienten“. Expertise im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, 2011

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Editorial

Thomas Lünendonk, Inhaber Lünendonk GmbH Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserin, lieber Leser, Gesundheit! Dieser sehr breit zu interpretierende Begriff steht als zentraler Wunsch im Mittelpunkt eines jeden Menschen – ebenso für sich selbst wie für andere. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, darüber zu philosophieren, ob sich Gesundheit nun über subjektives Wohlfühlen oder objektiv messbare medizinische Diagnosewerte definiert. Fest steht: Das individuelle mentale und physische Wohlbefinden eines Menschen entscheidet über seine Lebenszufriedenheit und seine Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft. Somit ist Gesundheit nicht nur ein wichtiges persönliches, sondern auch ein gesellschaftliches und ökonomisches Zentralthema. Für die Gesundheit engagieren sich die unterschiedlichsten Anbieter von Produkten und Services – vom Physiotherapeuten über den Hausarzt bis zum Facharzt, von Kliniken über die Kassenärztlichen Vereinigungen bis zu den Krankenkassen, von Pharma- bis zu Medizintechnik-Unternehmen, um nur einige zu nennen. Es darf unterstellt werden, dass alle Anbietergruppen das Wohl der Patienten im Blick haben; gleichwohl gibt es unterschiedliche Interessenlagen, Zielsetzungen und Schwerpunkte, die nicht immer oder nicht vollständig miteinander harmonieren. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass in alternden Gesellschaften die ohnehin hohen Kosten für die Gesundheit dramatisch steigen und Konflikte über die Verteilung von Ressourcen und Finanzen nahezu unvermeidbar erscheinen. Zudem stehen die einzelnen Spieler im Gesundheitsmarkt jeweils unter dem Druck, erfolg-

reich wirtschaften zu müssen, so dass sich Gesundheit und Ökonomie schlichtweg nicht trennen lassen. Hinzu kommt, dass es nachvollziehbare Widerstände gibt, die sich nur langsam auflösen lassen – beispielsweise wenn es um die sinnvolle Registrierung von Patientendaten bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Datenschutz und Privatsphäre geht. Wo der Druck der Fakten aber am höchsten ist, da zeigt sich in der Regel auch die höchste Kreativität bei der Entwicklung von Lösungen. Dieses Branchendossier möchte sich darum bewusst als Kontrapunkt gegen das allgemeine Murren über das „Gesundheitswesen“ positionieren. Es möchte zeigen, dass „Healthcare“ heute und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer besser und wirksamer funktionieren kann und muss – und dass diese Entwicklung sich durchaus finanzieren lässt. Wir freuen uns, Ihnen in diesem Branchendossier aufzeigen zu können, welche klugen Konzepte führende Beratungshäuser für das Thema Gesundheit entwickeln und welche neuen und bewährten Informationstechnik-, Software- und Service-Lösungen bereits heute und in Zukunft für mehr, bessere und bezahlbare Healthcare-Qualität zur Verfügung stehen. Der Erfolg künftiger Gesundheitskonzepte ist abhängig von der Veränderungsbereitschaft und Kreativität von Menschen, vom Willen aller Beteiligten, echte marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, vom Mut, an bestehenden Strukturen Veränderungen vorzunehmen, und von der Aufgeschlossenheit für die Vorteile, die neue technologische Konzepte bieten. Ich wünsche Ihnen eine anregende und nützliche Lektüre. Ihr

Thomas Lünendonk Inhaber Lünendonk GmbH

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Das Gesundheitssystem in Deutschland – Ein Überblick

Finanzierungsreformen im deutschen Gesundheitssystem von 1977 bis 2011 1998 Fahrtkostenerhöhung 1997 GKV-Neuordnungsgesetze 1996 Beitragsentlastungsgesetz 1983 Haushaltsbegleitgesetz 1982 Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz 1977 Erstes Kosten­ dämpfungsgesetz

1970

1994 Zuzahlung nach Packungsgröße

1999 Solidaritätsstärkungsgesetz

2000-2002 ArzneimittelausgabenBegrenzungsgesetz

1993 Gesundheitsstrukturgesetz, „Lahnstein-Kompromiss“

2004 Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung

1989 Gesundheitsreformgesetz

1980

1990

2007 Wahltarife, Aufnahmemodalitäten

2000

2008 Chronisch Kranke 2009 Gesundheitsreform 2011 GKV-FinG

2010

Abbildung 1: Finanzierungsreformen im deutschen Gesundheitssystem (Überblick) Quelle: Lünendonk GmbH

Fast 70 Millionen Menschen in Deutschland sind Vollmitglied oder mitversichertes Familienmitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse und weitere 9 Millionen sind Mitglieder in einer privaten Kranken­ ver­sicherung. Der Schritt vom Beitragszahler oder Versicherten zum Patienten ist dabei klein. 2009 war zu einem bestimmten Stichtag jeder Siebte in Deutschland krank oder unfallverletzt. Und ab einem Alter ab 15 gilt: In jeder Altersgruppe im Abstand von fünf Jahren nimmt der Anteil der Kranken und Verletzten zu, bis zu fast 30 Prozent in der Altersgruppe der über 75-Jährigen.

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Daher ist es kein Wunder, dass die Akteure des Gesundheitssystems jede Menge zu tun haben. Kein Wunder ist auch, dass für alle anstehenden Aufgaben nur äußerst knappe Mittel bereitstehen – und dass die Kosten des Gesundheitssystems seit Jahren mehr oder weniger ungebremst ansteigen. Die Ursachen, demografische Entwicklung und Bevölkerungsalterung, technischer Fortschritt sowie Anspruchsver­ halten, sind bekannt. REFORMANSÄTZE

Das deutsche Gesundheitssystem befindet sich seit Jahr­zehnten in einem kontinuierlichen Reformprozess..

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Die wichtigsten Reformen sind in Abbildung 1 (Seite 6) doku­mentiert. Die Reformen, die aktuell umgesetzt werden, decken. eine breite Palette von dirigistischen Eingriffen, mehr oder weniger erfolgreichen Anreizsystemen, Zwangszuordnungen von Verantwortlichkeiten (Budgets für Ärzte) und auch kleinere und größere Beitragser­ höhungen sowie Veränderungen der Bemessungsgrenzen ab. Die Reformüberlegungen erreichen auch grundle­ gende Systemfragen des Gesundheitssystems: • Gesundheitsprämie: Sollen alle gesetzlich Ver­ sicherten einen Pauschalbeitrag pro Kopf für ihre Gesundheitsversicherung bezahlen, flankiert von entsprechenden sozialen Mechanismen, aber. unter Beibehaltung einer privaten Krankenversicherungsmöglichkeit? • Bürgerversicherung: Sollen alle Bürger auf der Grundlage aller ihrer Einkommensarten mit entsprechenden flankierenden Maßnahmen zur Finan­ zierung des Gesundheitssystems herangezogen werden und damit die private Krankenvollversicherung de facto abgeschafft werden?

Ansätze, die Einnahmen und Kosten des Gesundheitssystems auszutarieren, sind aufgrund der beängstigenden Entwicklung bitter nötig. Notwendig ist aber auch eine Steigerung der Effi­ zienz des Gesamtsystems, indem die zur Verfügung stehenden Mittel besser eingesetzt werden. Treiben auf der einen Seite der technische Fortschritt und seine Kosten den Aufwand des Gesamtsystems Gesundheit in die Höhe, so bietet er auf der anderen Seite durch Einsatz modernster Technologie und. effektiver Datentechnologie Chancen. Um die Ansätze besser zu verstehen, ist ein streiflichtartiger Überblick über die Akteure des Gesundheitssystems notwendig. Wir haben es mit einer Vielzahl von Leistungserbringern zu tun und mit einem komplexen Geflecht von Kostenträgern. Ergänzt wird das Ganze noch durch komplexe Ver­ teilungs- und Umverteilungsmaßnahmen des Staates, wobei Aspekte der Gesundheitsversorgung mit Maßnahmen der Einkommensumverteilung vermischt sind.

Gesundheitsausgaben 2010 in Mrd. Euro 1,6 Ausbildung 3,4 Forschung 5,0 Transporte 6,5 Zahnersatz 10,0 Investitionen im Gesundheitswesen 10,4 Prävention/Gesundheitsschutz 12,1 Sonstiger medizinischer Bedarf

Ärztliche Leistungen 78,9

14,2 Hilfsmittel 15,1 Verwaltungsleistungen 18,3 Ausgleich krankheitsbedingter Folgen 20,2 Unterkunft und Verpflegung

46,3 Arzneimittel

Pflegerische und 68,6 therapeutische Leistungen Einkommensleistungen 67,8

Abbildung 2: Gesundheitsausgaben Deutschland 2010 in Milliarden Euro Quelle: StaBA, aus Daten des Gesundheitswesens 2012, BMG

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Das Gesundheitssystem im sozial-markt-wirtschaftlich organisierten Wirtschaftsbetrieb Deutschlands zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus. Es regelt nicht nur die Verteilung von Geldleistungen wie auch andere Sozialversicherungsbereiche, sondern organisiert auch medizinische Dienstleistungen nach dem Sachleistungsprinzip. Der Patient weist sich durch seine Versichertenkarte als Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse aus und erhält dafür die Leistungen. Insgesamt lässt sich Deutschland sein Gesundheitssystem etwa 287 Milliarden Euro im Jahr kosten (2010). Das Gesundheitssystem besteht aus einem Nebeneinander von privatwirtschaftlichen Leistungen (Private Krankenversicherung/Privatversicherte/Selbstzahler) und Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen (Gesetzlich Versicherte, GKV, Vertragsärzte), wobei der GKV-Teil dominiert (70 Millionen GKV-Versicherte; 9 Millionen PrivatVollversicherte). Die gesetzlichen Krankenversicherungen werden dabei nicht allein staatlich geregelt, sondern von. einem Geflecht aus Institutionen (Bundesministerium für Gesundheit, Bundesversicherungsamt, Landesministerien, Legislative und Gesetzgebung der Sozialgesetzbücher) und der so genannten Selbstverwaltung. Der Staat delegiert hoheitliche Aufgaben an die Selbstverwaltung zur eigenverantwortlichen Administration bestimmter öffentlicher Angelegenheiten durch öffentlich-rechtliche Organisationseinheiten unter Rechtsaufsicht des Staates. Zum System der Selbstverwaltung gehört der „Gemeinsame Bundesausschuss“ als höchstes Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung mit dreizehn stimmberechtigten Mitgliedern. Er ist gesetzlich beauftragt, in vielen Bereichen über den Leistungsanspruch der Solidargemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten rechtsverbindlich zu entschei-

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den. Systembestimmend ist auch, dass Wissen und Information im Gesundheitswesen eine überragende Bedeutung besitzen, aber asymmetrisch zwischen Pa­tienten und Leistungserbringern verteilt sind. Der Arzt hat einen entscheidenden Informations- und Wissensvorsprung vor seinen „Patienten-Kunden“. Weder im GKV-finanzierten Gesundheitsmarkt noch als Privatversicherte kaufen diese „Patienten-Kunden“ daher medizinische Leistungen einfach wie eine normale Dienstleistung ein; in der Regel kennen sie den Gegenwert nicht, genauso wenig, wie ihnen die Beträge und deren Herleitung transparent gemacht werden. Zudem differenzieren sich die Rollen von Leistungsempfängern und Leistungszahlern immer weiter auseinander (Abbildung 2, Seite 7). Zwischen seinen im Vorfeld geleisteten Beiträgen und den im Krankheitsfall empfangenen ärztlichen Leistungen sieht der Beitragszahler nur einen losen Zusammenhang: • Die Wahrnehmung ist, dass in erster Linie das Kollektiv der Beitragszahler die Kosten trägt. • Die Einstellung ist, dass durch die geleisteten Beiträge zur Krankenversicherung ein umfassender Anspruch auf Heilbehandlung besteht. • Die Kontrolle der Kosten medizinischer Leistungen fällt dem Patienten aus mehreren Gründen schwer. Die dominierenden Blöcke in den Gesundheitsaus­ gaben sind die ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Leistungen und die Arzneimittel. Aber auch die Einkommensleistungen, wie etwa Krankengeld, tragen mit einem knappen Fünftel der Gesamtausgaben hierzu wesentlich bei. Die Leistungen im Gesundheitssektor werden von einer Vielzahl von Institutionen und Berufsgruppen erbracht. Rund 67.808 Zahnärzte und 342.063 berufstätige Ärzte, davon 153.895 von den kassenärztlichen Vereinigungen zugelassenen Ärzte, verschreiben. allein im GKV-Arzneimittelmarkt pro Jahr 626 Mil-

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lionen Verordnungen im Wert von insgesamt 28,2 Milliarden Euro. Diese werden von 21.238 Apotheken an die Patienten übergeben. An der Bereitstellung der Medikamente beteiligen sich aus dem Inland etwa 880 pharmazeutische und etwa 900 biotechnologische Unternehmen. Es existieren in Deutschland etwa 2.100 Kranken­ häuser mit 503.000 Betten und etwa 1.240 Vorsorgeund Reha-Einrichtungen mit 171.500 Betten. Flankiert wird dies durch 32.000 Heilpraktiker, 202.000 Masseure, 827.000 Krankenschwestern und -pfleger sowie 484.000 sonstige therapeutisch und medi­ zinisch beratende Berufe nebst 465.000 medizinischen Fachangestellten.

Insgesamt sind im Gesundheitswesen über 4,7 Millionen Beschäftigte tätig, was einem Anteil von 11,8 Prozent aller Erwerbstätigen entspricht. Mit 4,7 Millionen Beschäftigten deklassiert das Gesundheitssystem hinsichtlich der Personalanzahl sogar die Vorzeige­ branchen Automobilindustrie mit 0,72 Millionen und den Maschinenbau mit 0,95 Millionen Beschäftigten. Dieser gigantische Apparat von medizinischen und medizinnahen Dienstleistern und Lieferanten wird über die Kostenträger finanziert, deren Mittel sich zum Großteil aus den Beiträgen der gesetzlich und privat Versicherten speisen. Die wichtigsten Kostenträger sind die gesetzlichen Krankenkassen und die privaten Krankenversicherungen.

Leistungserbringer und Kostenträger im Gesundheitssektor (illustrativ) Leistungserbringer

Intermediäre

Kostenträger

▪▪ Kliniken/Krankenhäuser

▪▪ 15 regionale Privatärztliche Verrechnungsstellen mit mehr als 38.000 Mitgliedern (niedergelassene Ärzte und Zahnärzte sowie leitende Krankenhausärzte)

▪▪ Gesetzliche Krankenkassen

▪▪ Medizinische Versorgungszentren ▪▪ Arztpraxen ▪▪ Radiologische Praxen ▪▪ Apotheken ▪▪ Labore

▪▪ Kassenärztliche Vereinigung ▪▪ Kassenzahnärztliche Vereinigung

▪▪ Telemedizin-Dienstleister ▪▪ Sonstige Heilberufe ▪▪ Heil- und Hilfsmittellieferanten ▪▪ Pharmazeutische Industrie ▪▪ Reha ▪▪ Medizintechnik

▪▪ Private Kranken- und Pflegeversicherungen ▪▪ Öffentliche Haushalte ▪▪ Soziale Pflegeversicherungen ▪▪ Gesetzliche Renten- und Unfallversicherung ▪▪ Private Unfallversicherung ▪▪ Arbeitgeber ▪▪ Versicherte ▪▪ Private ▪▪ Beihilfe

▪▪ Pflegeheime/-dienste

Abbildung 3: Leistungserbringer und Kostenträger im Gesundheitssektor Quelle: Lünendonk GmbH

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Die Leistungserbringer ÄRZTE DER AMBULANTEN VERSORGUNG

• die Vertretung der Ärzte in den Verhandlungen

mit den Krankenkassen über die Honorarver­ träge – womit das Duopol zwischen Kassenärz­t­ licher Bundesvereinigung und Spitzenverband der. Krankenkassen lange Zeit festgeschrieben war.

Ärzte und Versorgungsauftrag

In Deutschland gibt es etwa 340.000 berufstätige Ärzte in unterschiedlichen Bereichen. Über 40 Prozent von ihnen sind im ambulanten Bereich tätig (Abbildung 4). Für Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenkassen ist die Mitgliedschaft in einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) obligatorisch und sie sind an die Verträge und Beschlüsse ihrer KV und der Kassen­ärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gebunden. Die wesentlichen Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen sind: • die Sicherstellung der ambulanten Versorgung der gesetzlich Versicherten im jeweiligen KV-Gebiet (Sicherstellungsauftrag) • die Überwachung der Pflichten der Vertragsärzte • die Verteilung der Honorare unter den Ärzten

Allerdings dürfen die Krankenkassen in jüngerer Zeit auf immer mehr Versorgungsgebieten Verträge mit einzelnen Ärzten oder Arztgemeinschaften schließen (Selektivverträge) und sind nicht mehr ausschließlich auf eine Einigung mit den Krankenversicherungen angewiesen. So verpflichtet das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (2007) alle Kassen dazu, ihren Versicherten. beitragsgünstigere Hausarztmodelle anzubieten. (§ 37b SGB V), bei denen zuerst ein Hausarzt aufzusuchen ist, der sie, falls erforderlich, an Fachärzte überweist.

Struktur der Ärzteschaft in Deutschland 2011 (in Tausend)

449,4 Gesamt­anzahl Ärzte 107,3 Ohne ärztliche Tätigkeit

342,1 Berufstätige Ärzte

9,6 Behörden / Körperschaften

19,8 Andere Bereiche

142,9 Ambulanter Bereich

169,8 Stationärer Bereich

121,7 Vertragsärzte

2,4 Privatärzte

18,8 Angestellte Ärzte

56,7 Hausärzte

65,0 Fachärzte

Abbildung 4: Struktur der Ärzteschaft in Deutschland 2011 (in Tausend) Quelle: Bundesärztekammer, Ärztestatistik 2011

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Entwicklung der Anzahl der Ärzte in Deutschland

Seit 1991 hat die Anzahl der Ärzte in Deutschland von 244.000 um fast 98.000 auf mehr als 342.000 zugenommen, von denen jeder seinen Anteil an den Gesundheitsbudgets beansprucht. Hinzu kommen noch etwa 68.000 Zahnärzte. Neben einer quantitativen und qualitativen Ausweitung der medizinischen Leistungen trägt auch eine seit 20 Jahren im Durchschnitt um 1,6 Prozent pro Jahr zunehmende Anzahl von Ärzten zur Steigerung der. Gesundheitsausgaben bei. Insbesondere der letzte Punkt ist für 2010 in einer aktuellen Untersuchung des Bundesversicherungsamtes bestätigt worden: je mehr Ärzte (Krankenhäuser) in. einem Gebiet ihre Leistungen anbieten, desto höher liegen die Gesundheitsausgaben der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung.

tragsarzt besteht kein schuldrechtliches Vertragsverhältnis, sondern „lediglich“ ein Behandlungsanspruch des Patienten aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung sowie eine Behandlungspflicht des Arztes infolge seiner Mitgliedschaft in der kassenärztlichen Vereinigung. Die Arzthonorare eines Jahres werden in der Summe im Voraus von der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), als Vertretung der Ärzteschaft, und dem Spitzenverband der Krankenkassen als Repräsentant der Kostenträger ausgehandelt. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren die Höhe der Gesamtvergütung in einem Kollektivvertrag. Jede Krankenkasse zahlt an die kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen für die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung als Ausgabenobergrenze.

HONORIERUNG DER VERTRAGSÄRZTLICHEN VERSORGUNG

Die Bezahlung der Ärzte in Deutschland ist, soweit sie die gesetzliche Krankenversicherung betrifft, wie so vieles andere im Gesundheitssektor bestenfalls als komplex zu bezeichnen. Zwischen Patient und Ver-

Ihre Verteilung an die Vertragsärzte erfolgt durch die KV gemäß eines festgelegten Honorarverteilungsmaßstabs. Unabhängig hiervon sind die Einkünfte der Ärzte aus privatärztlichen und IGeL Leistungen (Individuelle Gesundheitsleistungen).

Berufstätige Ärzte und Zahnärzte in Deutschland 400.000

Ärzte +97.825

350.000 300.000 250.000 200.000 150.000

Zahnärzte +12.836

100.000 50.000

20 11

19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08 20 09 20 10

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Abbildung 5: Berufstätige Ärzte und Zahnärzte in Deutschland Quelle: BÄK, BZÄK, aus Daten des Gesundheitswesens 2012, BMG

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Entwicklung des ärztlichen Honorars (Angaben in Mrd. Euro) 35

33,3

33

30,8

31 29

32,0

28,8 27,4

27 25

2007

2008

2009

2010

2011

Abbildung 6: Entwicklung der Arzthonorare in der GKV Quelle: GKV-Spitzenverband

Dies führt dazu, dass 2011 zum Beispiel die Kassen rund 33 Milliarden Euro an die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland überwiesen haben, die diese Mittel ihrerseits wiederum auf die einzelnen Gruppen der Allgemein- und Fachärzte sowie Psychotherapeuten aufteilen. Da alle Vertragsärzte von den über die gesetzlichen Kranken­versicherungen verteilten GKV-Leistungen abhängen, ist hier bereits der Beginn eines Verteilungskampfes zwischen Haus- und Fachärzten und verschiedenen Facharztgruppen im Gang. Fakt ist, dass sich die Honorare sehr unterschiedlich auf die Arztgruppen der Vertragsärzteschaft der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen. Selbstverständlich unterscheiden sich die Beurteilungen der Entwicklung der Arzthonorare grundsätzlich je nach Position – den kassenärztlichen Vereinigungen und Ärzten auf der einen und den Krankenkassen und deren Verbänden auf der anderen Seite. So legen die Krankenkassen auch Studien vor, nach denen die Einnahmen der Mediziner unverhältnismäßig stark gestiegen seien (Abbildung 6). Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kontert mit dem Verweis auf steigende Betriebs- und.

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Behandlungskosten und fordert eine Erhöhung der. Honorare. Da nicht alle Ärzte zu gleichen Teilen von den angeblich steigenden Einkommen zu profitieren scheinen, ist ein Trend zu Gemeinschaftspraxen und Medizinischen Versorgungszentren und Gesundheitsnetzwerken zu verzeichnen, um nicht zuletzt teure Medizintechnik rentabel nutzen zu können. Wirtschaftliche Zwänge ändern die Arztorganisation in Deutschland: Medizinische Versorgungszentren (MVZ)

Medizinische Versorgungszentren (MVZ) tragen zu. einer besseren Verzahnung des ambulanten und des stationären Bereiches bei. Dazu gehört etwa die Einrichtung von Arztstationen in unterversorgten Regionen, welche tageweise mit Ärzten verschiedener Fachrichtungen besetzt werden könnten. Des Weiteren bieten sich Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten, die Bildung. gemeinsamer MVZ sowie die Reorganisation des. Bereitschaftsdienstes an. Im Durchschnitt arbeiten in einem Medizinischen Versorgungszentrum etwa fünf Ärzte. In Deutschland gibt es rund 1.700 MVZ, knapp die Hälfte werden von

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Anzahl Krankenhäuser 2001-2010 2.300 2.250 2.200 2.150 2.100 2.050 2.000 1.950

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

Abbildung 7: Entwicklung der Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland Quelle: Deutsche Krankenhausgesellschaft, Krankenhausstatistik 2011

Vertragsärzten betrieben. Damit ist die Gesamtzahl der MVZ seit 2006 um etwa 1.000 gestiegen.

wesen. In vielen Regionen ist das Krankenhaus der größte Arbeitgeber.

Unterversorgung ist in Zukunft möglich:

Die Krankenhauskosten sind allerdings auch einer der großen Budgetposten der Gesetzlichen Krankenversicherung. Krankenhäuser sind Mitglieder in einer der 16 Landeskrankenhausgesellschaften, den Vertragspartnern der Krankenkassen auf Landesebene. Landeskrankenhausgesellschaften und Spitzenverbände der Träger werden auf Bundesebene durch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) vertreten. Diese ist neben dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die dritte Partei im „Gemeinsamen Bundesausschuss“ und schließt dort mit den Krankenkassen verbindliche Rahmenverträge ab.

Landversorgung und Ärztealterung

Dennoch ist bereits heute der Versorgungsauftrag der Vertragsärzte in ländlichen Gebieten infrage gestellt. Zu wenige junge Ärzte sind bereit, dort zu prakti­ zieren, obschon in dem Zuweisungsmodell der Praxis­ sitze bereits über finanzielle Anreize für Landärzte nachgedacht wird. Zudem altert die Ärzteschaft genauso wie die Gesamtbevölkerung. Schon allein die Zahlen für den ambulanten Bereich sind alarmierend: 2011 bis 2015 werden altersbedingt 24.000 Vertragsärzte aus dem Beruf ausscheiden, bis 2020 werden es 48.500 sein. In den Krankenhäusern und in den Pflegeberufen zeigt sich eine ähnliche Situation. Der aktuell vorhandene Nachwuchs kann diese Entwicklung nicht kompensieren. KRANKENHÄUSER Organisation Krankenhaussektor

2.064 Krankenhäuser in Deutschland versorgten 2010 über 18 Millionen stationäre Patienten und 18 Millionen ambulante Behandlungsfälle. Mit rund 70 Milliarden Euro Umsatz sind die deutschen Krankenhäuser ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im Gesundheits­

Die Bundesländer haben einen Sicherstellungsauftrag für den stationären Bereich, stellen dazu Krankenhauspläne auf und finanzieren die Investitionskosten der Kliniken, die im Landeskrankenhausplan aufgenommen sind. Da Krankenhäuser zumindest in ländlichen Gebieten einen erheblichen Wirtschaftsfaktor darstellen, sowohl für die dort Angestellten, die Führungsund Aufsichtskräfte als auch für Zulieferer, vermengen sich hier Bedarfsplanung und andere wirtschaftliche und politische Einflussfaktoren.

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Die laufenden Kosten des Betriebes finanzieren die Kliniken über Fallpauschalen (DRGs), die Festbeträge für bestimmte Krankheiten vorsehen und die Vergleichbarkeit der Krankenhausleistungen untereinander erhöhen. Damit schaffen sie die Voraussetzung für einen stärkeren Wettbewerb zwischen den einzelnen Kliniken. Diese Finanzierung der Krankenhäuser wird ergänzt von Zuzahlungen der Kunden/Patienten. Entwicklung des Krankenhaussektors

Aufgrund der wirtschaftlichen Probleme nimmt die Anzahl der Krankenhäuser seit Jahren ab. Fast 350 Kliniken verschwanden seit 1991 durch Aufgabe, Fusion oder Übernahme vom Markt (-14%). Noch stärker ging die Anzahl der Krankenhausbetten zurück (-25%). Dabei bleibt deren Auslastung in den letzten Jahren mit etwas über 75 Prozent konstant. Struktur- und Kostenprobleme der Krankenhäuser

Ineffiziente, veraltete Strukturen belasten viele Krankenhäuser. Nahezu jedes Dritte ist nicht mehr in der Lage, dringend notwendige Investitionen für Modernisierungsmaßnahmen oder die Anschaffung moderner Medizintechnik durchzuführen. Nach Prognosen des Krankenhausreports 2011 des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) werden bis 2020 rund 10 Prozent der existierenden Kliniken schließen müssen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Ein Achtel aller Krankenhäuser in Deutschland gilt mittlerweile als insolvenzgefährdet, insbesondere kommunale Einrichtungen. Und auch in Zukunft können sie von den öffentlichen Kassen nicht viel Hilfe erwarten. Nach den Erfahrungen der Commerzbank sind im Klinikbereich vor allem Vollversorger mit 800 bis 1.000 Betten und spezialisierte Kliniken mit etwa 300 Betten überlebensfähig. Entscheidend seien die Schaffung einer industriellen Ablauforganisation und das Know-how des Managements. Ansonsten sei der Klinikbereich „die letzte Insel der Zentralverwaltungswirtschaft“.

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Immer mehr Kliniken in Deutschland werden von privaten Eignern betrieben – und zwar nach einer Übergangsphase in der Regel mit schwarzen Zahlen. Erste Konsolidierungsaktionen in Form von Übernahmen und Fusionen zeigten sich bereits – vor allem mit dem Ziel, die Effizienz der Versorgung zu verbessern. In den kommenden Jahren ist mit einer weiteren Konsolidierung des Klinikmarktes zu rechnen, insbesondere die privaten Kliniken setzen auf Zukäufe, um zu expandieren. Auch deshalb schreitet die Privatisierung im Gesundheitswesen in Deutschland voran. Heute haben schon mehr als 30 Prozent der rund 2.000 Krankenhäuser einen privaten Träger. Einer der Vorteile der Privaten besteht darin, dass sie leichter Netzwerke aufbauen können, um eine nahtlose Versorgung der Patienten sicherzustellen und ihre Kosten durch die Nutzung von Skaleneffekten zu senken. Krankenhäuser privater Träger sind außerdem bei ihren Investitionen autonomer und haben einen besseren Zugang zum Kapitalmarkt. Die Untersuchungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigen, dass das oft geäußerte Vorurteil der Unvereinbarkeit von Gewinnstreben und guter Versorgungsqualität nicht zutrifft: Profitable Krankenhäuser schnitten in der Unter­ suchung sowohl bei der Qualität als auch bei der Pa­ tientenzufriedenheit besser ab. Ausblick für den Krankenhaussektor

Die steigenden Kosten und der immerwährende Kampf um die Mittel für die Gesundheitspflege in Deutschland resultieren in einem hohen Kostendruck für die Kliniken. Ein Kostenproblem der Krankenhäuser liegt heute darin, dass immer komplexere Behandlungen erfolgen und vermehrt chronische Krankheiten auftreten; Dazu müssen die Kliniken gutes Personal und eine ausgezeichnete Infrastruktur bereitstellen. Diese Entwicklung wird sich in Zukunft noch verschärfen.

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Krankenhausfälle (in Mio.) 19,5

19,3

19,0

18,8

18,5 18,0

17,9

17,5 17,0

2009

2020

2030

Abb. 8: Projektion Krankenhausfälle in Millionen 2020 und 2030 Quelle: Lünendonk GmbH

Zudem erfolgte in den vergangenen Jahren im Lichte des Fachkräftemangels eine vorsichtige Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung – begleitet vom Protest vieler niedergelassener Fachärzte, die dadurch neue Konkurrenz bekamen. Die Anzahl der Krankenhausfälle wird langfristig weiter zunehmen und über die Fallpauschalen zum einen die Kosten in diesem Sektor steigen lassen und zum anderen die Kliniken durch dieses Festbetragssystem weiter unter Effizienzdruck setzen. VORSORGE UND REHABILITATION

In Deutschland gibt es circa 1.240 stationäre Vorsorge- oder Reha-Einrichtungen. Diese Einrichtungen werden in den nächsten Jahren eine steigende Anzahl von stationären Fällen aufnehmen, wie das RheinischWestfälische Institut für Wirtschafts­forschung prognostiziert. Die Zunahme von chronischen Krankheiten und von Zivilisationskrankheiten sowie die Erhöhung des Renteneintrittsalters und der Fachkräftemangel steigern die Bedeutung von Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen. Im Durchschnitt ist jeder der 36 Millionen Arbeitnehmer im Deutschland jedes Jahr knapp 13 Tage arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit resultiert in Produktionsausfällen von 43 Milliarden Euro und einem volkswirtschaftlichen Verlust an Bruttowertschöpfung von 75 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Prognos AG ermittelte 2009 in ihrer Rehabilita­ tionsstudie, dass für jeden in die medizinische Rehabilitation investierten Euro die Volkswirtschaft fünf Euro zurückgewinnt; der kalkulierte Netto-Nutzen wird sich bis 2025 sogar auf 23 Milliarden Euro vervierfachen. Die gesamtwirtschaftlichen Effekte. der medizinischen Rehabilitation auf das Brutto­ inlandsprodukt (BIP) und die Haushalte der Sozial­ versicherung beruhen auf der Vermeidung von Arbeitsunfähigkeitstagen sowie den gewonnenen Berufstätigkeitsjahren innerhalb der ersten zwei Jahre nach der medizinischen Rehabilitation. PFLEGE UND PFLEGEVERSICHERUNG

Über 700.000 Personen bezogen im Jahr 2010 im stationären Bereich Leistungen in einer der drei. Pflegestufen; ambulant und stationär zusammen­ genommen gab es 2,3 Millionen Leistungsempfänger in der sozialen Pflegeversicherung, womit aber noch längst nicht alle Pflegefälle erfasst sind. Bestes Beispiel dafür ist die Demenz, die außerhalb der Pflegestufe 0 liegt. Die doppelte Alterung in Deutschland durch die Abnahme der Geburtenrate und den Anstieg der Lebenserwartung führt in den nächsten Jahrzehnten zu. einem steigenden Durchschnittsalter der Bevölke-

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Pflegebedürftige (in Mio.) 5

4,5

4 3

2,2

2,6

2,9

3,4

2 1 0

2007

2015

2020

2030

2050

Abbildung 9: Projektion Anzahl Pflegebedürftigte bis 2050 Quelle: Lünendonk GmbH

rung. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit steigt ab. einem Lebensalter von 70 Jahren stark an.

Anzahl von Verordnungen als auch durch die zunehmenden Kosten je Verordnung begründet ist.

Projektionen des Statistischen Bundesamtes zeigen daher für die langfristige Zukunft eine steigende Zahl von Pflegebedürftigen (Abbildung 9). Die zunehmende Zahl alter Menschen wird in einer steigenden Zahl von Pflegebedürftigen resultieren: 4,5 Millionen sollen es im Jahr 2050 sein. Dies erfordert einen Ausbau der Pflegeheimkapazitäten und der Anzahl der Beschäftigten bei Pflegediensten und in Pflegeheimen.

Die gesetzlichen Krankenkassen haben im ersten Halbjahr 2012 für Arzneimittel und Diagnostika (ohne Impfstoffe) 14,6 Milliarden Euro ausgegeben. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind das 2,7 Prozent oder 388 Millionen Euro mehr, wie das Marktforschungsunternehmen IMS Health mitteilt.

