Haftungen der Gebietskörperschaften für Dritte - Fiskalrat

Abteilung Informationsmanagement und Services ...... M., Gisser, R., Testa, M. R. und W. Lutz (2016): „Human Capital, Values, and Attitudes of Per- ... Fratzscher, M. and S. Junker (2015): Integrating Refugees: A Long-Term, Worth-Worth ...
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Langfristeffekte der Flüchtlingszuwanderung 2015 bis 2019 nach Österreich Johannes Holler und Philip Schuster*)

Studie im Auftrag des Fiskalrates**) Oktober 2016

Auch verfügbar im Internet unter: https://www.fiskalrat.at *) Die Autoren danken Richard Gisser, Eva Hauth, Thomas Liebig, Dominik Stelzeneder, Mitarbeitern des VID, IIASA, BMASK, BMI, WKÖ, Asylkoordination Österreich und Verein Flüchtlingsprojekt Ute Bock für wertvolle Anmerkungen und Auskünfte. Die Studie wurde im Rahmen der Fiskalratssitzung am 29.6.2016 sowie des 2016 York Fiscal Policy Symposium am 18.7.2016 vorgestellt. Wir danken den Teilnehmern für hilfreiche Kommentare. **) Die von den Autoren in der Studie zum Ausdruck gebrachte Meinung gibt nicht notwendigerweise die Meinung des Fiskalrates wider.

Medieninhaber und Herausgeber:

Fiskalrat

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c/o Oesterreichische Nationalbank Büro des Fiskalrates Otto-Wagner-Platz 3, 1090 Wien Postfach 61, 1011 Wien

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https://www.fiskalrat.at

Redaktion:

Büro des Fiskalrates

Druck und Herstellung:

Oesterreichische Nationalbank Abteilung Informationsmanagement und Services

Verlags- und Herstellungsort: Wien © Fiskalrat, 2016. Alle Rechte vorbehalten. Im vorliegenden Bericht wurde im Sinne einer verbesserten Lesbarkeit auf geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich der Text immer sowohl auf Frauen als auch auf Männer bezieht. Rundungen können in allen Tabellen Rechendifferenzen ergeben. Reproduktionen für nicht kommerzielle Verwendung, wissenschaftliche Zwecke und Lehrtätigkeiten sind unter Nennung der Quelle freigegeben. Redaktionsschluss: 30. September 2016.

INHALTSVERZEICHNIS 1.

Einleitung ........................................................................................ 1

2.

Modellbeschreibung ....................................................................... 3

3.

Simulation ....................................................................................... 4

3.1. Referenzszenario ............................................................................................................. 4 3.2. Flüchtlingsszenario.......................................................................................................... 5 3.3. Resultate ......................................................................................................................... 12 4.

Sensitivitätsanalyse ..................................................................... 17

5.

Zusammenfassung ....................................................................... 20

6.

Literatur ........................................................................................ 22

7.

Anhang .......................................................................................... 24

VERZEICHNIS DER TABELLEN Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle

1 2 3 4 5 6 7

Datenquelle für Ausbildungsstruktur neu ankommender Flüchtlinge ................................. 9 Ausbildungsstruktur Asylberechtigte und Nachkommen im erwerbsfähigen Alter .......... 10 Annahme bezüglich modellexogener Kosten .................................................................... 12 Zusammenfassung Sensitivitätsanalysen ........................................................................... 17 Ausbildungsstruktur nicht in Österreich geborener Personen (S5).................................... 18 Effekte der Flüchtlingszuwanderung (Hauptvariante) ....................................................... 24 Änderung der österreichischen Bevölkerungsentwicklung ............................................... 25

VERZEICHNIS DER GRAFIKEN Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik Grafik

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Asylanträge 2014–2019 pro Monat ..................................................................................... 7 Asylanträge 2014–2019 pro Jahr ......................................................................................... 7 Asylanträge 2011–2016 ....................................................................................................... 7 Asylanträge 2011–2016 per Herkunftsland ......................................................................... 7 Altersstruktur 2015, Asylwerber ......................................................................................... 8 Altersstruktur 2015, österreichische Bevölkerung............................................................... 8 Beschäftigungsquoten männlicher anerkannter Flüchtlinge .............................................. 11 Beschäftigungsquoten weiblicher anerkannter Flüchtlinge ............................................... 11 Veränderung von BIP und privatem Konsum.................................................................... 13 Veränderung von Bevölkerung und Beschäftigung ........................................................... 13 Zerlegung Fiskalbeitrag 2020 ............................................................................................ 14 Zerlegung Fiskalbeitrag 2060 ............................................................................................ 14 Effekt auf Primärsaldo (vs. Referenzszenario) .................................................................. 15 Effekt auf Verschuldung (vs. Referenzszenario) ............................................................... 15 Effekt auf Staatseinnahmen und –ausgaben (vs. Referenzszenario) ................................. 16 Auswirkung der Flüchtlingszuwanderung bei umgehender Konsolidierung .................... 19

1.

EINLEITUNG

Die im Jahr 2015 einsetzende verstärkte Flüchtlingszuwanderung vor allem aus dem Mittleren Osten nach Europa konzentriert sich im Wesentlichen auf wenige Zielländer, zu denen auch Österreich gehört. Mit rund 88.000 Asylanträgen im Jahr 2015 wurde in Österreich eine mit Ausnahme der Folgejahre des Zweiten Weltkriegs historisch bisher nicht zu beobachtende Dimension erreicht. Die Anzahl der Asylanträge im Rahmen der bisher größten Fluchtbewegungen nach Österreich1 (Verhängung des Kriegsrechts in Polen 1980/81 und Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien Anfang der 1990er Jahre) betrugen im Höchstwert rund 35.000 bzw. 27.000 Anträge pro Jahr und wurde aktuell deutlich überschritten. Laut Eurostat-Daten verzeichnete Österreich damit im innereuropäischen Vergleich nach Ungarn2 und Schweden die höchste Anzahl an Asylwerbern pro Kopf der Bevölkerung. Die damit einhergehenden Herausforderungen in der Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge während des Asylverfahrens aber auch für die Integration von Asylberechtigten in die österreichische Gesellschaft und den Arbeitsmarkt waren und sind mit bedeutendem fiskalischen Aufwand verbunden. Bei langsamer bzw. nur teilweiser Integration in den Arbeitsmarkt entstehen zusätzlich budgetäre Belastungen durch Sozialtransfers. Gleichzeitig besitzen Zuwanderer das Potential, bei gelungener Integration in den Arbeitsmarkt über Sozialversicherungsabgaben und Steuern (v. a. Einkommensund konsumbasierte Steuern) bedeutend zum öffentlichen Haushalt beizutragen und dem Prozess der fortschreitenden Alterung der österreichischen Bevölkerung entgegenzuwirken. Aus den getätigten Staatsausgaben ergibt sich eine vor allem kurzfristig wirkende Erhöhung des Wirtschaftswachstums. Dabei gestalten sich die ökonomischen Wirkungskanäle der Flüchtlingszuwanderung, die im Wesentlichen aus fiskalpolitischer Expansion und Lohn- und Beschäftigungseffekten bestehen, ident zu anderen Formen der Migration (siehe Borjas, 1994). Werden die aus der Flüchtlingszuwanderung entstehenden Ausgaben und Einnahmen gegenüber gestellt, so kann der sogenannte Nettofiskalbeitrag berechnet werden, der aufgrund unterschiedlicher Arbeitsmärkte, Steuer- und Sozialsysteme international stark variieren kann (siehe OECD, 2013). Die bestehende Literatur zur Abschätzung des Nettofiskalbeitrags von Migranten kann in statische oder dynamische Cash-Flow-Modelle (u. a. Generational Accounting) und makroökonomische (Gleichgewichts-)Modelle unterteilt werden. Während statische Modelle zur Berechnung aller relevanter Einnahmen und Ausgaben ein Basisjahr heranziehen, summieren dynamische Modelle die Barwerte der im Zusammenhang mit Migration entstehenden Ausgaben und Einnahmen über den gesamten Lebenszyklus unter Verwendung von altersspezifischen Profilen für Ausgaben und Einnahmen. Makroökonomische Gleichgewichtsmodelle bauen auf dynamischen Lebenszyklusmodellen auf und erweitern diese um endogene Reaktionen von u. a. Löhnen, Beschäftigung, Produktivität und Kapitalstock.3 Die Resultate der für die unterschiedlichen Modelle existierenden Studien liefern keine eindeutigen Ergebnisse, identifizieren aber die wichtigsten Annahmen und Schlüsselfaktoren für die Bestimmung des Nettofiskalbeitrags. Eine zentrale Annahme, die vor allem im Fall von statischen Modellen das Resultat stark beeinflusst, betrifft die Aufteilung von demografischen Ausgaben, die Einzelpersonen direkt zugeordnet werden müssen (z. B. Ausgaben für Bildungs- und Gesundheitssystem) und Ausgaben für öffentliche Güter (z. B. Landesverteidigung). Werden diese Kosten mit den Durchschnittskosten bewertet, verschlechtert sich der Nettofiskalbeitrag gegenüber der alternativen Bewertung von zu vernachlässigenden Grenzkosten deutlich. Die vorliegenden Resultate machen ebenfalls deutlich, dass der Nettofiskalbeitrag stark vom Herkunftsland, Ausbildungsniveau, Altersprofil und der Fertilität der Migranten abhängt. Junge Migranten im arbeitsfähigen Alter mit hoher Ausbildung und hoher Fertilität besitzen dabei die günstigsten Charakteristika für einen positiven Nettofiskalbeitrag. Diese 1 2 3

In den 1950/51er Jahren kam es aus Ungarn zur zahlenmäßig größten Fluchtbewegung nach Österreich. Nur ein geringer Anteil dieser geflüchteten Personen stellte jedoch einen Asylantrag. Im Fall von Ungarn handelt es sich dabei zu einem großen Teil um Personen, die in andere EU Länder weiterreisten. Für eine detaillierte Beschreibung der bestehenden Methoden inklusive Literaturüberblick siehe OECD (2013).

