Georg Büchner

Zitiert wird nach Georg Büchner: Lenz. Studienausgabe ... Georg Büchner: Leben und Werk . ... um 1771, den Pfarrer Johann Friedrich Oberlin in Walders- bach ...
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Königs Erläuterungen und Materialien Band 448

Erläuterungen zu

Georg Büchner

Lenz von Rüdiger Bernhardt

Über den Autor dieser Erläuterung: Prof. Dr. sc. phil. Rüdiger Bernhardt lehrte neuere und neueste deutsche sowie skandinavische Literatur an Universitäten des In- und Auslandes. Er veröffentlichte u. a. Monografien zu Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann, August Strindberg und Peter Hille, gab die Werke Ibsens, Peter Hilles, Hermann Conradis und anderer sowie zahlreiche Schulbücher heraus. Seit 1994 ist er Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf Hiddensee. 1999 wurde er in die Leibniz-Sozietät gewählt. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Unterrichtszwecke!

2. Auflage 2007 ISBN: 978-3-8044-1835-6 © 2006 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Herstellung: Andrea Ruf Titelabbildung: Georg Büchner Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk

Inhalt Vorwort .........................................................................

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Georg Büchner: Leben und Werk ....................... Biografie................................................................. Zeitgeschichtlicher Hintergrund ............................. Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken .........................................

7 7 17

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7

Textanalyse und -interpretation ......................... Entstehung und Quellen ......................................... Inhaltsangabe ......................................................... Aufbau ................................................................... Personenkonstellation und Charakteristiken ........... Sachliche und sprachliche Erläuterungen ................ Stil und Sprache ..................................................... Interpretationsansätze ............................................

26 26 40 49 59 62 75 79

3.

Themen und Aufgaben .......................................

89

4.

Rezeptionsgeschichte...........................................

92

5.

Materialien........................................................... 105

1. 1.1 1.2 1.3

24

Literatur........................................................................ 110

Zitiert wird nach Georg Büchner: Lenz. Studienausgabe mit Quellenanhang und Nachwort. Hg. von Hubert Gersch. Stuttgart: Philipp Reclam jun., durchgesehene und erweiterte Ausgabe 1998. 2004 (erste Auflage dieser Ausgabe 1984) (Universal-Bibliothek Nr. 8210).

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Vorwort

Vorwort Im Januar 1778 suchte Jakob Michael Reinhold Lenz, neben Goethe der bekannteste Dichter aus dem Straßburger Kreis um 1771, den Pfarrer Johann Friedrich Oberlin in Waldersbach, einem Vogesendorf, auf; Freunde hatten ihn geschickt. Oberlin wusste nicht, was es mit Lenz auf sich hatte. Dieser hatte seine große Zeit als Dichter, der nach Erscheinen seines Dramas Der Hofmeister 1774 mit Goethe verglichen wurde – seine Werke wurden mit denen Goethes verwechselt –, hinter sich und verfiel seit 1777 zeitweise in einen Zustand, der von den Zeitgenossen als Wahnsinn bezeichnet wurde. Seine Liebe zu Friederike Brion, zuvor Goethes Geliebte und von diesem ohne Abschied verlassen, war 1772 unerwidert geblieben und der Versuch, beim inzwischen am Weimarer Hof angesehenen und tätigen Jugendfreund Goethe 1776 Unterstützung zu bekommen, hatte zu einer Katastrophe geführt. Sein Schicksal wurde ein erschütterndes und auffälliges Beispiel für einen Dichter, der an sich und seiner Zeit litt und scheiterte. So war es kein Zufall, dass Georg Büchner sich dieses Schicksals annahm und darüber eine Fragment gebliebene Erzählung schrieb. Es ist Büchners einziges poetisches Prosawerk, das allerdings zu den bekanntesten Texten der deutschen Literatur zählt und, wenn auch spät, beeindruckende Folgen hatte und hat. – Büchner ist ein aktueller Dichter; der schlichte Satz umfasst eine Wirkungsgeschichte, die zwischen ständiger Weiterführung der Themen durch andere Schriftsteller und dauernder Präsenz der Texte Büchners einen imposanten Teil deutscher und europäischer Literaturgeschichte und Gesellschaftsbetrachtung ausmacht. Hinzu kommt, dass Georg Büchner durch die jährliche Verleihung des renommierten Vorwort

