Gewalt, Fankultur und Sicherheit im deutschen Fußball AWS

Gewalt, Fankultur und Sicherheit im deutschen Fußball. Gewalt, Fankultur und Sicherheit im deutschen Fußball. K evin. Böttger. Gewalt,. Fankultur und. Sicherheit im deutschen. Fußball ..... Bundesliga 2002-2012 (http://www.dfb.de/?id=82912) ..... 20. Tab. ... 30. Tab. 5: Strafverfahren der Saison 2011/12 (ZIS, 2012, S.12).
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Kevin Böttger

Gewalt, Fankultur und Sicherheit im deutschen Fußball

disserta Verlag

Böttger, Kevin: Gewalt, Fankultur und Sicherheit im deutschen Fußball. Hamburg, disserta Verlag, 2015 Buch-ISBN: 978-3-95425-712-6 PDF-eBook-ISBN: 978-3-95425-713-3 Druck/Herstellung: disserta Verlag, Hamburg, 2015 Covermotiv: pixabay.com Covergestaltung: Rieke Heinze

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Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung....................................................................................................................... 1 2 Fankultur im deutschen Fußball .................................................................................... 6 2.1

Fangruppierungen und Kategorien ......................................................................... 7

2.2

Entwicklung des Zuschauerverhaltens und der Fankultur .................................... 16

2.3

Fankultur im internationalen Vergleich.................................................................. 21

3 Sicherheit in deutschen Stadien .................................................................................. 25 3.1

Gewalt im Fußball und der Gesellschaft ............................................................... 27

3.2

Verantwortliche, Mitwirkende und deren Verhältnis .............................................. 36

3.3

Maßnahmen zur Gewaltprävention ....................................................................... 41

4 Das Sicherheitskonzept „Sicheres Stadionerlebnis“ .................................................... 48 4.1

Inhalte des Sicherheitspapiers .............................................................................. 50

4.2

Reaktionen und Standpunkte ............................................................................... 57

5 Fragestellung und Hypothesen der Untersuchung ...................................................... 64 6 Methodik der Untersuchung ........................................................................................ 70 6.1

Instrument ............................................................................................................. 70

6.2

Stichprobe ............................................................................................................ 73

6.3

Durchführung ........................................................................................................ 78

6.4

Variablen und Skalen............................................................................................ 79

6.5

Auswertungsstrategien ......................................................................................... 85

7 Ergebnisse der Untersuchung ..................................................................................... 86 7.1

Grundauswertung ................................................................................................. 86

7.2

Überprüfung der Hypothesen zur wahrgenommenen Sicherheit in Deutschland . 96

7.3

Überprüfung der Hypothesen zur wahrgenommenen Gewaltzunahme ................ 99

7.4

Überprüfung der Hypothesen zur Einschätzung der Präventionsmaßnahmen ... 100

7.5

Weitere Erkenntnisse.......................................................................................... 102

7.6

Interpretation....................................................................................................... 104

7.7

Reflexion ............................................................................................................. 109

8 Fazit........................................................................................................................... 113 9 Ausblick .....................................................................................................................116 10 Literatur .....................................................................................................................119 11 Anhang ...................................................................................................................... 127