1

Schlüsselfaktoren können als soziodemografische Charakteristika der Migranten zusammengefasst werden. Da sich diese für unterschiedliche Migrationsströme und Migrationsarten stark unterscheiden, sind Rückschlüsse auf Resultate bestehender Studien für die aktuelle Fluchtmigration nur bedingt zulässig. Die Unterscheidung zwischen den fiskalischen Effekten von Arbeitsmigration und Flüchtlingszuwanderung ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Während bei ersteren oft bereits bei Einreise Arbeitsverträge oder/und soziale Netzwerke bestehen und sie im Durchschnitt über einen hohen Ausbildungsgrad verfügen, erfolgt die Einreise von im Durchschnitt wesentlich niedriger gebildeten Flüchtlingen oft spontan und unvorbereitet sowie aus Ländern mit oft sehr abweichenden Bedingungen auf den Arbeitsmärkten. Die Migrationsliteratur weist ferner im Hinblick auf die Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern auf die Bedeutung der Lage im Konjunkturzyklus hin. Vor allem junge und niedrig gebildete Migranten scheinen in wirtschaftlichen Abschwüngen gegenüber der heimischen Bevölkerung Nachteile in der Arbeitssuche zu besitzen (Orrenius und Zavodny, 2009). Schwedische Erfahrungen weisen auf einen lang nachwirkenden negativen Effekt auf Löhne und Beschäftigungsquoten der Migranten im Fall von hoher Arbeitslosigkeit des Ziellandes zum Zeitpunkt der Einreise hin (Åslund und Rooth, 2007). Da die Resultate aber sehr kohorten- bzw. periodensensitiv sind, wird auf eine quantitative Berücksichtigung des Effekts in dieser Studie verzichtet. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Berücksichtigung der historisch betrachtet gegenwärtig hohen Arbeitslosigkeit in Österreich die Arbeitsmarktintegration zusätzlich erschweren wird. Resultate von Studien bezüglich der aktuellen Flüchtlingszuwanderung in Deutschland deuten darauf hin, dass aufgrund der soziodemografischen Charakteristika der Asylwerber von stark negativen Fiskaleffekten auszugehen ist.4 Raffelhüschen et al. (2016) errechnen5 zum Beispiel im Rahmen einer Generationenbilanz für Deutschland je nach Szenario einen Anstieg der Summe aus expliziter und impliziter Verschuldung (Nachhaltigkeitslücke) von 30,1% bis 53,6% des BIP. Eine rezente Studie der EK (2016) errechnet für Deutschland mit Hilfe des QUEST III-Modells (makroökonomisches Gleichgewichtsmodell) für die mittlere Frist (2015 bis 2020) ebenfalls einen negativen aggregierten Fiskaleffekt in der Höhe von rund 3% des BIP. Einzig die intensiv diskutierte Studie6 von Fratzscher und Junker (2015) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) berechnet einen positiven über die Zeit aggregierten Fiskaleffekt. Abschätzungen zum Nettofiskaleffekt der ab 2015 verstärkt einsetzenden Zuwanderung nach Österreich wurden bislang lediglich von EcoAustria (Berger et al., 2015) und basierend auf einer internen Analyse der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB, 2015) vom IWF (Batini und Stepanyan, 2016) für die kurze bzw. mittlere Frist veröffentlicht. Beide Studien weisen im Rahmen von makroökonomischen Modellen einen deutlich negativen kurzfristigen Nettofiskalbeitrag aus, wobei die erstgenannte Studie von 4 Mrd Euro für die gesamte Periode 2015 bis 2019 und die IWF-Studie von 0,2– 0,3% des BIP für die Periode 2016 bis 2020 ausgeht. Batini und Stepanyan (2016), die nicht die Auswirkung der Flüchtlingszuwanderung sondern der Gesamtmigration nach Österreich betrachten, errechnen eine Amortisierung der Kosten in der mittleren Frist (8 bis 10 Jahre). Aufgrund der Berücksichtigung der vergleichsweise hoch qualifizierten Arbeitsmigration nach Österreich, die einen Teil der Gesamtmigration darstellt, kann aber aus den Resultaten des IWF kein Rückschluss auf den isolierten Nettofiskaleffekt der aktuellen Flüchtlingszuwanderung gezogen werden. Die Studie von EcoAustria stellt daher den einzig bisher verfügbaren Referenzpunkt für die Abschätzung der Nettofiskaleffekte der Flüchtlingszuwanderung nach Österreich dar, betrachtet allerdings ausschließlich die kurze bis mittlere Frist.

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Der Ifo-Schnelldienst 69 (2016) enthält eine übersichtliche Zusammenfassung der Diskussion in Deutschland. Es handelt sich um ein Update der Studie von Raffelhüschen und Moog (2016). Siehe van Suntum und Schultewolter (2015) für eine kritische Betrachtung der DIW-Studie.

Die im Folgenden durchgeführte Studie7 untersucht mit Hilfe eines makroökonomischen Gleichgewichtsmodells vorrangig den langfristigen budgetären Effekt der aktuellen Fluchtmigration nach Österreich für die Jahre 2015 bis 2060. Dabei wird neben der theoretischen Modellierung das Hauptaugenmerk auf die fundierte Abschätzung der notwendigen getätigten Annahmen gelegt, die eine essenzielle Bedeutung für die Abschätzung des Nettofiskaleffekts besitzen. Kapitel 2 beschreibt das verwendete makroökonomische Modell mit überlappenden Generationen. Kapitel 3 diskutiert die Annahmen der analysierten Szenarien und präsentiert die Simulationsergebnisse zu den ökonomischen Effekten der Flüchtlingszuwanderung mit Fokus auf den Nettofiskalbeitrag. Dabei werden Annahmen und Datenquellen der Schlüsselfaktoren ausgewiesen und diskutiert. Um die Robustheit der Resultate zu überprüfen und die Bedeutung einzelner Annahmen hervorzuheben werden in Kapitel 4 ebenfalls Sensitivitätsanalysen durchgeführt. Kapitel 5 fasst die Ergebnisse zusammen.

2.

MODELLBESCHREIBUNG

Die Berechnung des Nettofiskalbeitrags der Flüchtlingszuwanderung erfolgt anhand eines vom Büro des Fiskalrates neu entwickelten dynamischen mittel- bis langfristig orientierten Simulationsmodells für Österreich. Durch eine realistische Abbildung der demografischen Entwicklung und der altersspezifischen Einnahmen- und Ausgabenprofile der in Österreich wohnhaften Personen ermöglicht das Modell, den Nettofiskalbeitrag von Individuen über den gesamten Lebenszyklus zu berechnen. Die Abbildung des Haushaltssektors erfolgt durch überlappende Generationen (OLG) in 1-Jahres Abständen basierend auf Auerbach und Kotlikoff (1987). Für die nahtlose Einarbeitung bestehender Bevölkerungsprognosen erfolgt eine Differenzierung der Personen nach Alter in Einzeljahren. Geburten, altersabhängige Mortalitätsraten und Nettomigration treiben den demografischen Prozess. Die realistische Darstellung des Lebenszyklus erlaubt eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Phasen (Ausbildung, Erwerbsphase, Ruhestand) und der damit verbundenen unterschiedlichen Nettobeiträge zum öffentlichen Haushalt. Neben der Heterogenität bezüglich Alter wird zwischen fünf Ausbildungsgruppen unterschieden: 1) Pflichtschule, 2) Lehre, 3) berufsbildende mittlere Schule (BMS), 4) allgemeine und berufsbildende höhere Schule (AHS/BHS) sowie 5) tertiäre Ausbildung. Die Ausbildungsgruppen werden mit s=1, s=2,.., s=5 gekennzeichnet. Der Eintritt in die Erwerbsphase erfolgt abhängig von der Ausbildungsgruppe frühestens ab einem Alter von 15 Jahren. Die Differenzierung nach Alter und Ausbildung erlaubt die Berücksichtigung ausbildungsspezifischer Profile zu Partizipation, Beschäftigungsausmaß, Produktivität, geleisteten Abgaben und erhaltenen Sozialtransfers über die Lebenszeit, die zum Teil endogen durch die Entscheidungen der Haushalte bestimmt oder beeinflusst werden. Die Arbeitsangebotsentscheidung besteht aus einer vorgelagerten Partizipationsentscheidung basierend auf dem Vergleich von erwartetem Arbeits- mit Nichtarbeitseinkommen und im Falle einer Beschäftigung aus der Entscheidung über das Beschäftigungsausmaß (Stunden pro Woche). Die Konsumentscheidung ist abhängig von einer weiteren Differenzierung der Haushalte (neben Alter und Ausbildung). Campell und Mankiw (1989) folgend unterscheidet das Modell zwischen zwei Typen: ricardianische Haushalte, welche basierend auf einer intertemporalen Optimierung ihren Konsum über den Lebenszyklus glätten und „rule-of-thumb“ Haushalte, die jede Periode ihr verfügbares Einkommen konsumieren (z. B. motiviert durch die Existenz von Finanzierungsbeschränkungen). Eine Mischung aus diesen beiden diametralen Haushaltstypen resultiert in einem realistischeren Konsum- und Sparverhalten. Ersparnisse werden in Staatsanleihen, Unternehmensanleihen sowie Auslandsvermögen gehalten. Die Modellierung des Unternehmenssektors folgt im Wesentlichen dem QUEST III-Modell der Europäischen Kommission (Ratto et al., 2009). Die Güter für den Endverbrauch werden von einer großen Anzahl an Firmen erzeugt, welche zueinander in monopolistischer Konkurrenz stehen. Eine Trennung in einzelne Wirtschaftsbereiche wird nicht vorgenommen. Jede Firma ist dabei mit einer identen Produktionstechnologie ausgestattet, welche Arbeit und Kapital als Produktionsfaktoren ver7

Diese Studie bezieht sich auf eine technische Langfassung mit methodischem Fokus in englischer Sprache (Holler und Schuster, 2016).

