Gruß aus der Küche der Zukunft

zenthaller, Geschäftsführer von Thalia. Möbel. „Der Übergang von der Küche zum. Wohnraum hin ist heute fließend, man ver- steht sie als einen großen Raum.“.
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WOHNEN SPEZIAL

Gruß aus der Küche der Zukunft Kochst du noch oder lebst du schon? Raffinessen bei Technik und Material sollen Küchenräume künftig noch besser machen Von Claudia Aschour

Foto: Werk

Nanotechnik für die Küche (von Fenix): extrem matte Oberfläche, keine Kratzer und auch keine Fingerabdrücke

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Ob zum Essen, Lernen, Arbeiten oder gemütlichen Beisammensein: Die Küche ist in vielen Wohnungen längst der zentrale Raum. Einst separiert und zugunsten des Esszimmers eher klein gehalten, stellt sie heute den Mittelpunkt von Genuss und Geselligkeit dar. Wenn sich Familienmitglieder oder Freunde in einer Wohnung treffen, dann in der Küche, bei Partys sowieso. Ein Wandel, dem neueste Technik und Hightech-Materialien verpflichtet sind. Als die Küche noch ausschließlich Arbeitsplatz war, kümmerte es nicht, wenn der Geschirrspüler gurgelte, das Backrohr wummerte, der Kühlschrank brummte oder die Dunstabzugshaube wie ein Düsenjet blies. Weil aber die Küche inzwischen vor allem Wohnküche ist, reicht ein pragmatischer Zugang zur Funktionalität nicht mehr. „Die Küche ist heute so weit zum Wohnraum hin geöffnet, dass Design und Funktionalität nicht mehr voneinander getrennt werden können“, sagt Georg Schratzenthaller, Geschäftsführer von Thalia Möbel. „Der Übergang von der Küche zum Wohnraum hin ist heute fließend, man versteht sie als einen großen Raum.“ Daraus ergeben sich viele neue Anforderungen und hohe Ansprüche. Geräte sollen leise sein, energieeffizient arbeiten sowieso. Materialien für Fronten und Arbeitsplatten müssen robust sein, sollen zeitlos zurückhaltendes, natürliches Design möglich machen. Und gemütlich soll es auch noch sein. Was heißt das für Menschen, die planen, eine neue Küche zu kaufen? „So irgend möglich, sollte man bei der Küche in Qualität investieren“, sagt Schratzenthaller. „Das sind Kosten, die sich für ein Plus von Lebensqualität jedenfalls bezahlt machen. Man will ja nicht mehr nur kochen, sondern auch leben.“ Dabei kostet es nicht gleich die Welt, neueste Technologie mit trendigem Design zu kombinieren. Beim schwedischen Mö-

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belriesen Ikea wird das Trendpotenzial der modernen Hightech-Küche beispielsweise weg von den teuersten Materialien hin zu den Accessoires verlagert. Weiß und Edelstahl prägen die Küchenmöbel, schließlich hat man die Küche selbst länger als nur eine Saison. Sie sollte also möglichst zeitlos sein. Akzente werden über die Wandfarbe, Textilien und Accessoires gesetzt. Auf neueste Technik sollte man aber nicht verzichten. Großflächige Induktionskochfelder mit effizienten Funktionen wie Flächenkopplung und Booster, der einen Liter Wasser in zwei Minuten zum Kochen bringt, sind heute bereits bei Einsteigermodellen erschwinglich. Geschirrspüler, die „flüstern“, haben unter 45 Dezibel Betriebsgeräusch und Kühlschränke unterschiedliche Temperaturzonen, um Lebensmittel länger frisch zu halten. Schlaue Lösungen für die immer noch sehr angesagten Kochinseln sind Dunstabzüge, die im oder neben dem Kochfeld integriert sind. Freie Sicht voraus!

Technik hinter Türen Wenn die Küche dann noch Extrastückerln spielt, ist die Freude am Zubereiten besonders groß. Hier gibt es erstaunliche Entwicklungen hinsichtlich der Möbelbeschläge. Die sind nämlich für das grifflose Design optimiert worden. Weltweit richtungsweisend arbeitet hier die österreichische Firma Blum. Backrohr, Kühlschrank und Co. verschwinden hinter Schranktüren, die wie Wandverkleidungen aussehen und in den Korpus geschoben werden können; Laden und Türen sind leichter zu öffnen. Alternativ zum einfachen Tip-on-Prinzip gibt es elektrisch unterstützte Auszüge. Eine Mechanik, der sogenannte Servo Drive, unterstützt das Öffnen und Schließen mit und ohne Griff. Anders als bei der Variante zum Antippen kann der Druck beziehungsweise Zug an einer beliebigen ‣ 09 | 2016

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Sensorik in der modernen Küche: Wasser marsch, wenn die Finger teigverklebt sind (l.). Dank „Servo Drive“ öffnen und schließen Laden, egal, wo man sie sanft antippt (r.)

