GEMA-Tarifreform und angemessene Vergütung für Clubs

Peter Schaar. 777 GEMA-Tarifreform und angemessene ..... und auch nicht jeweils den maximalen Eintritt zahlt (hier soll von EUR 8 im Schnitt ausgegangen ...
597KB Größe 2 Downloads 98 Ansichten
Kommunikation &Recht Betriebs-Berater für Medien Telekommunikation Multimedia 12 K&R

777 782 788 791 795 799

804 809 814

841

843

Editorial: Plattformübergreifende Verknüpfung von Nutzerdaten Peter Schaar GEMA-Tarifreform und angemessene Vergütung für Clubs Dr. Martin von Albrecht, Olaf Fiss und Dr. Sophia Sepperer Gaming – Rechtliche Risiken und Möglichkeiten für Spieleanbieter in Deutschland · Christian Kuß und Karin Schmidtmann Die Rechte des Verbrauchers bei unlauteren Gewinnmitteilungen Prof. Dr. Helmut Köhler Die „Button“-Lösung gegen Kostenfallen im Internet – Ende gut, alles gut? · Dr. Michael Müller Das Verbot der Tagesschau-App – Rechtsstaatliche Normalität als medienpolitischer Meilenstein · Dr. Christoph Fiedler „A more economic approach?“: Der Entwurf der EU-Kinomitteilung 2012 und seine möglichen Auswirkungen auf die nationale Filmförderung · Dr. Christian Lewke Länderreport Österreich · Dr. Clemens Thiele EuGH: Gewinnmitteilung mit Kostenübernahme-Verpflichtung zur Preiserlangung unzulässig BGH: Stimmt’s? – Anforderungen an Verwechslungsgefahr bei Rubrikentitel mit Kommentar von Dr. Verena Hoene VG Neustadt an der Weinstraße: Rechtsfehlerhafte Auswahlentscheidung von Fensterprogramm-Anbietern mit Kommentar von Prof. Dr. Dr. Karl-Heinz Ladeur Schweizerisches Bundesgericht: Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch des Kunden gegen seine Bank mit Kommentar von Dr. Matthias Schwaibold

15. Jahrgang

Dezember 2012

Seiten 777 – 848

Deutscher Fachverlag GmbH · Frankfurt am Main

Kommunikation & Recht K &R

12/2012

777 RAe Dr. Martin von Albrecht, Olaf Fiss, D.E.S.S. und Dr. Sophia Sepperer, Berlin*

GEMA-Tarifreform und angemessene Vergtung fr Clubs Im April 2012 stellte die GEMA – auch aufgrund von politischen Forderungen nach mehr Transparenz und Vereinfachung1 – eine Tarifreform fr den Veranstaltungsbereich vor, die das Aufgehen von elf Tarifen in nunmehr zwei Tarife vorsieht. Betroffen sind smtliche Veranstaltungen mit Tontrgermusik (neuer Tarif M-V) sowie Live-Musik (neuer Tarif U-V). Die GEMA hat beide Tarife seit April 2012 mehrfach berarbeitet, zuletzt im November 2012. Ziel der GEMA war eine Vereinfachung wie Vereinheitlichung der Tarife mit ihrer grundstzlichen Beteiligung an den Eintrittsgeldern in Hçhe von 10 %. Insbesondere aufgrund der Streichung einer stark rabattierten Jahrespauschale fhrt die Reform fr die Clubszene zu drastischen Erhçhungen. Vor diesem Hintergrund hat sich der vorliegende Beitrag zum Ziel gesetzt, die Angemessenheit der Tarife speziell fr Clubs zu untersuchen. Clubs weisen – in Abgrenzung zu Diskotheken – vornehmlich im Rahmen der Musiknutzung Besonderheiten auf, dies sowohl, was die Art der Musik, als auch, was ihre Wiedergabe betrifft.