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wendet. Die Produktionsfunktion weist konstante Skalenerträge als Bedingung für langfristige Stabilität auf. Zudem wird der Produktionsfaktor Arbeit nach der Ausbildung differenziert und zu Kapital in unterschiedlichen Substitutionsverhältnissen gestellt. Je höher die Ausbildung, umso höher die Komplementarität zu Kapital. Aus der Produktionstechnologie leiten sich die Nachfrage nach Arbeit (verschiedener Ausbildungstypen) sowie nach Kapital ab. Entsprechend der Grenzproduktivitätsbedingungen ist der optimale Einsatz von Arbeit und Kapital eine fallende Funktion des jeweiligen Faktorpreises (nach Steuern). Die Investitionsneigung steigt mit den erwarteten zukünftigen Unternehmensgewinnen gemäß Tobins-q Theorie. Aufgrund der Annahme Österreichs als kleine offene Volkswirtschaft besteht Zugang zu internationalen Kapitalmärkten zu exogenem realen Zinssatz, sodass Investitionen nicht durch das Sparvolumen des inländischen Haushaltssektors beschränkt sind. Zusätzlich entscheiden Firmen über Marktein- und austritt. Langfristig determinieren das Arbeitsangebot (aus verschiedenen Ausbildungsgruppen) sowie das exogene Wachstum der Arbeitsproduktivität die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Der Staat beeinflusst das Verhalten von Haushalten und Unternehmen durch Abgaben und Transfers sowie durch seine Funktion als bedeutender Nachfrager. Die Staatseinnahmen bestehen in erster Linie aus Abgaben auf Arbeit und Pensionen (Lohn- und Einkommensteuer, Sozialbeiträge und Lohnsummensteuern), Konsum (Umsatzsteuer und Verbrauchsabgaben) und unternehmerische Gewinne (Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer auf Dividenden). Die Steuereinnahmen bemessen sich aus der jeweils endogenen Steuerbasis und durchschnittlichen Steuersätzen. Die den Haushaltssektor betreffenden durchschnittlichen Abgabensätze variieren nach Alter und Ausbildung. Die Ausgaben für Transfers an nichtbeschäftigte Personen ergeben sich endogen aus deren Anzahl und dem durchschnittlichen Auszahlungsbetrag. Pensionszahlungen basieren auf den gesammelten Gutschriften auf einem Pensionskonto und daher dem Lebenseinkommen. Komplimentiert werden die Pensionszahlungen von einem vom Pensionskonto unabhängigen Teil (z. B. zur Abbildung der Ausgleichszulage). Darüber hinaus erhalten Haushalte und Unternehmen weitere Transferleistungen (Familientransfers, Subventionen, etc.). Der öffentliche Konsum wird zerlegt abgebildet nach den Funktionen: Gesundheit, Pflege, Bildung und Sonstiges. Jede dieser Funktionen wird durch ein eigenes Durchschnittskostenprofil, variierend über Alter und Ausbildung abgebildet. Der Staat hat die Möglichkeit Anleihen zu emittieren um ein etwaiges Defizit des Finanzierungssaldos zu begleichen. Eine detaillierte technische Beschreibung von Modell und Kalibrierung ist auf Anfrage erhältlich.

3.

SIMULATION

Um die fiskalischen Effekte der Flüchtlingszuwanderung deutlich zu machen werden im Rahmen des beschriebenen Modells zwei Szenario Rechnungen durchgeführt und deren Resultate für den Zeitraum 2015 bis 2060 miteinander verglichen.

3.1

Referenzszenario

Das Referenzszenario basiert auf den Entwicklungen der Langfristprognose der Ageing Working Group der EK (Ageing Report 2015) für Österreich. Annahmen zur demografischen Entwicklung folgen somit der Bevölkerungsprognose von Eurostat (EUROPOP 2013) und deren Migrationsannahmen. Aufgrund fehlender Informationen wird implizit davon ausgegangen, dass die Migrationsprognose von einer konstanten jährlichen Anzahl von Flüchtlingen ausgeht, die durch den Durchschnitt an Asylanträgen der Jahre 2009 bis 2014 abgeschätzt wird. Die im Modell verwendeten Partizipationsraten und Pensionsersatzrate werden angepasst, um der im Ageing Report beschriebenen Entwicklung zu entsprechen. Annahmen bezüglich des langfristigen Realzinses (3%) und des Produktivitätswachstums8 (1,4%) werden ebenfalls aus dem Ageing Report übernommen. Zur Berechnung der langfristigen Kosten in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Pflege kommen gegenwär8

4

Der Terminus „Produktivitätswachstum“ bezieht sich in der gesamten Studie auf den exogen gegebenen technologischen Fortschritt. Endogen im Modell erklärtes Wachstum, z. B. durch Veränderung der Ausbildungsstruktur der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung ist darin nicht enthalten.

tige alters- bzw. bildungsabhängige Durchschnittskostenprofile (Hammer, 2015) zur Anwendung, die mit Inflation und Produktivitätswachstum indexiert werden. Staatliche Transfers werden in derselben Weise indexiert um ihre budgetäre Bedeutung auch in der langen Frist aufrecht zu erhalten. Um die nachhaltige Stabilität des Referenzszenarios zu gewährleisten, wird weiters von einer Budgetregel ausgegangen. Diese Regel legt fest, dass die Regierung durch Änderungen der Ausgaben für öffentliche Güter (z. B. öffentliche Verwaltung, Infrastrukturinvestitionen, Landesverteidigung) eine über die Zeit konstante (mit Trendinflation und Produktivitätswachstum indexierte) Pro-KopfVerschuldung gewährleistet.

3.2

Flüchtlingsszenario

Das Flüchtlingsszenario baut auf den Annahmen des Referenzszenarios auf. Die Bevölkerungsprognose des Referenzszenarios wird jedoch um die Anzahl der „außergewöhnlichen“ Flüchtlingszuwanderung erhöht. Diese bezeichnet die Anzahl an zuwandernden Flüchtlingen, die den Durchschnittswert der Jahre 2009 bis 2014 (16.471) übersteigt. Ein Vergleich der beiden Szenarien beschreibt somit nicht den Effekt der gesamten Flüchtlingszuwanderung nach Österreich, sondern lediglich den Effekt der „normale“ Jahre übersteigenden Zuwanderung. Während alle Politikreaktionen (Ausgabenänderungen) des Referenzszenarios zur Stabilisierung des Pro-Kopf-Schuldenstands übernommen werden, gilt im Zusammenhang mit den budgetären Effekten der betrachteten Flüchtlingszuwanderung eine No-Policy-Change Annahme. Dies bedeutet, dass die Regierung entstehende Änderungen des Finanzierungssaldos nicht durch wirtschaftspolitische Änderungen abfängt. 9 Dazu zählt auch, dass keine öffentlichen Leistungskürzungen vorgenommen werden (z. B. Erhöhung von Schulklassengrößen, etc.). Diese kumulierten Änderungen des Finanzierungssaldos im Zeitablauf verändern somit den Schuldenstand und beschreiben den fiskalischen Gesamteffekt bzw. den Nettofiskaleffekt der analysierten Flüchtlingszuwanderung. Die durch die betrachtete Zuwanderung ausgelöste Erhöhung der Bevölkerung führt weiters zu zusätzlichen Staatsausgaben, deren individuelle Zuordnung unklar ist. Diese „indirekten“ Kosten können grob in demografieabhängige Ausgaben10 für Gesundheit, Bildung und Pflege und Ausgaben zur Bereitstellung von öffentlichen Gütern (u. a. Landesverteidigung, Verwaltung, Infrastruktur) unterteilt werden. Für erstere wird angenommen, dass die (indexierten) Ausgaben alters- und ausbildungsabhängig für jeden zusätzlichen Einwohner Österreichs konstant bleiben. Die Simulation bewertet diese Ausgaben daher mit den gegenwärtigen Durchschnittskosten. Für die Bereitstellung von öffentlichen Gütern wird hingegen in der Hauptvariante des Flüchtlingsszenarios von keinen Zusatzkosten ausgegangen. Da die Abschätzung der indirekten Kosten eine starke Auswirkung auf die Simulationsergebnisse besitzt, werden alternative Annahmen im Rahmen der Sensitivitätsanalyse berücksichtigt. Zusätzlich zu den im Modell automatisch berücksichtigten Ausgaben entstehen im Zusammenhang mit der Integration, Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit und der Verteilung, Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge kurz- bis mittelfristig wirksame „modellexogene“ Kosten die in der Simulation ebenfalls berücksichtigt werden. Bei der Abschätzung der fiskalischen Effekte der Flüchtlingszuwanderung wird zwischen „Transitflüchtlingen“, „Flüchtlingen“, „Asylwerbern“ und „Asylberechtigten“ unterschieden. Während „Transitflüchtlinge“, die Österreich nur zum Zwecke der Durchreise betreten, in der Analyse nur in Form von entstehenden Transportkosten berücksichtigt werden, bringt die restliche Unterscheidung unterschiedliche Rechte bezüglich Versorgung und Zugang zum Arbeitsmarkt mit sich und wird daher auch in der Simulation berücksichtigt. Die folgende kurze, zum Teil vereinfachte, Darstellung des Ablaufs von Asylverfahren in Österreich soll Klärung über die mit dem Status verbundene Versorgung und bestehende Rechte bezüglich Arbeitsmarktzugang und Bezug von Sozialleistungen bringen.11

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Aus modelltechnischen Gründen, wird ab dem Jahr 2080, das sich außerhalb des Betrachtungsfensters der Studie befindet eine schuldenstabilisierende Fiskalregel eingeführt, die die vorgestellten Resultate aber nicht beeinflusst. Ausgaben für Pensionen sind „direkte“ demografieabhängige Kosten, die einfach individuell zuordenbar sind und endogen im Modell erklärt werden. Siehe IOM (2015) für eine detaillierte Darstellung.

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Grundsätzlich kann das österreichische Asylverfahren in die Prüfung bezüglich Zulassung und der Asylgewährungsentscheidung an sich unterteilt werden. Dabei gilt, dass, falls die Einreise aus einem sicheren Drittland erfolgte, der Antragsteller über einen positiven Asylbescheid eines anderen EWRLandes oder der Schweiz verfügt oder die Dublin-III-Regeln12 zur Anwendung gelangen, der Antragsteller zum Asylverfahren nicht zugelassen wird. Bis zur Entscheidung bezüglich Zulassung werden Asylwerber in Bundeseinrichtungen versorgt und besitzen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Im Fall einer Zulassung zum Asylverfahren überprüft das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag und entscheidet über die Gewährung eines Aufenthaltstitels. Obwohl hier zwischen Asyl, subsidiärem Schutz und humanitärem Schutz unterschieden werden muss, geht die vorgenommene Analyse aus Vereinfachungsgründen von keiner Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen zum Aufenthalt in Österreich berechtigenden Titeln aus, da die damit verbundenen Rechte sich nur geringfügig unterscheiden. Während des Asylverfahrens werden die Asylwerber im Rahmen der Grundversorgung untergebracht und versorgt und erhalten nach drei Monaten sehr eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt 13 , der aufgrund der sehr geringen Inanspruchnahme in der Simulation nicht berücksichtigt wird. Mit einem Aufenthaltstitel erhalten Asylberechtigte Zugang zum Arbeitsmarkt und annähernd gleiche Rechte wie Inländer zum Bezug von Sozialleistung. Sollte kein Aufenthaltstitel erteilt werden so besitzen Asylwerber keinen Anspruch auf Versorgung14 und müssen das Land verlassen. In der Praxis besteht jedoch oft weiterhin die Möglichkeit Leistungen aus der Grundversorgung zu beziehen. Die vorliegende Analyse geht daher davon aus, dass trotz negativen Bescheids in Österreich verweilende Personen bis zum Ende des auf den letztinstanzlichen Asylbescheid folgenden Kalenderjahres im Rahmen der Grundversorgung untergebracht werden. Danach werden sie in der vorliegenden Analyse nicht mehr berücksichtigt. Annahmen bzw. Daten bezüglich der zu erwartenden Anzahl an Asylwerbern und deren soziodemografische Charakteristika besitzen einen entscheidenden Einfluss auf die Resultate der Simulation. Obwohl für die im Jahr 2015 eingetroffene Flüchtlingskohorte zum Teil bereits detaillierte Informationen vorliegen, die zur Abschätzung der zu erwartenden Charakteristika der Zuwanderer verwendet werden können, sind wichtige Informationen bezüglich Arbeitsmarktintegration und Ausbildungsstand nach wie vor nicht verfügbar bzw. bezüglich ihrer Repräsentativität fraglich. Um dieser Tatsache gerecht zu werden, werden alle getätigten Annahmen und verwendeten Daten detailliert dargestellt und kritisch beleuchtet. Im Folgenden werden alle weiteren für die Teilnahme am Arbeitsmarkt und die Bestimmung der exogenen Kosten relevanten Annahmen abgehandelt.