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Übersicht der Bewertungskategorien von Fußball-Fans (Moser, 2009, S.23)....... 15 Tab. 2: Zuschauerzahlen 1./2. Bundesliga 2002-2012 (http://www.dfb.de/?id=82912) ..... 20 Tab. 3: Gewaltformen im Fußball (Leistner, 2008, S.129) ................................................ 29 Tab. 4: 12-Jahresvergleich der Daten aus dem ZIS-Jahresbericht (ZIS, 2012, S.26) ....... 30 Tab. 5: Strafverfahren der Saison 2011/12 (ZIS, 2012, S.12). .......................................... 31 Tab. 6: Daten des ZIS-Berichtes im Zusammenhang mit den Zuschauerzahlen (eigene Darstellung) ........................................................................................................... 32 Tab. 7: Einsatzstunden der Polizei pro Zuschauer (eigene Darstellung) .......................... 32 Tab. 8: Kurzinformationen „Polizeiliche Kriminalstatistik 2011“ (Bundesministerium des Innern, 2011, S.4). ................................................................................................ 34 Tab. 9: Maßnahmen der Polizei (Friedmann, 2009, S.41). ............................................... 43 Tab. 10: Altersstruktur der Befragten ................................................................................ 74 Tab. 11: Häufigkeit der Stadionbesuche der Befragten .................................................... 74 Tab. 12: Fanzugehörigkeit der Befragten .......................................................................... 77 Tab. 13: Übersicht „Sicherheitsgefühl“ der Befragten ....................................................... 80 Tab. 14: Übersicht Skala „Gewaltzunahme“...................................................................... 81 Tab. 15: Skalen zur „Effektivität der Sicherheitsmaßnahmen“ vor und nach der Kritik ..... 82 Tab. 16: Skalen zur Fankultur ........................................................................................... 83 Tab. 17: Skalen zur Informiertheit und Akzeptanz ............................................................ 84 Tab. 18: Mittelwerte und Standardabweichung Frage 11 .................................................. 88 Tab. 19: Mittelwerte und Standardabweichung Frage 12 .................................................. 88 Tab. 20: Mittelwerte und Standardabweichung Frage 13 .................................................. 89 Tab. 21: Mittelwerte und Standardabweichung Frage 14 .................................................. 90 Tab. 22: Skalen zur Effektivität von Sicherheitsmaßnahmen ............................................ 91 Tab. 23: Mittelwerte und Standardabweichung Frage 17 .................................................. 95 Tab. 24: Kreuztabelle Sicherheitsgefühl * Häufigkeit der Stadionbesuche ....................... 96 Tab. 25: Kreuztabelle Sicherheitsgefühl * Geschlecht ...................................................... 97 Tab. 26: Kreuztabelle Sicherheitsgefühl * Besuch mit/ohne Kind ..................................... 97 Tab. 27: Kreuztabelle Besuchverhalten * Geschlecht ....................................................... 97 Tab. 28: Kreuztabelle Besuchverhalten * Besuch erfolgt mit/ohne Kind ........................... 98 Tab. 29: Kreuztabelle Sicherheitsgefühl * Fanzugehörigkeit ............................................. 99 Tab. 30: Korrelation von gleichnamigen Items der Fragen 14 + 15 ................................ 101 Tab. 31: Kreuztabelle Sicherheitsgefühl * Alter ............................................................... 103 Tab. 32: Kreuztabelle Sicherheitsgefühl * Fanzugehörigkeit nach Liga .......................... 104

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Übersicht der Fangruppierungen (Pilz, 2005 in Brenner, 2009, S.26) ..................... 9 Abb. 2: Räumliche Verteilung von Gewalt nach Häufigkeit (ebenda, S.21) ....................... 35 Abb. 3: Akteure der Fußball-Sicherheitsarchitektur in Deutschland (TU Darmstadt, 2011, S.12) ...................................................................................................................... 37 Abb. 4: Modell der Wechselbeziehungen im sozialen System Fußball (Friedmann, 2009, S.25) ...................................................................................................................... 40 Abb. 5: Weiteres Vorgehen vom 27.09.2012 (DFL, 27.09.2012, S.2). ............................... 51 Abb. 6: Weiteres Vorgehen vom 15.11.2012 (DFL., 15.11.2012, S.3f.) ............................. 52 Abb. 7: Befragungsmethoden im Überblick (Taddicken, 2008, S.38). ............................... 70 Abb. 8: Familienstand der Befragten ................................................................................. 75 Abb. 9: Übersicht mit wem die Befragten das Stadion besuchen ...................................... 76 Abb. 10: Besuchverhalten der Befragten in Prozent .......................................................... 76 Abb. 11: Gründe für die Unsicherheit der Fans.................................................................. 87 Abb. 11: Gründe für die Unsicherheit der Fans.................................................................. 87 Abb. 12: Umsetzung der Maßnahmen 1 ............................................................................ 92 Abb. 13: Umsetzung der Maßnahmen 2 ............................................................................ 92 Abb. 14: Mitwirkende aus Sicht der Fans........................................................................... 94 Abb. 15: geographische Übersicht mit sich unsicher fühlenden Fans in Prozent (http://www.stepmap.de/landkarte/fussball-bundesliga-2012-13-1148717) ......... 106 Abb. 16: Ausstiegsanalyse............................................................................................... 111