I. Clubs und ihre Besonderheiten Kennzeichnend fr Clubkultur ist zunchst das Spielen von Nischen- statt Mainstreammusik, insbesondere aus den Genres Electro, House und Techno. Diese wird hufig – und auch insofern anders als in Diskotheken – nicht bloß ber Tontrger wiedergegeben, sondern durch live auftretende DJs unter Einsatz von Laptops gemischt, teils sogar durch eigene Komposition ber elektronische Musikinstrumente neu kreiert. Bei Vorliegen von entsprechenden Live-Elementen bekommt die Veranstaltung insoweit Konzertcharakter.2 Eine weitere Besonderheit der Clubszene besteht darin, dass DJs – anders als Live-Musiker – regelmßig keine Playlists bei der GEMA einreichen, zumal viele der Sets spontan entstehen, improvisiert werden und zu einem bedeutenden Anteil GEMA-freie Musik enthalten. Bisher kann diese Musik durch das derzeitige lediglich stichprobenartige Monitoring-Verfahren3 nur unzureichend erfasst werden. Dies belegen insbesondere auch die krzlich von fnf Berliner Clubs bei der GEMA eingereichten Playlists eines ffnungstages: Nur 53 % der 500 eingereichten Tracks konnte die GEMA eindeutig ihrer Datenbank zuweisen.4

II. Auswirkungen der Tarifreform Um eine Bewertung der Tarifreform zu ermçglichen, soll zunchst die bisherige Tarif- und Gesamtvertragslage dargestellt (1.) und sollen anschließend die Auswirkungen der Reform fr die Clubszene hervorgehoben werden (2.).

1. Bisherige Tarife und Gesamtvertrge Bisher fallen Clubs in den Anwendungsbereich der Tarife M-U III 1 c (Tontrgerwiedergabe in Diskotheken, nachfolgend „Diskothekentarif “). ber Diskothekennutzungen schloss die GEMA mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter (nachfolgend „BVMV“) seit 1957 Gesamtvertrge, seit 1982 ber den Diskothekentarif in seiner jetzigen Form, der lediglich inflationsbedingt angepasst wurde, zuletzt fr die Jahre 2011 und 2012 in Hçhe von jeweils 0,75 %.5 Nach Angaben der BVMV sollen die Steigerungen der GEMA in den letzten zehn Jahren 26 % betragen haben.6 Der aktuelle Gesamtvertrag luft zum Jahresende 2012 aus. Seit jeher ist die Vergtung grundstzlich abhngig von der Hçhe des Eintrittsgeldes sowie der Flche des Veranstaltungsraums, die in der Grundtabelle fr Einzelveranstaltungen aufgefhrt sind. Diese Einzelveranstaltungstarife sind indes von den Clubs nicht zu zahlen, denn sie profitierten von „besonderen Vergtungsstzen fr regelmßige Tontrgerwiedergaben“. So betrgt die Jahrespauschale bei bis zu 16 Veranstaltungen im Monat auf einer Flche von bis zu 100 qm EUR 2476,60, sie erhçht sich fr jede weiteren angefangenen 100 qm um EUR 1249,80. Whrend auch bisher ein Vervielfltigungszuschlag etwa bei Laptopnutzung (nachfolgend „Laptop-Zuschlag“) in Hçhe von 30 % hinzutritt, sind die Clubs von einem Zeitzuschlag bislang nicht betroffen, wenn sie – wie regelmßig – erst nach 18 Uhr çffnen. Mit der Jahrespauschale kann ein Club bei drei Veranstaltungen pro Woche (156 pro Jahr) – gegenber dem Einzeltarif – einen Rabatt von etwa 90 % erzielen. 2. Neue Tariflage und ihre Auswirkungen Der neue lineare Tarifverlauf geht von der Prmisse aus, dass die Urheber in Relation zur wirtschaftlichen Grçße der Veranstaltung (Raumgrçße und Eintrittsgeld) partizipieren, indem die GEMA pro qm einen zahlenden Besu* Mehr ber die Autoren erfahren Sie auf S. VIII. 1 Vgl. Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ vom 11. 12. 2007, BT-Drs. 16/7000, S. 270 ff., 285. 2 So BFH, 18. 8. 2005 – V R 50/04, BB 2005, 2734: Technoveranstaltungen gelten umsatzsteuerrechtlich als Konzert. 3 https://www.gema.de/musiknutzer/lizenzieren/meine-lizenz/diskothekenclubs-und-tanzlokale/diskotheken-monitoring.html. 4 http://www.clubcommission.de/artikel/Die_Ignoranz_der_GEMA. Laut GEMA liegt der niedrige Anteil auch an unvollstndigen Werkangaben der Clubs; insgesamt wrden ber das Diskothekenmonitoring 97 % der Titel identifiziert und 93 % der Titel ber sie wahrgenommen. 5 Entsprechende Gesamtvertrge zwischen der BVMV und der GVL ber das Wiedergaberecht gibt es seit dem Jahr 1961. 6 Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (Fn. 1), S. 170.