Asylwerber, Asylberechtigte und demografische Merkmale Als Reaktion auf die im Vorjahr einsetzende hohe Anzahl an Asylwerbern (siehe Grafik 3) wurde von der österreichischen Bundesregierung im Rahmen einer „Asyl-Notverordnung“, die zur Feststellung der Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit dient15, Obergrenzen für die Zulassung zum Asylverfahren für die Jahre 2016 bis 2019 in der Höhe von 37.500, 35.000, 30.000 und 25.000 festgelegt16. Diese Obergrenzen dienen, auch wenn es Risiken bezüglich deren Einhaltung gibt17, als Grundlage der Berechnung der in der Studie be12 13 14

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6

Verordnung (EU) Nr. 604/2013. Asylwerber erhalten die Möglichkeit unter den Bedingungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes angestellt zu werden (Ausländerbeschäftigungsgesetz. BGBl. Nr. 218/1975). Mehrere Personengruppen sind von dieser Reglung ausgenommen. Dies betrifft vor allem Personen die nicht in der gesundheitlichen Verfassung sind das Land zu verlassen, mit deren Herkunftsländern keine Rückführungsabkommen bestehen bzw. deren Herkunft nicht nachgewiesen werden kann. Begutachtungsentwurf der Verordnung siehe unter https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage= Begut& Dokumentnummer=BEGUT_COO_2026_100_2_1276438&ResultFunctionToken=7546b392-539b-4542-90ec8457600feb86&Position=1&Titel=&Einbringer=&DatumBegutachtungsfrist=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSi ze=100&Suchworte= (abgerufen am 13.9.2016). Personen, die aufgrund der Dublin-III Regel oder aufgrund fehlender Dokumente zur Altersfeststellung nicht zum Asylverfahren zugelassen wurden, sind in den Obergrenzen nicht enthalten. Ein Teil der vorerst nicht zugelassenen Personen wird aber mit zeitlicher Verzögerung zum Asylverfahren zugelassen und fließt somit in die AsylwerberObergrenzen der Folgejahre ein. Laut Abschätzung des Büros des Fiskalrates ist eine Überschreitung der Obergrenze für das Jahr 2016 aufgrund des hohen zu erwartenden Familiennachzugs, der in den Obergrenzen enthalten ist, nicht auszuschließen.

trachteten Flüchtlingszuwanderung. In Summe ergeben sich aus den definierten Obergrenzen für die Jahre 2015 bis 202018 rund 134.000 Asylantragszulassungen (siehe Grafik 1 und 2). Grafik

1: Asylanträge 2014–2019 pro Monat

Grafik

2: Asylanträge 2014–2019 pro Jahr

Quelle: BMI und eigene Berechnungen.

Im Jahr 2015 wurde 62,7% der Asylwerber ein positiver Aufenthaltstitel zuerkannt. Dabei waren betreffend dem Herkunftsland deutliche regionale Unterschiede zu verzeichnen (siehe Grafik 4). Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug inklusive Berufungen rund 8 Monate. Es wird davon ausgegangen, dass sich diese Werte für die Folgejahre nicht ändern. Grafik

3: Asylanträge 2011–2016

Grafik

4: Asylanträge 2011–2016 per Herkunftsland

Quelle: BMI.

Da keine Informationen bezüglich Fertilitätsraten der Asylberechtigten zur Verfügung stehen wird ein Durchschnitt aus Fertilitätsraten19 der entsprechenden Herkunftsländer für das Jahr 2014 (WB – World Development Indikator 2016) und der Fertilitätsraten der in der Türkei geborenen österreichischen Wohnbevölkerung des Jahres 2015 gebildet. Die zweite Quelle findet trotz deutlicher Unterschiede zwischen den relevanten Herkunftsländern und der Türkei Anwendung, um Effekte der Teilnahme in der österreichischen Gesellschaft mitzuberücksichtigen. Der Durchschnitt der Fertilitätsraten, der in der Simulation Anwendung findet, beträgt 3 Lebendgeburten pro Frau. Eine Abschätzung aus Daten in Bezug auf das Durchschnittsalter von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes von Österreicherinnen und von in der Türkei geborenen in Österreich lebenden Frauen wird verwendet, um 18

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Obwohl laut Regierungspfad für das Jahr 2020 keine außergewöhnliche Zuwanderung angeführt wird, errechnet sich diese aufgrund von Familiennachzug aus von Asylwerbern mit positivem Bescheid der Vorjahre gestellten Anträgen auf Familiennachzug. Hier wird auf das Konzept der Total Fertility Rate, das die durchschnittliche Anzahl an Lebendgeburten einer Frau beschreibt, abgezielt.

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das altersspezifische Profil der Fertilitätsraten abzuschätzen. Dieses verschiebt sich im Vergleich zu Österreicherinnen, sodass sich das durchschnittliche Alter für Erstgeburten um 3 Jahre reduziert. Es wird angenommen, dass sich Abweichungen im Fertilitätsverhalten gegenüber Österreichern über 60 Jahre (ca. zwei Generationen) vollständig abbauen. Mortalitätsraten der Asylberechtigten und ihrer Nachkommen werden aufgrund fehlender Information ident zu den österreichischen Werten angesetzt20. Asylantragsteller des Jahres 2015 waren vorwiegend männlich und im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren. Insgesamt waren 37% minderjährig, wovon wiederum 8,3% ohne Begleitung – unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) – nach Österreich einreisten. Ein Vergleich der Altersstruktur der Asylwerber mit der österreichischen Bevölkerung macht das hohe bestehende Arbeitsmarktpotential der Zuwanderung deutlich (siehe Grafik 5 und 6). Von Asylberechtigten gestellte Anträge auf Familienzusammenführung führten im Jahr 2015 laut Informationen des Bundesministerium für Inneres und beteiligter NGOs im Durchschnitt zu 0,5 Asylanträgen pro Asylberechtigtem und setzen sich zu 2/3 aus Minderjährigen und zu 1/3 aus erwachsenen Frauen zusammen. Somit weicht die Alters- und Geschlechterverteilung der Zuwanderer der Jahre 2016 bis 2020, trotz der Annahme einer gleichbleibenden demografischen Struktur der „Neuzuwanderer“ von der Kohorte der Asylwerber des Jahres 2015 ab. Die beschriebenen Annahmen resultieren in 83.908 zusätzlichen Personen mit Aufenthaltstitel (exklusive Nachkommen) für den Zeitraum 2015 bis 2020. Grafik

5: Altersstruktur 2015 Asylwerber

Grafik

6: Altersstruktur 2015 österr. Bevölkerung

Quelle: Eurostat und Statistik Austria.

Bildungsniveau und Produktivität Das demografisch bedingt günstige Arbeitsmarktpotential, das v. a. vom Ausbildungsniveau abhängt, entfaltet erst durch die Integration in den Arbeitsmarkt seine Wirkung. Da im Rahmen des Asylverfahrens keine Daten zur Qualifikation und Ausbildung abgefragt werden, sind keine systematisch erhobenen Informationen über die Ausbildungsstruktur der Flüchtlinge verfügbar. Um eine Abschätzung über das Ausbildungsniveau zu treffen, wird daher auf alternative Datenquellen (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz - BMASK; Daten zu arbeitslos gemeldeten Personen aus den relevanten Herkunftsländern (BALI), AMS-Daten, deutsche Erhebungen im Rahmen des Asylverfahrens (BAMF), Ausbildungsstruktur in den Herkunftsländern und Daten zu in der Türkei geborenen und in Österreich lebenden Personen), die in Tabelle 1 zusammengefasst werden, abgezielt. Alle angeführ-

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Mortalitätsraten von in der Türkei geborenen in Österreich lebenden Personen deuten auf vernachlässigbare, geringfügige Unterschiede zu den entsprechenden Werten von in Österreich geborenen Personen hin.

ten Quellen können aufgrund ihrer Abgrenzung21 oder der Erhebungsmethode22 vom tatsächlichen Bildungsstand der Flüchtlinge abweichen, zeichnen aber mit Ausnahme der BAMF und der AMSKompetenzcheck-Daten ein ähnliches Bild. Wegen mangelnder Repräsentativität aufgrund von Selektionsproblemen (verzerrte Stichprobenauswahl) wird auf die Verwendung der AMSKompetenzcheck-Ergebnisse verzichtet. Um alle restlichen angeführten Informationen gleichwertig in die Analyse einfließen zu lassen, wird in der Simulation des Flüchtlingsszenarios ein ungewichteter Durchschnitt aller Datenquellen verwendet und auf die verwendeten fünf Bildungskategorien umgerechnet.23 Das daraus für das Jahr 2015 errechnete Bildungsniveau der Asylwerber wird für Asylantragsteller der Folgejahre übernommen. Tabelle

1: Datenquelle für Ausbildungsstruktur neu ankommender Flüchtlinge

Quelle: 1) Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK): BALI 2015, Top 8 Herkunftsländer von Asylwerbern in Österreich 2015, gewichtet mit Antragszahlen und Anerkennungsquoten. 2) Syrian Central Bureau of Statistics: Census 2004 und Central Statistics Organization of Afghanistan, National Risk and Vulnerability Assessment 2011–12 gewichtet mit Alter, Antragszahlen und Anerkennungsquoten. 3) Deutsches Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Mai 2016, Top 5 Herkunftsländer von Asylwerbern in Österreich 2015, gewichtet mit Antragszahlen und Anerkennungsquoten. 4) Statistik Austria: Abgestimmte Erwerbstatistik 2013. 5) AMS-Kompetenzcheck, Jänner 2016, „Berufsausbildung“ gleichverteilt auf s=2 und s=3. 6) Ungewichteter Durchschnitt von 1 bis 4.