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Vorwort Büchner-Preises immer medienpräsent ist. Durch diese Präsenz und eine kaum noch überschaubare Instrumentalisierung des Dichters, ein wissenschaftliches Monument aus Deutungen, Textrekonstruktionen und Herausgeberschaften, Ausgaben und zusätzlichen Materialien droht das geniale Werk Büchners verdeckt, verdrängt und schwer zugänglich zu werden. Es ist deshalb am sinnvollsten, Büchners Texte zu lesen, um sich ein Bild vom früh verstorbenen Dichter und seiner grandiosen Literatur zu machen. Büchner fand in Lenz ein Pendant: Schließlich war auch er ein Gescheiterter. Sein Hessischer Landbote hatte nicht die soziale und politische Bewegung ausgelöst, die von Büchner erwartet worden war, sondern vielmehr Freunde und Verbündete in schwerste Bedrängnis gebracht. Das war ein Anstoß für Büchners Dantons Tod. Die beiden Texte, die gattungstheoretisch unterschiedlicher nicht sein können – ein journalistisches Kampfblatt und ein Drama –, gehören zueinander wie ein revolutionäres Programm und das Protokoll seines Scheiterns. Mit Lenz zog Büchner eine literarische Konsequenz, die er im alltäglichen Leben vermeiden wollte und konnte: die Auswirkungen des Scheiterns auf das Leben eines revolutionären Denkers. Es gibt in der deutschen Literatur keinen anderen Text, der – verglichen mit seinem geringen Umfang von ca. 25 Druckseiten – eine so umfangreiche Sekundärliteratur und so vielfältige Verwendungen, Bearbeitungen und Weiterführungen in neuen literarischen oder anderen künstlerischen Werken gefunden hat. Der vorliegende Kommentar will in dieser ausgesprochen unübersichtlichen Situation einen Weg weisen, den inzwischen historischen Text verständnisvoll zu lesen, ihn zu verstehen und sich mit einigen Möglichkeiten der Interpretation vertraut zu machen.

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Vorwort

1.1 Biografie

1.

Georg Büchner: Leben und Werk1

1.1 Biografie Jahr 1813

Ort Goddelau (HessenDarmstadt)

1816

Darmstadt

1820

Darmstadt

1822

Darmstadt

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Ereignis Alter2 17. Oktober: Karl Georg Büchner als Sohn des Arztes Ernst Karl B. und seiner Ehefrau Caroline Luise, geb. Reuß, geboren. Georg Büchner stammt aus einer Arztfamilie. Vater wird Bezirksarzt und 2 Großhrzl. Medizinalrat. Erster Unterricht durch die 6 Mutter. Aufnahme in die „Privat-Erzie- 8 hungs- und Unterrichtsanstalt“ (Dr. Karl Weitershausen).

Neben Hauschild (1993) informiert sehr übersichtlich zur Biografie: Thomas Michael Mayer: Georg Büchner. In: Arnold: Georg Bücher I/II, S. 357– 425. In der Spalte „Alter“ wird, da Büchner so spät im Jahr geboren wurde, sein jeweils tatsächliches Lebensalter angegeben.

1. Georg Büchner: Leben und Werk

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1.1 Biografie

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Jahr 1824

Ort Darmstadt

1825

Darmstadt

1828

Darmstadt

1829

Darmstadt

Ereignis Alter Bruder Ludwig Büchner gebo- 10 ren (gest. 1899, bekanntestes der sieben Geschwister), mit seinem Buch Kraft und Stoff (1855) propagiert der praktische Arzt einen mechanischen Materialismus, der im Naturalismus sehr einflussreich ist. – Alle Geschwister sind überdurchschnittlich naturwissenschaftlich und poetisch begabt. Ostern: Aufnahme ins Gymna- 11 sium (Großherzogliches Pädagog). Umfangreiche Lektüre, darunter Homer, Shakespeare, Goethe, Schiller, Jean Paul, Tieck, Herder, Heine und Volkspoesie. Nimmt an einem Zirkel von 14 Primanern teil, in dem religiöse, moralische und auch politische Fragen diskutiert werden. Erste Beziehungen für die spätere „Gesellschaft der Menschenrechte“ entstehen. Schulrede, dabei Fichtes Reden 15 an die deutsche Nation verwendet, die zu seiner Lieblingslektüre gehören.