778

von Albrecht/Fiss/Sepperer, GEMA-Tarifreform

cher unterstellt und an den Einnahmen mit 10 % beteiligt werden mçchte. Dies fhrt etwa bei einem Veranstaltungsraum von 100 qm und einem Eintrittsgeld von EUR 8 zu einer Vergtung von EUR 80 (bisher EUR 86,50), bei 300 qm zu EUR 240 (bisher EUR 271,60) und bei 1000 qm zu EUR 800 (bisher EUR 668,90). Nicht gendert hat sich die unterste Stufe der Mindestvergtung fr Rume bis 100 qm: Wie bislang im Diskothekentarif betrgt sie EUR 22. Teurer wird es indes bei grçßeren Rumen. So betrgt die Mindestvergtung bei 600 qm Flche nunmehr EUR 132 (bisher: EUR 117,10) und bei 1200 qm Flche EUR 264 (bisher: EUR 190,50). Pro Einzelveranstaltung halten sich die Tarifnderungen also in Grenzen und fhren teilweise – bei kleineren Flchen mit niedrigen Eintrittsgeldern – sogar zu Vergnstigungen. Die drastische Erhçhung fr Clubs ergibt sich aber durch den Wegfall der stark rabattierten Jahrespauschalen, denn selbst bei 16 oder mehr Veranstaltungen pro Jahr wird nur noch ein Rabatt von 10 % gewhrt. In der Aktualisierung vom November 2012 sieht der Tarif M-V in Abschnitt II 2 b zwar einen Einfhrungsrabatt von ca. 50 % vor, der sich jhrlich um zehn Prozentpunkte reduziert und nach fnf Jahren (ab 1. 4. 2018) bei der vollen Tarifhçhe endet. Dies ndert indes nichts daran, dass die bisherige dauerhafte Rabattierung aufgegeben wird. Ergnzend enthlt der Tarif eine „Angemessenheitsregelung“, derzufolge gegen Nachweis entweder auf Basis der amtlichen Personenkapazitt (multipliziert mit dem durchschnittlichen gewichteten Eintrittsgeld) oder von 10 % der tatschlich eingenommenen Eintrittsgelder abgerechnet werden kann. Die Auswirkungen fr Clubs werden an folgendem Beispiel deutlich, welches den an den GEMA-Tarif anknpfenden Zuschlag der GVL fr die çffentliche Wiedergabe sowie den Zuschlag fr die ggf. vorgenommene Vervielfltigung von Tontrgern7 bercksichtigt. Das Beispiel basiert auf einem durchschnittlichen8 Club mit 250 qm, EUR 8 Eintritt, Musik vom Laptop, drei Veranstaltungen pro Woche (156 pro Jahr) und ffnungszeiten von 22 Uhr bis 6 Uhr: Nach dem Diskothekentarif wird eine jhrliche Pauschale von EUR 4976,20 berechnet. Diese wird um einen 30 %igen Laptop-Zuschlag, eine GVL-Gebhr fr die çffentliche Wiedergabe von Tontrgern in Hçhe von 26 % (EUR 1293,81) und einen 8 %igen GVL-Laptop-Zuschlag (EUR 398,10) jeweils auf Basis der GEMA-Pauschalvergtung9 erhçht. Im Ergebnis sind damit pro Jahr EUR 8160,97 zzgl. UST zu entrichten.10 Nach dem neuen Tarif M-V sind 156 Einzelveranstaltungen zu jeweils EUR 240 anzusetzen, die zu einer Jahresvergtung von EUR 37 440 fhren.11 Auf diese Grundvergtung kommt – soweit der DJ nicht selbst zum gnstigeren Jahrestarifsatz abgilt – der nach dem Tarif VR- zu leistende Laptop-Zuschlag der GEMA in Hçhe von EUR 13 je Veranstaltung (entspricht EUR 2028 p.a.).12 Weiterhin sind an die GVL ein Wiedergabezuschlag in Hçhe von 26 % und ein Laptop-Zuschlag in Hçhe von EUR 3,38 je Veranstaltung (entspricht EUR 527,28 p.a.) zu entrichten. Diese Zuschlge fhren zu einer Gesamtjahresvergtung von EUR 49 729,68, welche sich bei Abschluss eines Jahrespauschalvertrages mit jhrlicher Vorauskasse um 10 % auf EUR 44 756,71 zzgl. USt. reduziert. Die Steigerung gegenber dem bisherigen Tarif betrgt damit 448 %. Soweit der Club zwei Stunden lnger (bis 8 Uhr morgens) çffnet, fllt ein Zeitzuschlag in Hçhe von 25 % an, der zu einer Jahrespauschalsumme von EUR 53 180,71 fhrt und damit sogar eine Steigerung von 552 % gegenber dem bisher geltenden Tarif aufweist.