Rost, Stein, Keramik Eine breite Palette an weit entwickelten Möglichkeiten gibt es auch für die Möbelfronten. Abhängig vom persönlichen Geschmack und Budget sind Materialien wie Edelstahl, Glas, Keramik oder veredelte Trägerplatten sehr beliebt. „Im High-EndBereich sind in diesem Jahr Keramik, Rost, Stein, Beton und ausdrucksstarkes Holz für die Fronten sichtbar“, sagt Georg Schratzenthaller. Sehr robust sind lackgeschützte Fronten, wo der Trend gerade weg vom fingerabdrucksensiblen Hochglanz und hin zum samtigen Matt geht. Der italienische Hersteller Arpa hat mit Fenix eine ultramatte Nanooberfläche entwickelt, deren Eigenschaften erstaunlich sind: Ob Essig oder Öl, Wasser oder Wein, Fisch oder Fleisch, die Oberfläche zeigt sich weitgehend unbeeindruckt und unverschmutzbar. Unliebsamen Kratzern kann mit einem herkömmlichen Schmutzradie78

„Der Übergang von der Küche zum Wohnraum hin ist heute fließend“ Georg Schratzenthaller, Einrichter

rer oder einem Bügeleisen beigekommen werden. Apropos Fingerabdrücke: Auch in der Edelstahlbearbeitung tut sich was. „Kugelgestrahlt statt gebürstet gibt einer Arbeitsplatte aus Edelstahl eine ganz neue Optik“, sagt Schratzenthaller und sieht darin gleich einen Trend. Empfindlich auf Oberflächenkratzer bleibt die Metalllegierung weiterhin, was ihre unbestrittene Funktionalität freilich nicht mindert. Oft ist der Großküchenlook ja auch gewollt: „Wer Edelstahl kauft, bestellt die Gebrauchsspuren gleich mit; genau das zeichnet einen lebendigen Werkstoff aus.“ Gerne kombinieren Einrichter den kühlen Edelstahl mit warmen Materialien wie Holz. Doch Holz ist nur bedingt als Baustoff in der Küche geeignet: Zu weich, großporig und empfindlich gegen Säure, Wasser und Hitze ist der natürliche, nachwachsende Rohstoff. Beeindruckend verarbeitete Dekore aus Kunststoff oder Laminat können hier gegebenenfalls ausgleichen, wo es der Natur mangelt. Ganz neu sind großformatige Feinsteinzeugplatten, auch in Dielenform, die den Holzlook imitieren.

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Werkstoffe für die moderne Arbeitsplatte sind Keramik und Kunststein. „Im Idealfall ist eine Arbeitsplatte fugenlos, trotzt Wasser, Säure und Hitze und ist ferner schnittfest“, sagt Schratzenthaller. Kunststein sei das einzige Material, das all dies erfüllen könne und jedes Design ermögliche. Granit hat viele dieser Eigenschaften. Abhängig von der Beschaffenheit müssen stolze Küchenbesitzer mit einer speziellen Imprägnierung Poren im Naturstein regelmäßig verschließen. Aufgrund seines Abbaus ist Granit allerdings auch in Größe und Form beschränkt und damit je nach Küchenform nicht fugenlos zu installieren. Hoch entwickelte Kunststeinvarianten auf Quarzbasis wie das vielfältige Corian, das seit den 1970er-Jahren die Möbelindustrie in der High-End-Verarbeitung begleitet, oder das neue Dekton, sind wiederum fugenlos zu verarbeiten und äußerst robust gegen äußere Einwirkungen, jedoch nicht so hitzebeständig wie Granit.

„Mitdenkende“ Arbeitsplatte Was bisher noch keine Arbeitsplatte kann, möchte Ikea herausbringen. Produktentwickler und Designstudenten in Schweden experimentieren gerade mit revolutionären Oberflächen, die „mitdenken“ und sogar aufgelegte Lebensmittel erkennen sollen: Ein Computer ermittelt Bestandteile und Nährwert und schlägt Rezepte vor. Vorgestellt hat Ikea die „Concept Kitchen 2025“ kürzlich in Mailand. Ein Gruß aus der Küche. Mit Zukunftsmusik.

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Stelle des Küchenmöbels erfolgen. Die Lade öffnet und schließt dann mit gleichbleibender Geschwindigkeit, beinahe geräuschlos. Und weil Sensorik am richtigen Platz Sinn ergibt, gleich noch mehr davon: Sensorarmaturen und Seifenspender sind überaus brauchbare Assistenten. Kein Hebel, fließend einfach. Wasser marsch und sauber. Die Technik hat ihr Gutes, nicht nur, wenn man gerade die Hände im Germteig gehabt hat oder mit den ChiliFingern lieber nichts angreifen möchte.