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Einleitung

Im Fußball spielen die Fans auf den ersten Blick eine nebensächliche Rolle, denn ohne die Vereine würde auch das Fußballpublikum gar nicht existieren. Bei genauerer Betrachtung wird ihre Bedeutung allerdings umso größer, besonders im Zuge des kommerziellen Fußballs (Friedmann, 2009, S.4; ebenda, S.29). Zuschauer gehören schon immer zum Sport dazu, ebenso aber auch die Selbstdarstellung dieser Gruppe, welche sich teilweise in negativen Aktionen wie Diskriminierung, Gewalt oder ähnlichen Vergehen zeigt (Pilz, 2009, S.186f.). Der Sport Fußball ist zudem allzeit aktuell und fasziniert Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, was wiederum zeigt, welch große Bedeutung die Synthese von Fans und Fußball hat: Fußball zog und zieht Millionen in seinen Bann unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildungsstand und sozialer Herkunft. Fankultur und Fanszene präsentieren sich entsprechend ebenso vielschichtig und bunt wie widersprüchlich. Das Spektrum reicht vom kleinen Jungen bis zum graubärtigem Opa, von dem „mit den Wölfen heulenden Mädchen“ bis zur gereiften Oma, vom hemmungslos jubelnden bis hin zum distanziert konsumierenden Fan, vom friedfertigen Schlachtenbummler bis hin zum gewaltfaszinierten Hooligan, vom Abstinenzler bis zum Alkoholiker, vom „Linken“ bis zum „Rechten“ (Pilz, 2006, S.68). Weiterhin lässt sich feststellen, dass die Faszination des Fußballs sich nicht auf das Spiel allein bezieht, sondern erst die Emotionen das besondere Erlebnis eines Stadionbesuches ausmachen (Haslinger, 2011, S.17). Momentan bekommt das Thema Sicherheit in Stadien einen besonderen Stellenwert, denn Fanausschreitungen bei Fußballspielen rücken in jüngster Vergangenheit immer wieder in den Mittelpunkt der Berichterstattung (ebenda, S.17ff.). Gewalt scheint sogar neben Doping zu den größten Problemfeldern im Sport zu zählen (ebenda, 2009, S.186). Die logische Folge sind Diskussionen über neue Sicherheits- und Präventionsmaßnahmen, die nun auch verstärkt umgesetzt werden sollen, mit der Intention die Sicherheit der anderen Zuschauer zu gewährleisten (Piastowski, 2010, S38). Gewalt im Fußball ist genaugenommen jedoch kein neues Problem; in der Geschichte des deutschen Fußballs kam es bereits häufiger zu Ausschreitungen aggressiver gewaltsuchender Fans, weshalb der Hooliganismus als zeitloses Problem gesehen wird, welches auch in der Öffentlichkeit ständig im Fokus steht (Behn, et.al., 2005, S.289; Kraus, 2010, S.183).

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Aufgrund zunehmender Ausschreitungen und auf Nachdruck der Innenminister beschloss die Deutsche-Fußball-Liga (DFL) in der Kommission Sicherheit eine Überarbeitung und Ergänzung zur Verbesserung der bisherigen Präventionsmaßnahmen. Die DFL präsentierte die Lösung in Form des DFL-Sicherheitspapiers „sicheres Stadionerlebnis“ (DFL, 27.09.12). Die 16 Anträge des ersten Entwurfes haben für viel Aufsehen gesorgt, da Standpunkte von Fans, Vereinen, Verbänden, Polizei und Politik aufeinandertrafen und sich nur schwer vereinbaren ließen. Folglich stellte sich die Situation in deutschen Stadien als angespannt und verfahren heraus. In der allgemeinen Fanszene ist der Unmut über die neuen Sicherheitsmaßnahem der deutschen Fußball Liga (DFL) groß, meist war dies immer wieder an diversen Protesten durch die Initiative „12:12 – Ohne Stimme, keine Stimmung“ zu erkennen (http://www.12doppelpunkt12.de/protestaktionen/). Das Konzept wurde bis zur Mitgliederversammlung am 12.12.12, nach einem Dialog mit den Vereinen und aufgrund der vielen Fanproteste überarbeitet. Die 16 Anträge wurden erst danach auf der Versammlung der DFL von der Mehrheit der Vereine angenommen und verabschiedet (DFL, 13.12.2012). Nach der Abstimmung über die überarbeiteten Anträge ist es ruhiger um die SicherheitsDebatte geworden. Zuvor sahen viele Fanvertreter die positive Fankultur in Gefahr, fühlten sich zudem durch rechtswidrige Passagen des Sicherheitspapiers in ihren Fan- und Menschenrechten

beschnitten

und

als

Spielball

der

Politik.