Aber da immer weniger jungen Menschen immer mehr Senioren gegenüberstehen, wird die Deckung dieses Bedarfes allein schon aus demografischer Sicht nicht einfach werden. ARZNEIMITTELKOSTEN

Einer der vier großen Blöcke der Kosten des Gesundheitssystems sind die Ausgaben für Arzneimittel. Viele Experten glauben, dass im Arzneimittelbereich noch große Effizienzreserven für Kostensenkungen im Gesundheitsbereich liegen. Angaben des Bundesgesundheitsministeriums zeigen einen langfristig aufwärts führenden Trend im GKVArzneimittelmarkt, der sowohl durch eine steigende

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IMS Health zufolge ist der Ausgabenanstieg mit dadurch bedingt, dass die Ärztinnen und Ärzte größere Packungen rezeptpflichtiger Medikamente verordnet haben. Mit vielfältigen dirigistischen Mitteln wird im Gesundheitssystem versucht, den Anstieg der Arzneimittelausgaben zu bremsen. Hierzu gehören zum Beispiel: • Bei den Herstellern: Preismoratorium für bestimmte Arzneimittel und Erhöhung der gesetz­ lichen Herstellerrabatte für Arzneimittel • Im Großhandel: Festlegung der Großhandelsspanne und eines Fixzuschlags pro Packung sowie ein zusätzlicher Großhandelsabschlag zur Entlastung der Gesetzlichen Krankenversicherung • Für Apotheken: Apothekenabschlag als Rabatt für die Krankenkassen • Bei den Patienten: Zuzahlungen

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Mengen und Umsatz im GKV-Arzneimittelmarkt 30.000

1.000

27.000

900

24.000

800

21.000

700

18.000

600

15.000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

500

Umsatz in Mio. € (linke Achse) Verordnungen in Mio. (rechte Achse)

Abbildung 10: Mengen und Umsatz im GKV-Arzneimittelmarkt Quelle: Arzneiverordnungs-Report des WidO, aus Daten des Gesundheitswesens 2012, BMG

APOTHEKEN UND ARZNEIMITTELVERTRIEB

In Deutschland gibt es über 21.000 öffentliche Apotheken (darüber hinaus hat jedes Krankenhaus eine eigene Apotheke). In diesem Komplex waren 2009 nahezu 147.000 Menschen beschäftigt: Apotheker, pharmazeutisch-technische-Assistenten, Praktikanten-­. assistenten, Helfer, Apothekenfacharbeiter und Auszubildende. Eine Apotheke versorgt dabei im Durchschnitt 3.800 Einwohner. Die Liberalisierungserwartungen lassen die im Ausland fest etablierten deutschen Großhändler auf die Ausweitung ihres Geschäftsmodells auf das Inland hoffen. Auch die Betreiber von Drogeriemarktketten erwägen bei der Aufhebung des Fremdbesitzverbotes den Einstieg in den deutschen Apothekenmarkt. Ebenso nehmen Finanzinvestoren den Apothekenmarkt ins Visier, um von einer Marktliberalisierung zu profitieren, wie die Übernahme einer Internetapotheke (Doc Morris) zeigt. SONSTIGE LEISTUNGSERBRINGER IM UND FÜR DEN GESUNDHEITSSEKTOR Heil- und Hilfsmittel:

Unter Heilmitteln versteht man medizinische Dienstleistungen, Physiotherapie, Ergotherapie, Bäder, Mas­

sagen, Logopädie oder Bestrahlungen. Hilfsmittel sind sächliche medizinische Leistungen wie beispielsweise Rollstühle, Rollatoren, Prothesen oder Seh- und Hörhilfen, Einlagen oder Gehhilfen. Die Heil- und Hilfsmittelausgaben steigen kontinuierlich. Der Heil- und Hilfsmittelreport 2011 der BARMER GEK bezeichnet den Heil- und Hilfsmittelsektor als die Blackbox der gesetzlichen Krankenversicherung. Zwischen 2004 und 2010 stiegen die Kosten für Heilmittel in der GKV um 26,4 Prozent, für Hilfsmittel um 14,7 Prozent. Insgesamt wurden in der GKV 6,0 Milliarden Euro für Hilfsmittel ausgegeben. Für Heilmittel fielen Kosten in Höhe von 4,6 Milliarden Euro an. Medizintechnik

Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt in Deutsch­ land über 170.000 Menschen, die eine große Band­ breite von medizintechnischen Produkten und Ver­fahren anbieten. Nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums soll es mehr als 1,6 Millio­nen verschiedene Medizinprodukte geben, zum Beispiel Geräte für Diagnostik, Chirurgie, Intensivmedizin, Implantate, Sterilisation sowie Verbandsmaterial, Hilfsmittel oder OP-Material. Zu Medizinprodukten gehören nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) darüber hinaus auch Labordiagnostika.

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GKV- und PKV-Ausgaben (in Mrd. Euro) (kumuliert) 150 140 130 120 110 100 90 80 70 60 50 40

Arznei-/Verbandsmittel Zahnärzte Ärzte Krankenhausbehandlung

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

Abbildung 11: GKV- und PKV-Ausgaben nach Ausgabengruppen in Milliarden Euro (kumulierte Darstellung) Quelle: Deutsche Krankenhausgesellschaft, Krankenhausstatistik 2011

Die Anforderungen an Hersteller von Medizinprodukten ähneln in der Regelungsdichte denen der Arzneimittelherstellung. Dazu gehören eine Risiko­analyse und Risikobewertung zum Nachweis der Sicherheit, die Durchführung einer klinischen Prüfung zum Nachweis der Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit sowie ein umfassendes Qualitäts­managementsystem. DIE KOSTENTRÄGER

Die wesentlichen Kostenträger im deutschen Gesund­ heitssystem sind die gesetzlichen Krankenkassen inklusive der Ersatzkassen, die privaten Kranken­ versicherungen sowie der Staat. Darüber hinaus werden auch von der Pflegeversicherung sowie der. Unfall- und Rentenversicherung Gesundheits­aus­ gaben übernommen, die allerdings hier nicht weiter betrachtet werden sollen. Im letzten Jahrzehnt sind die Ausgaben für Gesundheit in allen Ausgabegruppen beinahe jedes Jahr sowohl für die gesetzliche als auch für die private Krankenversicherung gestiegen (Abbildung 11). PKV – Private Krankenversicherungen

Die Anzahl der privaten Krankenversicherungsunternehmen ist seit 2000 (55 Unternehmen) bis heute etwa gleich geblieben. 48 Unternehmen überwachte

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2010 die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Im Gegensatz zu den gesetzlichen Krankenkassen können private Krankenversicherungen von ihren Mitgliedern – in der Regel jedenfalls – Beiträge verlangen, die dem jeweiligen Risiko entsprechen, und in ihrem kapitaldeckenden System Rückstellungen für die höheren Krankheitskosten im Alter bilden. Dennoch herrscht auch im Bereich der privaten Krankenversicherungen nicht die reine Lehre der Marktwirtschaft. Insbesondere die folgenden Eingriffe und Umstände machen den Privaten zu schaffen: • Durch gesetzlich aufgezwungene Basistarife für Versicherte sind sie sozusagen zu Dumping-Angeboten mit der Folge einer Kostenunterdeckung gezwungen. • Hohe Kostensteigerungen in Alttarifen für lang­ jährige Mitglieder müssen sie aus Imagegründen vermeiden. • Zur Werbung neuer Kunden benötigen sie attrak­ tive Einstiegstarife. • Politiker stellen oft die Systemfrage einer einheit­ lichen Krankenversicherung, indem sie die Berechtigung einer privaten Krankenvollversicherungslösung bezweifeln.

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Anzahl gesetzlicher Krankenkassen 2.000 1.800 1.600 1.400 1.200 1.000 800 600 400 200 0

1.815 1.319

1.147

960 420

1970

1980

1990

1995

2000

267 2005

169

156

144

2010

2011

2012

Abbildung 12: Entwicklung der Anzahl gesetzlicher Krankenkassen seit 1970 Quelle: GKV-Spitzenverband

GKV – Gesetzliche Krankenkassen

Kosten- und Konkurrenzdruck auch durch die seit 1993 freie Kassenwahl förderte im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen und der Ersatzkassen einen Konzentrationsprozess. Während es 1970 noch über 1.800 Kassen gab, sind es im Jahr 2012 nur noch 144 (Abbildung 12). Von der Bundesregierung ist diese Entwicklung durchaus gewollt; 50 bis 80 Kassen hält man dort langfristig für realistisch und sinnvoll. Die Krankenkassen wandeln sich langsam zu betriebswirtschaftlich denkenden Unternehmen, die erkennen, dass sie im Wettbewerb mit Konkurrenten um Mitglieder stehen, wobei es auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Angebot, Leistung und Verwaltungsaufwand ankommt. Der Zwang zur Wirtschaftlichkeit führt zu einem Abbau von Bürokratie und Verwaltung. Immer mehr gesetzliche Krankenkassen fusionieren, einige scheiden komplett aus dem Markt aus. Dennoch funktionieren Krankenkassen nicht wie normale Unternehmen.

polistisch agierenden Gegenpart im Gesundheitsmarkt, der Kassenärztlichen Vereinigung als Gesamtvertretung der Ärzte. Noch relativ jung ist die Möglichkeit, Selektivverträge mit einzelnen Ärzten, Arztgemeinschaften oder Kliniken zu schließen. Gesetzliche Krankenkassen können nicht einmal ihre Mitgliedsbeiträge selbst bestimmen. Die Zusatzbeiträge und Prämien werden individuell durch die Kasse festgelegt. Darüber hinaus zahlen ihre Mitglieder nicht nach versicherungstechnischem Risiko, sondern im Zuge des Solidarprinzips einheitliche Beiträge, die auch Fami­lienangehörige mitversichern. Darüber. hinaus legt die Regierung zentralistisch einen Einheitssatz für alle gesetzlichen Kassen fest. Unterschiede gibt es nur über Zusatzbeiträge, falls eine Kasse mit den zugewiesenen Einnahmen nicht auskommt.. Die Erhebung von Zusatzbeiträgen allerdings versuchen die Kassen unter allen Umständen zu vermeiden, um einen Massenexodus ihrer Mitglieder zu verhindern. Wenig marktwirtschaftlich ist auch die. Regelung, dass die Kassen innerhalb eines Verbundsystems füreinander haften.

Sie kaufen zum Beispiel grundsätzlich ambulante Gesundheitsleistungen en bloc von einem ebenso mono-

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DER GESUNDHEITSFONDS: Bürokratiemonster oder Clearing-Stelle?

Mit dem Gesundheitsfonds ist am 1. Januar 2009 eine Geldsammelstelle für alle gesetzlichen Kranken­ kassen eingeführt worden. Er soll die finanziellen Strukturen der Krankenkassen transparent und nachvollziehbar machen. Die Mitgliedereinnahmen, die weiterhin zu circa 95 Prozent aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen finanziert werden, und zusätzliche Steuermittel fließen gemeinsam in den Fonds. Zusammen mit dem Gesundheitsfonds wurde auch der einheitliche Beitragssatz für alle gesetzlich Versicherten eingeführt. Unterschiede zwischen den Krankenkassen wurden damit aufgehoben. Durch die Einführung des allgemeinen, staatlich festgesetzten Beitragssatzes büßten die Kassen einen großen Teil ihrer Finanzautonomie ein. Aus dem Gesundheitsfonds beziehen die Krankenkassen ihre Zuweisungen, die von ihrer Versichertenund deren Krankheitsstruktur abhängig sind. Eine

Kasse mit vielen jungen Versicherten erhält weniger Mittel aus dem Fonds als eine Kasse mit vielen älteren und chronischen Kranken (Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA)). Genügen die Mittel durch den Risikostrukturausgleich nicht, muss die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag von den Mitgliedern erheben. Seit 2011 dürfen die Krankenkassen unbegrenzt Zusatzbeiträge von ihren Versicherten verlangen. Ebenso ist die Erstattung einer Prämie vorgesehen, wenn die Kasse besonders wirtschaftlich gearbeitet hat. Hierdurch wurde mehr Wettbewerb zwischen den einzelnen Kassen geschaffen, der zunächst durch den einheitlichen Beitragssatz verloren ging. Fordert eine Krankenkasse von ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag, darf der Patient mit einem Sonderkündigungsrecht zu einer anderen GKV wechseln. In der Regel ist ein Kassenwechsel jedoch frühestens nach 18 Monaten Mitgliedschaft möglich. Der Gesundheitsfonds wurde bei seiner Etablierung von seinen Gegnern als bürokratisches Monster be-

Funktionsweise des Gesundheitsfonds Beiträge Einheitlich 15,5% Arbeitnehmeranteil 8,2% Arbeitgeberanteil 7,3%

Weiterleitung der Beiträge

Zuschuss aus Steuermitteln

Rückerstattung GesundKranken­ kassen

heitsfonds Beiträge für Rentner und Arbeitslose

170 Mrd. Euro

Auszahlung Grundpauschale pro Versicherter + Zuschläge + Verwaltungskosten

Abbildung 13: Funktionsweise des Gesundheitsfonds Quelle: Lünendonk GmbH

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Versi­ cherte

oder Zusatzbeiträge möglich

Zahlung von Arzneimittel, Behandlungen, etc.

Ärzte, Kranken­ häuser

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zeichnet. Inwieweit er wirklich zur Transparenz von Kosten und Leistungen im Gesundheitssystem beiträgt, wird sich noch herausstellen. DER FINANZIER: Beitragszahler –Steuerzahler – Versicherter – Patient

Die Gesamtkosten des Gesundheitssystems in Höhe von etwa 287 Milliarden Euro ergeben umgelegt auf 82 Millionen Bundesbürger die Summe von etwa 3.500 Euro pro Kopf und Jahr oder 292 Euro pro Kopf und Monat.

Wer sind nun aber die eigentlichen Finanziers des Gesundheitssektors? Manche werden um Beiträge gebeten – viele werden dazu gezwungen. Etliche Gruppen können die Belastungen auf andere überwälzen, ohne dies publik zu machen. Letztlich finanziert überwiegend der Beitragszahler – Steuerzahler – Versicherte – Patient in einer Person direkt über Beiträge, Zuzahlungen und Steuern oder indirekt das Gesundheitssystem (Abbildung 14). Insgesamt betrachtet ist das Gesundheitssystem eine gigantische Umverteilungsmaschinerie für Hunderte von Milliarden Euro.

Kostenträger des Gesundheitssystems ist letztlich nahezu immer der Beitragszahler Gruppe / Institution von Financiers

Art der Zahlung

Letztlicher Financier

Bemerkung

Versicherte (GKV / PKV)

Beiträge und Zusatzbeiträge für GKV, Prämien für PKV

Versicherter

Direkte Versicherungsprämien

Patienten

Zuzahlungen ambulant, Klinik und Heilmittel, IGeL-Leistungen, Praxisgebühren

Versicherter

Anlass- und Fallbezogene Zuzahlungen

Arbeitgeber

AG-Anteil Krankenkassenbeiträge

Versicherter / Steuerzahler

AG-Anteile sind in Kosten, so auch in Entgelten für AN einkalkuliert

Staat

Steuerfinanzierte Defizitausgleiche Gesundheitsfonds, versicherungsfremde Leistun­ gen, Beihilfe, Staatliche Gesundheitsinfrastruktur, Krankenhaus-Infrastrukturfinanzierung

Versicherter

Steuerfinanzierung

Ärzte

Kürzungen / Null-Vergütung bei Überschreiten des Regelleistungsvolumens und der Patienten­anzahl

Arzt

Möglicher letzter Belasteter: Der minder oder gar nicht behandelte Patient

Apotheken

Apothekenabschlag

Apotheker

Kliniken

Über-DRG-Leistungen, Rückerstattungen (§116b Leistungen, Ambulanz-Leistungen, etc.), Wahlleis­ tungen

Klinik

Möglicher letzter Belasteter: Der minder oder gar nicht behandelte Patient bzw. der Steuerbürger

Pharmaindustrie

Arzneimittelrabatte, Herstellerabschlag

Pharmaindustrie

Möglicher letzter Belasteter: Der über andere Medikamente quersubventionierende Patient

Abbildung 14: Kostenträger des Gesundheitssystems ist letztlich nahezu immer der Beitragszahler Quelle: Lünendonk GmbH 2012

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Da ohnehin der Versicherte beziehungsweise der Beitragszahler die Hauptlast der Kosten des Gesundheitssystems trägt, wird seit langem über Modelle nachgedacht, Beitragszahlungen gerechter zu organisieren und Mittel effektiver zu erheben. Die beiden konkurrierenden Modelle hierbei sind die Bürgerpauschale beziehungsweise die Bürgerver­ sicherung (Abbildung 15). RETROSPEKTIVE DER VERÄNDERUNGEN DES GESUNDHEITSSYSTEMS

Lastumverteilungen und Leistungskürzungen waren Programm der Gesundheitsreformen. Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass in der GKV Erhöhungen der Eigenbeteiligungen und überwiegend Streichungen im Leistungskatalog erfolgten. Das ehemals paritätische System einer annähernd gleichen Finanzierung der Lasten der Krankenver-

sicherungen durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmer wird zu Lasten der Arbeitnehmer verändert. Zudem werden die Systeme der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen einander angenähert. Einerseits erfolgt dies zum Beispiel durch die Einführung des Wahltarifsystems in der gesetzlichen Krankenversicherung, die das Prinzip der gleichen Leistung für alle gesetzlich Versicherten aufgibt. Andererseits geschieht dies auch durch den Zwang für Unternehmen der privaten Versicherungswirtschaft, Basistarife anzubieten, die nicht das Kostenrisiko des zu Versichernden abdecken. In den zurückliegenden Jahrzehnten war das System der Gesundheitsversorgung in Deutschland permanent Gegenstand von Reparaturmaßnahmen im Sinne der Erschließung von Finanzierungsmöglichkeiten beziehungsweise Anpassung von Leistungen. Anpassung heißt hier in der Regel – abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen – Leistungskürzungen.

Alternative Finanzierungsmodelle für die gesetzliche Krankenversicherung Bürgerpauschale

Bürgerversicherung

Reichweite

▪▪ Alle GKV-Versicherten

▪▪ Alle Bürger

Finanzierung

▪▪ Pauschbetrag pro Kopf

▪▪ Sozialbeiträge mit einem einheitlichen Beitragssatz auf alle Einkommensarten

Sozialausgleich

▪▪ Steuerfinanzierte Zuschüsse für Geringverdiener

▪▪ Ausgleich durch einkommensabhängige Beiträge innerhalb des Systems

Familienlastenausgleich

▪▪ Kinder frei mitversichert ▪▪ Kosten steuerfinanziert

▪▪ Kinder frei mitversichert ▪▪ Ehegattenbeitragssplitting

Gesundheitsfonds

▪▪ Nur Clearingstelle für Morbiditätsorientierten Risiko­strukturausgleich (Morbi-RSA)

▪▪ Clearingstelle für erweiterten Morbi-RSA

Private Kranken- vollversicherung

▪▪ Die Systemoption bleibt bestehen

▪▪ Die Systemoption entfällt langfristig

Vorteile

▪▪ Abkopplung der GKV von den Arbeitskosten ▪▪ GKV von Umverteilung entlastet ▪▪ Chancen für mehr Wettbewerb in der GKV

▪▪ Breite Beitragsbasis

Nachteile

▪▪ Morbi-RSA erforderlich ▪▪ Keine Kapitalbildung

▪▪ Keine Abkopplung von den Arbeitskosten ▪▪ Belastung von Kapitaleinkommen ▪▪ Keine gute Basis für mehr Wettbewerb in der GKV

Abbildung 15: Alternative Finanzierungsmodelle für die gesetzliche Krankenversicherung Quelle: Deutsche Bank Research, Reform der GKV-Finanzierung – Kompromiss weiter entwickeln

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Das deutsche Gesundheitssystem im Vergleich

SWOT Gesundheitssystem Schwächen

Stärken

▪▪ Überkomplexes System eines selbstverwalteten Konstrukts der GKV mit starker politischer Komponente ▪▪ Eine Vielzahl von Akteuren mit eigenen wirtschaftlichen Interessen und monopolistischen Strukturen jeweils auf der Leistungs-­beziehungsweise Kostenträgerseite ▪▪ Derzeit Überangebot sowohl an Kostenträgern (gesetzlichen Krankenkassen) als auch Leistungserbringern (Kliniken) ▪▪ Kaum marktwirtschaftliche Elemente oder Anreize für eine sparsame Mittelverwendung ▪▪ ...

▪▪ Gut ausgebildete Ärzte ▪▪ Hoher Stand der medizinischen Technologie ▪▪ …

Risiken

Chancen

▪▪ Doppelter demografischer Alterungseffekt –– Zunehmende Überalterung der Bevölkerung und damit einher­gehende altersbedingte Mobilität –– Knappheit an Nachwuchs für medizinisches und Pflegepersonal ▪▪ Wegbrechen der Finanzierungsbasis wegen fehlender Beitrags­ zahler ▪▪ Unzureichende langfristige Gesamtkapazität zur Bewältigung des Demografie-Effektes ▪▪ ...

▪▪ Schaffung eines intersektoralen vernetzten Systems von ambulanter, stationärer und Betreuung zu Hause ▪▪ Verstärkte Nutzung von Informations- und Kommunikations­ technologie zur Straffung der administrativen und auch der medizinischen Abläufe ▪▪ ...

Abbildung 16: SWOT Gesundheitssystem Quelle: Lünendonk GmbH 2012

DIE GEGENWART IM GESUNDHEITSSYSTEM: VIELES IST GUT – EINIGES ZU VERBESSERN

• Die Anzahl an Kaiserschnitten in Deutschland ist

überdurchschnittlich hoch.

Deutschland ist 2012 beim Euro Health Consumer. Index (EHCI) von Rang 6 auf Rang 14 abgerutscht.

• Es wird geschätzt, dass jährlich bis zu 30.000 Men-

Die Bundesrepublik liegt im Ranking von 34 Gesundheitssystemen nun auf dem gleichen Niveau wie Irland und Tschechien. • Krankenhäusern wird vorgeworfen, mit Behandlungen verdienen zu wollen, die auch zuhause möglich wären. Die patientenschonende HeimDialysebehandlung (Blutwäsche) wird in Deutschland wesentlich weniger oft durchgeführt als zum Beispiel in Skandinavien.

SWOT-KURZANALYSE DES DEUTSCHEN

schen durch Krankenhausinfektionen versterben.

GESUNDHEITSSYSTEMS

Das deutsche Gesundheitssystem hat etliche immanente Schwächen, und die Bedrohungen, die in den nächsten Jahren auf das System zukommen, beziehungsweise die zu schulternden Lasten sind immens. Die Finanzierung des Systems wird eine gesellschaftspolitische Aufgabe sein, die wesentlich von der Politik,

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grundsätzlich aber auch vom demokratischen Konsens der Bevölkerung bestimmt werden wird.

Das Rückgrat wird in der technischen und ICT-Ausstattung des Gesundheitssektors bestehen. Gehirn und. Hände werden nach wie vor die Beschäftigten sein.

Die finanziellen Spielräume jedenfalls werden auch im Rahmen der europäischen Staatsschulden- und Euro­ krise sowie der wahrscheinlich daraus resultierenden langfristigen Belastungen immer geringer.

Für eine grundlegende Umgestaltung und erfolgreiche Weiterentwicklung des Gesundheitssystems muss insbesondere an vier Themenkomplexen gearbeitet werden:.

• Die organisatorische Gestaltung des Systems im

Ein integriertes ICT-gestütztes Gesamtsystem für

Rahmen der bestehenden Selbstverwaltung kann mit Sicherheit mehr Flexibilität und marktwirtschaftliche Elemente vertragen. • Die medizinisch-technische Ausstattung des deutschen Gesundheitssystems erscheint gut; die Frage ist, ob das System sich auch in Zukunft die notwendigen Investitionen in langfristig kosten­ deckende Technologie erlauben kann. • Die administrativ-medizinische Ausstattung des Systems ist unzureichend. Eine Vielzahl von politischen Vorhaben, Modellprojekten und vielen isolierten Vorgehensweisen versucht, das System auf der Basis moderner Informations- und Kommunikationstechnologie zu reformieren. Aber bereits die Einführung einer einheitlichen Telematik-. Infrastruktur und so grundlegender Voraussetzungen wie die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte mit den entsprechenden Anwendungen (elektronisches Rezept, Patientenakte, Basisdaten, etc.) haben sich als komplexes, Ressourcen verschlingendes Unterfangen erwiesen. AUFGABEN FÜR DIE AKTEURE IM GESUNDHEITSSEKTOR

Den Blutkreislauf des Gesundheitssystems der Zukunft werden administrative Daten und Gesundheitsdaten bilden, die institutions- und sektorübergreifend zur genaueren Information der Mediziner, der besseren Versorgung der Patienten und der effizienteren Steuerung der Ressourcen des gesamten Gesundheitssystems ausgetauscht werden.

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Gesundheitsmanagement und -leistungen

Die Entwicklung von integrierten Systemen, die elek­ tronische Patientenakten mit neuen Methoden der ArztPatienten-Kommunikation, mit verbessertem Versorgungsmanagement bei gleitenden Übergängen zwischen ambulantem und stationärem Bereich sowie häuslicher, fernbetreuter Pflege zu einem Gesamtsystem verbinden. Technische Komponenten hierbei werden insbesondere sein: • Neue Benutzerschnittstellen für Ärzte und Patienten, die den Zugriff auf Gesundheitsdaten und Analysewerkzeuge vereinfachen • Stimmerkennung und Sprachverarbeitung zur. unmittelbaren Digitalisierung • Speicherung von ärztlich beim Patienten erhobenen Gesundheitsdaten. Eine Steuerung des Versorgungsmanagements auf die jeweils Kosten-Nutzen-günstigste Behandlungsalternative

Eine Steuerung medizinisch notwendiger Behand­lungen weg vom teuren Klinikbereich hin zu ambulanten. Behandlungen und Hausbehandlungen unter Zuhilfe-­. nahme von Anwendungen der Telemedizin, von Fern­ betreuungskonzepten und mobiler Gesundheitstechnik ist dringend notwendig. Eine ganze Reihe neuer Devices wird dabei behilflich sein – vom Handgerät zur Unterstützung der Fern­ diagnosen bis hin zu intelligenten Gerätschaften, zum

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Beispiel dem Einsatz von Sensoren und Monitoren in alltäglichen Gegenständen in der Patientenumgebung, um dessen Vitaldaten permanent zu kontrollieren. Aber auch behandlungsmedizinischer, technischer Fortschritt wird zu mehr Effizienz – und bei geeigneter Ausgestaltung auch zu langfristig weniger Kosten – beitragen.

Lebensführung sowie persönliche Gesundheitsakten und Patientenportale, die es Patienten und Gesunden ermöglichen, ihr individuelles Gesundheitsmanagement selbst in die Hand zu nehmen. Eine verstärkte Nutzung des Potenzials von prädiktiver Analytik für Früherkennung

Eine Stärkung der Pflichten und der Rolle der

und Vorsorge

Versicherten/Patienten/Kunden

Eine bessere Erhebung, Vernetzung und Analyse von Gesundheitsdaten und Anwendung von genetischer Krankheitsdiagnostik, um persönliche Gesundheitsund Behandlungspläne für gefährdete oder betroffene Patienten aufstellen zu können, ist ebenfalls angebracht. Klinikärzte können so die Grundlage ihrer Behandlungsstrategien wesentlich verbessern und Gesundheitsmanager Ressourcen des öffentlichen Gesundheits­ systems wesentlich effektiver einsetzen.

Eine Stärkung der Rolle des Patienten als Verantwort­ licher für seine eigene Gesundheit durch Unterstützung bei der Entscheidungsfindung, Beobachtungen des Gesundheitszustandes und Betreuungskonzepten für chronische Krankheiten wird vor allem durch technische Entwicklungen beschleunigt: Technische Entwicklungen, die hierbei helfen werden, sind: Elektronische Informationssysteme zur Unterstützung einer gesunden

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Systemkomplexität: Versagen der bisherigen Rezepte konventioneller Umbauten Langfristig wirksame Rahmenbedingungen und Einflussgrößen auf das bestehende Gesundheitssystem Steigende Ausgaben

Sinkende Einnahmen

Ineffizienz

Wachsende Anzahl multimorbider und chronisch erkrankter Patienten

Volatile Beschäftigungsverhältnisse, Patch­ work-Erwerbsbiografien und temporäre Arbeitslosigkeit führen zu Schwankungen in den Ertragslagen des Gesundheitssystems

Patienten haben wenig Grund, Sensibi­ li­tät für Kosten im Gesundheitswesen zu entwickeln

Alternde und schrumpfende Bevölkerung in Deutschland (Demografischer Wandel)

Demographischer Wandel

Ineffiziente Bereitstellung von Leistungen (Versorgung, etc.)

Medizintechnischer Fortschritt

Verminderte Erwerbsfähigkeit bei zunehmendem Alter aufgrund chronischer Erkrankungen

Kaum sektorübergreifende Versorgungs­ einrichtungen vorhanden

Immer höhere Ansprüche an die Qualität der Leistungen

Immer noch relativ hohe Lohnnebenkosten im internationalen Vergleich

Unterversorgung im ländlichen Raum

Neue Krankheitsbilder

Wenig Bereitschaft, für medizinische Leistungen persönlich zu zahlen

Prävention, Compliance, Adhärenz

Abbildung 17: Langfristig wirksame Rahmenbedingungen und Einflussgrößen auf das bestehende Gesundheitssystem. Quelle: Bettina Reiter, Jürgen Turek, Werner Weidenfeld, Telemedizin – Zukunftsgut im Gesundheitswesen, Gesundheitspolitik und Gesundheitsökonomie zwischen Markt und Staat, 2011

DIE DEMOGRAFIE – DIE UNWIDERSTEHLICHE KRAFT

Das Langzeitproblem aller Gesundheitssysteme in den demografischem Wandel unterworfenen westlichen Ländern ist, dass immer weniger Menschen im produktiven Alter immer mehr Patienten über immer längere Zeiträume mit immer teureren Therapien finanziell, aber auch physisch versorgen müssen. Die Kosten der medizinischen Betreuung der Bevölkerung steigen seit Jahren. Ein zusätzlicher Effekt ist der mit steigendem Lebensalter erhöhte Aufwand für Gesundheitsausgaben. In Verbindung mit der Überalterung der Bevölkerung ist ein weiterer Kostenschub bereits absehbar. Ebenfalls kost-

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entreibend wirken die Ausgaben für chronische Krankheiten, deren Fallzahlen beständig zunehmen. • Die Anzahl der Leistungsbezieher steigt durch die Alterung der Bevölkerung. • Der medizinisch-technische Fortschritt führt mit neuen Produkten und Behandlungsmethoden zu höherer Nachfrage nach Gesundheitsleistungen. • Die Anzahl und der Anteil der 20- bis 60-, respektive 67-Jährigen an der Gesamtbevölkerung nimmt ab – und damit auch die Möglichkeit, über Beiträge und Steuern das Gesundheits- und Sozialsystem zu finanzieren. Sogar bereits in mittelfristiger Sicht werden steigende Ausgaben und systematisch sinkende Einnahmen (ohne

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weitere Eingriffe in das System) sowie die bestehenden systemimmanenten Ineffizienzen das System Gesundheit in Deutschland havarieren lassen. Die Kräfte, welche die Ausgaben steigen und die Einnahmen sinken lassen, sind unverändert mächtig; und die Ineffizienzen des Systems haben sowohl institutionelle als auch ökonomische Anreizgründe.

Zur Schließung dieser Lücke müsste der allgemeine Beitragssatz zum Gesundheitsfonds von derzeit 15,5 Prozent auf 23,8 Prozent bis 2030 anwachsen. Alternativ könnten die wachsenden Ausgaben in der GKV über Zusatzprämien geschlossen werden, die bis 2020 im Durchschnitt 47 Euro betragen müssten, 2030 dann bereits 115 Euro.

DIE FOLGERUNG: NOTWENDIGKEIT VON

Das wird die Bevölkerung nicht bezahlen können oder wollen. Neue oder zusätzliche Strategien zur Effizienzverbesserung des Gesundheitssystems müssen verfolgt werden. Mehr Versorgung muss mit wenig(er) Mitteleinsatz erreicht werden. Die politische Reformfähigkeit des Systems ist begrenzt, wie die letzten Jahrzehnte zeigen. Dirigistische Eingriffe in das Angebot und die Nachfrage zeigen zwar Wirkung, aber reichen nicht aus. Eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis stößt langfristig an Demografie- und Leistungsbereitschaftsgrenzen..

‚MORE FOR LESS‘

Werden keine überzeugenden Lösungen für eine Verbesserung der Effizienz des Gesundheitssystems gefunden, wird ein immer größerer Teil des Bruttosozial­produktes für Gesundheitsausgaben vereinnahmt werden. Auch wird ein immer größerer Anteil an menschlichen Ressourcen und Know-how für den Gesundheitssektor aufgewendet werden müssen. Projektionen allein der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung über lange Zeiträume hinweg ergeben dramatische Zunahmen, die kaum noch zu finanzieren sein werden. Die Gesundheitsausgaben werden weiter wachsen und die Beitragszahler des Systems werden weniger: Das RWI schätzt diese Finanzlücke im Gesundheitswesen aufgrund von Modellrechnungen auf über 90 Milliarden Euro bis 2030 (Abbildung 18).

Eine bessere Leistungssteuerung und eine Verbesserung der Effizienz der einzusetzenden Ressourcen sind daher zusätzlich erforderlich. Informations- und Kommunikationstechnologie ist hier ein wirksames Mittel – wie das Beispiel aller anderen Wirtschaftsbereiche zeigt.