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23

Im Fall der BALI-Daten handelt es sich um arbeitslos gemeldete Asylwerber; das Ausbildungsniveau der Wohnbevölkerung der Herkunftsländer entspricht nicht unbedingt dem Ausbildungsstand der entsprechenden Flüchtlinge; türkisch-stämmige in Österreich lebende Personen können ein deutlich unterschiedliches Ausbildungsniveau aufweisen. Die Daten des deutschen BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) beziehen sich auf Eigenmeldungen im Rahmen des Asylverfahrens und ordnen Asylwerber nicht nach Abschluss einer Ausbildungsstufe sondern aufgrund der Teilnahme an einer Bildungsstufe zu. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Teilnahme an einem Studienprogramm bereits dazu führt, dass der Asylwerber der tertiären Bildungskategorie zugeordnet wird. Aufgrund der Tatsache, dass nicht alle angeführten Quellen die Ausbildungsstruktur in die von den Autoren verwendeten fünf Ausbildungsniveaus unterteilen bzw. dieses Modell in der geringsten Bildungsstufe (s=1) von einem Pflichtschulabschluss ausgeht, müssen folgende Annahmen getroffen werden: Im Zweifelsfall werden Personen der Bildungsstufe s=3 statt s=2, Personen mit sehr geringer oder keiner Ausbildung dem Pflichtschulniveau s=1 zugeordnet.

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Aufgrund von Problemen in der Anrechenbarkeit von Ausbildungen bzw. Qualifikationen und bestehender Sprachbarrieren wird davon ausgegangen, dass Asylberechtigte bezüglich ihrer Produktivität in unserem Modell eine Ausbildungsstufe unter ihrem tatsächlichen Bildungsniveau eingestuft werden. Es wird angenommen, dass dieser Abschlag, der aufgrund der geringeren Bedeutung dieser Faktoren für die geringste Bildungsstufe nicht besteht, im Laufe von 10 Jahren aufgrund von verbesserten Sprachkenntnissen, nachgeholten Kursen und Nostrifikationen von Ausbildungen verschwindet. Die Durchlässigkeit des österreichischen Bildungssystems bestimmt die Vererbung von Bildung auf die nächste Generation und spielt daher für die langfristige Entwicklung der Ausbildungsstruktur der Bevölkerung des Flüchtlingsszenarios eine bedeutende Rolle. Durch die Verwendung einer ausbildungsspezifischen Abschätzung dieses Effekts für Österreich (Schneebaum et al., 2013) wird dies in der Simulation berücksichtigt (siehe Tabelle 2). In diesem Zusammenhang wird zusätzlich die Annahme getroffen, dass alle unter 15-jährigen Asylberechtigten aufgrund der Teilnahme am österreichischen Bildungssystem, selbst wenn dies nur kurz ist, bereits über die höhere Ausbildungsstruktur der Folgegeneration verfügen. Weiters werden aufgrund fehlender Daten für Einzelländer, die Resultate der Bildungsvererbung für Nicht-EU-Ausländer verwendet. Beide Annahmen beeinflussen die Abschätzung der Bildungsvererbung tendenziell positiv. Tabelle

2: Ausbildungsstruktur Asylberechtigte und Nachkommen im erwerbsfähigen Alter

Quelle: Eigene Berechnungen. „AT“ bezeichnet die österreichische Wohnbevölkerung. Zuordnung zu Ausbildungsgruppen bezieht sich auf die höchste im Leben erreichte Ausbildung, nicht den momentan höchsten Ausbildungsabschluss.

Integration in den Arbeitsmarkt Neben bzw. mit dem Ausbildungsniveau verbunden besitzt die Integration in den Arbeitsmarkt für die Berechnung des Nettofiskalbeitrags der analysierten Flüchtlingszuwanderung eine besondere Bedeutung, da sie darüber entscheidet, ob potentielle Erträge von Bildung in tatsächliche Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge transformiert werden. Grundsätzlich weisen alle verfügbaren Daten die Integration in den Arbeitsmarkt als einen langwierigen Prozess aus, der nicht zuletzt von den Integrationsbestrebungen bzw. Aufwendungen der Einzelländer abhängt. Im Zusammenhang mit der Integration in den Arbeitsmarkt ist eine motivbasierte Unterscheidung der Migration wichtig. Dabei weisen Flüchtlinge im Durchschnitt wesentlich geringere Beschäftigungsquoten auf als Migranten mit anderen Aufenthaltstiteln. Neben dem Migrationsmotiv machen internationale Erfahrungen ebenfalls die Bedeutung von Migrationskohorten (u. a. Herkunftsland, Bildungsstatus und Altersprofil), konjunkturellem Umfeld im Zielland und der Aufenthaltsdauer deutlich. Die jüngst veröffentlichten Daten des Labour Force Survey (LFS) ad hoc Module 2014 unterstreichen diese Resultate. Im Fall von Österreich wird eine durchschnittliche Beschäftigungsquote von Flüchtlingen (exklusive Familiennachzug) in der Höhe von 60,2% ausgewiesen. Für Aufenthaltsdauern von mehr als 10 Jahren steigt diese Quote auf 70,5% an. EU-weit dauerte es mehr als 10 Jahre um 50% der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Leider sind die LFS-Daten wie für viele andere EU-Länder nur 10

unvollständig verfügbar bzw. beinhalten nicht alle benötigten Informationen24. Aufgrund der fehlenden Informationen des LFS müssen alternative Quellen zur Abschätzung herangezogen werden. Im benötigten Detailgrad stehen ausschließlich schwedische Erhebungen zur Verfügung, die gegenüber anderen weniger detaillierten Daten (z. B. IAB, 2015 für Deutschland) den zusätzlichen Vorteil aufweisen, dass die zugrundeliegende Flüchtlingskohorte Ähnlichkeiten (Großteil der Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten) mit der aktuellen und hier analysierten Flüchtlingszuwanderung aufweist. In der Simulation wird eine Kombination aus publizierten Daten aus einem rezenten Bericht der OECD (2016) und einer Studie von Aldén und Hammarstadt (2014) über Schweden verwendet, um den Pfad der Beschäftigungsquote für Österreich abzuleiten (siehe Grafik 7 und 8). Dabei wird davon ausgegangen, dass die Beschäftigungsquote innerhalb der ersten 30 Jahre ansteigt und auf diesem Zielwert, der aus schwedischen Erfahrungen abgeleitet wird, verharrt. Grafik

7: Beschäftigungsquoten männlicher anerkannter Flüchtlinge

Grafik

8: Beschäftigungsquoten weiblicher anerkannter Flüchtlinge

Quelle: OECD (2016), Aldén und Hammarstedt (2014) und eigene Annahmen. Anmerkung: Beschäftigungsquoten sind definiert für den Altersbereich 15 bis 64. Die entsprechenden Werte für Österreich betrugen 2015 80% für Männer und 68% für Frauen, deren Anstieg über die Zeit dem Aeging Report 2015 folgt.

Modellexogene Kosten Die in der Simulation berücksichtigten modellexogenen Kosten können in Ausgaben für Versorgung, Unterbringung und Betreuung, Ausgaben für die Abwicklung und das Management der Flüchtlingszuwanderung und Aufwendungen im Rahmen der Integration aufgeteilt werden. Die erstgenannte Kategorie bezieht sich auf alle im Rahmen der Grundversorgung25 und Jugendwohlfahrt erbrachten Leistungen. Ausgaben für Abwicklung und das Management der Flüchtlingszuwanderung summieren alle Ausgaben für Transport, Verwaltung, Grenzmanagement und Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit. Ausgaben für die Integration entstehen aus Bemühungen zur Eingliederung in die österreichische Gesellschaft (u. a. Sprachförderungen, Wertekurse) und den Arbeitsmarkt (Schulungen). Die genannten exogenen Kosten unterscheiden sich in der Unmittelbarkeit bzw. Dauer ihrer Aufrechterhaltung. So sind Teile der angeführten Kosten unmittelbar von aktuellen Entwicklungen bestimmt (z. B. die Ausgaben im Rahmen der Grundversorgung sind ein direktes Resultat der Anzahl an Flüchtlingen), während sich andere über die Zeit akkumulieren (z. B. unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die im Rahmen der Jugendwohlfahrt zu hohen Kosten versorgt werden, werden bis zu ihrer Volljährigkeit betreut), und andere bei Ausbleiben der überdurchschnittlichen Flüchtlingszuwanderung wegfallen (z. B. Grenzmanagement) oder sich über den zeitlichen Verlauf der Integration 24

25

Daten zur Aufenthaltsdauer nach Einzeljahren sind für Österreich nicht verfügbar. Weiters existiert keine Kreuzklassifikation zwischen Beschäftigungsquoten nach Ausbildungsniveau und Aufenthaltsdauer, die für eine Abschätzung notwendig ist. Laut Information des BMI beanspruchten im Jahr 2015 27% der Asylwerber eine private Unterbringung im Rahmen der Grundversorgung. Für eine detaillierte Beschreibung von Kosten und Organisation der Grundversorgung; siehe Fiskalrat (2015).