12/2012

K &R

III. Die Angemessenheit der neuen Tarife Ausgangspunkt fr die Feststellung der Angemessenheit von Tarifen ist § 13 Abs. 3 UrhWG, der durch zahlreiche hçchstrichterliche Rechtsprechung ebenso wie durch die Spruchpraxis der Schiedsstelle des Patent- und Markenamtes konkretisiert wurde. 1. Pauschalierung als Regeltarif zulssig? Der neue Tarif M-V enthlt – wie schon der Diskothekentarif – zwei pauschalierende Grundannahmen. Zum einen wird unterstellt, dass sich auf der Gesamtflche des Clubs „von Wand zu Wand“ (also einschließlich der fr Gste unzugnglichen Bereiche) ein Gast pro qm aufhlt. Zum anderen gilt die Fiktion, dass jeder der so errechneten Gste auch das hçchste Eintrittsgeld entrichtet, an dem die GEMA mit 10 % zu beteiligen ist. Eine Staffelung des Tarifs nach der Grçße des Veranstaltungsraums sowie nach dem zu entrichtenden Entgelt begegnet im Grundsatz keinen Bedenken. Vielmehr werden damit die Vorgaben des § 13 Abs. 3 S. 1 UrhWG umgesetzt, wonach Berechnungsgrundlage fr die Tarife in der Regel die erzielten geldwerten Vorteile sein sollen. Denn mit der Grçße des Raumes steigt regelmßig die Anzahl der zahlenden Gste und auch die Hçhe des Eintrittsgelds wirkt sich unmittelbar auf den Umsatz des Veranstalters aus. Dementsprechend hat auch die Rechtsprechung eine Staffelung nach der Grçße des Veranstaltungsraums und dem zu entrichtenden Entgelt im Grundsatz fr wirksam erachtet.13 Allerdings setzt die Angemessenheit eines Tarifs weiterhin voraus, dass die Verwertungsgesellschaft die tatschlichen Grundlagen fr die Angemessenheit des Tarifs darlegen und beweisen kann.14 Ob der GEMA ein solcher Nachweis im Hinblick auf die pauschalierenden Annahmen „ein Gast pro qm“ und „Bezahlung des hçchsten Eintrittsgeldes durch jeden Gast“ mçglich ist, erscheint angesichts der nachstehenden Erwgungen zumindest fraglich.15 Darber hinaus bestehen begrndete Zweifel, ob eine Beteiligung der GEMA in Hçhe von 10 % an den pauschaliert ermittelten Einnahmen gerechtfertigt ist. 7 GVL-Tarif fr die çffentliche Wiedergabe von Tontrgern, Bildtontrgern und Sendungen v. 4. 12. 2008, der in Ziffer 3 auf den Diskotheken-Tarif der GEMA Bezug nimmt. Die Hçhe des GVL-Laptop-Zuschlags von 26 % des GEMA-Tarifs VR- beruht auf aktuellen Angaben der GVL. 8 Studie ber das wirtschaftliche Potential der Club- und Veranstalterbranche in Berlin (Stand: 10/2007), S. 9. 9 Der 26 %ige GVL-Zuschlag fr die çffentliche Wiedergabe in Diskotheken geht zurck auf ein nicht verçffentlichtes Urteil des OLG Mnchen vom 23. 1. 1997 – 6 AR 11/96. 10 Ein mçglicher Gesamtvertragsnachlass in Hçhe von 20 % bleibt hier unbercksichtigt. 11 Bei Bercksichtigung des Nachlasses zur Marktneueinfhrung gemß Abschnitt II 2 b des Tarifs M-V sind fr den Zeitraum 1. 4. 2013 bis 31. 3. 2014 jeweils EUR 117 fr 156 Einzelveranstaltungen anzusetzen, was eine Jahresvergtung von EUR 18 252 ergibt. Damit gewhrt die GEMA einen Rabatt von 51,25 % gegenber der Vergtung, die nach Ablauf der Einfhrungsnachlsse zu entrichten ist. 12 Ein Laptop-Zuschlag ist in der aktuellen Tarifversion vom 5. 11. 2012 im Tarif VR- geregelt, der eine Vergtung von EUR 13 je 100 Werke pro Veranstaltung vorsieht bzw. bei einer Vervielfltigung durch den DJ von EUR 65 je 500 Werke pro Jahr. Zur besseren Vergleichbarkeit wird der Wert von EUR 13 als Rechengrçße verwendet. 13 BGH, 27. 10. 2011 – I ZR 125 /10, ZUM-RD 2012, 311, 313 sowie Schiedsstelle, 24. 4. 2007 – Sch-Urh 38/05, ZUM 2007, 587, 589 – Barmen Live; anders noch die Schiedsstelle, die eine Pauschalierung fr unzulssig hielt, wenn – wie im Streitfalle bei Konzerten – die Einnahmen ohne großen Aufwand festzustellen sind, 13. 10. 1986 – Sch-Urh 1/86, ZUM 1987, 183, 186 – Tarif U-VK. 14 BGH, 22. 1. 1986 – I ZR 194/83, GRUR 1986, 376, 379 – Filmmusik. 15 Die Annahmen werden freilich im Rahmen der Angemessenheitsregel abgemildert (vgl. III. 4).