Einnahmen und Ausgaben des Gesundheitsfonds (2010 bis 2030 in Mrd. Euro) 350 325 300

93 Mrd. €

275 250 41 Mrd. €

225 200

Einnahmen Ausgaben

175 150

2010

2012

2014

2016

2018

2020

2022

2024

2026

2028

2030

Abbildung 18: Einnahmen und Ausgaben des Gesundheitsfonds Quelle: RWI, Perspektiven des Gesundheitssektors: Wachstumsmotor oder Milliardengrab?, 2011

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Wege zu mehr Produktivität im Gesundheitssystem

STRATEGIEN FÜR EINE WEITERENTWICKLUNG DES GESUNDHEITSSYSTEMS

Die bisherigen Ansätze zur Stabilisierung des Gesundheitssystems bezogen sich entweder auf eine Kürzung der Leistungen oder eine noch sozialverträgliche Ausweitung der Beiträge. Die flankierenden Maßnahmen waren überwiegend dirigistischer Natur und setzten nur in Einzelfällen marktwirtschaftliche Anreize für ein ökonomisches Verhalten im Gesamtsystem für Anbieter und Kunden. Auf Maßnahmen der Anpassung von Beitragseinnahmen wird auch in Zukunft angesichts der absehbar schweren Finanzierungs- und Leistungsprobleme des Gesundheitssystems nicht verzichtet werden können. Das gilt auch für eine irgendwie geartete Steuerung der Nachfrage. Hinzukommen müssen aber strategische Optionen einer Effizienzsteigerung. Drei Lösungsstrategien werden aller­dings mehr als in der Vergangenheit im Gesundheitssystem Anwendung finden: • Vermeidung von Leistungskosten durch Prävention und Leistungssteuerung • Organisatorische Integration der Versorgung unter Kosten-Nutzen-Aspekten • Steigerung der Effizienz der integrierten Versorgung durch technische und datentechnische Innovation.

heitsportale und persönliche elektronische Patienten­ akten. Kostenträger und Leistungserbringer forcieren die Prävention zur differenzierten Beeinflussung der Leistungskosten: • Bei Gesunden geschieht dies zum Beispiel über die

systematische Information, Vorsorgemöglichkeiten und Präventivmaßnahmen sowie aktive Beratung von Versicherten in besonderen persönlichen Situationen (Arbeitslosigkeit, etc.). • Bei Gefährdeten kommt Gesundheitscoaching hinzu, zum Beispiel die gezielte Information und Beratung zum Verhalten bei Erkrankung; außerdem die systematische Identifikation von Versicherten, deren Risikoprofile (Morbidität, Demografie, Krankengeschichte, etc.) eine hohe Wahrscheinlichkeit für kostenintensive Erkrankungen zeigen. • Für akut Erkrankte in Versorgungseinrichtungen wird das Fall-Management ausgebaut zur Begleitung des individuellen Einzelfalls vor, während und nach der Inanspruchnahme von (stationären) Versorgungsleistungen. • Chronisch Erkrankte erhalten ein Disease Management zur Langzeitbegleitung und Optimierung des Therapieablaufs und Befähigung zu effektiver Selbsthilfe sowie zu optimierter Nutzung von Leistungen (Medikation, stationäre und ambulante Behandlungen). Organisatorische Integration der Versorgung

Vermeidung von Leistungskosten durch

unter Kosten-Nutzen-Aspekten

Prävention und Leistungssteuerung

Mehr Effizienz im Gesundheitswesen wird auch erzielt durch die Integration der Behandlungsstrukturen über die Sektorengrenzen von ambulanter und stationärer Versorgung hinaus.

Der informierte und engagierte Versicherte steuert seine Gesundheit und seine Krankheiten aktiv unter Rückgriff auf die Expertise der Ärzte und Gesundheitsorgani­ sationen, nutzt Früherkennungsprogramme, Gesund-

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Neue Versorgungsformen insbesondere für die Behandlung chronisch kranker Patienten erfordern eine enge Kooperation aller Beteiligten. Hierzu werden sowohl im stationären als auch im ambulanten Sektor alle betroffenen Kostenträger durch Allianzen und Kooperationen verbunden. Die Krankenhäuser öffnen sich für die ambulante Belegarztbehandlung; der ambulante Sektor übernimmt Aufgaben aus dem stationären Bereich zum Beispiel in medizinischen Versorgungszentren. Netzwerke entstehen auf der Behandlungsebene und ergebnisorientierte Vergütungssysteme werden eingeführt. Arztpraxen, Kliniken und vielleicht auch Versicherer schließen sich zu Health-Maintenance-, Account­ableCare-Organisationen oder Gesundheitszentren zusammen. Auch Homecare wird – technikunterstützt – eine wichtige Rolle spielen. Kosten-Nutzen-Erwägungen werden sich einerseits in Gut-Genug-Produkten und -Services niederschlagen. Anderseits werden sich auch Investitionen in Medizintechnik stärker nach Kostensenkungsaspekten richten – statt nach bisher nicht unüblichen Kosten-NutzenBetrachtungen, in denen der Nutzen oft primär in der Generierung von Zusatzumsatz zum Beispiel durch den Einsatz von Großgeräten bestand, und damit die Kosten des Gesamtsystems in die Höhe trieb. Steigerung der Effizienz der integrierten Versorgung durch technische und datentechnische Innovation

Die Effizienz des neu organisierten integrierten Systems wird durch moderne Technologie erhöht. Dies heißt zum einen durch die Nutzung von Informationsund Kommunikationstechnologie zur Vernetzung des Gesamtsystems. Zum anderen unterstützt der Einsatz von Medizin-Technologien ärztliche und pflegerische Leistungen. Die intersektorale Vernetzung im Gesundheitswesen erfolgt mithilfe von Informationstechnologie, um einen optimierten Informationsfluss über die Sektoren-

grenzen hinweg zu gewährleisten. Die elektronische Vernetzung von Patientendaten und ein systemweiter, sicherer Remote-Zugriff auf Vital- und Patientendaten machen das System transparent und eröffnen neue Möglichkeiten der Prozessoptimierung. Studien, Empfehlungen, Protokolle, Leitfäden und Erstattungsrichtlinien unterstützen Online-Anamnese, -Diagnose, -Therapie und -Medikation. Standardisierte Online-Behandlungsleitlinien verändern die Arbeit von Ärzten und Kliniken. Der Oberbegriff für den intensiven Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie ist eHealth. Er umfasst Elektronisches Gesundheitsmanagement (E-Administration), Tele-Medizin (ECare/-Methoden mit direktem Zusammenhang zur medizinischen Behandlung), E-Surveillance (Telematik in der medizi­nischen Forschung) und E-Learning (Tele-Fort- und Tele-Weiterbildung). DERZEITIGE INEFFIZIENZEN UND ANSATZPUNKTE FÜR VERBESSERUNGEN DURCH ICT

Die Ineffizienzen des Kommunikationsprozesses im Gesundheitssystem schlagen unmittelbar durch auf die Art und Weise, wie Effizienzleistungen erbracht und verwaltet werden können. Die Ursache für die kommunikative Komplexität und daraus abgeleitet auch die Kostenintensität der Leistungserbringung liegt einmal in den vielen verschiedenen unverbundenen Kommunikationssys­temen von analogen und digitalen Daten, von isolierten Organi­sationen oder Leistungserbringern und vielen verschiedenen medizinischen Begriffs- und Datenstandards. In der Regel fehlt die Interoperabilität der Daten, sodass die Kommunikation zwischen Leistungserbringern verkompliziert wird, schlimmstenfalls aber in Irrtümern, falschen Medikationen oder Medikamentenunverträglichkeiten aufgrund falscher Verschrei-

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bungen resultiert – auf jeden Fall aber in höheren Kosten der Behandlung. Weiterhin kostentreibend ist der Mangel an konsolidierten Patientendaten. Ähnliche Fallakten existieren in der Regel nur innerhalb einer Institution und die entsprechenden Informationen können nur mühsam, beispielsweise zwischen behandelnden Ärzten, ausgetauscht werden. Eine komplette Sicht auf die Fallgeschichte der Patienten ist oft nur unter großem Aufwand zu erlangen.

Die Speicherung der sensiblen Gesundheitsdaten erfolgt in stationären Einrichtungen der jeweiligen Leistungs­ erbringer, auf E-Gesundheitsportalen oder auf den elektronischen Gesundheitskarten der Versicherten. Für den sicheren Zugang zu diesen Daten ist die flächendeckende Einführung von Zugangsberechtigungen erforderlich. Der Patient besitzt die elektronische Gesundheitskarte und der Arzt den Arzt- beziehungsweise den Heilberufsausweis.

Eine grundlegende Verbesserung der Strukturen und Produktivität des Gesundheitssystems, die nicht primär auf eine Anpassung der Finanzierungsbasis oder eine höhere Wirtschaftlichkeit der Leistungen zielt, muss auf zwei verschiedenen Ebenen ansetzen:

Techniken zur Produktivitätssteigerung

Vernetzung: Grundlage für

Dies ist zum einen der Einsatz der Promotionstechnologie zur effizienten Administration der Daten und Verwaltung des gesamten Systems.

Produktivitätsverbesserungen

Durch Vernetzung ist sicherzustellen, dass die benötigten Daten des medizinischen Sektors leicht erhoben sowie schnell in das System eingegeben werden können und an jedem Ort der Behandlung oder Auswertung berechtigten Personen zur Verfügung stehen. Hierzu gehört zum einen die physikalische Vernetzung, zum Beispiel innerhalb von Institutionen wie einer Klinik, und die virtuelle, intersektorale Vernetzung zwischen allen Leistungserbringern des Gesundheitssystems, sei es über sichere E-Mails oder andere Möglichkeiten des Datenaustausches (E-Rezept, E-Arztbrief).

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im Gesundheitswesen

Vereinheitlichte Techniken der Gesundheitsdaten sollten zur Produktivitätsverbesserung eingeführt werden.

Die andere Option ist die Nutzung der Informationstechnologie zur direkten Unterstützung der medizi­ nischen Leistungen, die sich wiederum in zwei Formen äußern kann: • Unterstützung in Form von Telemedizin, also von Methoden mit direktem Bezug zur medizinischen. Behandlung • Einsatz von Medizintechnik im ärztlichen und klinischen Bereich zur Steigerung der Produktivität menschlicher Services.

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Kundenorientierung: Lösungstechniken für Effizienzsteigerung durch ICT

Wünsche niedergelassener Ärzte

Wünsche Klinikärzte

Systeme zur sektorübergreifenden Vernetzung

70%

Systeme, die strukturiertes Wissen digital zur Verfügung stellen

73%

Warnsysteme zur Verbesserung der Patientensicherheit

60%

Einsatz mobiler Geräte bei der Visite

73%

Systeme, die strukturiertes Wissen digital zur Verfügung stellen

58%

Warnsysteme zur Verbesserung der Patientensicherheit; Vernetzung

71%

Abbildung 19: Frage: Welche technischen Innovationen können zur Verbesserung Ihrer Arbeit beitragen? Quelle: Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e.V., BRANCHENBAROMETER 2012

DATENTECHNISCHE LÖSUNGSANSÄTZE (WESENTLICHE KOMPONENTEN) Lösungen in Kliniken

Allerdings sind für eine ideale neue Medizinwelt noch einige Voraussetzungen zu schaffen. In Krankenhäuser zum Beispiel: • EDV-Anwendungen in Krankenhäusern und Kliniken sind zu verbinden, um die digitale Archivierung der immensen Mengen an medizinischen Daten zu ermöglichen (Fallakten, bildgebende Verfahren). • Internet-/Intranet-Anwendungen wie Netzwerke. für Daten, Sprache, Bilder, Video und Online Dienste für Telemedizin sind zu etablieren. • Dokumente, Bilder und Patienteninformationen müssen am jeweiligen Ort der Behandlung verfügbar sein (Telematik-Infrastruktur). • Die Dokumente müssen chronologisch geordnet und auch fallbezogenen zur Verfügung stehen. • Die neuen Kommunikationsmedien sind in die vorhandenen Behandlungsabläufe und Systeme der Klinik zu integrieren.

• Die Informationssysteme müssen eine durchgän­

gige Behandlung insbesondere von chronisch kranken Patienten über die Grenzen der stationären Behandlung hinaus ermöglichen. Was sich niedergelassene Ärzte und Klinikärzte heute zur Verbesserung wünschen, hat eine Anwenderstudie erfragt. Ärzte sehen Potenzial in entscheidungsunterstützenden Lösungen und in der Aufbereitung von Informationen als Hilfestellung im Behandlungsprozess. Die aktuellen Wünsche der Ärzte konzentrieren sich auf die Unterstützung der täglichen organisatorischen Arbeitsprozesse: schnelle Dokumentation, Vernetzung von Systemen, schneller Aufruf von Informationen, Unterstützung im Praxisworkflow, bei Verwaltungsprozessen wie Terminierung, Abrechnung oder Erstellung von Gutachten (Abbildung 19). Gleichwohl kann das nur der Anfang der intersekto­ rellen Vernetzung sein.

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Telematik-Infrastruktur im Gesundheitsbereich

Das deutsche Gesundheitssystem hat nach Ansicht des IT-Branchenverbandes Bitkom bei der Vernetzung, verglichen mit anderen Branchen, einen Rückstand von mindestens zehn Jahren. Sektorenübergreifende Verwaltungsprozesse zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen weisen erhebliches Optimierungspotenzial auf. Diagnosen und Überweisungen werden zwar vom Arzt am PC erfasst, der Austausch erfolgt jedoch oft noch über ausgedruckte Dokumente. Diese Medienbrüche führen zu Mehrfacherfassungen von Daten, hohen Kosten und Fehlern. Heute werden Patientendaten und Arztbriefe im Klartext unverschlüsselt durch die Netze gefaxt – Daten können gelesen, geändert und gelöscht werden oder an falsche Adressaten gelangen.

Die Entwicklung einer Telematik-Infrastruktur für das Gesundheitswesen umfasst zum Beispiel: • Konzeption sicherer elektronischer Kommunika­ tion zwischen den Instanzen des Gesundheits­ wesens (sichere E-Mails und Web-Verbindungen, Gesundheitsportale) • Standards für elektronische Akten im Gesundheitswesen • Einführung sicherer Zugänge (elektronischer Heilberufsausweis, elektronische Gesundheitskarte, elektronisches Gesundheitsberufsregister) • Etablierung von Telemedizinanwendungen In Deutschland ist die Entwicklung wesentlicher Komponenten dieser Struktur hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurückgeblieben, zum Beispiel bei Gesundheitskarte und E-Rezept. TELEMATIK-KOMPONENTEN Elektronische Krankenakten im Gesundheitssystem

Digital durchgängige Prozesse von der Datenerfassung über die Archivierung bis hin zur Kommunikation mit den Versicherten auf der Basis moderner Enterprise-Content-Management-Lösungen (ECM) versprechen ein hohes Kostensenkungspotenzial im Gesundheitswesen. Eine Telematik-Infrastruktur bietet zudem mehr Sicherheit nach industriellen Maßstäben mit 128-Bit-Transportverschlüsselung und SSL Secure Sockets Layer.. Die Telematik-Infrastruktur im Gesundheitswesen soll die ICT-Systeme von Arztpraxen, Apotheken, Krankenhäusern und Krankenkassen miteinander verbinden und einen sektorenübergreifenden Austausch von Informationen ermöglichen. Sie bildet ein geschlossenes Netzwerk aus vertrauenswürdigen Teilnehmern – Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern, Apotheken –, zu dem man nur mit Heilberufsausweis und Gesundheitskarte Zutritt bekommt.

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Das „papierlose Krankenhaus“ oder die „papierlose Praxis“ ist weiterhin so selten wie das „papierlose Büro“. In der Regel herrscht eine Mischung aus Papierakten und teilweiser elektronischer Dokumentation vor.. Viele Gesundheitsversorger überführen ihre Papierdokumentation aber Schritt für Schritt in eine vollständig elektronische Form. Hierdurch wird es einfacher, die verschiedenen Dokumentationen einrichtungsinterner elektronischer Akten zu einrichtungsübergreifenden Gesamtfall-Dokumentationen zusammenzuführen. Dadurch entstehen verschiedene Formen elektronischer Krankenakten. Dateneigentum und Datenschutz in der Gesundheitstelematik

Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist generell untersagt, es sei denn, es gibt eine Rechtsvorschrift, die die Verarbeitung erlaubt oder anordnet – oder die betroffene Person selbst erteilt die Erlaubnis

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für die Verarbeitung ihrer Daten auf der Grundlage einer rechtswirksamen Einwilligung (Informationelles Selbstbestimmungsrecht). Bei der Konzeption einer einrichtungsübergreifenden Patientenakte müssen fachliche und datenschutzrechtliche Aspekte berücksichtigt werden.

• Aufklärung: Das Transparenzgebot erfordert eine





Hier sind drei Themenbereiche zu beachten: Anforderungen, die sich aus dem materiellen Datenschutzrecht ergeben, die Datensicherheit sowie die fachlichen Anforderungen. •

Für elektronische Patientenakten ergeben sich damit verschiedene Ansprüche an den Datenschutz, zum Beispiel: • Einwilligung: Übermittlungen via eEPA bedürfen

der Einwilligung des Patienten mangels Rechtsgrundlage. • Schriftform: Grundsätzlich bedarf die Einwil­ ligung der Schriftform.



umfassende Aufklärung der Patienten vor dem Anlegen einer eEPA. Zweckbindung der Daten: Die Informationen einer eEPA dürfen nur für die Zwecke genutzt werden, für die sie eingestellt wurden. Nutzung der Daten: Nach dem Erforderlichkeitsprinzip dürfen die in einer eEPA bereitgestellten Daten nur in dem Umfang und in der Zeitspanne genutzt werden, die für eine konkret anstehende Behandlung notwendig ist. Auskunftsrecht: Die Patienten haben das Recht, Auskunft darüber zu erhalten, welche Informationen ihre eEPA enthält und wer welche Informationen der eEPA wann und auf welche Weise verarbeitet beziehungsweise genutzt hat. Berichtigung: Die Patienten haben das Recht auf Berichtigung (objektiv) unrichtiger Daten der eEPA, außerdem das Recht auf Löschung oder Sperrung von Daten.

Materielles Recht Einwilligung, Zweckbindung (Zugriffsautorisierung) Erforderlichkeit, Zweckbindung (innerliche und zeitliche Zugriffsbeschränkung) Patientenrechte (Auskunft, Berichtigung, Löschung, Sperrung) Datensicherheit Verlässlichkeit (Sicherheit des Systems)

Beherrschbarkeit (Sicherheit vor dem System)

Vertraulichkeit

Zurechenbarkeit

Integrität

Nachvollziehbarkeit

Verfügbarkeit

Verbindlichkeit

Anwenderanforderungen (Patienten, Ärzte) Praktikabilität (Benutzerfreundlichkeit, Barrierefreiheit) Alltagstauglichkeit (Integration in die medizinisch-organisatorischen Abläufe)

Abbildung 20: Übersicht über Datenschutzanforderungen im Rahmen der elektronischen Patientenoder Fallakten Quelle: ZTG Zentrum für Telematik im Gesundheitswesen GmbH, AK EPA/EFA Elektronische Akten im Gesundheitswesen, 2011

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Die Einrichtungsübergreifende Elektronische

eGK – die elektronische Gesundheitskarte

Patientenakte (eEPA)

Die elektronische Gesundheitskarte schließt die digitale Informationskette zwischen Ärzten, Krankenhäusern, Diagnosezentren, Apotheken, Krankenkassen und weiteren Institutionen.

Soweit die digitale Erfassung und Nutzung einer Krankenakte auf eine Klinik oder Arztpraxis beschränkt bleibt, ergeben sich keine übergreifenden Probleme. Der volle Nutzen elektronischer Daten über Patienten und Behandlungen lässt sich allerdings erst erschließen, wenn diese Informationen an jedem akuten Behandlungsort des Systems genutzt werden können. Die einrichtungsübergreifende elektronische Patientenakte bietet prinzipiell langfristig die Möglichkeit der patientenbezogenen, einrichtungs- oder sektorübergreifenden elektronischen Dokumentation aller einen Patienten betreffender medizinischen Informationen. Für die elektronischen Patientenakten gibt es bisher noch keinen Standard. Die elektronische Patientenakte kann drei Konzepten folgen:

Sie ist der Schlüssel zur authentisierten Teilnahme an Telematik-Prozessen im Gesundheitssystem, weil sie eine eindeutige Identifizierung ermöglicht. Außerdem können mit ihrer Hilfe verschlüsselte Daten gespeichert und übertragen werden. Dabei hat allein der Versicherte durch den Besitz der Karte und durch die PIN die Entscheidungsgewalt über die Daten. HBA – der elektronische Heilberufsausweis

Der elektronische Heilberufsausweis ist als Pendant der elektronischen Gesundheitskarte ebenfalls ein wichtiges Sicherheitselement im Rahmen der Telematik-Infrastruktur. Mit ihm weist sich der Arzt oder Behandelnde gegenüber der Gesundheitstelematik aus.

• Die Daten sind zentral sicher abgelegt und werden

mit Zustimmung des Patienten von Ärzten bei Notwendigkeit abgerufen. • Behandelnde Ärzte öffnen ihre IT-Systeme mit Zustimmung des Patienten für den Zugriff durch andere berechtigte Ärzte zum Zugriff auf die Patientendaten. • Die Patienten tragen ihre Daten auf einem Speichermedium bei sich. Dies kann prinzipiell die elektronische Gesundheitskarte sein. Die Dokumentation liegt in der Hoheit der Patienten. Ärzte können mit Zustimmung des Patienten im Behandlungsfall das Speichermedium auslesen. Die Bestandteile einer elektronischen Patientenakte sind: • Notfalldaten • Basisdokumentation • Verschiedene Krankheitsfallakten aus Einzel­doku­ mentationen des Arztes • Von Patienten selbst erstellte Informationen

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Darüber hinaus kann diese Smartcard auch für viele andere elektronische Prozesse genutzt werden. Ganz oben auf der Wunschliste der Kassenärztlichen Vereinigungen steht beispielsweise die Onlineabrechnung der nieder­gelassenen Vertragsärzte und Psychotherapeuten. Derzeit können diese zwar elektronisch zum Beispiel über die KV-eigene Kommunikationsplattform D2D (Doctor-to-Doctor) abrechnen, aber erst eine handschriftlich unterzeichnete Sammelerklärung auf Papier, die so genannte Gesamtaufstellung, stellt Rechtsverbindlichkeit sicher. Weitere Einsatzmöglichkeiten für den Heilberufsausweis in der zwischenärztlichen Kommunikation sind: • Signatur und Verschlüsselung des elektronischen Arztbriefes • Authentifikation gegenüber Einweiserportalen der Krankenhäuser oder zu Portalen beispielsweise der Kammern, Kassenärztlichen Vereinigungen oder ärztlichen Versorgungswerken.

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Abbildung 21: Die Elektronische Gesundheitskarte als Eintrittskarte des Patienten in die zukünftige Telematik-Infrastruktur des Gesundheitssystems – und ihr Gegenstück, der elektronische Heilberufsausweis, der dem Arzt oder Psychotherapeuten den Zugang verschafft.

Funktionalität der Gesundheitskarte

Einige wesentliche Funktionen der Gesundheitskarte werden noch auf sich warten lassen: • Einheitliche lebenslange Krankenversichertennummer: mit Gesundheitskarte seit 2012 • Aktualisierung der Versichertenstammdaten (Name, Geburtsdatum, Anschrift und Versicherungssumme): geplant ab 2013 • Speicherung von Notfalldaten (lebensrettende Informationen, Allergien, chronische Erkrankungen, Arzneimittelunverträglichkeiten): freiwillige Anwendung • Arzneimitteldokumentation (verschriebene Medikamente): freiwillige Anwendung • Elektronische Patientenakte (Operationsberichte, Laborergebnisse, Röntgenbilder): Einführung steht noch aus • Elektronisches Rezept (Speicherung auf der Gesund­ heitskarte): Einführung steht noch aus • Patienten-PIN (Zugriffsberechtigungen, Einwilligungen, Hinzufügungen, Löschungen): ab 2015 Das elektronische Rezept ist zunächst gestoppt. Die gematik GmbH erhielt im März 2011 Lastenhefte für alle Anforderungen an die künftige Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte sowie ihre Anwendungen

in der Telematik-Infrastruktur, die Grundlage für alle tech­nischen Spezifikationen sind. Letztere gilt es im nächsten Schritt in den Pflichtenheften zu konzipieren. Sicherheit der Gesundheitskarte

Die Daten für die Speicherung auf einer Gesundheitskarte fallen bei einem Arzt oder im Krankenhaus an. Das können ein elektronisches Rezept des Arztes oder Röntgenbilder sein. Eingelesen werden die Daten über zertifizierte „Konnektoren“, die später in allen Apotheken, Arztpraxen oder Krankenhäusern vorhanden sein werden. Sie verschlüsseln die Daten und verbinden sie mit der Telematik-Infrastruktur. Einen Schlüssel steuert der Heilberufsausweis des Arztes bei; einen anderen Schlüssel der Versicherte mit seiner elektronischen Gesundheitskarte. Eine Entschlüsselung ist dann nur noch mit der elektronischen Gesundheitskarte und damit dem Einverständnis des Versicherten möglich. Die Entschlüsselung verläuft umgekehrt. Will ein Arzt einen Überblick über die Patientenmedikation aus der Telematik-Infrastruktur abrufen, dann kann dies nur mit

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der elektronischen Gesundheitskarte des Versicherten in Verbindung mit seinem Heilberufsausweis erfolgen. Noch sind nicht alle Probleme der grob skizzierten Verfahren gelöst. Ungeklärt ist zum Beispiel, welche Daten auf der Gesundheitskarte oder auf einem Server der Telematik-Infrastruktur liegen sollen. Weitere Einsparpotenziale der Gesundheitskarte

Die Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte durch die Krankenkassen hat verzögert erst im Oktober 2011 begonnen. Die späte Einführung der elektronischen Gesundheitskarte hat bisher wesentliche Einsparpotenziale ungenutzt gelassen: • Jede 15. Krankenhauseinweisung geht auf Verschreibungsfehler oder unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zurück. Zwei Drittel dieser Fälle wären durch eine vollständige Dokumentation vermeidbar. • Die Gesundheitskarte wird mehr Arzneimitteltherapiesicherheit ermöglichen durch vollständige Dokumentation der verschriebenen und idealerweise auch der tatsächlich eingenommenen Medikamente.. Das Einsparpotenzial wird auf mindestens 500 Millionen Euro jährlich geschätzt. • Für herkömmliche Versichertenkarten besteht ein Schwarzmarkt, die Karten werden für 50 bis 100 Euro verkauft. Nichtversicherte können sich mit fremden Karten Versicherungsleistungen erschleichen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung rechnet mit einem jährlichen Schaden von mindestens einer Milliarde Euro, weitere zwei Milliarden Euro Schaden entstehen, indem legale, aber medizinisch sinnlose Leistungen doppelt erbracht werden. Durch die elektronische Gesundheitskarte mit Lichtbild und PIN kann Kartenmissbrauch vermieden werden. • Abrechnungsbetrug zu Lasten der Krankenkassen, Kassenversicherungen und Beihilfestellen kostet bis zu 10 Milliarden Euro jährlich. Betrüger lassen sich das gleiche teure Medikament mehrfach durch verschiedene Ärzte verschreiben. Das elektronische Rezept auf der elektronischen Gesundheitskarte verhindert Abrechungsbetrug durch eine

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tagesaktuelle Dokumentation des elektronischen Rezepts. EGK-Äquivalente in anderen Ländern

Auch alle anderen Industriestaaten planen und realisieren die Vernetzung ihres Gesundheitswesens und die Einführung von elektronischen Dokumentationen. Nach einer Bestandaufnahme des BITKOM e.V. sind sie oft weiter als Deutschland und nutzen auch zum Teil die anfallenden statistischen und medizinischen Daten: Dänemark

Landesweite Gesundheitstelematikplattform; alle Krankenhäuser und Apotheken und circa 90 Prozent der niedergelassenen Ärzte sind angebunden; über 95 Prozent der Laborresultate, 99 Prozent der Rezepte; 84 Prozent der Arztbriefe der Kliniken werden elek­tronisch übermittelt. Frankreich

Seit 2007 Einführung der Generation 2 der Gesundheitskarte, SESAM-Vitale 2; Signatur für elektronische Antragsformulare, sicherer Zugriff auf persönliche Krankenakten, elektronische Rezepte, sicherer Zugriff auf öffentliche Gesundheitsdatenserver, Speicherung medizinischer Notfalldaten, Europäische Krankenver­ sicherungskarte (EHIC). Jede Person mit einem Anspruch auf medizinische Versorgung in Frankreich besitzt eine SESAM-Vitale-Chipkarte (48 Mio.), jede medizinische Fachkraft (270.000) erhält einen elek­ tronischen Heilberufsausweis, in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens sind SESAM-Vitale-Karten­ terminals aufgestellt (knapp 30.000). Österreich

Seit 2005 Ausgabe der eCard, Breitbandvernetzung von niedergelassenen Ärzten und Kliniken, elektronische Rezepte, elektronische Patientenakten. Schweden

Breitbandvernetzung von Kliniken und niedergelas­ senen Hausärzten, e-Rezept (98%), Teleradiologie, elektronische Patientenakte (90%); Start 1998.

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Schweiz

2010 hatte die Ausgabe einer Versichertenkarte begonnen, mit freiwilliger Speicherung von Blutgruppen- und Transfusionsdaten, Daten zu Impfungen, Transplantationsdaten, Allergien, Krankheiten und Unfallfolgen, in medizinisch begründeten Fällen einen zusätzlichen Eintrag, Medikation, Kontaktadressen für den Notfall, Hinweis auf Patientenverfügungen.

Es ist zum einen die notwendige Basis für eine fortlaufende Dokumentation der verschriebenen Medikamente und damit für Arzneimitteltherapiesicherheit. Zum anderen werden im Vergleich zu Papierrezepten jährliche Einsparungen von circa 200 Millionen Euro durch die vollelektronische Abwicklung des Rezepts erwartet. Die Realisierung des E-Rezepts ist aufgrund von Umsetzungsproblemen zunächst zurückgestellt.

USA

Die US-Regierung hatte die Einführung von elektronischen Patientenakten bis 2013 angekündigt. Einsparungen in Höhe von 70 Milliarden US-Dollar jährlich durch die Einführung von elektronischen Patientenakten werden erwartet. E-Rezept

Gegenwärtig werden etwa 700 Millionen medizinische Rezepte, die pro Jahr im deutschen Gesundheitswesen ausgestellt werden, in Arztpraxen, Apotheken und Apothekenrechenzentren bis zu fünfmal angefasst und neu bearbeitet. In den Kommunikationsablauf eines Rezeptes sind derzeit der ausstellende Arzt, der Patient, der Apotheker und die Krankenkasse eingebunden. Mehrere Medienbrüche wie Elektronik – Papier – Elektronik erhöhen den Arbeitsaufwand. Der Arzt gibt das Rezept in seinen PC ein, druckt es als Papierrezept für den Patienten aus. Beim Apotheker wird das Rezept wieder eingegeben. Diese Doppelarbeiten sollen mit dem elektronischen Rezept (E-Rezept) vermieden werden. Mögliche Datenüberträger sind die elektronische Gesundheitskarte oder eine Vernetzung zwischen Arzt, Apotheker und Krankenkasse. Das E-Rezept wird in der Praxis des Arztes erstellt – dies erfordert zudem den elektronischen Heilberufsausweis des Arztes – und personenbezogen in der Apotheke oder Versandapotheke eingelöst. Das E-Rezept ist im Sozialgesetzbuch als Pflichtanwendung deklariert und muss durch die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte realisiert werden..

Elektronischer Arztbrief

Wie sieht der typische Datenaustausch zwischen Arztpraxen aus? Nach einer Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) unter ihren Mitgliedern im Jahr 2011 dokumentieren 83 Prozent der Hausärzte und 72 Prozent der Fachärzte komplett digital, Arzt­briefe jedoch werden derzeit immer noch fast ausschließlich per Post oder Papierfax versandt. Hausärzte empfangen durchschnittlich 670 Arzt­briefe je Quartal – vor diesem Hintergrund sind nahezu zwei Drittel der befragten Hausärzte sehr interessiert an elektronisch übermittelten Arztbriefen. Derzeit erfolgt eine (elektronische) Arztbriefschreibung in der Regel ohne strukturierte Dokumentation: Die Patientendaten werden aus der Krankenakte exportiert, und der Arzt erstellt in der Textverarbeitung den Arztbrief, konvertiert ihn in ein PDF-Format, versieht ihn mit der Signatur seines Heilberufsausweises und übermittelt ihn an den Doc2Doc-Server. Handelt es sich um strukturierte Arztbriefe mit Daten im XML-Format, sind programmierte Auswertungen der Dokumente möglich. Der Empfänger kann außerdem Teile als Fremdbefunde in sein eigenes Dokumen­ tationssystem übernehmen und weiterverarbeiten. Die Einrichtung sicherer Kommunikationsinfrastruk­ turen ist jedoch für alle Beteiligten immer wieder ein Problem. Es fehlen allgemein anerkannte und zertifizierte Sicherheitslösungen für die Anbindung an das Internet bei unterschiedlichster IT-Ausstattung der Ärzte und Krankenhäuser.

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INTEROPERABILITÄT DER DATEN IM GESUNDHEITSSEKTOR

Eine Zusammenarbeit der Akteure im Gesundheitswesen benötigt eine praktische Interoperabilität. Interoperabilität gilt sowohl für die Zusammenarbeit zwischen Systemen, Techniken, Organisationen, etc. Fünf Level der Interoperabilität werden unterschieden: D0 – Missing Interoperability, D1 – Physical Interoperability, D2 – Syntactic Interoperability, D3 – Semantic Interoperability und D4 – Pragmatic Interoperability. Interoperabilität

Interoperabilität ist die Fähigkeit von Systemen zur Zusammenarbeit. Dabei werden einschlägige Normen genutzt. Man unterscheidet strukturelle und syntaktische Interoperabilität. Semantische Interoperabilität beinhaltet zudem die bedeutungserhaltende Interpretation von Daten und wird zusätzlich durch gemeinsame Informationsmodelle und Terminologien erreicht. Schließlich fußt organisatorische respektive Service-Interoperabilität auf harmonisierten Geschäftsprozessen (Business Architecture).