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der Flüchtlinge abbauen (z. B. Integrationsausgaben oder Ausgaben für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit). Kosten im Rahmen der Grundversorgung und für die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen werden auf Grundlage der bestehenden gesetzlichen Regelungen (Grundversorgungsvereinbarung Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004 und BGBl. I Nr. 46/2013) und den Annahmen des Flüchtlingsszenarios berechnet. Bezüglich abgelehnter Asylwerber wird die Annahme getroffen, dass Asylwerber die das Land nicht sofort verlassen26 noch bis zum Ende des darauffolgenden Kalenderjahres im Rahmen der Grundversorgung weiter versorgt werden.27 Die restlichen exogenen Kosten werden auf Grundlage der vom BMF veröffentlichten Daten (BMF, 2016a,b) abgeschätzt und basierend auf eigenen Einschätzungen28 fortgeschrieben. Tabelle 3 stellt die Resultate der in der Simulation verwendeten Abschätzung der für die analysierte Flüchtlingszuwanderung entstehenden exogenen Kosten dar. Der zeitliche Verlauf der Kosten macht deutlich, dass Ausgaben für die Grundversorgung rasch zurückgehen, während Ausgaben für die Betreuung von Minderjährigen länger nachwirken oder im Fall des Grenzmanagements sprunghaft ansteigen bzw. wegfallen. Vom Arbeitsmarktstatus (Mindestsicherung, Pensionen, etc.) bzw. von demografischen Merkmalen (Ausgaben für Bildung, Gesundheit, etc.) abhängige Kosten werden in der Studie im Rahmen des verwendeten Modells endogen erklärt. Für öffentliche Zusatzausgaben im Bereich Wohnbau wird angenommen, dass diese (trotz nicht bestehender Zweckwidmung) den Zusatzeinnahmen aus dem Wohnbauförderungsbeitrag entsprechen. Tabelle

3: Annahme bezüglich modellexogener Kosten

Quelle: BMI, BMF, Eurostat, RIS und eigene Berechnungen. „UMF“ bezeichnet unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

3.3

Resultate

Um den Nettofiskalbeitrag der betrachteten Flüchtlingszuwanderung zu analysieren, müssen demografische, makroökonomische und fiskalische Entwicklungen, die modellbedingt ineinander greifen und sich gegenseitig bedingen, für beide Szenarien simuliert werden. Die Abweichungen der Entwicklungen zwischen Referenz- und Flüchtlingsszenario werden im Folgenden als demografischer, makroökonomischer und Fiskaleffekt ausgewiesen. Der Fiskaleffekt bezieht sich dabei auf die unterschiedliche Entwicklung von Primärsaldo und Schuldenstand und beschreibt somit den laufenden kontemporären Nettofiskaleffekt bzw. den kumulierten Nettofiskaleffekt. Ein detaillierter Überblick über die errechneten Resultate kann der Tabelle 6 aus dem Anhang entnommen werden.

26 27

28

12

Aus Daten bezüglich Rückführung und freiwilliger Rückkehr für das Jahr 2015 wird errechnet, dass rund 45% der abgelehnten Asylwerber das Land sofort verlassen. Während nicht transportfähige Personen und Personen aus Herkunftsländern für die keine Rückführungsabkommen bestehen im Rahmen der Grundversorgung weiter betreut werden müssen, existiert für die Versorgung anderer abgelehnter Asylwerber die informelle Praxis, diese weiterhin im Rahmen der Grundversorgung zu betreuen. Ausgaben für Transport, Verwaltung, Grenzmanagement, innere Sicherheit und Integration wurden soweit vorhanden und plausibel dem Stabilitätsprogramm 2016–2019 bzw. dem Bundesfinanzrahmengesetz 2016–2019 entnommen. Mit Ausnahme der Kosten für Integration und innere Sicherheit, die sich über die Folgejahre vollständig abbauen, wird in den angeführten Bereichen für die Jahre ab 2020 von keinen Kosten ausgegangen.

Demografischer Effekt Die österreichische Bevölkerung erhöht sich aufgrund der analysierten Flüchtlingszuwanderung und deren Nachkommen bis zum Jahr 2060 um rund 157.000 Personen bzw. 1,6% gegenüber dem Referenzszenario (siehe Tabelle 7 im Anhang). Gleichzeitig reduziert sich das Durchschnittsalter der Bevölkerung gegenüber dem Referenzszenario im Jahr 2060 um rund 7 Wochen. Der in der Simulation angenommene Rückgang der Geburtenraten der Asylberechtigten über die Zeit schwächt gemeinsam mit der asymmetrischen Geschlechterverteilung zu Gunsten von Männern den Rückgang des Durchschnittsalter der Bevölkerung aufgrund der Flüchtlingszuwanderung ab, der ansonsten wesentlich stärker ausfallen würde. Aufgrund der vielen am Beginn des Simulationshorizonts noch minderjährigen Flüchtlinge sinkt in der ersten Phase der Simulation innerhalb der Flüchtlingspopulation der Anteil von Personen außerhalb des erwerbsfähigen Alters an den Personen im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich, bis etwa ab dem Jahr 2050 aufgrund des Erreichens des gesetzlichen Pensionsalters durch Personen der ersten Asylwerber-Kohorten die Quote wieder ansteigt. Bis zum Ende der Simulation erhöht sich dabei das Verhältnis von Personen außerhalb des erwerbsfähigen Alters zu Personen im erwerbsfähigen Alter in der Subpopulation der Flüchtlinge auf rund 60%. Der rein demografisch getriebene Effekt auf den laufenden Nettofiskalbeitrag ist daher über die Zeit U-förmig.

Makroökonomischer Effekt Der makroökonomische Effekt besteht aus zum Teil bereits kurzfristig wirkenden Nachfrageeffekten und sich in der mittleren bis langen Frist entfaltenden Angebotseffekten. Die im Folgenden beschriebenen Effekte beziehen sich immer auf die Abweichungen zum Referenzszenario. Grafik

9: Veränderung von BIP und privatem Konsum

Grafik

10: Veränderung von Bevölkerung und Beschäftigung

Quelle: Eigene Berechnungen.

Aufgrund des laufenden Anstiegs der Bevölkerung steigen Arbeitskräftepotential und Beschäftigung kontinuierlich an. Der damit einhergehende Rückgang der Löhne und der Anstieg des Grenzprodukts von Kapital führen zu einem Anstieg der Investitionen um die Produktionskapazitäten auszuweiten (Angebotseffekt). Nachfrageseitig führen erhöhter öffentlicher und privater Konsum zu einer gestiegenen Nachfrage nach inländischen Gütern. Dies führt zu einem Anstieg der Güterpreise, der in weiterer Folge die Nachfrage nach Arbeit und wiederum die Investitionen erhöht. Angebots- als auch Nachfrageeffekt führen durch eine Erhöhung des BIP (Gesamteffekt von +1,3% im Jahr 2060 verglichen mit dem Anstieg der Bevölkerung um +1,6%) und den damit verbundenen zusätzlichen Steuereinnahmen und Abgaben zu einem positiven Fiskaleffekt, welcher den zusätzlichen Kosten gegenübersteht. Grafik 9 macht die Effekte auf das reale BIP und den privaten Konsum deutlich, während Grafik 10 die Entwicklung der Beschäftigung darstellt. Aufgrund der niedrigen Ausbildungsniveaus der Flüchtlinge, die sich über die Zeit nur langsam verbessern, besitzt die Flüchtlingssubpopulation auch am Ende des Betrachtungshorizonts eine unterdurchschnittliche Produktivität. Daraus folgt,

13

dass sowohl BIP als auch privater Konsum pro Kopf gerechnet über den gesamten Simulationshorizont vom Referenzszenario negativ abweichen.

Fiskaleffekt Um den Nettofiskalbeitrag abhängig vom Alter darzustellen, können sogenannte Lebenszyklusprofile verwendet werden. Der Nettofiskalbeitrag wird dabei aufgrund der Bedeutung des Ausbildungsstands für die unterschiedlichen Ausbildungsniveaus separat dargestellt. Lebenszyklusprofile können grundsätzlich in drei Phasen unterteilt werden. Phase 1 „Ausbildung“ weist einen deutlich negativen Nettofiskalbeitrag aus. Phase 2 „Erwerbstätigkeit“ generiert im Regelfall Nettofiskalüberschüsse. Aufgrund der anfänglich niedrigen Beschäftigungsquoten weisen Flüchtlinge mit niedriger Ausbildung 2020 selbst in dieser Phase negative durchschnittliche Fiskalbeiträge auf. Im Laufe der Zeit generieren alle Ausbildungsgruppen aufgrund der steigenden Beschäftigungsquoten während der Erwerbstätigkeitsphase durchschnittlich positive Fiskalbeiträge. Phase 3 „Ruhestand“ ist für Personen aller Bildungsniveaus aufgrund von Pensionszahlungen und Sozialtransfers (v. a. Mindestsicherung, Notstand und Ausgleichszahlungen) mit negativen Nettofiskalbeiträgen verbunden (siehe Grafiken 11 und 12). Grafik

11: Zerlegung Fiskalbeitrag 2020

Grafik

12: Zerlegung Fiskalbeitrag 2060

Quelle: Eigene Berechnungen. Anmerkung: Abbildung zu Nettofiskalbeiträgen nach Alter ohne Steuern auf unternehmerische Gewinne und Subventionen sowie modellexogenen Kosten dargestellt, welche nicht alters- bzw. ausbildungsspezifisch zerlegt werden konnten, im Gesamtresultat jedoch berücksichtigt wurden.

Um den aggregierten Nettofiskalbeitrag zu berechnen, müssen die individuellen ausbildungsspezifischen Lebenszyklusprofile der Nettofiskalbeiträge mit der Anzahl an zugehörigen Personen (Alter und Ausbildung) gewichtet werden. Während die Altersstruktur der Flüchtlinge, die sich zum Großteil im erwerbsfähigen Alter (Phase 2) befinden, einen günstigen Effekt auf den Nettofiskalbeitrag 14

ausübt, ist dieser aufgrund der niedrigen Ausbildung und Beschäftigungsquoten nicht ausreichend hoch um die negativen Effekte der Phasen 1 und 3 zu kompensieren. Der Effekt auf den Primärsaldo, der den laufenden jährlichen aggregierten Nettofiskaleffekt ohne Zinszahlungen beschreibt, ist zu Beginn der Simulation deutlich negativ, verbessert sich danach kontinuierlich und wird um das Jahr 2056 leicht positiv. Die analysierte Flüchtlingszuwanderung führt somit jedes Jahr bis zum Jahr 2056 zu einem Defizit, dass durch einen Anstieg der Verschuldung finanziert wird (Grafik 13). Der Anstieg der Verschuldung beträgt inklusive Zinszahlungen bis zum Jahr 2060 rund 23 Mrd Euro29 oder 6,5% des BIP laut Referenzszenario30 (siehe Grafik 14). Pro aufgenommenen Flüchtling ergeben sich somit über den Zeitraum 2015 bis 2060 Kosten von rund 277.000 Euro31. Ohne Zinslast, welche stark von der Annahme der Höhe des langfristigen Zinssatzes abhängt, beträgt der Anstieg der Verschuldung 3,8% des BIP laut Referenzszenario bzw. 14 Mrd Euro oder rund 163.000 Euro pro aufgenommenen Flüchtling. Die jährliche Nettobelastung ohne Zinszahlungen pro aufgenommenem Flüchtling zeigt einen fallenden Verlauf von rund 16.200 Euro (2016), 10.200 Euro (2020), 1.300 Euro (2040) und dreht gegen Ende des Simulationshorizonts in einen jährlichen Nettoertrag (2060: rund 300 Euro). Grafik

13: Effekt auf Primärsaldo (vs. Referenzszenario)

Grafik

14: Effekt auf Verschuldung (vs. Referenzszenario)

Quelle: Eigene Berechnungen.