(http://www.fankultur.com/kurve/stellungnahme/item/849-fangipfel-mit-abschliessendererklaerung;

http://www.fankultur.com/kurve/stellungnahme/item/1012-innenminister-

forderung-ist-taschenspielertrick-und-verfassungswidrig). Der Fußball ist auch über den Spieltag hinaus zu einer Verabredungskultur geworden, bei dem neben Jubel, Enttäuschung und Gewalt, auch Zusammenhalt, Witz, Ironie und Kreativität das Bild der Fankultur prägen (Dembowksi, 2004a, S.8). Besonders die mangelnde Kommunikation zwischen Verband und Fans führte zu einer großen Unzufriedenheit, die sich bei einem Stillstand der Situation voraussichtlich nicht verbessern wird (Blickfang Ultra Nr.27, S.4ff.). Welchen Einfluss das Sicherheitspapier tatsächlich auf die Fankultur hat kann man noch nicht hinreichend beurteilen und wird sich erst in Zukunft zeigen, da die Maßnahmen zur neuen Spielzeit 13/14 umgesetzt werden sollen (DFL, 07.12.2012). Die neuen Maßnahmen sollen in erster Linie der Sicherheit der Fans dienen, im Antragspaket 1 ist diese sogar explizit als Zielsetzung formuliert:

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„Die Qualitätssicherung bzw. -verbesserung bei Spielen der 1. Bundesliga und der 2. Bundesliga zur Gewährleistung einer sicheren Veranstaltung“ (DFL, 12.12.12). Allerdings ist keinesfalls ausreichend untersucht worden, ob sich Zuschauer wirklich nicht sicher im Stadion fühlen und ob die anvisierten Präventionsmaßnahmen auch die gewünschte Wirkung zeigen. Es gilt daher passende Maßnahmen zu finden, die der aktuellen Entwicklung und Fanszene gerecht werden (Lösel et al., 2003, S.79f.). Zum Sicherheitsgefühl der Fans gibt es bisher lediglich eine Umfrage des Sport-Informations-Dienst (SID) und eine der Hochschule Fresenius. Die erstere ist sehr umstritten, da sie offensichtlich nicht den Gütekriterien von wissenschaftlichen Studien ausreichend entspricht bzw. die falschen Leute befragt werden (schwatzgelb.de, 14.12.12), die andere umfasste gerade einmal 150 Teilnehmer (Hochschule Fresenius, 04.06.2012). Genaue Daten wurden auch auf Anfrage leider nicht herausgegeben. Diese wissenschaftliche Arbeit soll einen Beitrag zum genannten Problem leisten und sich speziell mit der subjektiven Wahrnehmung der Fans von Präventionsmaßnahmen am Beispiel des DFL-Sicherheitspapiers beschäftigen. Es handelt sich dabei um eine explorative Studie, die erste Erkenntnisse über die vielschichtige Meinung in deutschen Stadien geben soll. Aufgrund der starken Beeinträchtigungen für die Fans hat das Thema der Gewaltprävention eine besonders hohe gesellschaftliche Relevanz und es stellt sich die Frage, welche der neuen Präventionsmaßnamen verzichtbar oder sogar unnötig sind. Die Arbeit soll vor allem die Meinung der Fans skizzieren und evaluieren welchen Einfluss die Präventionsmaßnahmen aus Sicht derer haben. Folglich wird der Fragstellung nachgegangen: Sind die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen der DFL notwendig und wirkungsvoll? Die wissenschaftliche Arbeit erörtert in einem theoretischen Teil die Hintergründe der Fankultur und Sicherheitsdebatte, wodurch im Anschluss die oben genannte Fragestellung durch zusätzliche empirische Erkenntnisse beantwortet werden kann. Um die Meinung der Fans beurteilen zu können muss sich in erster Linie ein Bild darüber gemacht werden, was überhaupt die Fankultur im deutschen Fußball ist (Kapitel 2). Zu Beginn wird daher differenziert was für Zuschauerkategorien und Fangruppierungen im Stadion zu finden sind (2.1). Im nächsten Abschnitt wird die Entwicklung des Zuschauerverhaltens und Fankultur genauer betrachtet (2.2). Häufig wird der Prozess der Selbstreinigung in diesem Zusammenhang genannt, jedoch wird dieser erst explizit in den Kapiteln 3.2 und 3.3 behandelt, weil er in gewisser Weise eine Maßnahme gegen Gewalt im Stadi-