Hierbei muss die Umsetzung weit über die derzeit verfügbaren Schnittstellen hinausgehen. Werden Daten ausgetauscht, müssen deren Bedeutung und Interpretation eindeutig geregelt sein. Die Gesamtarchitektur solcher Szenarien wird immer komplexer und viele Informationssysteme sind beteiligt. Die allgemeine Situation wird darüber hinaus kompliziert durch nationale Regularien, das Medizinproduktegesetz und grenzüberschreitende Informationsaustausche. Im Rahmen des EU-Projektes epSOS („European Patients – Smart Open Services“) muss beispielsweise definiert werden, welche Informationen über einen Patienten behandlungsrelevant sind und wie diese in verschiedenen Sprachen in den Codesystemen, die in den beteiligten Ländern genutzt werden, ausgedrückt werden können. Auch die Weiterversorgung mit äquivalenten Medikamenten in einem anderen Land ist kompliziert: Eine Verordnung über die in Deutschland gebräuchliche Pharmazentralnummer (PZN), die jedes Arzneimittel identifiziert, hilft international nicht weiter. EIN AUSBLICK AUF DIE EUROPÄISIERUNG DER GESUNDHEITSDATEN epSOS

Während die physikalische Interoperabilität über das Internet aufgrund von Verfahren wie Datensatzkommunikation oder Remote Procedure/Method Call kein Problem mehr darstellt, mangelt es im Gesundheitswesen trotz spezifischer Standards, wie HL7 und IHE, immer noch an der syntaktischen und semantischen Interoperabilität der verschiedenen Informationssysteme und erst recht an der pragmatischen Interoperabilität. Dabei ist semantische Interoperabilität auf verschiedensten Ebenen notwendig, um ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen.. Die Bedeutung von ausgetauschten Informationen kann in ähnlichen Umgebungen, beispielsweise zwischen Krankenhäusern, noch problemlos definiert werden. Im Zuge der sich entwickelnden intersektoralen Kommunikation aber werden die Informationen zwischen ambulantem und stationärem Sektor ausgetauscht, zwischen Psychotherapeuten und Apotheken sowie zwischen Krankenkassen und Reha-Kliniken.

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epSOS ist ein europäisches Projekt zur Interoperabilität von Gesundheitsdaten (European E-Health), von der Europäischen Kommission und Partnern finanziert. Ein Konsortium aus zwölf EU-Staaten mit insgesamt 27 Organisationen führt das epSOS-Projekt durch. Ausgehend von offenen internationalen IT-Standards soll epSOS die heterogenen Lösungen der Gesundheitsdienste in Europa harmonisieren. Ziel ist die grenzüberschreitende sichere Nutzung von personenbezogenen Gesundheitsdaten auf Basis bereits bestehender technischer Anwendungen. Die Kontinuität der Versorgung soll bei Inanspruchnahme einer medizinischen Versorgung im europäischen Ausland und beim Wechsel über die Grenze gewährleistet sein. Arzt und Patient müssen in diesen Situationen unterstützt werden.

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Die Informationen sollen dem behandelnden Arzt in der jeweiligen Landesprache zur Verfügung stehen. Die Abrechnung ist dabei nicht Gegenstand des Projekts. Anhand einer noch zu definierenden ‚Patient Summary‘ (Patienten-Kurzakte) beziehungsweise der grenzüberschreitenden Nutzung von ePrescription-, eRezept- und eMedikation-Systemen sollen die entwickelten Lösungen am Ende des Pilotprojektes praxisnah und grenzüberschreitend getestet werden. TELEMEDIZIN

Telemedizin bezeichnet die Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen. Im engeren Sinne werden unter Telemedizin alle Diagnostiken, Behandlungen und Therapien verstanden, bei denen die unterschiedlichen Akteure zeitliche und räumliche Distanzen überbrücken: • Im Doc2Doc-Bereich gibt es für zwei kommunizierende Ärzte spezielle Anwendungen in der Telekonsultation, Teleausbildung oder Telechirurgie. • Im Doc2Patient-Bereich kommunizieren Ärzte und Patienten über Anwendungen wie Telediagnostik, Teletherapie, Telemonitoring und Telecare. Der Einsatz von Telemedizin senkt die Kosten im Gesundheitswesen. Insbesondere durch frühe Diagnosestellung können Krankenhausaufenthalte vermieden

und damit die Kosten gesenkt werden. Große Datenmengen können in bester Qualität schnell übertragen werden. Dies führt dazu, dass auch Menschen in entlegenen Gebieten, in denen ärztliche Unterversorgung herrscht, optimal betreut werden können. Die Verzahnung der einzelnen Akteure führt zu einer verbesserten Kommunikation und damit zu einer optimierten Versorgung des Patienten. Derzeit sind telemedizinische Produkte noch teuer. Erwartungsgemäß werden die Kosten künftig sinken und der Telemedizin ein entsprechendes Wachstum ermöglichen. Weltweit erhielten bereits über 150.000 Patienten eine telemedizinische Betreuung mit Bosch-Systemen. Mit der Telemedizin kann der behandelnde Arzt das Therapie-Management besser steuern und Risiken rasch erkennen. Treten Veränderungen im Gesundheitszustand des Patienten auf, vermeidet ein schnelles Eingreifen oftmals weitere Komplikationen. Über zehn Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer chronischen Erkrankung. Telemedizin bietet medizinischen Leistungserbringern eine innovative Unterstützung bei der Behandlung dieser Patienten. Gleichzeitig bedeutet die telemedizinische Begleitung für den chronisch kranken Patienten mehr Sicherheit und vor allem eine Steigerung der Lebensqualität bei gleichzeitiger Stabilisierung der Gesundheit.

Telemedizin Doc2Doc

Doc2Patient

Tele-Konsultation

Tele-Monitoring

Tele-Radiologie

Tele-Diagnostik

Tele-Pathologie

Tele-Therapie

Tele-Chirurgie Telemedizinisch gestützte Aus- und Weiterbildung

Telemedizinisch gestützte Patientenschulung

Abbildung 22: Anwendungen in der Telemedizin Quelle: Bettina Reiter, Jürgen Turek, Werner Weidenfeld: Telemedizin – Zukunftsgut im Gesundheitswesen, Gesundheitspolitik und Gesundheitsökonomie zwischen Markt und Staat, 2011

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Vorteile der Telemedizin für den Gesundheitssektor Verbesserung der Qualität

Zeitersparnis Vereinfachte Diagnose/bessere Behandlungsfolge Reduktion der Sterbefälle

Kostensenkungen

Verkürzung der Krankenhausaufenthalte/weniger Doppeluntersuchungen Frühe Diagnose/Intervention

Effizienzgewinne

Tele-Verfügbarkeit von medizinischer Expertise zur Linderung des Arztmangels

Abbildung 23: Vorteile der Telemedizin für den Gesundheitssektor Quelle: Bettina Reiter, Jürgen Turek, Werner Weidenfeld: Telemedizin – Zukunftsgut im Gesundheitswesen, Gesundheitspolitik und Gesundheitsökonomie zwischen Markt und Staat, 2011

Die kontinuierliche oder periodische Überwachung von Vitalparametern wie EKG oder Körpergewicht bei Patienten in deren häuslichem Umfeld (Tele­ monitoring) befindet sich zunehmend im Einsatz. Insbesondere in der Kardiologie gibt es deutliche Vorteile des Telemonitorings beispielsweise durch die Verringerung der (Re-)Hospitalisierungsrate. Die größere Unabhängigkeit der Patienten von medi­ zinischen Versorgungseinrichtungen verbessert ihre Lebensqualität. In Deutschland existiert eine Vielzahl telemedizi­ nischer Modelle in der Patientenversorgung:

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• Im diagnostischen Bereich, insbesondere im statio-

nären Sektor, stehen die teleradiologischen Vernetzungen im Vordergrund. • In der Akutversorgung etablieren sich Traumanetzwerke, die die Versorgung von Schwerverletzten organisatorisch verbessern. • Im internistischen Fachbereich dominieren die kardiologischen Telemedizinanwendungen. Das Potenzial einer konsequenten Digitalisierung des Gesundheitswesens wird alleine in den USA auf 77 Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt. Telemedizin trägt durch umfassende und durchgängige Informa­ tion zur Qualität der medizinischen Betreuung bei.

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Medizintechnische Lösungen für mehr Effizienz im Gesundheitssystem

Medizintechnik und IT wachsen zusammen. Operationsverfahren werden durch moderne, minimalinvasive medizinisch-technische Verfahren immer schonender, computerassistierte Navigation unterstützt Chirurgen bei komplizierten Operationen. Nanotechnologien und Biotechnologien werden immer mehr eingesetzt.

Telemedizin • Überwachung von EKG, Blutdruck, Gewicht, Blutzu-

cker, Blutgerinnung durch diagnostische Implantate • Übertragung der Daten über offene Schnittstellen

und Standards direkt in die elektronische Gesundheitsakte Interventionelle Medizintechnologien

Der Bundesverband Medizintechnologie e.V. sieht die wesentlichen Trends der „Medizintechnik 2020“ in den folgenden Technologiefeldern, die einerseits unterstützende Technologien mit starkem Bezug zur IT beschreiben – und andererseits Techniken der direkten medizinischen Patientenversorgung durch OP und Therapie:

• Endoskopie und Laparoskopie, vor allem NOTES

(Nutzung der natürlichen Körperöffnungen) • Navigierte Biopsie, bildgestützte Interventionen • Roboter-assistierte Interventionen oder steuerbare Multifunktions-Katheter Zell- und Gewebetechnik (Haut, Knorpel, Knochen, etc.)

IT – Information und Kommunikation der

• Blutgefäß-Konstrukte

nächsten Generation

• Mitwachsende Herzklappen

• Digitale Patientenakten mit weltweitem Zugang

• Unterstützung respektive Ersatz von Organen:.

• Prozessoptimierung und Workflow-Management • Wissensbasierte Unterstützung für Ärzte

Niere, Leber, Pankreas („closed loop“ mit Blut­ zuckermessung und kontrollierter Insulinabgabe)

• Zweitmeinungen durch Wissensmanagement • Computerassistierte Diagnostik und Therapie­

planung

Neuroengineering • Sensorische Funktionen wie Cochlear- oder Retina-.

Implantate Bildgebende Verfahren

• Muskelstimulation bei Lähmungen

• MRT mit quantitativer Bildgebung respektive funk-

• Intelligente Prothesen

tionaler Darstellung, beispielsweise des Blutstroms in der Aorta oder der Nervenbahnen im Gehirn • Molekulare Bildgebung zur Abbildung von Zellen und zur Früherkennung von Krankheiten mithilfe von fluoreszierenden Markern • Entwicklung von neuen Methoden des Magnetic Particle Imaging, Multiwave Imaging, Impedance Imaging, des Phasenkontraströntgens, der optischen. Bildgebung oder der Abbildung bioelektrischer Quellen

• Schlaganfall-Therapie durch computerunterstützte

Neuroplastizität • Neurostimulation bei Parkinson, Epilepsie oder

Depression Mögen sich manche dieser Trends für Patienten, Versicherte oder sonstige Interessierte abstrakt anhören, so gibt es doch eine ganze Reihe von in der Entwicklung oder in der Reifephase befindlichen Techniken, die schon bald auf breiter Basis die Erfahrungen von

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Patienten, den Alltag von Ärzten und auch die Beziehung zwischen Versicherten und ihren Kranken­ kassen durchaus verändern können.

Leistungen stehen papierlos für medizinische Dokumentationen und Qualitätssicherungsprogramme zur. Verfügung.

Im Folgenden haben wir einige dieser Beispiele bereits existierender Entwicklungen herausgegriffen, um zu skizzieren, wie die Healthcare-Welt 2020 in Teilbereichen wahrscheinlich aussehen wird.

Patienten Avatar in 3-D

TECHNIKEN ZUR UNTERSTÜTZUNG DES GESUNDHEITSSEKTORS (KLINiK – ARZT – PATIENT – KRANKENKASSE) Techniken zur Unterstützung von Ärzten und

Ein Avatar, die 3-D-Nachbildung eines menschlichen Körpers, erlaubt Ärzten, das umfassende Krankheitsbild ihrer Patienten abzubilden. Ein Mausklick auf die entsprechende Stelle der 3-D-Abbildung zeigt dem Arzt alle hier relevanten Daten seines Patienten. Klagt ein Patient über Rückenschmerzen, reicht ein Klick auf den Avatar, um die Informationen zur Wirbelsäule des Patienten als Text oder medizinisches Bild anzuzeigen.

Pflegepersonal Mobiles EKG-System

Cloud-Konferenzen

Das mobile EKG-System ermöglicht die prä-hospitale Diagnose bei Herzinfarktpatienten. Daten werden von einem mobilen EKG über ein Smartphone zur Datenbank der Klinik übermittelt. So kann der Arzt schon vor dem Eintreffen des Patienten weiterführende Maßnahmen vorbereiten und mit den Kollegen im Rettungswagen sofortige Maßnahmen absprechen (Mobiles EKG-System – Corscience GmbH & Co. KG, Deutschland).

Fachärzte der Hamburger Asklepios Klinik tauschen sich in regelmäßigen Tumorkonferenzen mit einer kooperierenden Klinik über besonders schwierige Fälle per Videokonferenz aus. Die Experten sparen sich lange Reisewege und sind trotz großer Entfernungen in der Lage, sich zu sehen und gemeinsam Röntgenbilder zu bewerten (Expertenkonferenz in der Cloud – Asklepios Klinik Hamburg Barmbek). Klinik-Organisation über SMS

RFID-Systeme in der Notaufnahme

RFID und drahtlose Prozessbegleitung optimieren die Patientenführung und -versorgung sowie die Lokalisierung der Patienten innerhalb des Notfallaufnahmebereichs des Krankenhauses. Dazu werden nicht nur die Patienten, sondern auch alle medizinischen Geräte und die Tablet-PCs der Ärzte mit RFID-Tags zur Geolokalisierung ausgestattet. RFID-Systeme in der Leistungsdokumentation

Ein PDA (Personal Digital Assistant) und der Einsatz drahtloser Funktechnologien ermöglichen die komplette digitale Leistungsdokumentation von Unter­suchungen, Labor, Therapien, Diagnostik, Pflege sowie Heil- und Hilfsmitteln. Durch berührungslose Erkennungstechnologie werden Patienten automatisch registriert und Daten präzise dokumentiert. Daten über alle erbrachten und nicht erbrachten

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Ein SMS-Dienst verkürzt Wartezeiten in Krankenhäusern. Über eine Cloud-Service-Plattform verbindet MedAble drei Zielgruppen: Ärzte, Apotheken und Patienten. Die Anwendungen vereinfachen Ärzten und Patienten die Terminkoordination. Entscheidungsunterstützung bei medikamentöser Therapie

Die Ergebnisse internationaler Studien weisen darauf hin, dass unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Medikationsfehlern in den Industriestaaten vermutlich mehr Menschen zum Opfer fallen als im Straßenverkehr. Unter dem Begriff Medikationsfehler subsumieren sich im Allgemeinen vermeidbare Regelverstöße bei der Verordnung, der Abgabe und Zubereitung sowie der Verabreichung und Einnahme von Arzneimitteln. Systeme zur elektronischen Verordnungsunterstützung tragen zurVerringerung von unerwünschten

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Arzneimittel­wirkungen bei, verhindern Medikationsfehler und damit Folgeschäden und -kosten. Darüber hinaus werden doppelte Rezeptausstellungen oder die unnötige Verschreibung teurer Medikamente vermieden. IT-Systeme zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit leisten daher einen relevanten Beitrag zur Sicherung der Lebensqualität von Patienten und zur Kostensenkung.

denstellenden Ergebnissen: ROBODOC ist ein angepasster Industrieroboter, der rechnergestützt die zur Implantation von künstlichen Hüftgelenken notwendigen Fräsungen des Knochens vornimmt. Eine Studie des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (2004) stellt die Zuverlässigkeit und Tauglichkeit des Verfahrens in Frage; Patienten klagten auf Schmerzensgeld. Pflegeroboter für Krankenhaus und Pflegebereich

Die computerbasierte Verordnungsunterstützung wird oft mit klassischen Computerized-PhysicianOrder-Entry-Systemen (cPOE) gekoppelt und unterstützt die klinische Entscheidungsfindung des Therapeuten.

Ob Gehhilfe für gelähmte oder bewegungsbehinderte Menschen, Koordinations- und Bewegungshilfe oder Hebeapparat, ob bettlägerige Menschen umzubetten und zu transportieren – Roboter sollen die Altenpflege revolutionieren.

Implantat-Thermometer

• Forscher des Georgia Institute of Technology ha-

Ein Mikrochip misst nach Implantierung die Körpertemperatur; RFID-Technologie sendet die Werte an ein externes Lesegerät. Dieses Frühwarnsystem soll spe­ziell bei Patientengruppen mit schwachem Immunsystem zum Einsatz kommen.

ben „Cody“ entwickelt, der bettlägerige Patienten wäscht. „Cody“ ist ein etwa mannshoher Roboter mit einem humanoiden Torso und zwei Armen. • Der Pflegeroboter „Hospi“ ist eine Entwicklung des japanischen Elektronikkonzerns Panasonic. Er soll in Krankenhäusern oder bei der Kommunikation zwischen Arzt und Patient als Assistent eingesetzt werden. In Modellversuchen verteilte „Hospi“ in Kliniken Medikamente von der Krankenhaus­apotheke auf die Stationen. • Auch der Autohersteller Toyota hat eine DreierSerie von Pflegerobotern vorgestellt.

Ähnliche Systeme zur Messung von Glukose-Werten von Diabetes-Erkrankten sind geplant (PositiveID Corp., USA). Implantat-Chip

Medizintechniker der Technischen Universität München haben einen implantierbaren Chip entwickelt, der das Wachstum von Tumoren im Körper überwacht. Ein Sensor misst die Konzentration an gelös­ tem Sauerstoff im Gewebe. Sinkt der Sauerstoff­ gehalt, wächst der Tumor oder wird aggressiv. Die Daten werden per Funk an den Arzt geschickt, der die Therapiemethode festlegt. Diese Überwachung wird eingesetzt, wenn eine sofor­tige operative Entfernung des Tumors große Risiken birgt oder bei älteren Menschen die Lebensqualität mindern würde. OP-Roboter

Zur Steigerung der Effizienz im Gesundheitswesen kommen bereits Operationsroboter zum Einsatz. Jedoch noch geschieht dies nicht immer mit zufrie-

Der Markt in den alternden Gesellschaften ist riesig – die zu lösenden Probleme vor dem Einsatz von Robotern allerdings auch. Der Alltag ist vielfältig, ständig gibt es unvorhergesehene Situationen. Praktische, ethische oder auch rechtliche Fragen stellen sich. Wann darf ein Roboter handeln, ohne dass er den ausdrücklichen Befehl dazu hat? Wann darf er einen Fehler eines Menschen ohne explizite Weisung korrigieren? Wie steht es um die Sicherheit? Wer haftet bei Schäden? Fachleute rechnen nicht damit, dass der Durchbruch zum Massenprodukt für Pflegeroboter schnell kommt. Die Technik sei meist nicht genug ausgereift und auch zu teuer.

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Vielleicht sollte die Vision der Pflegerobotik sich aber nicht an einem quasi-denkenden Androiden orientieren, sondern an einer unterstützenden Apparatur, die zum Beispiel bettlägerigen Patienten leicht helfen kann. Roboter in den Fertigungsstraßen der Automobilindustrie werden ja auch nicht mit Androiden – also Robotern, die einem Menschen täuschend ähnlich sehen und sich menschenähnlich verhalten – verwechselt. Der Medical Content Manager

Der Medical Content Manager (MCM) ist eine Man­ agement- und Archivierungslösung für Dienstleister und Organisationen im Gesundheitswesen. Er wird über Standardschnittstellen an Krankenhausinformationssysteme angeschlossen und erlaubt den medienbruchfreien Zugriff auf medizinische Informationen, einschließlich datenintensiver Inhalte wie Bilder, Röntgenaufnahmen oder Video- und Audioaufzeichnungen. Patientenakten stehen vollständig online zur Verfügung. Ärzte erhalten zeit- und orts­ unabhängigen Datenzugriff, können die aktuellsten Testresultate einsehen und Therapien oder Rezepte verschreiben. Der MCM unterstützt die Umwandlung von Papier in elektronische Dokumente.

bekommen. Der „elektronische Fitnessbegleiter“ besteht aus einem Sensoranzug, der Bewegungen erfasst und Mess-Ergebnisse an einen Fernseher, Computer oder auf ein Smartphone sendet. Letzteres zeigt Messwerte an, meldet Trainings­erfolge und leitet die Übungen an. Die von einem Arzt auf die Person zugeschnittenen Übungen werden von einem Avatar auf dem Fernseher vorgeführt, der in Echtzeit die Gymnastik des Nutzers korrigieren kann. Die Atmung wird von einem T-Shirt kontrolliert. Das Gesundheitsbuch

Das Gesundheitsbuch ist eine Softwarelösung, mit der Senioren wichtige Daten wie Blutdruck, Blutzucker und das Gewicht digital erfassen. In einer Notsitua­tion reicht eine Berührung, um eine Benachrichtigung per SMS oder E-Mail auszulösen. Im Notfall können Angehörige, Ersthelfer oder Ärzte wichtige Informationen einsehen, wenn der Nutzer nicht ansprechbar ist. Beispielsweise Familienmitgliedern können Zugriffsrechte auf die Gesundheitsdaten gestattet werden und diese sich jederzeit im digitalen Gesundheitsbuch über das Befinden des Angehörigen informieren (gfnmediber, Deutschland).

Grid-Archivierung

Grid-Storage-Management-Software ermöglicht über. Standardschnittstellen die Bereitstellung eines übergreifenden Archivierungssystems. Insbesondere ge­ stattet sie unterschiedlichsten, auf mehrere Stand­ orte verteilte PACS-Systeme (Picture Archiving and Communication System) Zugriff auf eine sichere Archivinfrastruktur und hilft der Healthcare-IT bei der Bewältigung des exponenziellen Wachstums medizinischer Daten. Techniken zur Unterstützung von Versicherten und Patienten Das Handy als Fitnesstrainer

Das Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen hat ein intelligentes System entwickelt, mit dem vor allem Senioren Hilfestellungen bei Fitnessübungen

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Intelligenter Arzneischrank

Forscher der Universität Stuttgart haben einen Arzneischrank entwickelt, der automatisch den Inhalt verwaltet und die Einnahme von Medikamenten sowie mögliche Unverträglichkeiten des Nutzers überwacht. Der Schrank enthält einen Mikrocontroller, auf dem die Patientendaten und Rezepte gesammelt werden. Über optische Signale und die Sprachausgabe erfährt der Nutzer, wann er welche Medikamente einnehmen muss und ob er sie verträgt. Davon profitieren insbesondere sowohl ältere Menschen als auch alle anderen, die eine Vielzahl von Tabletten einnehmen müssen (Universität Stuttgart, Deutschland).

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eHealth-Portal sundhed.dk (Dänemark)

Techniken zur Kooperation zwischen

Über dieses nationale Portal haben dänische Ärzte seit 1993 Zugriff auf webbasierte elektronische Patientenakten. Mittlerweile werden in dem System rund 2,2 Millionen Akten verwaltet. Über 3.500 angeschlossene Einrichtungen und Organisationen des Gesundheitswesens tauschen hier auf kürzestem Wege Rezepte, Laborbefunde und Krankheitsver­ läufe aus.

Krankenkassen und ihren Kunden

Ärzte und Patienten haben eine eindeutige elektronische Identität und können mit einem Passwort auf die Daten zugreifen. Mit einer elektronischen Signatur wird jeder Zugriff protokolliert. Der Patient hat so jederzeit die Kontrolle darüber, wer seine Daten einsieht. Vor allem in den Bereichen Labor und Röntgen werden unnötige Doppeluntersuchungen vermieden.

Patienten-Beziehungsmanagement

Die gesetzlichen Kassen (und auch die privaten Krankenversicherungen) werden sich intensiver mit ihren Mitgliedern beschäftigen – und sie als „Kunden“ begreifen müssen. Die Ersatzkasse DAK hat viele Einzelmaßnahmen getroffen, um eine umfassende Sicht auf ihre Kunden (Kundenprofil) zu gewinnen und Kundenkontakthistorien aufzubauen. Die Maßnahmen umfassen die Erarbeitung und Umsetzung neuer Vertriebsstrategien; die Verfeinerung des Controllings – operativ und analytisch mit einem Fokus auf Qualitätssteigerung, Leistungskostensteuerung und Kundenzufriedenheit; die Einführung neuer Versorgungsformen mit einzelvertraglichen Beziehungen zu den Leistungserbringern; den Ausbau des Fallmanagements und den Aufbau eines Customer Relationship Managements.

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Zukunft für Healthcare: Eine (fiktive) Patientenerfahrung im Jahre 2020 Neue Spieler drängen auf den Markt, Sektoren sind zunehmend verzahnt

Apps

Portale

m-Health

Patienten

e-Rezepte

▪▪ Mehrwert-Services-Anbieter ▪▪ Apothekenketten, Versandapotheken ▪▪ Spezialvertrieb

Decision Support e-Leitlinien

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e-Patientenakte

Real-Life-Daten

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Leistu ngs erb ri

▪▪ Netzwerke ▪▪ Spezialisierte Zentren ▪▪ Low-Cost Kliniken

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tech Med / a rm

Ph a

▪▪ Gut-Genug-Anbieter ▪▪ Health Nutrition ▪▪ CROs, CMOs, CSOs*

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ic h

*Auftragsentwickler, Auftragsfertiger, externe Vertriebsorganisationen

▪▪ Gesundheitsmanager ▪▪ Integriert Managed Care-Anbieter Grau = Healthcare-IT

Abbildung 24: Zukunftsvision der intersektoralen Vernetzung im Gesundheitswesen Quelle: Bain & Company

Die Summe der Neuerungen der Informations- und Kommunikationstechnologie kann die Effizienz des Gesundheitssektors wesentlich erhöhen, indem sie dafür sorgt, dass knappe und teure menschliche und technische Ressourcen optimal eingesetzt werden. Ansätze und auch konkrete Beispiele wurden bereits geschildert – allerdings in einer Einzelbetrachtung und isoliert.

und vor allem benutzerfreundlicher gestaltet werden kann? Diesen und weiteren Fragen sind die Studenten der FH Flensburg nachgegangen und haben ihre Visionen von einer zukünftigen Gesundheitsversorgung im Rahmen der Innovationsinitiative „Chancenrepublik Deutschland, GesundheIT! – eHealth als Chance“ für das Gesundheitswesen von morgen in Szenarien dargestellt. Auftraggeber und Unterstützer dieses Studentenprojekts war Microsoft.

Wie sieht aber die medizinische Versorgung der Zukunft in einer Gesamtschau aus? Welchen Beitrag können moderne ICT-Technologien leisten, damit unser Gesundheitssystem effizienter, transparenter

Im Folgenden verwenden wir veränderte Auszüge dieser Szenarien für eine zwar nicht durchgängige, aber richtungsweisende Beschreibung für Healthcare 2020.

RICHTUNGSWEISEND!

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WIE ES 2020 SEIN KÖNNTE – EPISODEN AUS DEM PATIENTENDASEIN VON HERRN CASTORP Eine permanente Kontrolle der Vitalwerte gibt persönliche Sicherheit

Ganz gesund fühlt sich Hans Castorp in der letzten Zeit nicht mehr! Aber das ist auch kein Wunder, denn jetzt im Jahre 20xx gehört er zur Mehrheit der Bevölkerung – und damit nicht mehr zu den Jüngsten. Zwar hat er auch im mittleren Alter bereits auf seine persönliche Fitness geachtet und an den entsprechenden Programmen seiner gesetzlichen Krankenkasse teilgenommen, aber Alterungserscheinungen lassen sich nicht verkennen. Das ist auch ein Grund dafür, dass er ein elektronisches Gesundheitsbuch mit wichtigen Daten pflegt, Blutdruck, Blutzucker und das Gewicht sorgfältig digital erfasst. Manche seiner Vital-Parameter werden sogar direkt über Sensoren in das nationale Gesundheitsportal übertragen: Seine patientenspezifischen Daten werden durch Anwendungen ermittelt, die auf einem Smartpad installiert sind. So werden Blutdruck und Puls durch einen Smartpadsensor, die Lungenfunk­ tion durch die Sensorik, das Gewicht durch eine in das Smartpad integrierte Waage und der Blutzuckerwert vom Gerät gemessen.

Bei der Überschreitung von kritischen Grenzen werden die Werte – selbstverständlich erst nach Castorps grundsätzlicher Freigabe – situationsabhängig an die von ihm gewählten niedergelassenen Ärzte, Apotheken, Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen, Krankenkassen oder mobilen Pflegedienste übertragen. Stellt das System des Health Medical Center einen Wert im kritischen Bereich fest, informiert es Hans Castorp und verbindet ihn über ein Assisted Global Positioning System mit dem nächstgelegenen Arzt, Krankenhaus oder Apotheke für die bestmögliche Versorgung. Verwaltung ist einfacher geworden

In diesem Falle ist es Herrn Castorps Hausarzt, der sich schon seit einiger Zeit Sorgen um seinen Bluthochdruck macht. Zwar kennen sie sich seit Jahren, aber erst im Jahre 20xx ist der Zugang zu den Leistungserbringern im Gesundheitssystem elektronisch administriert: Zur Authentifizierung nutzt Herr Castorps Arzt ein Eye Recognition System, das den Zugang zur Health-Cloud und zu den Abrechnungssystemen ermöglicht. (Die Nutzung von Gesundheitskarten, Heilberufsausweisen mit persönlichen Identifikationsnummern und qualifizierten Signaturen hatten sich im praktischen Bereich in den letzten Jahren als zu umständlich herausgestellt.) Haus- und Fachärzte kümmern sich gemeinsam um den Patienten – gleichzeitig

Im Notfall greifen automatische Mechanismen des Gesundheitssystems

Herr Castorp hat auch – im Gegensatz zu anderen – seine datenrechtliche Einwilligung gegeben, dass alle seine Patientendaten aus dem persönlichen Gesundheitsbuch in das Health Medical Center des nationalen Gesundheitsportals übertragen werden. Im Health Medical Center laufen kontinuierlich sämtliche seiner Patientendaten, auch die seiner ärztlichen Untersuchungen, zusammen und stehen den autorisierten Beteiligten des Behandlungsprozesses jederzeit zur Verfügung.

Wegen Herrn Castorps zu hohem Blutdruck und anderer Komplikationen hatte sein Hausarzt bereits Untersuchungen durchgeführt. Für weitere Schritte benötigt er allerdings die Meinung eines außerörtlichen Kardiologen, der nun per Videokonferenz zugeschaltet wird. Mittels eines dreidimensionalen Hologramms von Hans Castorps Herzen werden ihm die Probleme veranschaulicht und mögliche Therapien gemeinsam besprochen. Teure und zeitintensive Doppeluntersuchungen, unvollständige Korrespondenz zwischen Hausarzt und Facharzt, das Warten auf einen weiteren Termin und lange Anfahrtswege zum Facharzt entfallen.

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Der Hausarzt verordnet Herrn Castorp zunächst ein anderes blutdrucksenkendes Mittel und speichert das entsprechende Rezept auf seiner Gesundheitskarte. Per Internet-Rezept leiten sie es an die bevorzugte Online-Apotheke weiter, während Hans Castorp nun zuhause ein individuelles Trainingsprogramm unter Anleitung des Avatars seines Smartphones durchführt. Am Nachmittag liefert ihm ein Medi-Bote des Online-Apothekennetzes das Medikament. Herr Castorp nimmt die verordneten Tabletten ein und übermittelt seine Vital-Daten zweimal täglich per integrierter Datenübertragung über die Health-Cloud an seinen Hausarzt. Nach zwei Wochen besprechen die beiden den Verlauf persönlich und entscheiden über das weitere Vorgehen. Der Arzt rät Herrn Castorp angesichts der dauerhaften Herz-Kreislauf-Probleme zu einem Tele-Monitoring-Projekt, um Klarheit über die Entwicklung des Krankheitsbildes zu gewinnen. Herr Castorps Krankenhausaufenthalt wird einfacher und führt schneller zur Heilung

Klarheit erhält er nach einigen Tagen durch die Auswertung der gesammelten Daten und ein erneutes Gespräch mit seinem Hausarzt und zugeschaltetem Facharzt. Eine Operation ist unvermeidlich. Zum Glück weiß der angehende stationäre Patient aus Erfahrungen seines Bekanntenkreises, dass Klinikaufenthalte angenehmer und effizienter sind als früher. Ein Patient Coordination System (PCS) vereinfacht im Jahr 20xx die Aufnahme, den Behandlungsablauf und die Entlassung der Patienten im Krankenhaus. Die klassische Patientenaufnahme ist durch eine Online-Aufnahme ersetzt. Castorp checkt online mithilfe der Daten seiner Smart-Gesundheitskarte ein, wobei seine aktuell gespeicherten Gesundheitsdaten, Abrechnungsinformationen und bevorzugten Verpflegungswünsche direkt an das vom Krankenhaus betriebene Patient Coordination System gesendet werden.