Die Zusammensetzung des Fiskalbeitrags im Zeitverlauf macht die Dynamik und Größenordnung der entstehenden staatlichen Einnahmen und Ausgaben deutlich (siehe Grafik 15). Im Bereich der Ausgaben sind in den ersten Jahren v. a. Ausgaben zur Finanzierung der exogenen Kosten, Sozialtransfers (v. a. Mindestsicherung) und Ausgaben für Bildung und Gesundheit von Bedeutung. Über die Zeit ist ein Rückgang der Ausgaben zu verzeichnen, der auf den Rückgang der exogenen Kosten und der Sozialtransfers aufgrund der Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zurückzuführen ist. Durch den demografisch bedingten Anstieg an Pensionierungen steigen die Kosten ab dem Jahr 2050 wieder an. Der Anstieg des Durchschnittsalters der Flüchtlinge ist ebenfalls verbunden mit einem Anstieg der Gesundheitsausgaben. Im Bereich der Einnahmen generiert die expansive Fiskalpolitik einen Anstieg der Konsum- und lohnabhängigen Steuern. Mit dem Rückgang der Ausgaben für exogene Kosten gehen die Mehreinnahmen bis zum Jahr 2030 aber wieder etwas zurück. In den Folgejahren führt der kontinuierliche Anstieg der Beschäftigungsquote zu einem deutlichen kontinuierlichen Anstieg der lohnabhängigen Steuern. Ab dem Jahr 2056 übersteigen die Einnahmenzuwächse erstmals die Ausgabenzuwächse. 29 30

31

Falls nicht abweichend angeführt, beziehen sich die ausgewiesenen Euro-Beträge immer auf das Preisniveau des Jahres 2014. Die Darstellung der Veränderung der Verschuldung in Prozent des BIP laut Referenzszenario erleichtert den Vergleich der Ergebnisse zwischen den verschiedenen Varianten. Sie ist jedoch nicht gleichbedeutend zur Betrachtung der Veränderung der Schuldenquote, welche zusätzlich einen Nennereffekt enthält. Aufgrund der Ausdehnung des BIP im Flüchtlingsszenario steigt die Schuldenquote im Vergleich zum Referenzszenario um 5,7 Prozentpunkte. 23 Mrd Euro/Asylberechtigte von 83.908 Personen.

15

Für die Folgejahre ist von einem weiterhin schwach positiven, laufenden Primärsaldoeffekt auszugehen. Grafik

15: Effekt auf Staatseinnahmen und –ausgaben (vs. Referenzszenario)

Quelle: Eigene Berechnungen.

4.

SENSITIVITÄTSANALYSE

Um die Robustheit der Simulationsresultate zu überprüfen und die Schlüsselfaktoren zu unterstreichen, wird eine Sensitivitätsanalyse bezüglich der wichtigsten im Rahmen des Flüchtlingsszenarios getätigten Annahmen durchgeführt. Die Resultate der Sensitivitätsanalysen sind nicht geeignet, eine normative Reihung von Politikmaßnahmen (Mehrausgaben für Bildung, Arbeitsmarktintegration, Spracherwerb) abzuleiten, da die in der Sensitivitätsanalyse implementierten Änderungen der Variablen nicht normalisiert werden können. In der Analyse werden neun Szenarien betrachtet. Detaillierte Resultate der Sensitivitätsanalyse können Tabelle 4 entnommen werden. Die Ergebnisse der Sensitivitätsszenarien werden im Folgenden als Abweichung vom Flüchtlingsszenario in seiner Hauptvariante dargestellt. Szenario 1 erhöht die Anzahl der Asylanträge im Jahr 2016 von 37.500 auf 70.000. Dies verändert nicht den Verlauf des Nettofiskalbeitrags sondern reduziert diesen zusätzlich. Bis zum Jahr 2060 erhöht sich die Verschuldung zusätzlich um rund 1% des BIP32. Szenario 2 geht davon aus, dass Asylberechtigte keinerlei Probleme in der Anrechnung ihrer Ausbildungen haben und die fehlende Sprachkompetenz keine Auswirkung auf ihre Arbeitsmarktqualifikation hat. Somit entfällt der im Flüchtlingsszenario für die ersten 10 Jahre des Aufenthalts in Österreich angenommene Produktivitätsabschlag. Aufgrund der langsamen Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt und dem hohen Anteil an Pflichtschulabsolventen für die kein Abschlag modelliert wurde, sind die Effekte dieses Szenarios sehr gering. Bis zum Jahr 2060 reduziert sich die Schuldenerhöhung um rund 0,1% des BIP. Szenario 3 simuliert eine wesentlich günstigere Bildungsvererbung. Dabei wird davon ausgegangen, dass Nachkommen der Asylberechtigten (2. Generation) bereits das Bildungsniveau der 3. 32

16

Gemessen wird in Prozent des BIP des Referenzszenarios im Jahr 2060.

Generation des Flüchtlingsszenarios aufweisen. Dieser Effekt entfaltet sich erst in der langen Frist, wird aber durch die asymmetrische Geschlechtsverteilung (geringerer Anteil an Frauen und dadurch niedrigere Anzahl an Geburten) innerhalb der Flüchtlingssubpopulation abgeschwächt. Die Erhöhung der Bildungsdurchlässigkeit reduziert den Schuldenstand des Jahres 2060 um 0,5% des BIP. Tabelle

4: Zusammenfassung Sensitivitätsanalysen

Quelle: Eigene Berechnungen.

Szenario 4 geht von einer schnelleren Integration der Asylwerber in den Arbeitsmarkt aus. Dabei wird die Integrationsgeschwindigkeit verdoppelt. Dies bedeutet zum Beispiel, dass mehr als 50% der Asylberechtigten bereits nach 5 anstelle von 10 Jahren Aufenthalt in Österreich in den Arbeitsmarkt integriert sind. Aufgrund des großen Anteils an Asylberechtigten mit geringer Ausbildung, die auch bei Arbeitsaufnahme kaum positive Nettofiskalbeiträge generieren, ergibt sich durch die simuliert schnellere Integration in den Arbeitsmarkt nur ein relativ schwacher Effekt. Die Verschuldung des Jahres 2060 reduziert sich um 0,8% des BIP. Szenario 5 greift die Unsicherheit bezüglich der Ausbildungsstruktur der Asylberechtigten auf und simuliert den Effekt einer wesentlich besseren Ausbildungsstruktur. Hierbei wird angenommen, dass die Ausbildungsstruktur der Asylberechtigten der Ausbildungsstruktur der Nichtösterreicher im Jahr 2015 entspricht. Die Wirkung dieser Annahme steigt über die Zeit an und führt zu einer Verringerung des Schuldenanstiegs im Jahr 2060 rund 1,7% 17

des BIP.33 Szenario 6 simuliert eine Erhöhung des Zielwerts der Beschäftigungsquoten, der nach 30 Jahren erreicht wird, um 5 Prozentpunkte. Dies dient dazu die Robustheit dieser Annahme zu überprüfen, welche aufgrund der mangelnden langfristigen Erfahrung bezüglich der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen getroffen werden musste. Der Effekt dieser Änderung entfaltet sich erst im Laufe der Zeit und reduziert bis zum Jahr 2060 die Verschuldung um rund 0,3% des BIP. Tabelle

5: Ausbildungsstruktur nicht in Österreich geborener Personen (S5)

Ausbildungsgruppen Männer Frauen

s=1 39% 45%

s=2 26% 18%

s=3 7% 10%

s=4 13% 15%

s=5 14% 13%

Quelle: Statistik Austria, abgestimmte Erwerbstatistik 2013.

Szenario 7 beschreibt die Auswirkung einer Erhöhung der Fertilität der Asylberechtigten. Dabei wird die Fertilitätsrate von weiblichen Asylberechtigten im ersten Aufenthaltsjahr von 3 auf 4 Kinder erhöht. Weiters wird davon ausgegangen, dass das Fertilitätsniveau der Österreicher erst in 90 statt 60 Jahren erreicht wird. Primärsaldo- und Verschuldungseffekt sind 2060 im Vergleich zur Hauptvariante negativ. Dies erklärt sich daraus, dass ein Großteil der aufgrund der erhöhten Fertilität zusätzlichen Bevölkerung des Jahres 2060 die Altersspanne mit dem positivsten Fiskalbeitrag von 40–60 Jahren noch vor sich hat. Simulationen über den Betrachtungshorizont hinaus deuten darauf hin, dass erst ab ca. 2080 ein positiverer Primärsaldoeffekt als in der Hauptvariante zu erwarten wäre. Szenario 8 trifft alternative Annahmen bezüglich der Zuordnung von indirekten Kosten und der Ausgaben für die Bereitstellung öffentlicher Güter. Hier wird davon ausgegangen, dass jeder Asylberechtigte diese Kosten in vollem Ausmaß der Durchschnittskosten erhöht. Diese Annahme besitzt einen starken, über die Zeit relativ gleich verteilten, negativen Nettofiskaleffekt. Die Verschuldung des Jahres 2060 erhöht sich zusätzlich um 2,9 % des BIP. Szenario 9 hebt die No-Policy-Change-Annahme des Flüchtlingsszenarios auf. Um die (indexierte) Pro-Kopf-Verschuldung konstant zu halten, passt die Regierung in diesem Szenario jährlich den Umsatzsteuersatz entsprechend an. Grafik 16 zeigt, dass dies eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes in den ersten Jahren von bis zu 1,3 Prozentpunkten implizieren würde. Dies dämpft das Wachstum und überlagert den kurzfristigen expansiven Effekt, sodass insgesamt eine negative Auswirkung auf das BIP in den ersten Jahren zu erwarten wäre. Nachdem der Effekt auf den laufenden Primärsaldo langfristig nahe null ist, kann der Umsatzsteuersatz gegen Ende der Betrachtungsperiode wieder in etwa auf das Ausgangsniveau gesenkt werden.