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on darstellt. Ebenso finden sich Feindbilder, die im Laufe der Entwicklung entstanden sind, unter 3.3 wieder, um genauer auf das Verhältnis der Beteiligten einzugehen. Anschließend wird auf die Fankultur im internationalen Vergleich eingegangen, da viele Fußballfans kritisieren, dass durch das Sicherheitspapier die Identität des deutschen Fußballs verloren gehen könnte (2.3). Das Thema Sicherheit hat im Verlauf des modernen Fußballs eine immer größere Bedeutung bekommen (Kapitel 3), daher ist neben der Entwicklung der Fankultur auch zu berücksichtigen, wie sich die Gewalt in Stadien und der Gesellschaft entwickelt hat. Statistiken der zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) sollen dabei helfen einen Überblick zu bekommen, wie sich die Straftaten und die notwendige Sicherheit innerhalb der letzten Jahre in Deutschland gewandelt haben. Um die Daten in ein Verhältnis setzen zu können wird vergleichend die Entwicklung der gesamten Gewaltstraftaten in Deutschland anhand von Berichten des Bundeskriminalamts untersucht (3.1). Ferner wird näher betrachtet, welche Personen und Parteien bei der Sicherheit in deutschen Stadien mitwirken und wie deren Zusammenarbeit verläuft (3.2). Entsprechend ist es von großer Bedeutung, die Maßnahmen der Mitwirkenden zur Gewaltprävention zu kennen, damit ein Eindruck über die verschiedenen Positionen und den Aufwand zur Sicherheit erlangt werden kann (3.3). Im Zusammenhang der letzten Ereignisse ist es auch unabdingbar, die Inhalte und Entstehung des Sicherheitskonzeptes „sicheres Stadionerlebnis“ zu erörtern, damit die neuen Maßnahmen und deren Umfang richtig eingeschätzt und beurteilt werden können (Kapitel 4). Das Sicherheitskonzept hat innerhalb weniger Monate eine starke Entwicklung durchlaufen, so dass explizit auf Inhalte und Neuerungen des Sicherheitspapiers eingegangen wird (4.1). Darauf folgen die bisher publizierten unterschiedlichen Standpunkte und Reaktionen zum DFL-Sicherheitspapier, um einen genaueren Überblick über unterschiedliche Standpunkte der Diskussion zu bekommen (4.2). Im Anschluss an die Erörterung des Sicherheitskonzeptes schließt sich die Befragung zu den Präventionsmaßnahmen und der Sicherheit in deutschen Stadien an, wobei aus der vorangegangen Theorie gezielt Fragestellungen und zugehörige Hypothesen gebildet werden (Kapitel 5). Es handelt sich um eine quantitative Untersuchung in Form einer anonymen Online-Befragung, die mittels eines standardisierten Fragebogens durchgeführt wurde (Kapitel 11). Die Umfrage soll eine möglichst breite Meinung von Fans widerspiegeln und wurde deshalb in verschiedenen Fan-Foren der 18 Bundesligamannschaften

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verbreitet, um so viele Rückmeldungen aus ganz Deutschland zu bekommen. In einem ersten Schritt wird genauer auf die Methodik der Untersuchung eingegangen (Kapitel 6): Es erfolgt dabei eine Beschreibung des Instrumentes (6.1), der Stichprobe (6.2) und der Durchführung (6.3). Im nächsten Abschnitt wird speziell auf die Inhalte der Befragung eingegangen und die Variablen, sowie Skalen erläutert (6.4). Weiterhin werden Strategien zur Auswertung der Hypothesen festgelegt, um das Vorgehen auch wissenschaftlich zu fundieren (6.5). Die aus der Untersuchung erhaltenen Ergebnisse (Kapitel 7) werden daraufhin zunächst allgemein ausgewertet (7.1), bevor eine Überprüfung der Hypothesen stattfindet (7.2 7.4). Es folgt eine kurze Thematisierung weiterer Erkenntnisse (7.5), bevor als letzten Schritt dieses Kapitels die Ergebnisse interpretiert (7.6) und die Untersuchung selbst diskutiert wird, bzw. Empfehlungen für weitere Studien gegeben werden (7.7). Die wissenschaftliche Arbeit schließt mit einem Fazit (Kapitel 8) zu den bestehenden und gewonnenen Erkenntnissen, sowie einem kurzen Ausblick auf die mögliche Entwicklung des Themas „Sicherheit und Fankultur in deutschen Stadien“ (Kapitel 9).