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Automatisierte Prozesse innerhalb der IT-Infrastruktur des Krankenhauses lösen den Versand eines Klinik-Aufnahmepakets an Herrn Castorps Privatadresse aus, das ein elektronisches Patientenarmband und die wichtigsten Informationen wie Einverständniserklärungen oder Speisepläne für den Zeitraum ihres Aufenthalts enthält. Das Herrn Castorp zugeschickte RFID-Armband misst später im Krankenhaus seine Vitalwerte wie Puls, Körpertemperatur, Herzfrequenz – ohne die Pflegekräfte in Anspruch zu nehmen – und leitet sie kabellos regelmäßig an das Patient Coordination System weiter. Da jede Abteilung des Krankenhauses, sämtliche Ärzte, aber auch Herr Castorp selbst Zugriff auf die Daten des Patient Coordination System haben, stehen Untersuchungsergebnisse und Messwerte am aktuellen Ort der Behandlung zur Verfügung, verkürzen Wartezeiten, vermeiden Doppeluntersuchungen und gestalten seinen Krankenhausaufenthalt wesentlich flexibler. Die Funktionsabteilungen und Stationen im Krankenhaus können die Untersuchungen besser aufeinander abstimmen, Wartezeiten und Leerläufe der Abteilungen werden vermieden. Aber auch mit Herrn Castorps Zeit wird hierdurch rücksichtsvoller umgegangen. Er kann seinen Tagesablaufplan und seine Befunde jederzeit abrufen – zur Erläuterung des medizinischen Fachvokabulars greift er auf Online-Hilfen zurück, die ihm auch bei komplexen Sachverhalten ein konkretes Bild vermitteln. Bei Hans Castorps Herzoperation kommen Operationsroboter der dritten Generation zum Einsatz. Die Wundheilung wird später durch fortschrittliche Zellund Gewebetechnik unterstützt, die Haut, Knorpel und Knochen schnell regenerieren lassen. Castorp übersteht seine Operation gut. Nur solange wie nötig im Krankenhaus: HomeCare

Nach nur wenigen Tagen vereinbaren seine Ärzte mit ihm, dass der Rest des Genesungsprozesses über

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HomeCare bei ihm zuhause stattfinden kann. Um eine nahtlose Versorgung zu gewährleisten, hat der Fallmanager die benötigten Termine bei Herr Castorps Physiotherapeuten bereits gebucht. Seine elektronischen Rezepte für Medikamente und Hilfsmittel wurden direkt vom Krankenhaus an seine StammApotheke und das Sanitätshaus gesendet und direkt ausgeliefert. Mit der Entlassung werden – nach Freigabe durch Herrn Castorp – seine Daten automatisiert an seinen lokal weiterbehandelnden Facharzt übertragen. Gleichzeitig nimmt ihn das Krankenhaus in ein post-operatives Programm auf, das Übungen und tägliche Video-Besprechungen mit seinem RemotePfleger vorsieht. Sobald Hans Castorp wieder zu Hause ist, beginnt diese Behandlung in seinem gewohnten Umfeld. Alle für die Weiterversorgung relevanten Daten werden in seiner persönlichen Gesundheitsakte, dem Personal Health Record, gespeichert und stehen ihm und seinen Vertrauten zur Verfügung. Müsste er einmal einen anderen Arzt besuchen oder weitere Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen, so könnte er diesen zeitlich begrenzten Zugang zu seiner Patientenakte gewähren und mit allen relevanten Fallinformationen versorgen. Herrn Castorps Hausarzt, das Health Medical

der Herrn Castorp nach seiner Herzoperation implantiert wurde, alarmierte den Arzt wegen beunruhigender Messwerte des neuen Herzens. Wir hätten die Geschichte gerne gut ausgehen lassen Das ernste Gespräch mit seinem Hausarzt und Videokonsultationen weiterer Fachärzte lässt Herrn Castorp zu dem Schluss kommen, dass er kürzertreten muss. Absehbar wird er dauerhaft auf Hilfe im Haushalt und bei der Pflege angewiesen sein. Nun hat der vor langen Jahren bereits eingesetzte demografische Wandel nicht nur zu einem Anstieg der Pflegefälle geführt, sondern auch zu einem zunehmenden Mangel an Pflegefachkräften. Jedoch wurden mittlerweile andere Mittel und Wege gefunden, insbesondere alten und chronisch kranken Menschen wie nun Herrn Castorp den Alltag zu erleichtern und ihnen so lange wie möglich zu einem selbststän­digen und selbstbestimmten Leben in ihrer gewohnten Umgebung zu verhelfen. Mithilfe von vernetzten Diagnose- und Assistenzsystemen in Hans Castorps eigenen Wohnung kann er gut, intensiv und kosteneffizienter betreut werden. Sensoren in der Wohnung regeln die Beleuchtung, registrieren seine Bewegungen und rufen im Notfall elektronisch Hilfe. Sensoren in seiner Funktionswäsche überwachen den Schlafrhythmus und eine Reihe von Vitalfunktionen.

Center und seine Messwerte sorgen sich um ihn

Herrn Castorps Rekonvaleszenz sieht einige Wochen lang gut aus. Kaum Beschwerden, das Versorgungsprogramm des Krankenhauses bekommt ihm gut und die Kontrolle seiner Vitalwerte gibt ihm ein gutes Gefühl.. Wegen seiner bereits erteilten Datenfreigabe und seiner eigenen Identifikation durch den elektronischen Heilberufsausweis kann der Hausarzt die jeweils aktuellen Messergebnisse einsehen. Eine MonitoringSoftware stellt sicher, dass er Hans Castorps Werte zuverlässig überwacht. Nach einiger Zeit jedoch sendet sein Hausarzt ihm eine dringende Terminanfrage auf sein Smartphone! Der Vitalfunktionsmesschip,

Sein intelligenter Arzneischrank versorgt Herrn Castorp mit entsprechender Medikation, erinnert ihn an die Einnahme, schließt eine Übermedikation aus und bestellt selbstständig bei der Apotheke nach. Herr Castorps Telemedizinschwester erkundigt sich täglich per Hologramm-Meeting nach seinem Zustand, gibt Verhaltensratschläge aufgrund seiner übermittelten Gesundheitswerte und nimmt Wünsche auf. Dank des Notfallchips wissen auch seine nächsten Angehörigen und Betreuer immer, wo er gerade ist und wie es ihm geht.

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Fachbeiträge und Interviews

AGFA HEALTHCARE

»Betreiberleistung 2020« BOOZ & COMPANY

»Fähigkeiten-orientierter Strategieansatz für B2B-Dienstleistungen im Gesundheitswesen 2020« INTERSYSTEMS

»Informationsmanagement als strategischer Faktor der Klinikführung: Analyse-Werkzeuge – von der Vision zur Anwendung« »Vernetzung im Gesundheitswesen – Landesweite und regionale elektronische Gesundheitsakten. sind in Europa auf dem Vormarsch« KIENBAUM

»Das Gesundheitswesen 2020« Deutsche Telekom AG

»Der Vernetzung gehört die Zukunft« »Interoperabilität – Grundstein für vernetzte Medizin« VIVAI Software AG

»www.Kliniken.de und der Kampf um die Talente im Gesundheitsbereich«

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Agfa Healthcare

Betreiberleistung 2020

Dieter Nels, Geschäftsführer Agfa Healthcare Im Gesundheitswesen ist das seit etwa den 1980er Jahren zunehmend aufkommende Outsourcing von IT-Services seit vielen Jahren gelebte Praxis. Die outgesourcten IT-Services umfassen typischerweise Betreiberleistungen in den folgenden Bereichen:

1. Software Update Services (Infrastruktur und. Applikationen) 2. Hosting von Applikationen 3. System Management Services (Überwachung und Administration der Systeme) 4. Connectivity Services (z.B. WAN) 5. Hardware Management Services (HW-Bereitstellung, Übernahme der Wartung) 6. Data Center Service (Ausfall- und Sicherheits­ konzepte, Planung Energieversorgung) 7. Network Management 8. Mögliche weitere Services (Service-Level-Man­ ager, 24x7 Stunden Service, Reporting, etc.) Ziel eines solchen Ansatzes ist es, Dienstleistungen, die die Klinik-IT nicht als ihr Kerngeschäft in Bezug

Abbildung 25: AMS: Leistungsspektrum Quelle: Agfa HealthCare, Dr. Christian Kunz

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auf den Versorgungsauftrag ansieht, an externe Partner zu vergeben. Zur Definition der Leistungen und deren Güte wird auf Basis der von Auftragnehmer und Auftraggeber gemeinsam erarbeiteten Kundenanforderungen ein Service-Level-Agreement (SLA), das heißt ein Vertrag zwischen Auftraggeber und -nehmer über wiederkehrende Services, vereinbart. Die einzelnen Komponenten des SLA können zum Beispiel nach Bedarf aus einem modularen Servicekatalog des Anbieters ausgewählt werden. Somit gelingt es, unter Verwendung von Standardkomponenten ein individuelles, kundenspezifisches, aber in der Erbringung standardisiertes Leistungspaket zu schnüren. WARUM WIRD EINE DIENSTLEISTUNG, DIE SEIT JAHRZEHNTEN ANGEBOTEN WIRD, AUCH ALS TRENDTHEMA FÜR DAS JAHR 2020 HERVORGEHOBEN?

Sehr häufig genannte Gründe für ein Outsourcing sind die Planbarkeit und Reduktion von Kosten sowie die Risikoverlagerung auf den Dienstleister. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung fällt es auch dem Gesundheitssektor immer schwerer, quali-

Abbildung 26: Agfa Managed Service Katalog und SLA Quelle: Agfa HealthCare

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fiziertes Personal zu akquirieren. Der damit einhergehende Fachkräftemangel spiegelt sich auch in den IT-Abteilungen der Krankenhäuser wider. Durch das Outsourcing von Routinetätigkeiten können die ITAbteilungen wirksam entlastet werden und sich der optimalen Unterstützung der Krankenhausprozesse durch IT widmen. Die dadurch zu erzielenden Effizienzsteigerungen im ärztlichen, pflegerischen und administrativen Bereich sollten die Kosten des Outsourcing übersteigen. Gerade standardisierte Leistungen können durch externe Dienstleister häufig kostengünstiger erbracht werden, da diese die Möglichkeit haben, Skaleneffekte (z.B. Spezialisierung von Ressourcen) zu erzielen. Auch steigende Anforderungen des Gesetzgebers wie Datenschutzregeln oder die Umsetzung der Bestimmungen des Medizinproduktegesetzes führen zu immer komplexeren Anwendungen, für deren Beherrschung ein immer breiteres Wissen Voraussetzung ist. Gerade bei administrativen Tätigkeiten, die nicht täglich angewendet werden, ist es für die Krankenhäuser schwierig, dieses Wissen in ausreichender Qualität vorzuhalten.

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Der Konsolidierungsprozess im Krankenhausmarkt schreitet immer weiter voran; im Jahr 2020 wird das alleinstehende Kreiskrankenhaus, welches nicht im Besitz eines zumindest regional agierenden Trägers ist, endgültig der Vergangenheit angehören. In diesen Gebilden ist der standardisierte Roll-Out von IT Leistungen (z.B. Software-Updates) eine zwingende Voraussetzung dafür, dass jedem Nutzer die gleiche Software an jedem möglichen Ort zur Verfügung steht. Eine weitere Herausforderung ist die Speicherung der stetig wachsenden Daten- und Bildmengen in der bestehenden Hardware-Landschaft. Diese muss ständig angepasst und überwacht werden, sodass hier keine Engpässe entstehen, die den klinischen Ablauf empfindlich stören können. In diesem Zusammenhang spielt sicherlich auch die Verfügbarkeit der Systeme eine wichtige Rolle. Je digitaler die Krankenhäuser organisiert sind, desto relevanter ist die Verfügbarkeit der eingesetzten IT-Systeme. Selbst geplante Wartungsfenster stellen bereits einen empfindlichen Eingriff in die klinischen Prozesse dar.

Insgesamt müssen für die Erbringung von IT-Dienstleistungen Qualitätsstandards geschaffen werden, etwa durch die Zertifizierung der Organisation nach DIN ISO 20000 sowie ITIL konforme Arbeitspro­ zesse. Jedoch sind diese Zertifizierungen respektive Prozesse sehr zeitaufwändig und kostenintensiv und deshalb für kleinere IT-Abteilungen nur sehr schwer zu realisieren. Externe Dienstleister können diese Kosten auf mehrere Kunden verteilen und so die geforderten Standards erreichen und fortführen. Sie haben auch die Möglichkeit, die implementierten Prozesse durch einen ständigen Review bei einer Vielzahl von Kunden (Service Improvement Plan) zu optimieren. Die unten skizzierten Gründe machen deutlich, warum ein so „klassisches“ Thema auch ein Thema der Zukunft sein wird. Die Darreichungsformen des Betreiberansatzes ändern sich allerdings immer wieder – so ist derzeit das Thema „IT Cloud“ in aller Munde. Bei der Speicherung der Daten in einer „Cloud“ weiß der Anwender nicht, wo seine Daten physisch liegen. Die Anwendung des Cloud-Ansatzes im Gesundheitswesen wi-

Abbildung 27: Service Improvement Program Quelle: Agfa HealthCare

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derspricht daher nach Ansicht vieler Experten dem derzeit gültigen Datenschutzgesetz. Einen möglichen Ausweg könnten neue Sicherheitstechnologien und Verschlüsselungstechniken aufzeigen, die eine datenschutzkonforme Speicherung erlauben. Bis dahin sind mögliche Cloud-(Teil-)Ansätze mit gemeinsamer Nutzung der IT-Komponenten ohne persistente Datenspeicherung, wie Terminal Server, Local Area Networks oder Storage Area Networks, denkbar. Hierbei muss jedoch die eingesetzte Soft­ware die Skalierbarkeit entsprechend unterstützen (strikte Mandantentrennung). WELCHE WEITEREN THEMEN DES ANGEBOTS VON IT-DIENSTLEISTUNGEN IM

beobachten und durch den Einsatz von Frühwarnsystemen die Ausfallwahrscheinlichkeit zu minimieren. Die Forderung nach einer 100%-Verfügbarkeit und damit nach einer unterbrechungsfreien Wartung/ Updates der eingesetzten IT-Systeme wird weiter zunehmen. Es wird verstärkt so genannte SharedService-Organisationen (Kunde/Dienstleister) geben, die beispielsweise einen 24x7-Stunden-Support innerhalb des Krankenhauses sicherstellen. Die Kommunikation zwischen den beteiligten Partnern wird durch die gemeinsame Nutzung von Frameworks, etwa ITIL, stark vereinfacht und damit effizienter, da durch die einheitliche Sprache der Austausch von Informationen präziser wird.

GESUNDHEITSWESEN WERDEN BIS 2020 IM FOKUS STEHEN, BEREITS UMGESETZT ODER AUCH DANN NOCH EINE VISION SEIN?

Die Industrialisierung und die damit verbundene Standardisierung von IT-Dienstleistungen wird immer weiter voranschreiten und den noch vorwiegenden „Manufakturansatz“ ablösen. Analog zu Fertigungsstraßen etwa in der Autoindustrie werden standardisierte Dienstleistungen in Zukunft rationalisiert für viele Krankenhäuser gleichzeitig erbracht. Die damit zu realisierenden Kostenersparnisse und Effizienzgewinne kommen allen Beteiligten zugute. Diese Produktionsmethoden erlauben es auch, Ressourcen flexibel und bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Die so erbrachten Dienstleistungen werden in einfachen und transparenten ServiceLevel-Agreements (SLA) vereinbart und in standardisierten, modular aufgebauten Servicekatalogen beschrieben. Die Überwachung der SLAs mit einzelnen Dienstleistern wird zu einer der wichtigsten Aufgaben der IT-Abteilungen. Hierzu werden Portallösungen benötigt, um die SLAs minutengenau zu

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Die Vernetzung der einzelnen Marktteilnehmer (z.B. Krankenhaus, Arzt, Rehabilitationseinrichtung, Apotheke und Patient) wird sich verstärken, somit wird sich auch das Portfolio der Outsourcing-Anbieter erweitern. Die dabei eingesetzten IT-Systeme müssen unterbrechungsfrei auf der Basis von Kommunikationsstandards miteinander kommunizieren. Auch die Integration unterschiedlicher Anwendungssoftware innerhalb eines Krankenhauses auf einer gemeinsam genutzten Hardware-Plattform muss gewährleistet sein. Die dort eingesetzte Software sollte sich im Idealfall via plug-and-play miteinander verbinden. Der Einsatz mobiler Geräte und die damit verbundenen Sicherheitsaspekte müssen durch die IT gewährleistet werden; damit verbunden werden die benötigten Arbeitsplätze ortsunabhängig. Die an den Arbeitsplätzen eingesetzte Software wird an der Oberfläche immer einfacher und damit übersichtlicher – da die Anforderungen an die Software jedoch immer weiter steigen, muss die komplexe Informationsverarbeitung im Hintergrund stattfinden.

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Im Jahr 2020 werden die Mitarbeiter der IT-Abteilungen die Krankenhausprozesse noch ganzheitlicher betrachten und durch den Einsatz der jeweils am besten geeigneten IT-Lösung optimal unterstützen müssen. Der durch die jeweils verantwortliche Organisationseinheit (Kunde/Dienstleister) zu erbringende Service wird im Mittelpunkt stehen und nicht mehr die eingesetzte Technik. Die Patientensicherheit wird auch beim Einsatz der IT eine immer wichtigere Rolle spielen. Unterstützt wird die IT dabei durch zunehmende Automatisierung und vielleicht sogar selbstlernende respektive sich selbst heilende Systeme.

Woran lässt sich schlussendlich der Erfolg oder Misserfolg des Outsourcings fest machen? Hierzu gibt es zahlreiche betriebswirtschaftliche Kennzahlen, einer der wichtigsten Faktoren ist jedoch die Anwenderzufriedenheit. Die Anwender (Ärzte, Pflegekräfte, Verwaltung) sollen nach erfolgter Implementierung der Betreiberleistungen eine deutliche Steigerung der Servicequalität messbar spüren. Wird dieses Ziel erreicht, sind auch eventuell nicht eingetretene Kostenersparnisse leichter zu verkraften.

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Booz & Company

Fähigkeiten-orientierter Strategieansatz für B2B-Dienstleistungen im Gesundheitswesen 2020

Marcus Steffen Bauer, Partner und Geschäftsführer im Berliner Büro von Booz & Company

Die Herausforderungen des deutschen Gesundheitswesens bis zum Jahr 2020 sind klar beschrieben – es besteht somit nach Einschätzung aller Experten kein Erkenntnisproblem. Ebenso wenig ist unstrittig, dass ein „weiter so“ bei den bestehenden Leistungserbringer-Strukturen und der entsprechenden Finanzierung durch die vielfältigen Träger über kurz oder lang zu Priorisierung, schleichender Rationierung und letztlich zur Erosion der heute verhältnismäßig hohen Qualitätsmaßstäbe führen wird. Mengenausweitungen von ertragreichen Leistungen, Ärztemangel im ländlichen Raum, Struktur-, Prozess- und Ergebnisprobleme an den sektoralen Schnittstellen sowie der fehlende (investive) Blick in Gesunderhaltung sind nicht die einzigen sichtbaren Symptome einer strukturellen Fehlleitung von Ressourcen in einem hochregulierten System, dessen Wandlungsfähigkeit im besten Falle als gerade noch existent bezeichnet werden kann. Zwar wurden die Grundsteine einer auf positive Anreize setzenden und wettbewerblich orientierten Ge-

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sundheitspolitik in den Gesetzesreformen seit 2004 und in jüngster Zeit durch das AMNOG und das GKVVersorgungsstrukturgesetz gelegt. Allerdings existieren wesentliche Voraussetzungen und der Aufbau entsprechender Fähigkeiten für Produktivitätssteigerungen und gegebenenfalls Marktanteilswachstum auf Seiten der Leistungserbringer, der Kostenträger, der Gesundheitsdienstleister im weiteren Sinne sowie auf Seiten der Pharma- und Medizintechnik-Unternehmen weiterhin nur unzureichend. Weiter sind fünf Themen virulent: 1. Qualitätswettbewerb 2. Kostenführerschaft 3. Transparenz durch Versorgungsforschung sowie bei der Leistungserbringung und deren Ergebnissen 4. Umgang mit emanzipierten Patienten / Konsu­ menten sowie 5. Förderung innovativer Geschäftsmodelle des Gesundheitsmanagements. Sich diese begrenzt aussichtsreichen Rahmenbedingungen und die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens vor Augen haltend, sehen sich viele Akteure – vom Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) über regional und überregional agierende Krankenkassen bis zum globalen PharmaUnternehmen – in einer „Strategie-Klemme“: Klassische Fragen wie „In welchen Segmenten wollen wir wachsen?“ oder „In welchen Bereichen wollen wir aktiv werden?“ führen in der aktuellen Gemengelage nicht zu zielführenden Entscheidungen – im Extremfall sogar zu fehlgeleiteten Investitionen. Bei jenen Marktteilnehmern, die sich die Frage stellen „Welche

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Abbildung 28: Fähigkeiten-orientierter Strategieansatz (Kernelemente und kritische Fragestellungen) Quelle: Booz & Company Rolle sollen wir im Gesundheitswesen zukünftig einnehmen und welche Fähigkeiten müssen wir dafür aufbauen respektive stärken?“ oder „Wie sollen wir uns differenzieren, um einen Mehrwert für unsere Kunden/Patienten zu schaffen?“ ergeben sich nach Analysen von Booz & Company kohärentere – und damit auch deutlich nachhaltigere – Strategien. Wie über viele andere Sektoren hinweg gilt auch für die Gesundheitswirtschaft: Ein Marktteilnehmer erreicht Kohärenz (Fokus und klare Entwicklungsrichtung) nur dann, wenn er seine Stärken bewusst wählt und einsetzt, um einen klaren, strategisch definierten Zweck zu verfolgen. Das System seiner Stärken muss zudem mit einem marktgerechten Produkt- und Serviceportfolio harmonieren. Ein solches System liefert klare Antworten auf die in oben dargestellter Abbildung 28 aufgeworfenen Fragen. GESCHÄFTSSTRATEGIE

Der Gesundheitsmarkt 2020 wird sich absehbar inhaltlich fragmentieren, wiewohl im gleichen Zuge auch größere Betriebseinheiten hervorbringen. Entsprechend werden sich die Konsolidierungsbestrebungen sowohl im Leistungserbringer- als auch im Kostenträger-Markt weiter fortsetzen. Ein wesent-

licher Trend ist die verstärkte selektivvertragliche Gestaltung von Versicherten-/Patienten-zentrierten Gesundheitsprogrammen außerhalb des tradierten Kollektivvertragssystems. Diese reichen von Präventions- und Vorsorgeleistungen bis hin zu Care- und DMP-Management-Ansätzen neueren Typs, unter der Maßgabe einer optimalen Schnittstellenverzahnung unterschiedlicher Leistungserbringer (ambulant, stationär, Reha, Pflege, etc.). Private und gesetzliche Krankenversicherungen werden aufgrund des immensen Kostendrucks und des Wettbewerbs untereinander diese Entwicklung weiter beschleunigen und das bis dato gefristete Schattendasein von entsprechenden Patientengruppen- oder indikationsspezifischen Programmen (z.B. Integrierte Versorgungsprogramme, Management-Modelle, ambulante spezialärztliche Versorgung) beenden. Zukünftig werden auch Arbeitgeber angesichts der milliardenschweren Opportunitätsverluste durch Absentismus und Präsentismus vermehrt als Marktakteure in Erscheinung treten. Zudem werden sich Dienstleister entlang der Gesundheitswertschöpfungskette positionieren, entweder als „Vollsortimenter“, als geografisch/ indikationsorientierte spezialisierte Nischenanbieter oder als Zulieferer essenzieller Nebenleistungen.

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Neue Geschäftsmodelle und Anbieter sind bereits heute im Entstehen, unter anderem: • Managed-Care-Organisationen (MCO), durch die

das gesamte Gesundheitsmanagement für spezifische Patientengruppen oder Regionen von Seiten der Kostenträger in Eigenleistung oder durch Vertragsschluss erbracht wird. Eine entsprechende Weiterentwicklung sind Accountable-Care-Organisationen (ACO), die zudem Budgetverantwortung übernehmen werden. • Programmanbieter, die sich auf spezifische, vornehmlich an heutigen DMPs (Disease Management Programme) orientierte Indikationen, aber auch auf seltene Krankheitsbilder konzentrieren und evidenzbasiert sowie Leitliniengestützt eine integrierte Behandlung steuern und/oder sicherstellen. Dies scheint zudem ein Ansatz zur breiteren Etablierung von ‚Personalisierter Medizin‘ zu sein. • Spezialisierte Leistungserbringer-Netzwerke, die durch Skaleneffekte und durch signifikante Überschreitung von Mindestmengen Kosten- sowie Qualitätsvorteile erringen können • „Pharma-Payor“-Kollaborationsplattformen zur intensiveren Integration und Austausch von Studienergebnissen • „Patient Services Provider“, die durch Information, Anleitung und Kontrolle Therapietreue, Patienten­ edukation und Patientenkomfort sicherstellen • „Data-Intelligence“-Anbieter, die durch Konsolidierung und Analyse von Behandlungs- und Ergebnisdaten die Grundlage für evidenzbasierte Leitlinien, für Einzelpatienten-basierte PredictiveModeling- und Stratifizierungsansätze, für qualitäts- und Outcome-orientierte Vergütungsmodelle und für die Versorgungsforschung als Ganzes schaffen • eHealth-Plattform-Betreiber, die durch Bereitstellung von Infrastruktur, Applikationen und intelligenter Informationsverarbeitung eine Vielzahl von Patientendienstleistungen ermöglichen.

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SYSTEM VON FÄHIGKEITEN

Das Ausbrechen aus dem bestehenden „Markt“Modell erfordert neue Fähigkeiten. Der Motor zukünftiger Gesundheitswertschöpfung ist für jeden Marktteilnehmer ein individuelles System aus einigen wenigen solcher Fähigkeiten, die es ihm ermöglichen, seine Nutzenversprechen effektiv einzulösen. Die Liste an Fähigkeiten, die erforderlich sind, um im Gesundheitsmarkt 2020 „mitzuspielen“, ist nicht neu, einzig der Entwicklungsgrad lässt noch zu wünschen übrig – hier einige ausgewählte Beispiele: • Orientierung an Behandlungsleitlinien sowie de-

ren stringenter, sektorübergreifender Einsatz, die gemeinsam mit Fachgesellschaften und Gesundheitsökonomen unter Berücksichtigung von Kosten-Nutzen-Erwägungen und ärztlicher Therapiefreiheit entwickelt werden • Etablierung von transparenten und ergonomischen elektronischen Patientenakten unter Wahrung der Informationsfreiheitsinteressen sowie entsprechender Mitwirkungsrechte und -pflichten der Patienten • Effektive Orchestrierung von (Echtzeit-) Behandlungs- und Abrechnungsdaten, die zwischen allen Akteuren fließen – dadurch Erreichung von verbessertem Qualitäts- und Kosten-Controlling, medizinischen Empfehlungen sowie zur Steuerung von Patienten und Leistungserbringern (etwa auch im Interventions-/Notfall) • Strategisches und effizientes Lieferanten-Management von Selektivvertragspartnern sowie Gestaltung innovativer Netzwerke • Auf Qualität ausgerichtete Vergütungspolitik unter Einschluss aufkommender Pay-for-PerformanceAnsätze, die über etablierte Rabatt- oder Direktverträge hinausgehen, sowie Schaffung entsprechender „real time“ Daten-Regimes • Sicherstellung Patienten- und Versichertenzentrierter Prozesse, die bereits bei der Gesunderhaltung ansetzen – hierbei Berücksichtigung des Konsumerisierungstrends auf Seiten der Patienten

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Abbildung 29: Ableitung strategischer Pfade Quelle: Booz & Company • Vorhaltung.von.profunder.medizinischer.Expertise.

zur.Beurteilung.von.Sachlagen,.als.Eskalationsebene.bei.Zweitmeinungen,.bei.der.Patientensteuerung. in.entsprechende.Programme.sowie.bei.der.Patientenedukation • Begleitung.des.Übergangs.in.die.Digitalisierung.und. die.elektronische.Abbildung.typischer.Interaktionspunkte.von.Seiten.der.Patienten.und.der.Leistungserbringer. entlang. des. Patientenpfades. –. von. der. Information/Aufklärung. über. Diagnose,.Therapieentscheidung. bis. zur. Behandlung. und. Nachsorge. produKt- und dIenstleIstungsportFolIo

Kohärente. und. damit. erfolgreiche. Marktteilnehmer. im.Gesundheitswesen.setzen.ihre.Produkt-.und.Serviceportfolios. so. zusammen,. dass. ihr. Angebot. mit. ihrem.Komplex.von.Stärken.und.ihrer.„Spielweise“. harmoniert.. Produkte,. die. andere. Fähigkeiten. erfordern,.werden.aussortiert.oder.zumindest.in.der.Positionierung.gegenüber.Nachfragern.depriorisiert..Gerade.über.die.letzten.ein.bis.zwei.Jahre.hinweg.sind. die. Beweglichkeit. und. inhärente. Innovationskraft. von. Marktteilnehmern. im. Gesundheitsmarkt. signifi.kant. gestiegen.. Zunehmend. durchsuchen. Anbieter.

regelmäßig.ihren.relevanten.Wettbewerbsmarkt.nach. neuen. Möglichkeiten,. um. ihr. eigenes. FähigkeitenPortfolio.noch.optimaler.zu.nutzen..Kohärente.Player. bauen.in.einigen.wenigen.Bereichen.fundiertes,.skalierbares.Fachwissen.auf.und.stimmen.ihre.Strategien. und. ihre. alltäglichen. Entscheidungen. darauf. ab,. um. dieses. Wissen. bestmöglich. zu. verwerten.. Typische. Beispiele.hierfür.sind.unter.anderem: • Private. Krankenversicherer. mit. neuen. –. auf. stra-

tegisch. attraktive. Segmente. ausgerichteten. –. (Zusatz-)Versicherungsprodukten,.etwa.im.Bereich.der. Betrieblichen. Krankenversicherung. oder. gesetzliche. Krankenversicherungen. mit. differenzierenden. Satzungsleistungen. zur. Erschließung. des. Firmenkundengeschäfts • Gesundheitsdienstleister. mit. dedizierten. Informationsangeboten. rund. um. Therapie-Optionen. und. Qualitätseinschätzungen. zu. ambulanten. und. stationären.Leistungserbringern. • Pharma-Unternehmen. mit. innovativen. digitalen. Konsumenten-Lösungen. (z.B.. Smartphone. Apps). zur. Verbesserung. der. Therapie-Compliance. und. Adhärenz,. etwa. bei. Medikamenteneinnahme. und. Gesundheitswerte-Monitoring

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• Gesundheitsnetzwerke,. die. regionale. oder. sub-

regionale. Versorgungskonzepte. unter. Einschluss. wesentlicher.Fachrichtungen,.Heilberufe.und.Beratungsstellen.geografi.sch.replizieren • IT. Service. Provider. mit. Lösungsangeboten. rund. um. die. Verzahnung. von. Kostenträgern. und. Leistungserbringern.unter.Einbringung.dedizierter.Datenschutz-. und. Datensicherheitsexpertise. –. etwa. die. sich. neu. konstituierenden. PKV-Direktabrechnungsangebote • Arztpraxis-.und.Kliniksoftware-Hersteller,.die.Basisapplikationen. und. Schnittstellen. für. integrierte. Versorgungsnetzwerke.in.ihre.Lösungen.integrieren. KohärenZ

Zurückkommend. auf. die. zu. Beginn. gestellte. Frage. „Wie.sollen.wir.uns.differenzieren,.um.einen.Mehrwert. für. unsere. Kunden/Patienten. zu. schaffen?“. ist. es. erforderlich,. Markteintritts-. und. -wachstumsoptionen.auf.Grundlage.des.bestehenden.Kerngeschäfts. zu. priorisieren.. Dies. gilt. umso. mehr. in. Zeiten. des. Wandels. und. der. Ungewissheit. über. die. Weiterentwicklung.des.deutschen.Gesundheitswesens..Je.nach. politischer. Rahmenbedingung. ist. ein. weiter. forcierter. Wettbewerb. zu. erwarten. –. entweder. entlang. der. Empfehlungen. des. Sachverständigenrats. zur. Begutachtung.der.Entwicklung.im.Gesundheitswesen.oder.

aber. eine. Entwicklung. in. Richtung. Bürgerversicherung..Insofern.ist.die.Ableitung.entsprechender.strategischer. Pfade. mit. einem. Fähigkeiten-orientierten. Ansatz.zielführend.(siehe.Abbildung.29,.Seite.59).. Die. Fallstudien-Analysen. von. Booz. &. Company. bestätigen. jedoch. auch:. Eine. signifi.kante. Zahl. von. privatwirtschaftlichen.Unternehmen.und.öffentlichen. Institutionen. tut. sich. aktuell. schwer,. entsprechende. Pfade. zu. entwickeln.. Zum. einen. fehlt. bei. „investiven“.Konzepten,.deren.Umsetzung.sich.erst.nach.drei. bis.fünf.Jahren.amortisiert,.oftmals.die.breite.Zustimmung.der.Entscheidungsträger.–.ein.insbesondere.bei. gesetzlichen. Krankenversicherungen. im. Lichte. der. sich. in. nächster. Zeit. abzeichnenden. Zusatzbeitragsrisiken.nachvollziehbarer.Sachverhalt..Zum.anderen. ergeben. sich. im. Zuge. der. oftmals. unstrukturierten. Entwicklung.von.Geschäftsstrategien.ohne.Einbezug. des.Status.quo.sowie.des.vorhandenen.FähigkeitenKerns.keine.einheitlichen.Sichtweisen.. Der. im. Anschluss. skizzenhaft. dargestellte. Fähigkeiten-orientierte. Strategieansatz. ermöglicht. es. Akteuren. im. Gesundheitswesen,. strukturiert. und. unter. Beachtung. der. sektorspezifi.schen,. komplexen. Stakeholder-Strukturen. ziel-. und. erfolgsorientierte. Zukunftskonzepte.zu.entwickeln.