K &R

12/2012

Die GEMA geht bei der pauschalen Ermittlung der Gste davon aus, ein Club sei mit 1,5 Besuchern pro qm voll und gelangt bei einer unterstellten Auslastung von 2/3 zu der Annahme eines Gastes je qm. Soweit ersichtlich ist diese Annahme jedoch nicht durch reprsentative Untersuchungen belegt und widerspricht der Annahme einer Auslastung von 50 % im Tarif V-K (sog. „Allerweltstarif “ fr Einzelveranstaltungen mit Live-Musik),16 der in den neuen Tarifen aufgehen soll. Eine aktuelle, von der Initiative Musik herausgegebene Studie zu 2121 Spielsttten gelangte zu einer durchschnittlichen Auslastung von 55 %.17 Eine weitere Studie ber Berliner Clubs trifft nur Aussagen zur Kapazitt, jedoch nicht zur Auslastung.18 Im Hinblick auf derartige Studien ist weiterhin zu bercksichtigen, dass sie regelmßig von der feuerpolizeilich vorgegebenen Kapazitt ausgehen, welche bei einer bis maximal zwei Personen je qm liegt, wobei den Besuchern unzugngliche Flchen unbercksichtigt bleiben.19 Wenn man hier stattdessen die „Wand-zu-Wand“-Berechnung der GEMA anwendete, lge die durchschnittliche Auslastung der Clubs noch niedriger. Weiterhin ist die Annahme der GEMA, jeder Besucher entrichte einen Eintrittspreis und noch dazu den hçchsten, nicht belegt und scheint auch an der Realitt vorbeizugehen. Denn sie bercksichtigt nicht, dass ein nicht geringer Teil der Besucher vergnstigt, wenn nicht gar umsonst Zutritt zu Clubs erhlt. Ab einer gewissen Uhrzeit wird von den Clubs teils der Eintrittspreis halbiert oder sogar gnzlich auf ihn verzichtet. Auch die Hçhe des Beteiligungssatzes von 10 % der Eintrittsgelder kann nicht mit einer pauschalen Urheberbeteiligung begrndet werden. Denn die Schiedsstelle stellt nicht pauschal auf 10 % ab, sondern hlt eine Urhebervergtung im vergleichbaren Konzertbereich fr „jedenfalls dann angemessen i. S. v. § 13 Abs. 3 S. 1 UrhWG, wenn sie 10 % der erzielten Bruttoeinnahmen nicht bersteigt“.20 Da es sich dabei um den Hçchstprozentsatz handele, msse ein Abschlag vorgenommen werden, um den Regellizenzsatz widerzuspiegeln.21 Tarifmindernd wirke sich ferner aus, wenn bei der Verwertung im Einzelfall regelmßig erhebliche Kosten anfielen.22 Diese Erwgungen haben dazu gefhrt, dass der gesamtvertraglich vereinbarte Konzerttarif U-K nur eine 5 %ige Beteiligung bei bis zu 2000 Besuchern vorsieht.23 Zudem kçnnen die von der GEMA vorgenommenen