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Fankultur im deutschen Fußball

Der Begriff Fankultur wird häufig im Zusammenhang mit verändernden Maßnahmen im deutschen Fußball und Stadien genannt. Auch nach der Veröffentlichung des DFLSicherheitspapiers meldeten sich Vertreter und Gruppen zu Wort, die die Fankultur gefährdet sahen, im Internet findet man zudem Bündnisse, die kontinuierlich für den Erhalt kämpfen (http://www.fankultur.com/; http://erhalt-der-fankultur.de/) Vor diesem Hintergrund scheint es so, als wäre „Fankultur“ eindeutig definiert, jedoch erweist sich eine Bestimmung gar nicht als so einfach (Spannagel, 27.01.2012). Das Institut für Fankultur charakterisiert den Begriff als einen Zusammenschluss von Fans, die durch gewisse Rituale, Mythen und Symboliken eine kollektive Identität entwickeln. Diese kollektive Identität, die aus der leidenschaftlichen Unterstützung und Treue gegenüber dem Verein hervorgeht kann als Fankultur bezeichnet werden. Aufgrund des gemeinsamen Ziels spielen

Nationalität,

Schicht

und

soziale

Herkunft

eine

untergeordnete

Rolle

(http://www.fankultur-institut.de/). Das Leitbild des Instituts gibt einen ersten Einblick, wie diese Fankultur gesehen werden kann: Wir verstehen Fußball als einen wichtigen Teil des gesellschaftlichen Zusammenlebens, als permanenten Ort für emotionale, individualitäts- und sinnstiftende Gemeinschaftsinszenierungen. Rund um den Fußball formieren sich seit langer Zeit bunte, vielfältige und friedvolle Fankulturen immer wieder neu. Diese aus kultur-, verhaltens- und sozialwissenschaftlicher Perspektive zu beschreiben

und

zu

verstehen

ist

unser

Ziel

(http://www.fankultur-

institut.de/leitbild.html). Das Leitbild hebt vor allem die positiven Aspekte einer Fankultur hervor. Mittlerweile gibt es sogar ausgiebige Illustrationen über die vielfältige und kreative Unterstützung der Fans, jedoch gingen diese während der historischen Entwicklung auch immer wieder mit Auseinandersetzungen und Protesten in den Fankurven einher (Stadionwelt, 2010; ebenda, 2011). Fans unterstützen ihren Verein sehr leidenschaftlich und identifizieren sich durch ihre Zugehörigkeit. Durch die enge Bindung hängt das eigene Selbstwertgefühl unmittelbar vom Schicksal des Vereins ab, was einen wesentlichen Unterschied zwischen Zuschauern und Fans ausmacht (Kabs, 2008, S.123).

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Horak (2010) beschreibt den Fußball als „massenkulturelles Phänomen“ und stellt die Wechselwirkung und Dynamik von Konkurrenz und Kooperation in den Vordergrund. Nach Vinnai (2010) beinhaltet der Fußballsport ein breites Spektrum an Möglichkeiten von Gruppenprozessen und Identitätsentwicklung, die es schaffen, Massen zu bewegen. Diese Begeisterung kann auf der einen Seite einen sozialen Zusammenhalt stiften, zum anderen aber auch die Freiheit des Individuums einschränken. Es wird in diesem Zusammenhang klar, dass Fankultur viele Facetten hat und sich so selbst bei wissenschaftlicher Betrachtung verschiedene Sichtweisen ergeben können. Um die deutsche Fankultur besser verstehen und analysieren zu können wird im folgenden Abschnitt zwischen verschiedenen Gruppierungen unterschieden, die die Fankultur ausmachen. Weiterhin gehört es auch dazu typische Kategorisierungen, die für Statistiken und eine Gewaltprävention relevant sind, zu erörtern, um auch die politische Sichtweise zu berücksichtigen. Darauffolgend wird die Entwicklung des Zuschauerverhaltens und der Fankultur in Deutschland betrachtet, da diese sich in einem stetigen Wandlungsprozess befindet und weiterentwickelt. Hierbei stellt vor allem der Übergang vom Zuschauer zum Fan einen entscheidenden Wendepunkt dar. Abschließend wird in diesem Kapitel hervorgehoben was genau die deutsche Fankultur auszeichnet und besonders macht, indem internationale Fankulturen und Entwicklungen vergleichend herangezogen werden.