Abbildung 30: Vorgehensmodell zum Fähigkeiten-orientierten Strategieansatz Quelle: Booz & Company

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InterSystems

Informationsmanagement als strategischer Faktor der Klinikführung: Analyse-Werkzeuge – Von der Vision zur Anwendung

Peter W. Mengel Marketing Director, Central & Eastern Europe

SITUATION DER KLINIKTRÄGER MITTE 2012

Die Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland beträgt insgesamt aktuell rund 2.000. Der ausgeprägte Trend zur Zusammenarbeit zeigt mittlerweile verschiedene Formen – von der fachbezogenen Kooperation bis hin zur Gründung einer übergeordneten, eigenständigen GmbH mit einer gemeinsamen Geschäftsführung. Krankenhäuser als Einzelunternehmen – die klassischen „Kreiskrankenhäuser“ – existieren kaum noch und sind wirtschaftlich in der Regel nicht mehr lebensfähig. Die kommunalen Träger sind in der Regel nicht mehr gewillt oder in der Lage, die defizitären Budgets auszugleichen. Als ein Resultat dieser Entwicklung wurde während der vergangenen fünf Jahre eine ganze Reihe von Krankenhäusern von privaten Klinikträgern übernommen oder die kommunalen Häuser haben sich zu Klinikverbünden zusammengeschlossen. Die Verbundstrukturen haben damit überdurchschnittlich zugenommen.

Das organische Wachstum und das Wachstum durch Zusammenschlüsse stellen alle Klinikträger vor die Notwendigkeit, in allen Bereichen bestehende Strukturen und Abläufe einer kritischen Würdigung zu unterziehen und bei Bedarf Schritte zur Veränderung einzuleiten. Dies geschieht parallel zu der Tatsache, dass der Kostendruck in den Krankenhäusern stetig zunimmt, unter anderem verursacht durch die Fallpauschalen-Gesetzgebung und die Gehaltssteigerungen einzelner Berufsgruppen. In der Folge sind gerade bei den Klinikträgern – sowohl auf kommunaler wie auf privater Ebene – erhebliche Anstrengungen im Gange, um die bestehenden Prozesse transparent zu machen, zu strukturieren und zu konsolidieren. Dabei besteht die Zielsetzung in erster Linie darin, die medizinische Behandlung und pflegerische Betreuung des Patienten so zu begleiten, dass alle erbrachten Leistungen in zeitgemäßer Form dokumentiert und zügig einer Abrechnung zugeführt werden. Ergänzend kommen die Aspekte des Medizin-Controlling hinzu, das Prozesse grundsätzlich bewertet und dem Management bedarfsweise Vorschläge zur Anpassung unterbreitet, um die Anforderungen an die patientenbezogenen, klinischen Maßnahmen mit den ökonomischen Erfordernissen zu synchronisieren. Hierzu werden in erster Linie regelmäßig verlässliche Daten zur Auswertung benötigt, die heute in der Regel nicht vorliegen.

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Die Umsetzung solcher Prozessbewertungen ist in einzelnen Krankenhäusern schon herausfordernd, geschweige denn in mehreren, bisher selbstständigen Häusern oder bei der Gesamtheit von Einrichtungen (Kliniken und Medizinische Versorgungszentren) eines Klinikträgers. Das liegt unter anderem daran, dass keine strukturierten Daten vorliegen und erhoben werden können, weil die informationstechnologische Infrastruktur häufig heterogen und uneinheitlich ist. Ein wichtiges Ziel der strategischen Unternehmensführung für alle Klinikträger ist demnach die Entwicklung einer kurz-, mittel- und langfristigen Strategie für eine einheitliche vernetzte IT-Infrastruktur und eine überschaubare Applikationslandschaft im gesamten Verantwortungsbereich. Diese Notwendigkeit wird befördert durch ein zunehmend geändertes Patientenverhalten hin zu mehr Eigenverantwortung und „Informiertheit“. Der Patient wird zukünftig sein Krankenhaus nicht mehr nur in Bezug auf die Behandlungsqualität auswählen; er wird auch den organisatorischen Teil der Behandlung mit bewerten. Alle Abläufe – die gesamte medizinische Behandlung, die Pflege und die Organisation derselben – sind zunehmend patientenzentriert. Die Klinikträger verfolgen somit folgerichtig das strategische Ziel, durch eine im Alltag praktikable, professionelle und zuverlässige IT-Infrastruktur die Prozesse aller patientennahen Bereiche zu optimieren und damit gleichzeitig verlässliche Daten für die betriebswirtschaftliche Bewertung zu gewinnen.

Bis zum Jahr 2020 wird sich die Anzahl der Kliniken weiter reduzieren, vor allem durch einen fortschreitenden Konsolidierungsprozess durch Klinikzusammenschlüsse und -übernahmen. Gleichzeitig werden die Bestrebungen, alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen im Sinne von patientenzentrierten Abläufen zu vernetzen, auch in Deutschland deutlich zunehmen. Möglicherweise konkretisiert die politische Ebene weitere Projekte in diesem Umfeld, um nachhaltige, flächendeckende Fortschritte zu erzielen. Auf internationaler Ebene sind schon heute entsprechende Projekte erfolgreich realisiert, die für alle Marktteilnehmer und die Politik beispielhaft sein können. Durch den insgesamt steigenden Kostendruck definieren sich die Zielsetzungen des Klinikmanagements. ZIELSETZUNGEN DES KLINIKMANAGEMENTS Nachhaltige Wirtschaftlichkeit

Eine der ersten Zielsetzungen des Klinikmanagements wird auch weiterhin das Sicherstellen einer kontinuierlichen Wirtschaftlichkeit sein. Dies gilt grundsätzlich für alle Krankenhausgrößen und für alle Formen der Klinikträger – kommunale, freigemeinnützige und private. Dabei bleibt zumindest für viele Krankenhäuser die Herausforderung bestehen, die Balance zwischen vorgegebenem Versorgungsauftrag und wirtschaftlichem Handeln zu finden. Alle Aktivitäten – gerade auch die im Hinblick auf eine vernetzbare IT-Ausstattung – müssen sich an dieser Zielsetzung ausrichten. Die IT-Ausstattung ist hier bereits heute von strategischer Bedeutung. Marktgerechtes Leistungsangebot

Das Bewusstsein im Hinblick auf die Bedeutung der IT-Infrastruktur ist bei den großen Klinikträgern ausgeprägt. Das oberste Gebot ist die Vernetzung der heterogenen Strukturen. Dabei werden Partner favorisiert, die zum einen strategische Konzepte liefern und zum anderen eine professionelle praktische Arbeit bei der Projektumsetzung leisten.

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Die Ausrichtung des Leistungsangebots von Krankenhäusern und Klinikketten wird sich zunehmend an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientieren müssen. Die demografische Entwicklung und das sich ändernde Nachfrageverhalten mündiger Bürger sind dafür nur zwei Beispiele, die diese Zielsetzung unterstreichen. Das Kommunikations-

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verhalten der Einrichtungen muss sich ändern. Nicht nur der Patient steht im Mittelpunkt, sondern bereits der (noch gesunde) Bürger. Das Management der Krankenhäuser wird sich während der nächsten Jahre vor allem an den lokalen Marktgegebenheiten zu orientieren haben und auf der Basis von Analysen das eigene Leistungsangebot prüfen und gegebenenfalls anpassen müssen.

umschreiben: „Als Informationslogistik wird die Planung, Steuerung, Durchführung und Kontrolle der Gesamtheit der Datenflüsse verstanden, die über eine Betrachtungseinheit hinausgehen, sowie die Speicherung und Aufbereitung dieser Daten. Dabei werden nur solche Datenflüsse zur Informationslogistik gezählt, die der Unterstützung von Entscheidungen dienen.“

Die Orientierung an veränderten Marktgegebenheiten bedeutet auch, das sich verändernde „Profil“ der Patienten zu berücksichtigen. Die potenziellen Patienten werden höhere Ansprüche an den organisatorischen Teil der Behandlung und die individuellen Kommunikationsmöglichkeiten im Krankenhaus stellen.

Nur mit einer umfänglichen Prozess-Transparenz lassen sich die bisher genannten Zielsetzungen durch das Krankenhausmanagement realisieren.

Die Anforderungen an die Verfügbarkeit einer elektronischen Patientenakte machen es erforderlich, dass das Krankenhaus als ein Leistungserbringer sich mit allen relevanten Leistungserbringern vernetzt, und mehr noch, dass es als maßgebliche Institution der Innovationstreiber für eine entsprechende technische Ausstattung fungiert. Nicht vorhandene, von den Bürgern mehr und mehr geforderte technische Möglichkeiten werden in den kommenden Jahren zu einem klaren Wettbewerbsnachteil für den Klinikträger werden. Informationslogistik und Transparenz

Prozessmanagement im Krankenhaus ist nicht erst seit Einführung der Diagnosis Related Groups (DRG) in aller Munde. In vielen Krankenhäusern und Klinikgruppen sind Projekte definiert, die die Untersuchung einzelner oder mehrerer Prozesse – vor allem im klinischen Bereich – zum Inhalt haben, mit dem Ziel, die Abläufe zu dokumentieren, zu analysieren und zu optimieren. Die Zielsetzung des Krankenhausmanagements wird es sein, die Themen rund um die „Informations­ logistik“ in die eigene Institution einzubringen. Dabei lässt sich der Begriff Informationslogistik wie folgt

Vernetzte IT-Infrastrukturen

Eine weitere herausragende Zielsetzung des Krankenhausmanagements wird darin bestehen, die in der Regel sehr heterogenen IT-Infrastrukturen zu vernetzen. Die häufig über die Jahre gewachsene Infra­ struktur, die in mehreren Krankenhäusern, die sich zu einem Verbund zusammenschließen, sehr unterschiedlich ist, verhindert die notwendige Transparenz und die Einführung einer Prozesssteuerung. Deshalb kann die Bedeutung einer vernetzten IT-Infrastruktur nicht hoch genug bewertet werden. Um diese Zielsetzung zu erreichen, werden viele Klinikträger sich der Aufgabe stellen müssen, die bestehende IT-Infrastruktur durch technologisch moderne und innovative Lösungen zu ergänzen und sie damit zukunftssicher zu machen. Dies ist unter dem zeitlichen Aspekt eine große Herausforderung, da zum einen die Durchdringung mit IT-Lösungen vor allem in den klinischen Bereichen ständig steigen muss und zum anderen zur Unternehmenssteuerung verlässliche, aussagefähige Datenauswertungen benötigt werden. Der früher nicht gekannte Wettbewerbsdruck der Klinikträger untereinander tut sein Übriges dazu. Alle benannten Zielsetzungen des Klinikmanagements stehen in hoher Abhängigkeit zueinander.

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DIE ROLLE VON INTERSYSTEMS

Die beschriebenen Zielsetzungen des Krankenhausmanagements korrespondieren in hohem Maße mit der Rolle von InterSystems im internationalen Gesundheitswesen. Das Unternehmen InterSystems ist seit rund 30 Jahren mit seiner technologisch fundierten und strategisch ausgerichteten Produktpalette ein idealer HighTech-Partner für das Gesundheitswesen. Um eine wirtschaftliche Führung des „Unternehmens Krankenhaus“ sicherzustellen, benötigt das Klinikmanagement handhabbare, ausgereifte und zukunftsorientierte Lösungen. Es muss zukünftig sichergestellt sein, dass aus allen Abteilungen und Bereichen die zur Unternehmenssteuerung notwendigen Daten geliefert werden können. Der Bereich Controlling muss über Instrumente zur Auswertung und Analyse der Daten verfügen. Exakt auf diesen Ebenen setzen die Lösungen von InterSystems an. Durch einfach zu realisierende Vernetzungsmöglichkeiten ist das Klinikmanagement in der Lage, aktuelle Informationen aus allen Bereichen abzurufen. Auf der Basis anspruchsvoller Analysewerkzeuge werden alle gewünschten Auswertungen ermöglicht und damit eine fundierte Steuerung der Klinikgruppe sichergestellt. Der mündige Patient legt besonderen Wert auf eine ausgezeichnete medizinisch-pflegerische Behandlung und parallel dazu auf einen sehr guten organisatorischen Ablauf im Rahmen der gesamten Behandlung – möglichst auch einrichtungsübergreifend. Die elektronische Verfügbarkeit aller Befunddaten

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und Patienteninformationen – idealerweise bei allen Leistungserbringern – leistet hierzu einen elementaren Beitrag. Diese Zielsetzung verfolgt InterSystems mit seinen Lösungen zur Vernetzung der am Behandlungsprozess beteiligten Leistungserbringer – dem „vernetzten Gesundheitswesen“. Durch die integrierende Zusammenführung aller Daten aus den unterschiedlichen Applikationen wird eine elektronische Patientenakte umfassend realisierbar. Alle Abläufe der Behandlung werden damit in Hinblick auf den Zeitbedarf optimiert und die Transparenz für die Beteiligten erhöht. Das gibt außerdem positive Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit, indem beispielsweise Doppeluntersuchungen wegen nicht vorhandener Informationen entfallen. Viele dieser Zielsetzungen sind seit langem auf der Agenda – die von InterSystems umgesetzten Projekte liefern Beispiele für die Realisierbarkeit. Die Forderung nach einer modernen Informationslogistik lässt sich mit den Lösungen von InterSystems nachhaltig beantworten. Die Vernetzung unterschiedlicher Systeme wird ermöglicht und damit kann das Klinikmanagement alle Datenflüsse kontrollieren, analysieren und die Prozesse entsprechend steuern. Die verantwortlichen Manager erhalten ungleich mehr Informationen und werden im besten Sinne „mündig“. In diesem Umfeld liegen bei InterSystems langjährige, weltweite Erfahrungen vor. Auf Anfrage können gerne Referenzen aus dem deutschen Markt benannt werden.

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InterSystems

Vernetzung im Gesundheitswesen – Landesweite und regionale elektronische Gesundheitsakten in Europa auf dem Vormarsch

Thomas Leitner Area Manager DE/AT, Benelux and Nordics

Der regionale und überregionale Austausch von Gesundheitsdaten steht in ganz Europa auf der Agenda. Die Umsetzung trifft allerdings in manchen Ländern auf erhebliche Schwierigkeiten. Erfolgreiche EHRProjekte (EHR: Electronic Health Record) in Dänemark und Schweden zeigen jedoch, dass die erforderliche Technologie mittlerweile verfügbar ist. Ohne einrichtungsübergreifende Kooperation werden Leistungserbringer im Gesundheitswesen langfristig nicht bestehen können – zur „integrierten“ Gesundheitsversorgung gibt es keine Alternative. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist „E-Health“, die Nutzung von Informations- und Telekommunikationstechnologie zur Unterstützung von Versorgung, Kommunikation und Kooperation im Gesundheitswesen. Auch die EU-Kommission hat sich die Förderung von. E-Health auf die Fahnen geschrieben. Schon 2004 war als Teil der „eEurope“-Strategie der EU ein erster „Aktionsplan für einen europäischen Raum der elektronischen Gesundheitsdienste“ – also die Schaffung

einer europäischen E-Health-Infrastruktur – verabschiedet worden. Bis 2010 sollten elektronische Gesundheitsdienste für Mediziner, Patienten und Bürger zum Alltag gehören. Die Mitgliedsländer sollten sich beispielsweise bis Ende 2006 auf gemeinsame Standards für die Patientenidentifikation und die Interoperabilität von Gesundheitsinformationssystemen in Bezug auf Datenaustausch und elektronische Gesundheitsakten einigen. Bis Ende 2008 sollte der Aufbau von entsprechenden Netzwerkinfrastrukturen vorangetrieben werden. Mitte 2011 resümierte ein EU-Report zur Umsetzung des Aktionsplanes, dass gegenüber 2004 große Fortschritte erzielt worden seien, aber nicht alle Ziele erreicht werden konnten. Insbesondere das Thema Interoperabilität, der Datenaustausch zwischen verschiedenen Gesundheits-IT-Systemen und der Aufbau einrichtungsübergreifender Gesundheitsakten, erwies sich bald als komplexe Herausforderung. Das zeigt eine EU-Studie aus dem Jahr 2011 zum aktuellen Stand von E-Health in den 27 EU-Staaten sowie England, Schottland, Wales und Nordirland, Norwegen, Schweiz, Island und der Türkei. Bei der Frage elek­ tronischer Gesundheitsakten oder vergleichbarer Projekte („EHR-like services“ oder Patient Summaries) waren 20 von 34 Ländern noch in der Planungsphase, sieben in verschiedenen Implementierungs- oder Pilotphasen, und nur sieben Länder hatten EHR-. artige Systeme bereits im Routinebetrieb: Dänemark, Schottland, Tschechien, Schweden, Bulgarien, die Türkei und Finnland.

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DIE TECHNOLOGIE FÜR EHRs IST VERFÜGBAR

„Die schleppende Verwirklichung der nationalen und europäischen E-Health-Pläne ist nicht darauf zurückzuführen, dass keine geeigneten Technologien für einen sicheren und datenschutzkonformen überregionalen Austausch von Gesundheitsdaten zur Verfügung ständen“, sagt Volker Hofmann, Manager Healthcare bei InterSystems. „Das belegen erfolgreiche nationale oder regionale Vernetzungsprojekte in Europa, aber auch in den USA oder Australien. Ausschlaggebend sind vielmehr die Gegebenheiten vor Ort, vor allem politische und rechtliche Rahmenbedingungen, die Organisation des Gesundheitswesens und auch der Nutzungsgrad elektronischer Systeme in den Einrichtungen.“ Volker Hofmann weiß, wovon er spricht, denn InterSystems gehört weltweit zu den führenden Anbietern von Software-Technologien für die Vernetzung im Gesundheitswesen. Drei der oben genannten sieben Länder mit nationalen EHR-Systemen – Dänemark, Schottland und Schweden – setzen bei der Umsetzung ihrer E-Health-Strategie auf Technologien des amerikanischen Unternehmens. Einer der erfolgsentscheidenden Faktoren ist die Größe und Komplexität des Gesundheitssystems: Die europaweit gemachten Erfahrungen bei der Umsetzung von Vernetzungsprojekten zeigten, so die EU-Studie, dass in größeren Ländern mit mehr als 10 Millionen Einwohnern und einem dezentralen Gesundheitssystem nationale EHR-Systeme deutlich komplexer werden. Eine Konzentration auf die Verknüpfung regionaler Systeme scheint daher erfolgversprechender. Dies gilt offenbar auch für Deutschland, mit über 80 Millionen Einwohnern das größte der untersuchten Länder. Hier verläuft das politisch getriebene Projekt der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) mehr als schleppend und wird zudem von den Ärzten in der bisher geplanten Form weitgehend abgelehnt (zuletzt vom Ärztetag 2012). Auf der eGK sollen später einmal (auf freiwilliger Basis) auch Patientendaten gespeichert werden können; alternativ soll die Karte als „Schlüssel“ den Zugang zu einer auf einem zentralen Server gespeicherten Patientenakte erlauben.

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Aussichtsreicher scheint die Projektinitiative Elektronische FallAkte (EFA) – hier laufen derzeit vier Pilotprojekte unterschiedlichen Umfangs. An der Initiative beteiligen sich private Klinikketten, Universitätskliniken, kommunale Krankenhäuser, Ärztenetze und Verbände in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Software- und Systemlösungen. Zudem sind verstärkt regionale Initiativen für einrichtungsübergreifende Patientenakten zu beobachten (z.B. EPA 2015 in NRW). Österreich (8,4 Mio. Einwohner) ist bereits einen Schritt weiter: 2005 wurden in Österreich – allerdings ebenfalls nach erheblichen Verzögerungen und Protesten von Ärzten und Kammern – die Gesundheitsund Sozialversicherungskarte „e-card“ sowie das flächendeckende Intranet GIN (Gesundheitsinformationsnetz) eingeführt, an das alle Kassenärzte sowie einige Wahlärzte und Krankenhäuser angeschlossen sind. Die e-card spielt ähnlich wie in Deutschland auch bei der geplanten landesweiten Elektronischen Gesundheitsakte ELGA eine wichtige Rolle, denn sie soll sicherstellen, dass nur behandelnde Ärzte – für eine begrenzte Zeit – auf Patienteninformationen aus anderen Einrichtungen zugreifen können. Die Entwicklung der ELGA läuft seit 2006. Allerdings verzögern trotz intensiver Arbeit und erfolgreicher Pilotprojekten vor allem juristische und Datenschutzfragen sowie Widerstände in der Ärzteschaft die Realisierung der ELGA. Die Ärztekammer befürchtet nach eigener Aussage insbesondere, dass das Projekt dem „gläsernen Patienten“ den Weg bereitet. Nach aktuellen Planungen soll die ELGA 2013 starten und bis 2017 vollständig eingeführt sein. Inzwischen läuft die Ausschreibung für die ELGA-Implementierung, an der auch InterSystems und der IT-Dienstleister Tieto, als seitens der ELGA akkreditierter Produkt- und Dienstleistungspartner für IHE-konforme Affinity Domains, mit einem für Österreich entwickelten IHE-Integrationsserver auf Basis der Integrationsplattform InterSystems HealthShare teilnehmen. Die Ärztekammer

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hat allerdings auch den aktuellen zweiten Gesetzes­ entwurf vom Juni 2012 bereits abgelehnt und eine landesweite Kampagne gegen das Vorhaben gestartet.. ERFOLGSMODELLE

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel der Türkei mit ihren 75 Millionen Einwohnern. Das Land wurde 1999 EU-Beitrittskandidat, 2003 wurde mit grundlegenden Reformen im Gesundheitswesen nach dem so genannten Health Transformation Program (Sağlıkta Dönüşüm Programı) begonnen, und 2010 waren alle niedergelassenen Allgemeinmediziner und öffentlichen Krankenhäuser sowie 70 Prozent der privaten und Universitätskliniken soweit in das türkische „Gesundheitsnetzwerk“ (Sağlık-Net) integriert, dass sie täglich Patientendaten an das nationale System übermitteln konnten.

häusern und endlich zur gemeinsamen Nutzung von Gesundheitsdaten verabschiedet. Ein wesentliches Steuerungsinstrument sind finanzielle Anreize des dänischen Staates für die Nutzung von Informationstechnologie durch Gesundheitseinrichtungen. Heute ist die Nutzung elektronischer Patientenakten und Netzwerke zur Speicherung und Übermittlung von Patientendaten in Dänemark bereits flächendeckend üblich. Mehr als 90 Prozent der Hausärzte speicherten 2010 ihre Daten elektronisch und 74 Prozent tauschten Daten elektronisch mit anderen Gesundheitsdienstleistern aus. 96 Prozent bezogen Laborergebnisse digital und 97 Prozent nutzten. E-Prescription. Eine weitere wichtige Voraussetzung für den Erfolg der dänischen E-Health-Strategie ist die langjährige Verfügbarkeit einer gemeinsamen Infrastruktur zur Erfassung von Patientendaten.

Allerdings sind die Rahmenbedingungen mit denen in Deutschland kaum zu vergleichen, da das Gesundheitswesen in der Türkei wesentlich stärker zentral organisiert ist als hierzulande: Kommunale und private Krankenhäuser sind zur EHR-Übermittlung verpflichtet, und auch niedergelassene Ärzte sind angehalten, einen Client zur Integration in FMIS (Family Medicine Information System) einzusetzen, welches innerhalb des Gesundheitsnetzwerks die elektronische Gesundheitsakte für die Primärversorgung bereitstellt. Eine entsprechende Anwendung stellt das Ministerium kostenlos zur Verfügung. Datenschutzüberlegungen konzentrieren sich auf die Verhinderung von Missbrauch, weniger auf ein Mitspracherecht der Patienten als in Bezug auf ihre Daten.

Schon seit 1977 existiert ein nationales Patientenregister, in dem seit 1977 Daten aus Krankenhausaufenthalten gesammelt werden, darunter Entlassungsdiagnosen, chirurgische Codes und seit kurzem auch verschiedene diagnostische und Behandlungsdaten aller dänischen Krankenhäuser. Die gesammelten Daten stehen zu einem Großteil auch den Bürgern selbst zur Verfügung, die über das Webportal www.sundhed.dk unter anderem auf Informationen zu Krankenhausaufenthalten seit 1995, zu verschriebenen Medikamenten, zu den eigenen Festlegungen bezüglich Organspende und lebensverlängernden Maßnahmen, zum Status von Labortests und zu medizinischen Versorgungsmöglichkeiten zugreifen können.

Ein ganz anders geartetes EHR-Erfolgsmodell findet sich in Dänemark (5,5 Mio. Einwohner). Dänemark ist in Europa ein Vorreiter in Sachen E-Health; Akzeptanzprobleme wie in Österreich gibt es hier kaum. Das dänische Gesundheitssystem wird größtenteils aus Steuermitteln finanziert; die Verantwortung für die Versorgung liegt in den Händen von Regionen und Gemeinden. Seit 1996 wurde in Dänemark bereits eine Reihe von Aktionsplänen zur Entwicklung von EHR-Projekten, zur Digitalisierung in Kranken-

Der nächste Schritt in Richtung einer nationalen elektronischen Gesundheitsakte ist der nationale Patientenindex (Nationalt Patientindeks, NPI), der bis Ende 2013 implementiert und in klinische Arbeitsplätze integriert werden soll. „Der NPI soll auf Knopfdruck einen Überblick über die Informationen zu einem bestimmten Patienten oder Bürger erlauben, die in verschiedenen, nicht notwendigerweise anderweitig integrierten IT-Systemen und regionalen Gesundheitsakten existieren“, sagt Volker Hofmann

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von.InterSystems..Der.mit.der.Implementierung.des. NPI. beauftragte. IT-Dienstleister. Systematic. setzt. das.Projekt.mit.InterSystems.HealthShare.um,.einer. Plattform.zum.Aufbau.und.zur.Integration.regionaler. und.überregionaler.elektronischer.Gesundheitsakten.. Mithilfe.dieser.Technologie.sollen.Gesundheitsanbieter. und. Institutionen. noch. effi.zienter. regionen-. und. sektorenübergreifend. Patienteninformationen. austauschen.können..Auch.Patienten.werden.über.www. sundhed.dk.den.NPI.nutzen.können..Derzeit.läuft.die. Anbindung.der.Quellsysteme,.sie.soll.bis.Mitte.2013. termingerecht.abgeschlossen.sein. dIe npÖ In schweden

Das. wahrscheinlich. umfangreichste. EHR-Integrationsprojekt. mit. dezentralem. Fokus. fi.ndet. sich. in. Schweden,.weltweit.Spitzenreiter.bei.der.IT-Nutzung. (WEF. Global. IT. Report. 2012).. Hier. begann. man. 2008. mit. der. Einrichtung. einer. nationalen. Patientenakte,. der. „Nationell. Patientöversikt“. (NPÖ).. Für. die.9,3.Millionen.Schweden.gibt.es.derzeit.48.Großkliniken. und. etwa. 25. kleinere. Krankenhäuser,. die. sich.fast.alle.im.Eigentum.der.21.Provinzen.befi.nden.. Der. größte. Teil. der. medizinischen. Versorgung. wird. allerdings. in. multidisziplinären. Gesundheitszentren.

geleistet..Das.schwedische.Gesundheitswesen.ist.vorwiegend.regional.organisiert;.die.Verantwortung.für. die.Versorgung.liegt.in.der.Regel.bei.den.Provinziallandtagen..Healthcare-IT.ist.in.Schweden.bereits.auf. breiter.Front.im.Einsatz:.Die.Nutzung.elektronischer. Patientenakten. liegt. bei. 100. Prozent. der. Primärversorger. und. bei. 97. Prozent. in. Krankenhäusern,. alle. Labors. sind. computerisiert. und. 80. Prozent. der.Verschreibungen.erfolgen.elektronisch.(Commonwealth. Fund,.2011). Der.legale.Rahmen.für.einen.landesweiten.Austausch. von.Patientendaten.wurde.im.Juli.2008.mit.dem.Patientendatengesetz. (Patientdatalagen). geschaffen.. Gesundheitsdienstleister. dürfen. bei. Bedarf. auf. Patientendaten.anderer.Einrichtungen.zugreifen,.wenn.dies. für.die.weitere.Behandlung.notwendig.ist.und.das.Einverständnis.des.Patienten.vorliegt..Zudem.sollen.Patienten.ihre.eigenen.Daten.einsehen,.die.Zugriffe.darauf.nachvollziehen.und.sie.auch.blockieren.können. Für. die. Umsetzung. der. Nationalen. Patientenakte. Schwedens. wurde. festgelegt,. dass. sämtliche. dafür. vorgesehenen.Daten.–.darunter.demografi.sche.Daten,. klinische. Dokumente,. Informationen. zu. Diagnosen,.

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2)6 8-, 33,

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Abbildung 31: NPÖ-Konzept am Beispiel der Region Örebro Quelle: InterSystems

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Medikamenten, Allergien, Behinderungen und täg­ lichen Aktivitäten, Pflegepläne sowie Labor-, Radiologie- und EKG-Befunde – dezentral auf den Systemen der jeweiligen Leistungserbringer gespeichert bleiben sollen. Damit Ärzte diese Daten dennoch performant und komfortabel abrufen können, setzt der mit der Entwicklung und Implementierung der nationalen EHR beauftragte IT-Dienstleister Tieto die Integrationsplattform HealthShare von InterSystems ein. „Tieto wählte HealthShare, weil damit ein flexibles, IHE-konformes Standardprodukt für komplexe Vernetzungsaufgaben zur Verfügung stand, das nur noch an die schwedischen Rahmenbedingungen und Anforderungen angepasst werden musste“, erzählt Volker Hofmann von InterSystems.

300 Pflegeeinrichtungen aus allen 21 Provinzen und Regionen mit der nationalen Patientenübersicht. Die letzten Einrichtungen werden bis Ende September 2012 angeschlossen. Geplant sind weiterhin ein webbasiertes Bürgerportal für den Zugriff auf eigene Gesundheitsinformationen sowie für die Ärzte eine Schnittstelle für Mobiltelefone. Mit der NPÖ kann heute jeder, der an der Behandlung eines Patienten beteiligt ist und über die entsprechenden Rechte verfügt, alle für ihn relevanten Teile der Krankengeschichte eines Patienten einsehen. Nach einer Umfrage von Ende 2011 sind neun von zehn NPÖ-Nutzern sehr zufrieden mit dem System.

„Es ist wichtig, dass andere Länder bei ihren überregionalen Vernetzungsprojekten aus den Erfahrungen von E-Health-Pionieren wie Dänemark und Schweden lernen“, betont Volker Hofmann von InterSystems. Das sagt auch eine 2011 neu geschaffene E-Health-Taskforce der Europäischen Kommission in ihrem Bericht „Redesigning health in Europe for 2020“. Die Expertengruppe empfiehlt des Weiteren unter anderem (EALTH3HARE die Schaffung eines europäi(UB schen Rechtsrahmens für den Umgang mit Gesundheitsdaten und die gezielte Förderung dezentraler, regionaler Projekte mit Mehrwert für %DGE'ATEWAYN die Bürger anstelle umfangreicher und komplexer Topdown-Lösungen. Diese Empfehlungen dürften sich auch in )NTEGRATION3ERVICES dem noch für 2012 erwarteten nächsten Aktionsplan der Kommission wiederfinden, 6ERBINDUNG der die Grundausrichtung der europäischen E-Health-Po'ESUNDHEITS 'ESUNDHEITS DIENSTLEISTER DIENSTLEISTER litik bis 2020 festlegen soll..

Im Mai 2009 nahm die erste Ausbaustufe der Nationell Patientöversikt in der Region Örebro den Produktivbetrieb auf. Inzwischen arbeiten rund 600 Krankenhäuser und Gesundheitszentren sowie etwa 6IEWER

3ERVICE )NTERFACE !

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Abbildung 32: Architektur von InterSystems HealthShare Quelle: InterSystems

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Kienbaum

Das Gesundheitswesen 2020

Christian Egle, Leiter Practice Group Health Care

Für den Patienten haben sich in den letzten Jahren deutliche Veränderungen im Gesundheitswesen angebahnt – ob der angestammte Hausarzt seine Praxis aufgegeben hat und keinen Nachfolger fand oder das örtliche Krankenhaus Abteilungen schließen musste und dennoch die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse die lokalen Medien beschäftigten. Zumindest die angestammte Krankenkasse gibt es noch. Oder nicht? Auf jeden Fall weiss der Bürger nun, dass ein Zusatzbeitrag nicht immer Zusatzleistung bedeutet. Wie geht das alles weiter? Wir haben einen Ausblick aus der direkten Sicht des Kunden, also Patienten gewagt. SYSTEMVERÄNDERUNGEN IM GESUNDHEITSWESEN

Stellt man zum heutigen Tag einen weltweiten Vergleich der Gesundheitssysteme an, kommt man eindeutig zu dem Schluss, dass das deutsche Gesundheitswesen in Bezug auf Zugangsmöglichkeit und Behandlungsqualität in der weltweiten Spitzengruppe vertreten ist. Diese Position und die flächendeckend hohe Qualität gilt es auch zukünftig zu erhalten. Dabei besteht die Herausforderung darin, dem stetigen Anpassungsdruck des Gesundheitswesens, verursacht

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durch demografischen Wandel sowie kontinuierlichen technischen und medizinischen Fortschritt, offen gegenüberzustehen und gleichzeitig die Finanzierung und Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens sicherzustellen. Es ist bereits heute absehbar, dass durch gesundheitspolitisch motivierte Strukturänderungen und die sich verschärfende Notwendigkeit für Krankenversicherungen und Leistungserbringer, kosteneffizient zu handeln, das Gesundheitswesen bis zum Jahre 2020 tief greifenden Veränderungen gegenüberstehen wird. Dabei beeinflussen sich die politischen, gesellschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Veränderungen gegenseitig. In den kommenden Jahren werden sich die Rahmenbedingungen für das Gesundheitswesen verschärfen – insbesondere im Bereich der Kosteneffizienz wird der Druck steigen. Durch die heute absehbaren Entwicklungen hin zu einem Anstieg von chronischen Erkrankungen, einem stärker multimorbiden Patientenklientel, einer älter werdenden Gesellschaft sowie dem Engpass an gut ausgebildeten Fachkräften wird sich die Versorgungsstruktur grundlegend weiterentwickeln müssen. Dieses Spannungsfeld von Behandlungsqualität und Bezahlbarkeit des Systems erfordert auch ein komplettes Umdenken des Bürgers: • Das Umdenken wird sich insbesondere darin widerspiegeln, dass die Bürger in einzelnen weiterentwickelten Bereichen auf tradierte und lieb gewonnene strukturelle Vorhaltungen zukünftig werden verzichten müssen. • Der Bürger wird darüber hinaus in seiner Rolle als Versicherter und Patient mit zahlreichen differenzierten Behandlungsformen und individuellen. Diagnose- und Überwachungsverfahren konfrontiert werden.