1. Georg Büchner: Leben und Werk

1.1 Biografie Jahr 1830

Ort Darmstadt

1831

Darmstadt Straßburg

Straßburg

1. Georg Büchner: Leben und Werk

Ereignis Alter Rede zur Schulabschlussfeier 16 über Verteidigung des Cato von Utika: Büchner lobt den selbstlosen Einsatz eines republikanischen Römers und versteht das durchaus aktuell. März: Öffentliche Abiturrede. 17 Reifezeugnis. Medizinstudium; Wohnung bei dem Pfarrer Jaeglé, in dessen Tochter Louise Wilhelmine (Minna, 1810–1880) Büchner sich verliebt. Sie sind entfernt verwandt. 17. November: durch seinen 18 Studienfreund Eugen Boeckel Kontakt zur Studentenverbindung „Eugenia“ die sich um elsässische Volksdichtung bemüht und Büchner zum hospes perpetuus (Dauergast) ernennt, da eigentlich nur Theologen teilnehmen dürfen. Mittelpunkt sind die Brüder Adolph und August Stöber, mit denen sich Büchner befreundet.

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1.1 Biografie Jahr 1832

Ort Straßburg

Paris

Darmstadt

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Ereignis Alter März: heimliche Verlobung 18 Büchners mit Minna; Büchner spricht mehrfach in der „Eugenia“ über die unhaltbaren gesellschaftlichen Zustände und die sozialen Gegensätze von Arm und Reich. Juni: Volksaufstand gegen die Julimonarchie, die „Eugenia“ wird politisiert: Themen ihrer Beratungen sind die Verderbtheit der deutschen Regierungen, der unnatürliche Gegensatz von Arm und Reich, eine universelle Republik, die Vereinigten Staaten von Europa, Saint-Simonismus und religiöse und soziale Erneuerung.3 Im Sommer wird die „Eugenia“ aufgelöst, ihre Mitglieder verlassen Straßburg. Büchner verbringt drei Monate Sommerferien bei der Familie.

Alexis Muston: Tagebuch. Sommer 1833. Zit. nach Simone Barck u. a. (Hg.): Lexion sozialistischer Literatur. Stuttgart-Weimar: Verlag J.B. Metzler, 1994, S. 95. Vgl. auch: Poschmann, S. 289. 1. Georg Büchner: Leben und Werk

1.1 Biografie Jahr 1833

Ort Frankfurt

Darmstadt

Gießen

Darmstadt

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Ereignis Alter 3. April: Anlässlich des Frank- 19 furter Wachensturms Bekenntnis zum gewaltsamen Umsturz der sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse, Bekanntschaft mit Saint-Simonisten. Juni: Wanderung durch die Vogesen; Ende Juli: Rückkehr ins Großherzogtum, um die gesetzlich vorgeschriebenen 2 Jahre, die man im Heimatland studieren muss, an der Landesuniversität Gießen zu studieren. 31. Oktober: Immatrikulation 20 an der Universität Gießen und besonderes Interesse für vergleichende Anatomie. Nach schwerer Erkrankung (Hirnhautentzündung) Rückkehr ins Elternhaus. Lebenskrise: sogenannter Fatalismusbrief4 an Minna; Büchner leidet unter der Trennung von Minna.

Während die Werkausgabe (Bergemann, S. 395) diesen Brief im November 1833 vermutet, datiert ihn Poschmann (S. 290) etwa Mitte März 1834.

1. Georg Büchner: Leben und Werk

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