2.1

Fangruppierungen und Kategorien

Immer wieder werden die Zuschauer auf verschiedene Variablen zwecks Kategorisierung untersucht, allerdings erweist es sich trotz mancher Ähnlichkeiten als schwierig bestimmte Eigenschaften und Fantypologien herauszuarbeiten. Dennoch gibt es für dieses heterogene Phänomen durchaus immer wieder Versuche die Fans in Gruppen zusammenzufassen, um die Fanszene zu umreißen (Conzen, 2011, S.32). Trotz dieser Versuche existieren auch kritische Stimmen, die ein solches „Schubladendenken“ als unzureichend und verkürzt sehen, da es Millionen von Gründen und Motiven für einen Stadionbesuch geben kann (Dembowski, 2004a, S.22); welcher Natur diese sind erklären beispielsweise Strauß et al. (2006, S.379). Das Fußballpublikum wird in Deutschland häufig als Beispiel herangezogen wenn es um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Zuschauerphänomen geht, da diese Sportart einen besonderen gesellschaftlichen Stellenwert hat und die Zuschauerzahlen konstant hoch sind. Eine erste Unterscheidung lässt sich zwischen Zuschauern und Fans machen, wobei die Zuschauer eine weniger enge Bindung an

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den Verein und das Spielgeschehen haben (Brenner, 2009, S.21f.) Es ist auch festzuhalten, dass die weiteren Gruppierungen sich nicht unterschiedslos auf andere Sportarten transferieren lassen, da die Fankultur beim Fußball sehr ausgeprägt und besonders auffällig ist (Moser, 2009, S.22). Weiterhin zeichnet sich auch die Fanszene selbst nicht durch Einheitlichkeit aus. Die Kategorisierung von Fans ist in der Vergangenheit vor allem auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen. Viele werden zudem häufig nicht als übertragbar und zeitgemäß gesehen. Eine Unterscheidung die sich hingegen durchgesetzt hat stammt von Heitmeyer; diese differenziert zwischen drei Motiven von Fans (ebenda, S24.f): 1. Der konsumorientierte Fan Diese Art von Fans finden sich meist im Sitzplatzbereich wieder, Grund für seinen Besuch ist neben der Leistung des Teams hauptsächlich die Unterhaltung; von ihm geht in der Regel keine Gefahr aus. 2. Der fußballzentrierte Fan Die Leistung der Mannschaft hat auch hier einen hohen Stellenwert und soziale Relevanz, jedoch wird auch bei Misserfolg die Treue gehalten. Ein Großteil der Fanszene ist fußballorientiert und zeichnet sich durch eine starke Gruppenorientierung und Verbundenheit zum Verein aus. 3. Der erlebnisorientierte Fan Dieser Fan sucht spannende Situationen; findet er keine können auch selber welche erzeugt werden, die sich beispielweise durch körperliche Konflikte äußern. Der Fußball dient hierbei als Mittel zum Zweck und ist austauschbar (ebenda, S.25).

Weigelt (2004) verdeutlicht die wesentlichen Unterschiede der drei Kategorien detailliert: Für die konsumorientierten Fans ist die Bedeutung des Fußballspiels sehr hoch und die Leistung spielt ein entscheidendes Kriterium. Sie sehen Fußball als Freizeitbeschäftigung und schauen alleine oder als Kleingruppe zu. Den typischen Fanblock meiden sie und weichen auf den Sitzplatzbereich aus. Die Treue der fußballorientierten Fans ist extrem hoch und unabhängig vom Spielergebnis oder Tabellenplatz. Fußball stellt bei ihnen einen wesentlichen Lebensinhalt dar und ist

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