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Abbildung 33: Schematische Systemveränderungen im Gesundheitswesen 2020 Quelle: Kienbaum • Der Bedarf an Flexibilität bei medizinischer Thera-

GESUNDHEITSZENTREN

pie und Pflege sowie die Bereitschaft, neue Kommunikations- und Dokumentationsinstrumente zu nutzen, werden steigen. • Im Rahmen seiner Krankenversicherung erhält der Bürger vielfältige individuelle Wahlmöglichkeiten bei der Abdeckung seiner gesundheitlichen Risiken, die seiner Entscheidung bedürfen, welchen Schutz er sich zukünftig leisten will.

ZUR SICHERUNG DER FLÄCHENDECKENDEN

Bis 2020 wird sich folglich die Struktur der ambulanten und stationären Versorgung sowie das Angebot der Krankenversicherungen im Sinne der sich bereits heute abzeichnenden Veränderungen für den Bürger fühlbar und grundlegend neu gestalten. Wie eine solche Gestaltung aussehen kann, dieser Frage haben wir uns für drei wesentliche Bereiche des Gesundheitswesens gewidmet und einen Blick in die Glaskugel riskiert. Das Ergebnis oder vielmehr diese Vorhersage stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

FACHARZTVERSORGUNG

Die absehbare Verschiebung der demografischen Gesellschaftsstruktur sowie die weitere Morbiditätsentwicklung werden im Jahr 2020 zu deutlich erhöhten Anforderungen an die Primärversorgung führen. Hierbei wird das Missverhältnis zwischen ambulanter Überversorgung in Ballungsgebieten und haus- und fachärztlicher Unterversorgung in ländlichen Gebieten nicht nur weiterhin bestehen, sondern der deutliche Unterschied in den Versorgungsstrukturen wird sich weiter verstärken. Dabei werden selbst in heute noch hausärztlich gut versorgten Gebieten insbesondere im ländlichen Raum im Jahre 2020 ebenfalls Probleme für eine bedarfsnotwendige Rekrutierung von Haus- und Fachärzten auftreten. Anhaltspunkte für die Veränderungen in der ambulanten Versorgungsstruktur liefern die Entwicklungen in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren.

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Abbildung 34: Entwicklung der Medizinischen Versorgungszentren 2004 – 2010 Quelle: Bundesregister der KBV

Zentrale Anlaufstelle der Bürger für die ambulante Versorgung werden entweder die in Einzelpraxen niedergelassenen Hausärzte oder neu etablierte Gesundheitszentren sein. Dabei zeigt die Entwicklung der letzten Jahre bereits, dass ein deutlicher Trend hin zu Gesundheitszentren / MVZ existiert.

fen, den Bedarf an medizinischer und pflegerischer Betreuung in der Fläche zu befriedigen. Bereits heute zeigen verschiedene Modelle, wie der Einsatz der Gemeindeschwester in Mecklenburg-Vorpommern, beachtenswerte Ergebnisse in der Sicherung einer flächendeckenden Versorgung.

Gerade für ländliche Regionen wird interessant zu sehen sein, inwieweit sich auch neue Elemente der Versorgungssicherung im ländlichen Bereich etablieren werden. Gemeint sind Versorgungsmodelle, die auf einer Qualifizierung von pflegerischem Personal aufbauen. Dieses medizinische Fachpersonal wird unter der Führung der niedergelassenen Mediziner einfachere, delegierbare Tätigkeiten (bspw. Verbandswechsel) im Rahmen von Hausbesuchen bei den Patienten ausführen. Diese neuen medizinischen Assistenzfunktionen werden eine wirksame Entlastung der niedergelassenen Ärzte darstellen und hel-

Auch im urbanen Umfeld wird eine deutlich verstärkte ambulante fachärztliche Versorgung bei Diagnose, Therapie und ambulanten Operationen in größeren Strukturen wie großen ambulanten Zentren, MVZs und Ärztehäusern erfolgen, jedoch hier deutlicher losgelöst von den stationären Leistungserbringern (siehe auch Kapitel „Leistungserbringer“ dieses Branchendossiers). Für den urbanen Bereich wird die zukünftige Bedeutung der Bewertungsportale interessant sein. Gerade in den Regionen mit großer Konkurrenz wird die Relevanz der Portale weiter zunehmen und die bewusste Entscheidung der Patienten für ihren Arzt

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beeinflussen. Damit werden neben der medizinischen Qualität auch die Kriterien der Dienstleistungs- und Servicequalität im Vergleich der Arztpraxen untereinander eine größere Rolle spielen als heute. Der Patient wird die notwendigen Informationen über die Bewertungsportale einfordern und mit großer Sicherheit auch finden. Eine Konsequenz des Ärztemangels in ländlichen Gebieten wird die Ansiedlung der fachärztlichen Versorgung in Gesundheitszentren sein, sei es in der Form von Medizinischen Versorgungszentren oder in der Form von Ärztehäusern. In weiten Teilen kann man davon ausgehen, dass die doppelte Facharztstruktur zwischen niedergelassenen Medizinern und den Krankenhausärzten weitgehend der Vergangenheit angehören wird. Für die Bürger bedeutet dies, • dass sie sich zukünftig auf weniger fachärztliche Anlaufmöglichkeiten werden einstellen müssen. • dass die entstehenden Gesundheitszentren im ländlichen Raum in den meisten Fällen eng an größere stationäre Strukturen angebunden sein werden. • dass zwischen dem stationären Versorger und dem Gesundheitszentrum ein enger Austausch auf der personellen, fachlichen und technischen Ebene bestehen wird. Durchaus wahrscheinlich ist, dass gerade in den Einrichtungen, die in direkter Kooperation mit einer stationären Versorgungseinheit stehen, die Versorgungszentren über ein Rotationsmodell mit den Krankenhausärzten verfügen. Dies bedeutet, dass zwar eine fachärztliche Versorgung sichergestellt werden kann, es wird sich aber beispielsweise im Bereich einzelner Fachdisziplinen (bspw. der Kardiologie) der Ansprechpartner von Zeit zu Zeit ändern. Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass die Fachärzte des nächstgelegenen Krankenhauses nach einem festen Rhythmus in das Gesundheitszentrum rotieren werden und darüber die Facharztversorgung sicherstellen..

Ähnlich eng wird die technische Anbindung an die stationären Versorgungsstrukturen in den Bereichen Telemedizin und technologische Ausstattung sein (siehe Kapitel „Kundenorientierung: Lösungstechniken für Effizienzsteigerung durch ICT“ dieses Branchendossiers). Für den Bürger bedeutet dies, dass er sich insbesondere in ländlichen Gebieten mit einer Intensivierung der ferndiagnostischen Überwachung und der Nutzung weiterer telemedizinischer Systeme auseinanderzusetzen hat. Hierbei obliegt es dem Arzt, seinen Patienten in diese oftmals neue Art der ambulanten Versorgung einzuweisen und zu entscheiden, ob und wie neue Technologien zur telemedizinischen Diagnostik und Überwachung patientenindividuell eingesetzt werden. Fasst man die Prognose für den ambulanten/niedergelassenen Bereich zusammen, wird insbesondere den Bürger aus dem ländlichen Raum eine deutliche Veränderung erwarten. Dabei wird eine ambulante fachärztliche Versorgung wohnortnah sichergestellt werden können, wenn sich auch die nächstgelegenen Krankenhäuser an dieser Struktur beteiligen und Gesundheitszentren als lokale Versorgungseinheiten etablieren. Diese werden sowohl personell als auch technisch/telemedizinisch eng an die nahegelegenen Krankenhäuser angebunden sein. Für den stationären Aufenthalt werden die Bürger jedoch weitere Strecken in Kauf nehmen müssen. Die wesentlichen Eckpunkte dieser Entwicklung sind Gegenstand des folgenden Abschnitts. REGIONALE SCHWERPUNKTVERSORGUNG UND LÄNDLICHE GRUNDVERSORGER OHNE BETTEN

Die Entwicklung im Bereich der stationären Akutversorger wird in den nächsten Jahren wesentlich durch zwei Trends beeinflusst. Zum einen werden kleinere Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. (< 200 Betten), die nicht über eine Spezialisierung mit überregionalem Einzugsgebiet verfügen, zunehmend den Betrieb als stationäre Versorgungseinheit

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einstellen. Zum zweiten werden die Häuser in regionalen Zentren vermehrt zu Schwerpunktversorgern aufsteigen und sich einen überregionalen Wettbewerb mit vergleichbaren Häusern der Schwerpunkt- und Maximalversorgung liefern. Im Rahmen der stationären Versorgung wird der Patient immer öfter erfahren, dass Häuser der Zentralund Maximalversorgung mehr und mehr exklusiv in Ballungsgebieten angesiedelt sein werden. Zur Sicherung des Patientenzustroms und der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung werden diese regionalen Schwerpunktversorger mit angeschlossenen Einrichtungen agieren. Diese Einrichtungen werden weniger in der Form von akutstationären Grund- und Regelversorgungshäusern betrieben, sondern eher in Form von Gesundheitszentren, wie wir diese bereits zuvor beschrieben haben. Kleine Häuser der Grundund Regelversorgung werden aus mehreren Gründen kaum eine Chance auf ein eigenständiges Fortbestehen haben. So sehen wir heute schon eine steigende Entwicklung der zunehmenden Ambulantisierung von kleineren Eingriffen. Aktuelle Zahlen zeigen, dass immer mehr ambulante Fälle aus dem Krankenhaus in andere Versorgungsstrukturen abwandern. Dieser Trend wird auch zukünftig den Fallmix im Krankenhaus beeinflussen. Zum einen wird der Fallmix in einfachen Häusern der Grund- und Regelversorgung nicht ausreichen, die Fixkosten der Strukturvorhaltungen gegenzufinanzieren, um auskömmliche wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen. Die Fortschreibung von deutlichen Defiziten in diesen Einrichtungen, wie wir sie heute häufig sehen, wird unausweichlich. Des Weiteren wird kaum mehr das medizinische und pflegerische Fachpersonal in ausreichender Anzahl und Qualifikation für diese Einrichtungen gewonnen werden können. Zu unattraktiv sind häufig die Fortbildungs- und Karrieremöglichkeiten und zu groß sind die alternativen Anstellungsangebote von Schwerpunkt- und Maximalversorgung, bei denen auch die fachliche Weiterbildung naturgemäß gegeben sein wird. Die fehlende

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Ausbildungsperspektive wird für diese Häuser sowohl ein Rekrutierungsproblem bei der Suche nach Assistenzärzten als auch ein kostenseitiges Problem darstellen. Offene Stellen können entweder nur noch über teurere Fach- oder Leihärzte besetzt werden. Die Bedeutung der Thematik Personal wird sich verstärken, zum einen als Kostenfaktor, zum anderen werden adäquate Besetzungen in kleineren Häusern nahezu unmöglich. Der Fachkräftemangel wird für die Patienten eine wesentliche Determinante, in welcher Entfernung und welcher Versorgungsstruktur eine medizinische Versorgung erreichbar sein wird. Der Trend zum Anschluss an größere Verbünde von Einzelkliniken wird weiterbestehen, insbesondere bei kommunalen und freigemeinnützigen Häusern. Jedoch wird auch die Verbundbildung keine langfristige Sicherung des Standortes als Krankenhaus bedeuten. Auch in den bestehenden Verbünden werden die kleineren Häuser der Grund- und Regelversorgung zu Gunsten von Gesundheitszentren verschwinden. In ländlichen und strukturschwächeren Gebieten wird somit die Anzahl akutstationärer Versorgungseinheiten weiter zurückgehen. Die Notfallversorgung wird an die ambulanten Gesundheitszentren angeschlossen sein, genau wie die oben beschriebene fachärztliche Versorgung in der Fläche. Wird auch die Privatisierungswelle der Kliniken ungebremst weitergehen? Das hängt sicherlich davon ab, inwieweit gerade die öffentlichen Träger in der Lage sein werden, den Bürger von notwendigen Strukturmaßnahmen zu überzeugen. Größere nachhaltige Defizite im kommunalen Krankenhausbetrieb werden auch in Zukunft so manchen kommunalen Haushalt in die Privatisierung treiben und damit zur Entkopplung des Krankenhausbetriebs von der öffentlichen/ politischen Einflussnahme führen. Die aktuell und auch zukünftig zu verzeichnende Privatisierungswelle wird sich jedoch nicht ungehemmt fortsetzen. Die abgebenden Träger werden bei der Entscheidung, an wen die Einrichtungen zu veräußern sind, zunehmend sensibel. Die Trägerpluralität aus kommunal/freige-

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meinnützig und privat wird damit weiterbestehen, dabei sind jedoch weitere Verschiebungen der Anteile wahrscheinlich. Im städtischen Umfeld werden die Häuser der Schwerpunktversorgung und die Häuser der Maximalversorgung an Einfluss und Bedeutung gewinnen. Nicht zuletzt über die fortschreitende Transparenz über Leistungsfähigkeit und Qualität der Kliniken werden die Patienten ihre Entscheidung für eine Klinik zunehmend von den Referenzen der Einrichtung abhängig machen. Der Trend zum laienqualifizierten und wissenden Patienten wird weiter zunehmen und die entstehenden Bewertungsportale werden an Bedeutung gewinnen, vergleichbar mit der Situation im niedergelassenen Bereich. Für die kleineren Häuser in urbanen Gebieten und regionalen Zentren bietet sich die strategische Lücke in der Spezialisierung und dem Qualitätswettbewerb in medizinischer Therapie, pflegerischer Leistung, Zuwendung und menschlicher Nähe. Gegenüber den ländlichen Häusern vergleichbarer Größenordnung ist der bessere Zugang zu Fachkräften über das urbane Umfeld ein eindeutiger Wettbewerbsvorteil. BASISTARIF UND BAUKASTENPRINZIP IN DER VERSICHERUNGSWELT

Bei diesen Veränderungen in der ambulanten und stationären Versorgung stellt sich nun die Frage nach der Finanzierung der medizinischen Versorgung der Bürger. Auch im Bereich der Kostenträger wird es bis zum Jahre 2020 zu spürbaren Veränderungen für den Bürger kommen. Zu vermuten ist: Das duale System von PKV und GKV wird mit strukturellen und leistungskatalogspezifischen Anpassungen bestehen bleiben. Die konkurrierenden Systeme werden weiterhin dazu beitragen, dass durch einen gesunden Wettbewerb um attraktive Kundengruppen die Qualität und Bezahlbarkeit von Leistungserbringung gewährleistet bleibt.

Jedoch kann nicht alles, was medizinisch möglich ist, auch vollständig von den Kostenträgern bezahlt werden. Bereits heute muss der gesetzlich krankenversicherte Bürger auf eine vollkommen umlagengedeckte Maximalversorgung verzichten. Die Leistungen im Rahmen einer Grundversorgung werden sich in beiden Systemen deutlich angleichen. Der Unterschied zwischen Privat- und Kassenpatient wird im Rahmen einer medizinischen Grundsicherung immer mehr aufgehoben. So wird es in beiden Systemen eine identisch ausgestaltete Basisversicherung mit gleichem gegenüber heute abgesenktem RegelLeistungskatalog für alle Bürger ohne eine Beitragsbemessungsgrenze geben, wobei die strukturellen Nachteile des aktuell vorhandenen PKV-Basistarifs ausgeglichen werden. Diese Basisversicherung wird die Grundsicherung der medizinischen Versorgung in Deutschland abdecken und wird deutlich weniger Leistungen im Katalog enthalten als der aktuelle GKV-Leistungskatalog respektive PKV-Basistarif. In der PKV wird mittelfristig die substitutive Krankenversicherung im Rahmen der Vollversicherung für Privatpersonen aber weiterhin bestehen bleiben. Die Tarifwelt wird um die neu gestaltete Basisversicherung mit gleichem einkommensabhängigem Beitragssatz wie die GKV erweitert. Gleichzeitig wird ein Wechsel aus der PKV-Basisversicherung in die GKV nach Erfüllung bestimmter Kriterien und Sperrfristen möglich. Das Neugeschäft in der Teilversicherung unter anderem für beihilfeberechtigte Beamte wird zukünftig einzig als Basisversicherung analog einer GKV-Grundversorgung mit deutlich reduziertem und einheitlichem Leistungskatalog angeboten. Als Beamter muss man sich auf den Verlust einiger lieb gewonnener Privilegien einstellen. Nichtsdestotrotz bleibt es den Beamten unbenommen, eine kapital­ gedeckte private Vollversicherung abzuschließen – jedoch ohne Anspruch auf Beihilfe durch den Dienstherren.

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Im GKV-Bereich wird diese Basisversicherung zu einem Absenken des Krankenkassenbeitrags und damit zu einer monetären Entlastung des Bürgers bei der Grundversorgung beitragen. Dieses Geld wird in Zusatzversicherungen zur individuellen Absicherung von Gesundheitsrisiken investiert werden müssen. Dadurch kommt es zu einer ansteigenden Bedeutung von Zusatzversicherungen für konkrete medizinische Leistungen im ambulanten und stationären Bereich sowie für Rehabilitationsleistungen, die im Jahr 2020 von beiden Systemen konkurrierend auf dem Markt angeboten werden. Der Bürger hat fortan die Wahl, zu seiner Basisversicherung im Stile des Baukastenprinzips seine individuellen Gesundheitsrisiken im Rahmen von Zusatzversicherungen abzusichern.

Daher wird es eine große Menge an neuen, individuellen Produkten geben, die von PKV und GKV in Konkurrenz entwickelt und vertrieben werden. Konkurrenz belebt das Geschäft und die Versicherten sind die Nutznießer, können sie doch aus hoch spezialisierten und kosteneffizienten Zusatzprodukten ihr persönliches Krankenversicherungspaket zusammenstellen. Hierbei wird es im Bereich der Annahmepolitik auch für GKV-Versicherte eine Gesundheitsprüfung geben, die die Zulassung für bestimmte Versicherungen untersuchen wird. Das diversifiziertere Produkt- und Tarifportfolio bei gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen hat auch zur Folge, dass der Versicherungskunde in

Abbildung 35: Erwartete Veränderungen im Leistungskatalog der Krankenversicherungen in 2020 Quelle: Bundesregister der KBV

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Abhängigkeit seines Zusatzversicherungsportfolios zukünftig mehr und mehr von seiner Versicherung in ausgewählte Leistungserbringerstrukturen eingesteuert wird. Die vertraglichen Kooperationen zwischen den Kostenträgern und ambulanten wie stationären Versorgern werden deutlich zunehmen und den Kunden erwartet zukünftig eine verstärkte Einflussnahme der Krankenversicherung in seine Arztwahl. Gleichzeitig werden dadurch aber auch die Anforderungen an den Bürger erhöht, sich eingehender mit seinen Gesundheitsrisiken auseinanderzusetzen und sich intensiver über Wahl- und Ergänzungsmöglichkeiten zur neuen Basisversicherung zu informieren. Insbesondere bei den gesetzlichen Krankenversicherungen bedeutet dies ein neues Geschäftsfeld und den Druck zu mehr Kundenorientierung. Der Krankenversicherungskunde von 2020 erwartet Transparenz in Produktportfolio und Leistungsangeboten der Krankenversicherer hinsichtlich seiner individuellen Absicherungsbedürfnisse. Somit wird es notwendig sein, dass insbesondere Kassen, aber auch private Krankenversicherungen kommunikativ näher an den Versicherten rücken, was eine entsprechende Ausbildung des Personals im Kundenservice zur Bewerbung und Vertrieb von neuen Produkten und Tarifen erfordert. Die Anforderungen an das GKV-Personal werden sich deutlich erhöhen, vertriebliche Leistungen wie der Verkauf von neuen Zusatzprodukten, Gewinnung neuer, attraktiver Kundengruppen, Kundenbindung, Rückgewinnung von abwanderungswilligen oder

abgewanderten Zusatzversicherten rücken in den Fokus. Die Mitarbeiter müssen entsprechend ausgebildet, aber auch incentiviert werden, um diese für die Kasse und PKV nun mehr und mehr ergebniskritischen Tätigkeiten erfolgreich durchzuführen. Somit wird der Anteil an erfolgsabhängigen Vergütungsmodellen in den Krankenversicherungen steigen und die Gewinnung und Bindung von talentiertem, engagiertem Personal in allen Unternehmensbereichen wird an Bedeutung zunehmen. Generell entsteht im Bereich der GKV neben dem Professionalisierungsdruck ein verstärkter Kostendruck, da der Gesundheitsfonds in den Jahren 2015 bis 2020 im Sinne der Beitragsstabilisierung respektive -senkung die Mechanismen der Verteilung anpasst. Die weitere Reduktion der Anbieter im Bereich GKV wird primär durch ein kleinteiliges BKK-System getrieben. Der Versicherte kann sich auf weitere Kassenzusammenlegungen und auch Kassenschließungen einstellen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich der Trend der letzten Jahre fortsetzt und wir 2020 weniger als 50 gesetzliche Krankenversicherungen am Markt haben werden. Der Ausblick über die drei Versorgungssektoren zeigt, dass in jedem Bereich für den Bürger deutliche Veränderungen zu erwarten sind. Bewertet man die dargestellten Entwicklungen aus Sicht des Bürgers, so wird schnell deutlich, dass die Entwicklungen im Gesundheitswesen der nächsten Jahre deutlich spürbarer für die Bürger werden als die der jüngeren Vergangenheit.

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Deutsche Telekom AG

Der Vernetzung gehört die Zukunft

Dr. Axel Wehmeier, Leiter des Konzern­ geschäftsfelds Gesundheit bei der Deutschen Telekom über kompatible Standards, Telemedizin, das Konsumverhalten der Deutschen und die Angst vorm gläsernen Patienten.

LÜNENDONK: Herr Wehmeier, vor knapp zwei Jahren hat die Telekom das Geschäftsfeld Gesundheit gegründet. Lohnt sich das Engagement? WEHMEIER: Wer sich im Gesundheitswesen engagiert, muss einen langen Atem haben. Das ist nichts für Kurzstreckenläufer. Aber bisher haben sich unsere Erwartungen an das neue Geschäftsfeld erfüllt und ich bin zuversichtlich, dass sich unser Engagement langfristig noch stärker auszahlen wird als bisher. Denn das Gesundheitswesen ist im Umbruch. Das traditionelle System mit seinen drei Säulen – allgemeine Krankenhäuser, Spezialkliniken und ambulante Versorgung – ist immer stärker auf eine Vernetzung angewiesen. Die Technik hilft Ärzten, dem Pflegepersonal, aber auch Patienten. Und wir sind einer der Provider, die diese Technik zur Verfügung stellen können. Zum Beispiel sind wir an dem bundesweit ersten flächendeckenden Telemedizin-Projekt in Brandenburg beteiligt, verbessern mit Tablet-PCs die Arbeitssituation für Klinikärzte oder entwickeln Lösungen, damit ältere Menschen länger selbstbestimmt leben können.

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LÜNENDONK: Und wie will die Telekom den Gesundheitsmarkt der Zukunft erschließen? WEHMEIER: Indem wir uns auf unsere Kernkompe-

tenz konzentrieren. Wir stellen der Branche Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung – das neue Rückgrat der Branche. Wir wollen der zentrale Partner für das gesamte Gesundheitswesen sein, der alle Teilnehmer zusammenbringt. Wir sind am Ziel, wenn sich Ärzte, Kassen, Kliniken, Patienten oder Pflegedienste untereinander hochsicher digital austauschen können. Kein Klinikarzt, kein Allgemeinmediziner oder Facharzt wird in Zukunft ohne intelligente Kommunikationstechnik auskommen. Für die medizinische Versorgung wird der schnelle Zugriff auf Daten immer wichtiger. Er beschleunigt Prozesse und hilft, Kosten zu senken. Ärzte müssen in dem Moment Zugriff auf Patientendaten haben, wenn sie diesen brauchen: am Krankenbett des Patienten, in der Notaufnahme oder im OP-Saal. Der Vernetzung gehört die Zukunft. LÜNENDONK: Wollen das auch die Ärzte und Patienten? Viele reagieren bei Stichworten wie Telemedizin oder elektronischer Gesundheitskarte skeptisch. WEHMEIER: In Deutschland gibt es im Gegensatz

zu anderen Ländern noch große Vorbehalte gegen die Vernetzung von Ärzten oder das Austauschen von Gesundheitsdaten. Da sind uns andere Nationen wie die USA, Kanada oder die skandinavischen Länder weit voraus. Dort sind telemedizinische Lösungen verbreiteter und akzeptiert. Sie bieten viele Vorteile: schneller Zugriff auf Daten, weniger Doppeluntersuchungen, Ersparen von Anfahrtswegen. Da Patienten

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besser medizinisch überwacht werden, fühlen sie sich durch das Monitoring sicherer. Für sie ist diese Versorgung ein Quantensprung. Außerdem hilft Telemedizin, Versorgungsengpässe zu managen. In vielen Regionen Deutschlands existiert ja bereits ein Ärztemangel – nicht nur in Sachsen oder Brandenburg, sondern auch im Sauerland, der Eifel oder in Niedersachsen. Dort gibt es einen konkreten Bedarf. Wenn wir die Möglichkeit haben, Ärzte dort zu entlasten und die medizinische Versorgung zu verbessern, dann sollten wir das tun. LÜNENDONK: Aber wie wollen Sie den Medizinern

die Technik schmackhaft machen? WEHMEIER: Im westlichen Europa sind wir das einzi-

ge Land, das im Gesundheitswesen auf einen sicheren Onlineaustausch von Daten verzichtet. Dabei ist doch längst unstrittig, dass wir eine gute Onlinevernetzung mit einer einheitlichen Infrastruktur und einem hohen Sicherheitsniveau brauchen. In Deutschland hat sich die Diskussion auf das Argument zugespitzt, dass durch die Digitalisierung der Datenschutz gefährdet sei. Ich kann mich hier nur auf Peter Schaar, den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit berufen, der sagt: Um im Gesundheitswesen einen besseren Datenschutz zu erreichen, brauchen wir die Telematik.

LÜNENDONK: Was sind für Sie die wichtigsten

Trends im Gesundheitswesen? WEHMEIER: Die flächendeckende Einführung von offenen IT-Standards ist die wichtigste Aufgabe, die das Gesundheitswesen in den nächsten Jahren zu lösen hat. Sie bilden die Grundlage dafür, dass wir uns sektorübergreifend und friktionslos austauschen können. Ohne Standards wird sich das Gesundheitswesen nicht weiterentwickeln. Das betrifft sowohl die Versorgungsqualität als auch die Prozesse selbst und nicht zuletzt die Kosten. Diese Dinge werden wir langfristig nur mithilfe von kompatiblen Standards wie Integrating Healthcare Enterprise (IHE) oder Health Level Seven (HL7) in den Griff kriegen. In den USA und Kanada sowie in vielen europäischen Ländern ist bei der Beschaffung von IT die Konformität von IHEProfilen bereits vorgeschrieben. Denn damit ergeben sich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit: Zum Beispiel können in der Notfallmedizin eine Verlegungsentscheidung für einen Patienten zeitgleich an mehrere Traumazentren gestellt, Rückfragen schnell beantwortet und wichtige Detaildiagnostik noch im Erstversorgungshaus durchgeführt werden. Daneben gibt es natürlich noch weitere wichtige Trends, wie zum Beispiel die demografische Entwicklung. LÜNENDONK: Will die Telekom auch in den Pflege-

markt einsteigen? LÜNENDONK: Viele Bürger fürchten den gläsernen

Patienten. WEHMEIER: Die Bedenken von Patienten und Ärzten

müssen wir sehr ernst nehmen. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens führt aber nicht zu einem schlechteren, sondern zu einem besseren Datenschutz. Im Moment ist es doch so, dass manche Arztberichte ohne besonderen Datenschutz per Post oder Fax versendet werden. Künftig entscheidet der Patient zunehmend mit, wer auf welche Daten Zugriff hat..

WEHMEIER: Überall dort, wo wir bereits Lösungen

anbieten und Vernetzung einen Beitrag leisten kann, engagieren wir uns auch im Pflegebereich: Telefone mit Notrufservicefunktionen, Touchscreens, mit denen Nutzer leicht Medikamente oder Essen auf Rädern bestellen, aber auch E-Mails versenden oder Videotelefonate führen können – Enkelkinder zu sehen, kommt in der Wunschliste fürs Alter gleich nach dem Gesundbleiben. Der Markt in diesem Bereich wird erst in zwei bis drei Jahren Fahrt aufnehmen. In den nächsten Jahren werden die Produkte benutzerfreund-

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licher und deutlich günstiger. Ein Beispiel: Wir entwickeln derzeit ein Hausnotruf-System, das eine Notsituation automatisch erkennt, ohne dass die Personen einen Sensor am Körper tragen müssen. Mit solchen Lösungen können Ältere länger selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben. LÜNENDONK: Sind die Menschen bereit, für solche

Produkte zu zahlen? WEHMEIER: Nach allen Umfragen ja. Und nicht nur

die Älteren, auch viele jüngere Menschen. Die Deutschen sparen lieber beim Urlaub oder beim Auto als bei ihrer Gesundheit. Die Entwicklung in diesem Bereich verläuft jedoch in zwei unterschiedliche Richtungen. Auf der einen Seite erleben wir, dass durch Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung chro-

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nische Krankheiten wie Diabetes zunehmen. Andererseits registrieren wir auch: Viele Menschen wollen ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen und sind bereit, dafür Geld auszugeben. Hier schließt sich der Kreis. Die Fitness-Apps, die sich heute ja bereits großer Beliebtheit erfreuen, werden sich in Zukunft zu virtuellen Beratern weiterentwickeln wie beispielsweise Ernährungs-, Fitness- oder Trainingsberater. Will der Nutzer einfach nur ein paar Kilo abnehmen, seine Fitness in Schwung bringen oder einen Marathon absolvieren – bei all diesen Dingen wird ihn in Zukunft vernetzte Technik unterstützen. Die Daten, die er dabei speichert, können Ärzten wiederum helfen, die Lebens- und Gesundheitssituation ihrer Patienten besser zu erkennen. Ob er solche Daten dem Arzt seines Vertrauens freischaltet, bleibt natürlich dem Nutzer überlassen.

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Deutsche Telekom AG

Interoperabilität – Grundstein für vernetzte Medizin auch die Einbindung nationaler und internationaler Spitzenmediziner in spezielle Behandlungen nicht umgesetzt und sichergestellt werden können.