33

18

In einer rezenten Studie präsentieren Buber-Ennser et al. (2016) Ergebnisse aus einer im Herbst 2015 durchgeführten Befragung in Flüchtlingsunterkünften, welche u. a. auf Selbstauskunft basierend, Informationen zur Ausbildung enthält. Sie finden eine deutlich bessere Ausbildungsstruktur, die sich (gewichtet mit länderspezifischen Gesamtjahresasylanträgen und –anerkennungsquoten für das Jahr 2015) wie folgt in die in der vorliegende Studie festgelegten Ausbildungskategorien (über beide Geschlechter) übersetzt: s=1: 56%, s=2 bis 4: 21% und s=5: 22%. Trotz unterschiedlicher Zusammensetzung (vgl. Tabelle 5) liefert die Modellsimulation quantitativ nahezu idente Effekte auf Primärsaldo und Verschuldung wie in Sensitivitätsszenario S5.

Grafik

16: Auswirkung der Flüchtlingszuwanderung bei umgehender Konsolidierung (S9)

Quelle: Eigene Berechnungen.

19

5.

ZUSAMMENFASSUNG

Die im Vorjahr einsetzende überdurchschnittlich starke Flüchtlingszuwanderung stellt eine Herausforderung für Österreich in vielen Dimensionen dar. Ziel der vorliegenden Studie war es, die langfristigen budgetären Effekte für die öffentlichen Haushalte mit Hilfe eines „überlappenden Generationen“-Modells abzuschätzen. Während die ökonomischen Wirkungskanäle der Zuwanderung von Asylwerbern gegenüber Migranten mit anderen Aufenthaltstiteln einander gleichen, ist eine Differenzierung zur Berücksichtigung der unterschiedlichen soziodemografischen Eigenschaften für die Quantifizierung des Effekts unerlässlich. Die Studie geht von insgesamt rund 84.000 „außergewöhnlichen“ Asylberechtigten für die Jahre 2015 bis 2020 aus. Diese Anzahl basiert auf der in Begutachtung stehenden „Asyl-Notverordnung“ der Bundesregierung sowie auf realisierten Daten. Die Quantifizierung des Effekts erfolgt aus dem Vergleich eines „Flüchtlingsszenarios“ mit einem „Referenzszenario“ ohne außergewöhnliche Flüchtlingszuwanderung. Für die Ergebnisse müssen spezifische Annahmen getroffen werden, die aus statistischen Quellen und historischen Erfahrungen anderer europäischer Länder abgeleitet wurden. Informationen über vergleichbare Flüchtlingskohorten aus der Vergangenheit gibt es in Österreich nicht. Bei unsicherer Informationslage bezüglich Bildungsvererbung, Ausbildungsstruktur, Integration in den Arbeitsmarkt und Grenzkostenbewertung für die Bereitstellung öffentlicher Güter wurde der Zugang gewählt, im Zweifelsfall von Annahmen auszugehen, die sich vergleichsweise kostensparend auswirken. Der aggregierte budgetäre Effekt ist durch die Abweichung des Schuldenstands des Flüchtlingsszenarios vom Referenzszenario gegeben. Um die Auswirkung der mit Unsicherheit verbundenen Annahme des langfristigen Zinssatzes zu isolieren, wird die Veränderung der Schuld mit und ohne Zinslast ausgewiesen. Zur Abschätzung der Robustheit der Simulationsresultate wurden zudem Sensitivitätsanalysen durchgeführt. Dabei zeigt sich, dass Integrationsmaßnahmen möglichst rasch greifen sollten, um die fiskalischen Belastungen gering zu halten. Die bedeutendsten makroökonomischen Effekte der analysierten Flüchtlingszuwanderung bestehen aus der expansiven Wirkung der mit der Aufnahme, Versorgung und Integration verbundenen Staatsausgaben und dem Anstieg des Arbeitskräftepotentials. Dabei wirkt der Anstieg der Staatsausgaben, der zu einer Erhöhung des öffentlichen und privaten Konsums und zusätzlicher Arbeitsnachfrage führt, vor allem in der kurzen Frist. Mittel- bis langfristig ist vorrangig die Veränderung des ausbildungsspezifischen Arbeitskräfteangebots von Bedeutung. Der Anstieg des Arbeitskräftepotentials konzentriert sich dabei, aufgrund der vergleichsweise niedrigen Ausbildungsniveaus der Asylberechtigten v. a. auf Bereiche mit geringer Qualifikation, in denen es zu realen Lohnrückgängen und einer Ausdehnung der Beschäftigung kommt. Die Größe der zu erwartenden Wachstumsimpulse ist verglichen mit dem demografischen Potential, einer jungen und sich zum Großteil im Erwerbstätigenalter befindlichen Flüchtlingskohorte, relativ klein. Für 2060 wird ein Anstieg des realen BIP gegenüber dem Referenzszenario um 1,3% berechnet, während die Bevölkerungszahl um 1,6% höher liegt. Die betrachtete Flüchtlingszuwanderung besitzt über die gesamte Betrachtungsperiode (2015 bis 2060) eine negative Auswirkung auf das reale BIP pro Kopf. Die beschriebenen makroökonomischen Effekte bestimmen gemeinsam mit der Änderung der Anzahl und Zusammensetzung der Gesamtbevölkerung die Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen. Die in der Analyse gewählte Modellstruktur ermöglicht dieses Zusammenspiel von makroökonomischem, demografischem und budgetärem Effekt. Das Modell erlaubt eine Zerlegung der individuellen Nettofiskalbeiträge der zusätzlichen Personen nach Alter und Ausbildung über die Zeit. Der deutlich negative Nettofiskalbeitrag der kurzen Frist ist geprägt von den exogenen Kosten und der Versorgung von Nichtbeschäftigten im Rahmen der bedarfsorientierten Mindestsicherung, der zum Teil durch zusätzliche Steuereinnahmen aufgrund der makroökonomischen Wachstumsimpulse abgeschwächt wird. Die Aufnahme von Arbeit der Asylberechtigten in der mittleren Frist führt zu höheren Steuereinnahmen und reduziert gleichzeitig die Sozialtransfers. Die Ausgaben für exogene Kosten gehen deutlich zurück und reduzieren den in der mittleren Frist weiterhin negativen Nettofiskalbeitrag. Die in der langen Frist einsetzende Alterung der Asylberechtigten führt zu steigenden Pensionierungen und Gesundheitsausgaben. Gleichzeitig kommt es jedoch aufgrund einer Verbesserung des Bildungsniveaus und einer verstärkten Teilnahme am Arbeitsmarkt der Asylberechtigten zu einem Anstieg der Einnahmen, die den Anstieg der Ausgaben ohne Berücksichtigung der Zinsen 20

überkompensieren. Der laufende Nettofiskalbeitrag ohne Zinsen wird damit in der langen Frist positiv. Der akkumulierte Nettofiskaleffekt inklusive Zinslast ist aus dem Anstieg der Verschuldung im Vergleich zum Referenzszenario ersichtlich. Der Effekt auf die Schuldenquote 2060 beträgt +5,7 Prozentpunkte. Zu Preisen 2014 entspricht dies rund 23 Mrd Euro oder 277.000 Euro pro aufgenommenen Flüchtling. Ohne Zinslast, welche stark von der Annahme der Höhe des langfristigen Zinssatzes abhängt, beträgt der Anstieg der Verschuldung rund 14 Mrd Euro oder 163.000 Euro pro aufgenommenen Flüchtling. Die jährliche Nettobelastung ohne Zinszahlungen pro aufgenommenen Flüchtling zeigt einen fallenden Verlauf von rund 16.200 Euro (2016), 10.200 Euro (2020), 1.300 Euro (2040) und dreht gegen Ende des Simulationshorizonts in einen jährlichen Nettoertrag (2060: rund 300 Euro). Die zur Abschätzung der Robustheit der Simulationsresultate durchgeführten Sensitivitätsanalysen unterstreichen das Resultat negativer aggregierter Nettofiskalbeiträge von 2015 bis 2060. Sogar die Annahme eines deutlich besseren, den bisherigen Erfahrungen widersprechenden Ausbildungsniveaus der Asylberechtigten zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich, lässt den Schuldenstand bis 2060 gegenüber dem Referenzszenario aufgrund der Flüchtlingszuwanderung um 4,7% des BIP (des Referenzszenarios) ansteigen. Schnellere Arbeitsmarktintegration, eine höhere intergenerationelle Bildungsmobilität, eine höhere langfristige Beschäftigungsquote oder eine schnellere Anerkennung von Qualifikationen würden ebenfalls zu einer - wenn auch geringen - Dämpfung der zusätzlichen Verschuldung führen. Eine alternative Bewertung der Ausgaben für öffentliche Güter (Landesverteidigung, öffentliche Verwaltung, etc.) zu Durchschnittskosten würde hingegen einen deutlichen zusätzlichen Anstieg der Nettogesamtkosten im Ausmaß von 2,9% des BIP bis 2060 zur Folge haben. Höhere Fertilitätsraten der Asylberechtigten oder eine größere Anzahl an Asylwerbern würden bis zum Ende des Simulationshorizonts ebenfalls den Anstieg der Verschuldung verstärken. Die Sensitivitätsanalyse offenbart, dass Initiativen die bereits zum Beginn des Aufenthalts in Österreich die Ausbildung und die Integration in den Arbeitsmarkt verbessern, die Chance auf die größte Verbesserung des Fiskalbeitrags mit sich bringen. Investitionen und Erhöhung der Bildungsdurchlässigkeit wirken hingegen relativ schwach, da sie eine lange Zeit brauchen um ihre Wirkung zu entfalten. Arbeitsmarktspezifische Effekte, die von der aktuellen Position im Konjunkturzyklus zum Zeitpunkt der Einwanderung abhängen, Konsequenzen einer ungleichen regionalen Verteilung sowie gesellschaftspolitische Auswirkungen fanden in der Analyse keine Berücksichtigung und könnten interessante Fragestellungen zukünftiger Forschungsprojekte darstellen. Eine genauere Abschätzung der Auswirkungen von Flüchtlingsbewegungen würde v. a. die Erhebung von Daten zur Ausbildungsstruktur und die Auswertung bestehender ausbildungsspezifischer Erfahrungen über die Integration von Asylberechtigten in den österreichischen Arbeitsmarkt nach Herkunftsländern notwendig machen.

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6.

LITERATUR

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7.

Tabelle

ANHANG

6: Effekte der Flüchtlingszuwanderung (Hauptvariante)

Quelle: Eigene Berechnungen.

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Tabelle

7: Änderung der österreichischen Bevölkerungsentwicklung

Quelle: Eigene Berechnungen.

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