Alexander Ihls, Senior Expert Healthcare IT T-Systems International GmbH

Damit diese positiven Veränderungen umgesetzt werden können, muss die medizinische Dokumentation und deren Austausch innerhalb der interdisziplinären Teams sowohl technisch als auch semantisch und künftig sogar organisatorisch interoperabel werden. TECHNISCHE INTEROPERABILITÄT

INTEROPERABILITÄT – GRUNDSTEIN FÜR VERNETZTE MEDIZIN

Die Herausforderungen der künftigen medizinischen Versorgung entstehen durch die demografische Entwicklung, die stete Zunahme zivilisatorischer Erkrankungen wie auch durch die zunehmende Mobilität der Menschen. Hieraus leiten sich bereits heute anerkannte Veränderungen in der Versorgung ab, die insbesondere eine enge Abstimmung interdisziplinärer Diagnostik- und Therapieteams bedingen. Dabei entwickelt sich diese in stationären Einrichtungen oft schon heute angewandte Vorgehensweise künftig über die Grenzen der sektoralen Einrichtungen hinaus. Gerade die Versorgung multi-morbider Patienten, deren Behandlung einen Großteil der Kosten des Gesundheitssystems ausmachen, kann nur im Zusammenwirken von hausärztlicher Praxis, Fachärzten, Pflegediensten, Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen sinnvoll umgesetzt werden. Hinzu kommen verstärkt Versorgungselemente aus der Telemedizin, ohne deren Einsatz eine fachlich hochwertige Versorgung in strukturschwachen Regionen, aber

Der Austausch von Daten ist für uns heutzutage selbstverständlich geworden. Wir senden uns gegenseitig Nachrichten, elektronische Post, tauschen Bilder und Musik miteinander aus, übermitteln unsere Steuererklärung digital und erledigen unsere Bankgeschäfte online. Dabei ist uns selten bewusst, dass all dies nur möglich wurde, weil sich sowohl in der IT als auch in der Telekommunikation bereits früh die Einsicht durchsetzte, dass diese Märkte nur dann funktionieren können, wenn die unterschiedlichen Anbieter ihre Dienste und Produkte ausschließlich auf Basis internationaler Standardisierungen entwickeln und untereinander interoperabel gestalten. Diese Erkenntnis hat sich auch in der Gesundheitsinformatik schon lange durchgesetzt und führte zur Entwicklung einiger Standards, um den technischen Austausch von Gesundheitsdaten zwischen Anwendungen unterschiedlicher Hersteller zu ermöglichen. Leider hat sich gerade in Deutschland keine einheitliche Unterstützung bestimmter Standards durchgesetzt. Die in der Vergangenheit fehlenden Anreize und die fehlenden gesetzlichen Vorgaben führten

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dazu, dass sich im stationären Bereich der internationale Standard „Health Level Seven (HL7)“ Version 2 etablierte, während in der ambulanten Versorgung meist proprietäre, also herstellerbezogene oder lediglich regionale respektive nationale Entwicklungen (xDT, D2D, VCS, etc.) zu finden sind. Auch die Einbindung von Medizingeräten für die Telemedizin wie auch in der ambulanten und stationären Versorgung konnte bislang noch nicht grundlegend vereinheitlicht werden und ist stark von den Geschäftsmodellen der jeweiligen Hersteller getrieben. SEMANTISCHE INTEROPERABILITÄT

Wenn der technische Austausch auch bereits strukturierter Daten sichergestellt ist, kann die nächste Ebene der Interoperabilität angestrebt werden. Dabei ist es gerade bei medizinischen Daten wichtig, dass der exakte Kontext der Daten nicht nur für den menschlichen Empfänger, sondern gerade auch für die Kommunikation zwischen verschiedenen IT-Systemen erhalten bleibt. So genügt es beispielsweise bei der Übermittlung von Vitaldaten eines Patienten oftmals nicht, den einzelnen Wert mit einer eindeutigen Angabe zum entsprechenden Wertesystem (z.B. physikalische Einheit) zu versehen, sondern es müssen auch weitere Parameter wie die Lage des Patienten bei der Messung oder die Uhrzeit als Indikator der jeweiligen Tageszeit bis hin zur Ernährungssituation (post- bzw. präprandial) mitgegeben werden, um eine semantisch eindeutige Interpretation der Daten zu ermöglichen. Die Nutzung von internationalen Standards bei der Beschreibung und Kodierung dieser Semantiken muss national verankert und dabei auch an die in unserem Lande etablierten Gegebenheiten angepasst werden. Diese hoheitliche Aufgabe muss von der Politik bis 2020 gelöst sein, um eine sinnvolle Vernetzung der Medizin zu ermöglichen. Durch die Europäische Union werden schon seit einiger Zeit entsprechende Projekte (z.B. epSOS) gefördert und vorangetrieben, die dann auch den semantischen Austausch von Daten zwischen den europäischen Staaten ermöglichen werden. Grundvoraussetzung ist aber zunächst die

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Schaffung deutscher Vorgaben und Strukturen, damit wir die Daten, unter Berücksichtigung des Daten- und Patientenschutzes verfügbar bekommen. ORGANISATORISCHE INTEROPERABILITÄT

Sind die medizinischen Daten umfänglich, strukturiert und in ihrem jeweiligen Kontext digital verfügbar, kann auch die Integration von organisatorischen Abläufen standardisiert werden. Mit dieser Stufe der Interoperabilität wird über Einrichtungsgrenzen hinaus sichergestellt, dass die leitlinienkonforme Versorgung der Patienten sowohl nach den besten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch mit dem effizientesten Einsatz der verfügbaren Ressourcen durchgeführt wird. STANDARDS UND PROFILE

Die Nutzung und Implementierung von internationalen Standards kann nur im Kontext eindeutiger Anwendungsszenarien erfolgreich umgesetzt werden. In der Vergangenheit wurden Standards in der Healthcare-IT oftmals sehr unterschiedlich von den einzelnen Herstellern interpretiert, was am Ende nicht zur gewünschten Interoperabilität führte, sondern viele Anwender sogar zu einer eher kritischen Haltung gegenüber diesen Festlegungen verleitete. Hieraus hat man bereits vor über zehn Jahren die richtigen Schlüsse gezogen und sich in Interoperabilitätsinitiativen zusammengeschlossen. Diese Organisationen, wie die Initiative „Integrating Healthcare Enterprise (IHE)“ oder auch die „Continua Health Alliance“, erarbeiten gemeinsam mit den Anwendern unterschiedliche „Use-Cases“, deren Umsetzung echte Verbesserungen darstellen und beschreiben dann in „Profilen“, wie diese Anwendungsfälle mit klar definierten Regeln in den einzusetzenden Standards gelöst werden können. Diese Methodik wurde mittlerweile selbst zum ISOStandard erhoben und es gibt weltweit viele Anwendungen und Projekte, die diese Profile erfolgreich einsetzen. Bei unseren europäischen Nachbarn finden wir Projekte wie das „Dossier medicaux personell“

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(Frankreich), die „Elektronische Gesundheitsakte (ELGA)“ (Österreich) oder das „Informing Healthcare Programme“ (Wales) und viele weitere mehr, die sich insbesondere an dem Profil XDS.b der IHE orientieren, womit sich der strukturierte Austausch von medizinischen Dokumenten bewerkstelligen lässt. IHE-COOKBOOK FÜR DEUTSCHLAND

Die deutsche Landesorganisation der IHE hat in 2011 begonnen, ein „Kochbuch“ für die sichere, einrichtungsübergreifende Bild- und Befundkommunikation in Deutschland zu erstellen. Mit dieser umfangreichen Arbeit wird der Grundstein gelegt, um auch in Deutschland die vernetzte Medizin zu ermöglichen. Bis 2020 und darüber hinaus können sich die unterschiedlichen Leistungserbringer mit ihren IT-Systemen auf Grundlage des „Cookbook“ so vernetzen, das sowohl der notwendige Datenschutz als auch der Schutz der Patienten sichergestellt sind.

Wenn es bis 2020 dann noch gelingt, die gemeinsam genutzten Dokumente semantisch interoperabel zu strukturieren, wären gute Grundlagen geschaffen, um nicht nur die oben genannten Ebenen der Interoperabilität zu erreichen, sondern auch, um die weitergehende Nutzung dieser Daten (Secondary Use) im Rahmen wissenschaftlicher Studien in der Medizin und der Medizinökonomie zu ermöglichen. Unternehmen wie die Telekom arbeiten mit vielen Mitbewerbern und Anwendern eng zusammen, um die technischen Voraussetzungen für eine vernetzte Medizin zur Verfügung stellen zu können. Bis zum Jahr 2020 müssen nun die politischen Weichen gestellt werden, damit die Zusammenarbeit aller an der Versorgung beteiligter Personen ermöglicht werden kann.

Abbildung 36: Lösungsarchitektur Quelle: IHE Cookbook, 2012

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VIVAI Software AG

Kliniken.de und der Kampf um die Talente im Gesundheitsbereich In den letzten Monaten wurden gerade in diesem Bereich viele Aktivitäten durchgeführt, damit sich das Portal deutlich von seinen Wettbewerbern differenziert und seine Stellung als einer der Marktführer manifestiert.

Dr. Bettina Horster, Vorstand und Betreiber Kliniken.de

Dem deutschen Gesundheitswesen gehen die Ärzte aus und es besteht bereits ein „akuter Pflegenotstand“. Diese Situation wird seit Jahren von allen zuständigen Institutionen beklagt. Deutschland läuft in den nächsten Jahren Gefahr, keine flächendeckende medizinische und pflegerische Versorgung gewährleisten zu können. Insbesondere die ausgeprägten Abwanderungstendenzen bei Medizin-AbsolventInnen und FachärztInnen (ca. 24%) sowie bei Pflegepersonal in die Industrie und ins Ausland sorgen dafür, dass sich der „Kampf der Talente“ ständig verschärft. Die Konsequenz: Rund drei Viertel aller Krankenhäuser haben zurzeit Probleme bei der Besetzung von Vakanzen im ärztlichen Dienst. Im Pflegebereich sieht es zurzeit noch etwas besser aus, jedoch trübt sich auch dort das Bild ein. Es ist daher für ein Online-Portal wie Kliniken.de unabdingbar, den Fokus der Aktivitäten zur aktiven Anwerbung von potenziellen Bewerbern auszuweiten.

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Fast unüberschaubar ist die Zahl derer, die um die Mediziner und Pflegekräfte buhlen. Kliniken.de geht seit seiner Gründung 1997 als Schrittmacher voran und schlägt kontinuierlich neue Wege ein, um bei Ärzten und Pflegepersonal ständig präsent zu sein. Kliniken.de baut kontinuierlich die folgenden Bereiche weiter aus: • Marke und Image • Netzwerke und Partnerschaften • Services • Technologie MARKE UND IMAGE

Heute werben immer mehr Online-Portale um die Aufmerksamkeit der Stellenanbieter wie Kliniken, Krankenkassen, Pharma- und Medizintechnikhersteller und der Bewerber. Der Bekanntheitsgrad (der unterstützte Bekanntheitsgrad von Kliniken.de liegt im Gesundheitsbereich bei 74%) und die langjährige Erfahrung sind heute entscheidend, um als „eine der wichtigsten Onlinejobbörsen“ ausgewählt zu werden. Das Ziel ist es, ein umfassendes Karriereportal der medizinischen Berufe aufzubauen. Von Beginn an war es Kliniken.de ein großes Anliegen, ein Gleichgewicht zwischen Bewerbern und

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Stellenangeboten. herzustellen.. Während. es. in. früheren.Jahren.ausreichend.war,.Werbung.zu.schalten. und. eine. kontinuierliche. Pressearbeit. zu. verfolgen,. müssen. heute. additive. Maßnahmen. folgen,. um. die. Marke.weiter.zu.schärfen..

Gallen. (Schweiz). neue. Konzepte. zur. erfolgreichen. Umsetzung. eines. modernen. Personalmanagements. im.Gesundheitsbereich..

Eine. wichtige. Maßnahme. stellt. hierbei. die. Präsenz. auf.ausgesuchten.Karrieremessen,.wie.die.DocSteps. oder. JobMEDI,. zumeist. als. Exklusivpartner. mit. tagesaktuellen. Stellenangeboten. und. vielen. Fachkongressen. der. Fachgesellschaften,. etwa. der. Kardiologen.oder.Anästhesisten,.dar..Durch.den.persönlichen. Kontakt. mit. Bewerbern. und. Kunden. bekommt. die. virtuelle. Plattform. ein. Gesicht.. Die. Beratung. und. Ansprache.auf.den.Messen.haben.dazu.geführt,.dass. das. Bewerberaufkommen. der. Plattform. stark. zugenommen.hat..

Die. eigene. Personalberatung. MedSTEP. profi.tiert. unmittelbar. von. den. Ergebnissen. der. Forschung.. MedSTEP. wurde. mit. einem. eigenen. Team. gegründet,. um. Kunden. aus. dem. Gesundheitssektor. noch. individueller. bei. der. Personalsuche. zu. unterstützen.. MedSTEP. kommt. zum. Einsatz,. wenn. eigene. Ressourcen.zur.Suche.fehlen,.die.anzeigengestützte. Suche. nicht. den. richtigen. Kandidaten. brachte. oder. bei.der.Besetzung.von.hoch.spezialisierten.Experten,. von.denen.es.nur.sehr.wenige.gibt..MedSTEP.kann. auf.alle.Ressourcen.(z.B..Fachberater,.Bewerberdaten,.Datenbanken).zugreifen.und.hat.damit.ganz.andere.Möglichkeiten.als.andere.Personalberatungen.

Als.Innovationstreiber.entwickelt.Kliniken.de.in.einer. Forschungskooperation. mit. der. Universität. St..

Kliniken.de. war. von. Beginn. an. mehr. als. nur. eine. Stellenbörse. für. Ärzte. und. Pfl.egekräfte.. Seit. jeher.

Abbildung 37: Das Netzwerk von Kliniken.de Quelle: VIVAI Software AG, 2012

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verstand.sich.das.Portal.als.Informationsdrehscheibe. im.B2B-Sektor,.aber.auch.als.Plattform.für.Patienten. und.deren.Angehörige,.die.ebenfalls.von.den.detaillierten.Informationen.zu.den.einzelnen.Fachabteilungen.der.Kliniken.und.Pfl.egeeinrichtungen.profi.tieren. können.. netZwerK

In. den. letzten. Jahren. ist. Kliniken.de. viele. Partnerschaften.mit.verschiedenen.Institutionen,.Verbänden. und. anderen. Unternehmen. eingegangen. und. hat. so. ein. großes. Netzwerk. gebildet.. In. einem. komplexen. Umfeld.wie.dem.Gesundheitswesen.mit.vielen.Spezialisierungen.ist.es.unerlässlich,.Teilbereiche.zusammen. mit. Partnern. zu. bearbeiten.. Den.Anfang. dieser. Entwicklung.machte.2004.die.Exklusivpartnerschaft. mit. der. Marburger. Bund. Zeitung,. der. Standesorganisation.der.Klinikärzte.im.Karrierebereich,.um.eine. inhaltliche. Kooperation. umzusetzen.. Kooperationen. mit. Dienstleistern. oder. Medizintechnikherstellern. und.Verbänden.sowie.Fachgesellschaften.tragen.dazu. bei,.dass.Kunden.und.Bewerber.alles.aus.einer.Hand. vorfi.nden,.was.im.Bereich.der.Karriere.benötigt.wird. Beim.Aufbau.des.Portals.wurde.von.Beginn.an.auf.eine. modulare.Bauweise.geachtet,.damit.eine.tiefgreifende.Integration.bei.Partnern.ermöglicht.werden.kann,. beispielsweise.bei.MedPerts.–.dem.Portal.des.Medizintechnikherstellers. B.Braun. für. Anästhesiologen. In. Zusammenarbeit. mit. der. Lünendonk. GmbH,. einem.der.führenden.Herausgeber.von.Recruiting-Guides,.wird.der.crossmediale.(Print.und.Online).„Karri-

ereführer.Medizinische.Berufe“.publiziert,.um.für.die. Bewerber.erstmalig.anhand.einer.Übersicht.von.strukturierten.Fragenbögen.eine.Vergleichbarkeit.der.Krankenhäuser.im.deutschsprachigen.Raum.herzustellen. Die.Globalisierung.macht.auch.vor.dem.Gesundheitsbereich.nicht.Halt.–.daher.wurde.vor.einigen.Jahren. damit.begonnen,.Kliniken.de.zu.internationalisieren.. Insbesondere.für.Industriekunden.und.große.Klinikverbünde,.die.international.agieren,.wird.seit.einigen. Jahren. das. erste. multilinguale,. weltweite. Klinikverzeichnis. www.hospitalscout.com. herausgegeben.. Nach.tief.greifenden.Recherchen.zum.Teil.durch.eigene.Redaktionsteams.in.Ländern.wie.China.(10.000. recherchierte. Kliniken). ist. www.hospitalscout.com. derzeit.das.größte.Klinikverzeichnis.der.Welt..Zurzeit. sind.fast.72.000.Kliniken.aus.über.195.Ländern.mit. Adressdaten. und. weiteren. Details. in. der. Datenbank. erfasst. servIces

Pünktlich,.zuverlässig.und.seriös:.Von.Beginn.an.war. es. das. Bestreben,. die. Stellenbörse. mit. dem. besten. Service. zu. sein.. So. haben. die. Kunden. immer. einen. festen.Ansprechpartner.mit.dem.sie.oft.jahrelang.zusammenarbeiten,.der.die.Anforderungen.für.die.Kunden. bündelt. und. gemeinsam. die. optimale. Strategie. entwickelt..Die.Berater.von.Kliniken.de.besitzen.viel. Erfahrung.im.Recruiting.und.sind.zum.Teil.seit.vielen. Jahren.im.Gesundheitsbereich.tätig.und.können.den. Kunden.bei.Bedarf.mit.zahlreichen.Tipps.unterstützen. Ein.wichtiges.Qualitätsmerkmal.stellt.sowohl.die.Aktualität. der. Stellenanzeigen. als. auch. der. Bewerber-

Abbildung 38: Services und Leistungen von Online-Stellenanzeigen bei Kliniken.de Quelle: VIVAI Software AG, 2012

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profi.le. dar.. Die. Anzeigen. sind. werktags. spätestens. 24.Stunden.nach.Eingang.online..Eine.zusätzliche.redaktionelle.Prüfung.nach.dem.vier-Augen-Prinzip.hat. sich.ebenfalls.in.den.letzten.Jahren.sehr.bewährt.und. wird.von.den.Kunden.geschätzt..Mit.durchschnittlich. 700.Stellenanzeigen.gehört.Kliniken.de.zu.den.größten.Jobbörsen.im.Gesundheitssektor.. Aber.auch.bei.den.Bewerberprofi.len.wird.die.Aktualität.sichergestellt..Karteileichen.gibt.es.nicht..Dies. ist.unter.den.Jobbörsen.ein.weiteres.Alleinstellungsmerkmal..Wurde. ein. Profi.l. seit. neun. Monaten. nicht. mehr.verändert,.wird.dieses.gelöscht.. Eine.weitere.Möglichkeit,.sich.über.Stellen.auf.dem. Laufenden.zu.halten,.ist.die.Funktion.„Jobs.per.Mail“.. Zurzeit. verfügt. Kliniken.de. über. 14.000. Bewerber,. die. automatisch. angeschrieben. werden,. wenn. ein. passendes. Stellenangebot.bei. Kliniken.de. geschaltet. wird..Somit.wird.für.einen.stetigen.Bewerberfl.uss.bei. den.Arbeitgebern.gesorgt.. Ein.weiteres.Novum.ist.die.Anzeige.weiterer.passender.Stellanzeigen.für.den.Interessenten,.die.durch.das. herkömmliche. Suchraster. gefallen. sind,. nach. dem. Prinzip. von. Onlineshops. wie.Amazon,. die. dies. seit. längerem.erfolgreich.einsetzen. technologIe

Auch. wenn. es. fast. klischeehaft. klingt. –. man. muss. heute.die.Bewerber.dort.abholen,.wo.sie.sich.ständig. aufhalten..Eine.durchdachte.und.kanalübergreifende. Social-Media-.und.Mobile-Strategie.ist.mehr.denn.je.

notwendig..Bei.Kliniken.de.hat.man.bereits.früh.das. Potenzial.der.sozialen.Medien.erkannt.und.die.eigene. Jobbörse. in. das. aktuell. größte. Netzwerk,. facebook,. voll. integriert.. Mit. circa. 2.000. Facebook-Freunden. und. mehreren. Hundert. Empfehlungen. im. sozialen. Netzwerk. wurde. ein. interaktiver. Kommunikationskanal. geschaffen,. der. die. Zahl. der. Bewerber. noch. einmal.um.20.Prozent.steigern.konnte..Dieser.Kanal. lebt. von. der. Interaktion. und. wird. daher. auch. regelmäßig.gepfl.egt.und.moderiert..Bei.dieser.Interaktion. mit.den.Nutzern.kommt.es.zu.einem.regen.Austausch.. Somit.werden.Trends.frühzeitig.erkannt.und.die.Lage. auf. dem.Arbeitsmarkt. wird. sehr. deutlich. durch. das. Feedback.formuliert.. KonseQuenZen aus den massnahmen

Das.Jahr.2011.war.für.Kliniken.de.das.erfolgreichste. seiner. Geschichte.. Der. Erfolg. der. Maßnahmen. gibt. dem.Team.recht.und.sorgt.dafür,.dass.das.Portal.weiter. wachsen. und. Innovationen. vorantreiben. kann.. Über. 10. Millionen. Besucher. und. 59. Millionen. Seitenabrufe.konnten.in.den.letzten.zwölf.Monaten.auf. www.Kliniken.de.verzeichnet.werden..Im.März.2012. überschritt. www.Kliniken.de. erneut. die. magische. Marke.von.1.Million.Besuchern.und.über.4.Millionen. Pageimpressions.. Damit. konnte. „Kliniken.de. –. Das. unabhängige. Gesundheitsportal“. seine. äußerst. starke. Position. weiter. ausbauen. zu. einem. der. größten. Portale. im. Gesundheitssektor. im. deutschsprachigen. Raum.. Solide.Arbeit,. eine. neutrale. Darstellung,. ein. großes.Informationsangebot,.Transparenz.sowie.eine. attraktive.und.tagesaktuelle.Jobbörse.haben.dazu.beigetragen.

Abbildung 39: Kliniken.de in den soziale Medien und die Datenbank mit Bewerbern Quelle: VIVAI Software AG, 2012

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Unternehmensprofil

Agfa HealthCare Agfa HealthCare produziert, vertreibt, implementiert und wartet technologisch anspruchsvolle und innovative IT-Lösungen und erbringt für Krankenhäuser, Rehabilitationskliniken, psychiatrische Kliniken sowie. diagnostische Einrichtungen wie Radiologien und Kardiologien. Diese Lösungen unterstützen alle wesentlichen Prozesse der Verwaltung, der Dokumentation, der Workflowsteuerung und der revisionssicheren. Archivierung der Daten und Dokumente in Unternehmen des Gesundheitswesens. Das IT-Geschäft der Agfa HealthCare beruht auf vier Säulen: 1. ORBIS (Krankenhausinformationssystem, Medizinisches und Klinisches Dokumentations- und Prozess­ leitsystem inklusive ERP-Lösungen) 2. IMPAX (Diagnostisches Bildarchivierungs- und Kommunikationssystem) 3. HYDMedia (Dokumentenmanagementsystem, Enterprise Content Management System) 4. AMS (Agfa Managed Service) Neben dem oben skizzierten IT-Portfolio ist Agfa HealthCare auch ein bedeutender Anbieter von „Imaging“Produkten. Darunter fallen medizinische Filme und Print-Lösungen, CR/DR-Modalitäten sowie Kontrastmittel. Agfa HealthCare bietet somit ein ganzheitliches Portfolio für alle Bereiche der Einrichtungen im Gesundheitswesen an und ist ein weltweit agierendes Unternehmen der Healthcare-Branche mit Vertriebsgesellschaften in über 40 Ländern. In der Region Deutschland, Österreich, Schweiz (DACH) sowie Luxemburg ist Agfa HealthCare in jedem zweiten Krankenhaus mit Imaging-Produkten und in jedem dritten Krankenhaus mit HealthCare-IT-Lösungen vertreten. Das heißt, weit über 1.000 Krankenhäuser nutzen täglich Produkte des Agfa HealthCare-Portfolios. Über 800 Krankenhäuser in der DACH-Region nutzen ORBIS als ihr zentrales Krankenhausinformationssystem (KIS). Somit ist Agfa HealthCare – neben dem RIS/PACS- und DMS-Segment – auch Marktführer im Bereich KIS/KAS. Agfa HealthCare hat sich zum Ziel gesetzt, seinen Kunden zum Zweck der Patientenversorgung erstklassige, technologisch führende IT-Produkte zur Verfügung zu stellen und somit für diese Kunden ein verlässlicher, langfristiger Partner für die gesamte Informationslogistik im Gesundheitswesen zu sein. KONTAKT

Agfa HealthCare GmbH Martina Götz Leitung Marketing Kommunikation DACH Konrad-Zuse-Platz 1-3, 53227 Bonn, Germany Telefon: +49 (0) 228 2668 - 000 Telefax: +49 (0) 228 2668 - 2666 E-Mail: [email protected] Internet: www.agfahealthcare.de

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Unternehmensprofil

Booz & Company Booz & Company ist mit mehr als 3.000 Mitarbeitern in 60 Büros auf allen Kontinenten eine der weltweit führenden Strategieberatungen. Zu den Klienten gehören erfolgreiche Unternehmen sowie Regierungen und Organisationen. Gründer Edwin Booz formulierte bereits 1914 die Grundlagen der Unternehmensberatung. Heute arbeiten die Mitarbeiter weltweit eng mit ihren Klienten zusammen, um die Herausforderungen globaler Märkte zu meistern und nachhaltiges Wachstum zu schaffen. Dazu kombinieren sie einzigartiges Marktwissen sowie tiefe funktionale Expertise mit einem praxisnahen Ansatz. Booz & Company trägt dazu bei, vitale Leistungserbringungsstrukturen in allen Versorgungsbereichen und auf allen Stufen aufzubauen und langfristig zu sichern. Das Bestreben ist es, Qualität, Kosten und Strukturen zu verbessern, den gegenwärtigen Betrieb zu optimieren und innovativen Ansätzen zum Durchbruch zu verhelfen. Das Unternehmen unterstützt globale und lokale Krankenversicherer und Kostenträger bei der Entwicklung nachhaltiger Markt-, Wettbewerbs- und Produktstrategien sowie beim Aufbau von Fähigkeiten für ein perspektivisch pro-aktives Gesundheitsmanagement. Ebenso planen und begleiten die Berater Effizienzprogramme und Fusionen. Booz & Company berät Pharma- und Medizintechnikunternehmen bei der Validierung der Arzneimittelsicherheit und Verbesserung der Forschungs- und Entwicklungsproduktivität bei Medikamenten. Das Team sucht – und findet – neue Wege bei Licensing und Partnerschaften. Die globale Expertise der Mitarbeiter hilft beim Eintritt in neue Marktsegmente. Die Kombination der medizinisch-fachlichen und IT-technologischen Erfahrungen macht das Unternehmen zu einem weltweit kompetenten Ansprechpartner bei nationalen eHealth-Initiativen und Telematik-Anbietern. Das Unternehmen begleitet Regierungsinstitutionen, Interessenverbände und Forschungseinrichtungen vieler Länder beim Aufbau und der strukturellen Weiterentwicklung des öffentlichen Gesundheitswesens. Es trägt maßgeblich dazu bei, Entbürokratisierungsinitiativen und nationale Versorgungsforschungsprogramme umzusetzen. KONTAKT

Booz & Company Peter Behner (Partner), Marcus Bauer (Partner) Anna-Louisa-Karsch-Straße 2, 10178 Berlin Telefon: +49 (0) 30 887 - 050 E-Mail: [email protected], [email protected] Internet: www.booz.com

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Unternehmensprofil

InterSystems Die InterSystems Corporation ist ein weltweit führender Anbieter von Software für ein vernetztes Gesundheitswesen. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Cambridge, Massachusetts, USA, und Niederlassungen in 25 Ländern. Mit seinen mehr als 1.300 Mitarbeitern erzielte InterSystems 2011 einen Umsatz von 385 Millionen US-Dollar. Mit InterSystems HealthShare™ bietet InterSystems eine einzigartige Technologie, die die Kooperation unter Gesundheitsdienstleistern ermöglicht. Die strategische Plattform für die Datenverarbeitung im Gesundheitswesen ist dabei so flexibel, dass sie unterschiedlichste Versorgungsmodelle unterstützt und doch problemlos skaliert. Je nach Einsatzszenario erlaubt HealthShare den krankenhausweiten, konzernweiten, regionalen oder nationalen Austausch medizinischer Daten und zugleich die Analyse von Gesundheitsinformationen. Wo immer es medizinische Daten auszutauschen und auszuwerten gilt, sei es in freien Zusammenschlüssen oder innerhalb der Strukturen von Klinikketten, bietet HealthShare die adäquate Lösung. Grundlage von InterSystems HealthShare sind zwei Produkte, die seit vielen Jahren ihren Wert im Gesundheitswesen unter Beweis gestellt haben. InterSystems Caché® ist das weltweit meistgenutzte Datenbanksystem für klinische Anwendungen, InterSystems Ensemble® hat als Integrations- und Entwicklungsplattform das Konzept des Kommunikationsservers für Krankenhäuser revolutioniert. InterSystems-Produkte sind weltweit in mehreren Tausend Krankenhäusern und Laboratorien im Einsatz,. darunter laut dem U.S. News and World Report alle 17 Häuser der „Honor Roll of America’s Best Hospitals“. Abgerundet wird das InterSystems-Portfolio für das Gesundheitswesen durch das internetbasierte, ganzheitliche Krankenhausinformationssystem InterSystems TrakCare™. Dieses wird derzeit allerdings in Deutschland nicht angeboten. Es ermöglicht Krankenhäusern, in kürzester Zeit die Vorteile einer elektronischen Patientenakte zu nutzen.

KONTAKT

InterSystems GmbH Hilpertstr. 20a, 64295 Darmstadt Telefon: +49 (0) 6151 1747 - 0 Telefax: +49(0) 6151 1747 - 11 E-Mail: [email protected] Internet: www.intersystems.de

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Unternehmensprofil

Kienbaum Das 1945 von Staatsminister a. D. Gerhard Kienbaum gegründete Unternehmen wird heute von Jochen Kienbaum und Partnergesellschaftern geführt. Mit einer über 60-jährigen Beratungserfahrung zählt Kienbaum zu den Pionieren der Unternehmensberatung in Deutschland. Als unabhängiges, partnerschaftlich und ohne wirtschaftliche Verknüpfung zu anderen Unternehmen agierendes Beratungsunternehmen mit einem dichten Netz eigener deutscher, europäischer sowie außereuropäischer Standorte liegen unsere Schwerpunkte in der Unternehmensberatung – Kienbaum Management Consultants GmbH – und der Personal- und Führungskräftesuche – Kienbaum Executive Consultants GmbH. Gemeinsam bilden diese zwei eigenständigen Gesellschaften die Kienbaum-Unternehmensgruppe. Innerhalb der Kienbaum Management Consultants GmbH berät der Bereich Health Care branchenfokussiert gesetzliche und private Krankenkassen, Universitätskliniken, Krankenhäuser und Rehabilitationskliniken sowie Verbände, Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege und Unternehmen der Medizintechnik, Medikalprodukte und Pharmabranche in strategischen Fragestellungen und Aspekten der Organisationsentwicklung. Unsere erprobten Methoden und Instrumente sind zielgenau auf die Besonderheiten des Gesundheits- und Sozialwesens abgestimmt, werden kontinuierlich weiterentwickelt und sind wissenschaftlich fundiert. Für unsere Kunden sind im Bereich Health Care qualifizierte Kienbaum-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter aus den Fachrichtungen Betriebs- und Volkswirtschaft, Verwaltungswissenschaft, Gesundheitsökonomie und Medizin beschäftigt. Alle unsere Mitarbeiter sind mit den spezifischen Strukturen und Herausforderungen des Gesundheitswesens und deren Unternehmen vertraut, verfügen über langjährige Erfahrungen im Markt und decken mit ihrer interdisziplinären Ausrichtung alle Fachlichkeiten des Untersuchungsgegenstandes ab.

KONTAKT

Christian Egle, Leiter Practice Group Health Care Mitglied der Geschäftsleitung/Director Kienbaum Management Consultants GmbH Speditionstraße 21, 40221 Düsseldorf Telefon: +49 (0) 211 9659 - 157 Telefax: +49 (0) 211 9659 - 11157 Mobil: +49 (0) 152 0902 2834 E-Mail: [email protected] Internet: www.kienbaum.de

Manuel Feldmann, Principal Practice Group Health Care Speditionstraße 21, 40221 Düsseldorf Telefon: +49 (0) 211 9659 - 361 Telefax: +49 (0) 221 9659 - 447 Mobil: +49 (0) 173 584 0194 E-Mail: [email protected] Internet: www.kienbaum.de

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Deutsche Telekom AG DIE DEUTSCHE TELEKOM – EIN STARKER PARTNER

Die Deutsche Telekom ist eines der führenden integrierten Telekommunikationsunternehmen weltweit. Der Konzern bietet Produkte und Dienstleistungen aus den Bereichen Festnetz, Mobilfunk, Internet und IPTV für Privatkunden sowie ICT-Lösungen für Groß- und Geschäftskunden. T-Systems gestaltet die vernetzte Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft und schafft Wert für Kunden, Mitarbeiter und Investoren durch innovative ICT-Lösungen. T-Systems ist die Großkundensparte der Deutschen Telekom. Auf Basis einer weltumspannenden Infrastruktur aus Rechenzentren und Netzen betreibt das Unternehmen Informations- und Kommunikationstechnik (engl. kurz ICT) für multinationale Konzerne und öffentliche Institutionen. Mit Niederlassungen in über 20 Ländern und globaler Lieferfähigkeit betreut T-Systems Unternehmen aus allen Branchen – von der Automobilindustrie über Telekommunikation, den Finanzsektor, Handel, Dienstleistungen, Medien, Energie und Fertigungsindustrie bis zur öffentlichen Verwaltung und dem Gesundheitswesen. KONZERNGESCHÄFTSFELD GESUNDHEIT

Die Vernetzung von Ärzten, Kliniken, Krankenkassen und anderen Akteuren hilft dem Gesundheitswesen, die Versorgung zu verbessern, und spart gleichzeitig Kosten. Die Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen reduziert beispielsweise erheblich die Bearbeitungszeit. Durch den Einsatz von elektronischen statt schriftlichen Kostenvoranschlägen sparen Krankenkassen signifikante Prozesskosten in diesem Bereich. Die Deutsche Telekom baut ihr Engagement im Gesundheitswesen kontinuierlich aus und hat dazu 2010 das strategische Geschäftsfeld Gesundheit bei der T-Systems an den Start gebracht. Neben der Betreuung von Patienten aus der Ferne sind Fieber- oder Blutzuckermessgeräte für Smartphones, Tablet-PCs für die Arztvisite im Krankenhaus, Klinik-IT, Assistenz- und Notfallsysteme für das Leben im Alter und die elektronische Gesundheitskarte Gesundheitsthemen der Telekom.

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Deutsche Telekom AG Konzerngeschäftsfeld Gesundheit 53262 Bonn E-Mail: [email protected] Internet: www.telekom.de/gesundheit

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Lünendonk Die Lünendonk GmbH, Gesellschaft für Information und Kommunikation (Kaufbeuren), untersucht und berät europaweit Unternehmen aus der Informationstechnik-, Beratungs- und Dienstleistungs-Branche. Mit dem Konzept Kompetenz3 bietet Lünendonk unabhängige Marktforschung, Marktanalyse und Marktberatung aus einer Hand. Der Geschäftsbereich Marktanalysen betreut seit 1983 die als Marktbarometer geltenden Lünendonk® -Listen und -Studien sowie das gesamte Marktbeobachtungsprogramm. Die Lünendonk®-Studien gehören als Teil des Leistungsportfolios der Lünendonk GmbH zum „Strategic Data Research“ (SDR). In Verbindung mit den Leistungen in den Portfolio-Elementen „Strategic Roadmap Requirements“ (SRR) und „Strategic Transformation Services“ (STS) ist Lünendonk in der Lage, Beratungskunden von der Entwicklung der strategischen Fragen über die Gewinnung und Analyse der erforderlichen Informationen bis hin zur Aktivierung der Ergebnisse im operativen Tagesgeschäft zu unterstützen.

KONTAKT

Lünendonk GmbH – Gesellschaft für Information und Kommunikation Ringweg 23, 87600 Kaufbeuren Telefon: +49 (0) 83 41 - 9 66 36 - 0 Telefax: +49 (0) 83 41 - 9 66 36 - 66 E-Mail: [email protected] Internet: www.luenendonk.de

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Impressum

Herausgeber: Lünendonk GmbH Ringweg 23 87600 Kaufbeuren Telefon: +49 8341 96 636-0 Telefax: +49 8341 96 636-66 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.luenendonk.de Autoren: Thomas Lünendonk, Mario Zillmann Gestaltung: K16 GmbH, St. Annenufer 5, 20457 Hamburg Copyright © 2012 Lünendonk GmbH, Kaufbeuren Alle Rechte vorbehalten