Pauschalierungen auch zu einer hçheren Beteiligung als 10 % fhren: Bei unserem Beispielsclub mit 250 qm „von Wand zu Wand“ unterstellt die GEMA eine Gstezahl von 300 Personen. Betrgt der Hçchsteintrittspreis EUR 10, so hat der Club auf Basis unterstellt eingenommener EUR 3000 eine Gebhr von EUR 300 abzufhren. Bercksichtigt man, dass dem Club nach Abzug der den Gsten nicht zugnglichen Flchen etwa 80 % Restflche und damit 200 qm mit einer Kapazitt von 300 Personen verbleiben, ferner, dass nur eine durchschnittliche Auslastung von 55 % mit also 165 Gsten gegeben ist, schließlich, dass nicht jeder Gast und auch nicht jeweils den maximalen Eintritt zahlt (hier soll von EUR 8 im Schnitt ausgegangen werden), so msste der Club bei tatschlichen Einnahmen in Hçhe von EUR 1320 Urheberrechtsabgaben von EUR 300 zahlen. Dies sind 22,73 % und nicht 10 % der Einnahmen. 2. Zuschlge Fraglich ist weiter, ob sich die im Grundsatz auch bisher vorhandenen Zuschlge durch die in § 13 Abs. 3 S. 1 UrhWG vorgesehene Beteiligung an den aus der Musik-

von Albrecht/Fiss/Sepperer, GEMA-Tarifreform

779

nutzung gezogenen geldwerten Vorteilen rechtfertigen lassen. Dies bedarf der Klrung sowohl im Hinblick auf den – fr Clubs bislang nicht relevanten – Zeitzuschlag fr Wiedergaben, die lnger als 8 Stunden dauern (nachfolgend a)) als auch den Vervielfltigungszuschlag (nachfolgend b)). a) Zeitzuschlag Die in Abschnitt II des Tarifs M-V angefhrten Vergtungsstze gelten fr Wiedergaben mit einer Gesamtdauer von bis zu 8 Stunden. Wird dieser Zeitraum berschritten, erhçhen sich die Vergtungsstze um 25 % je weitere 2 Stunden. Zu einem besonders groben Missverhltnis fhrt die neue Ausgestaltung des Zeitzuschlags bei Veranstaltungen, die lnger als 24 Stunden dauern, da der Tarif M-V jeden Kalendertag als eigene Veranstaltung qualifiziert. Dass diese Zeitzuschlge durch entsprechende geldwerte Vorteile aus hçheren Eintrittsgeldern gerechtfertigt sind, erscheint indes nicht plausibel: ffnet ein Club von 22 Uhr bis 8 Uhr, so ist die çffentliche Musikwiedergabe bis 6 Uhr ber die Grundpauschale abgedeckt. Dass in den verbleibenden zwei Stunden noch einmal weitere 25 % durch den Verkauf von Eintrittskarten erwirtschaftet werden, entspricht nicht der Lebenserfahrung, da in diesem Zeitraum eine wesentliche Fluktuation nicht mehr stattfindet. Mçchte aber die GEMA ihre Tarife erhçhen, so hat sie die tatschlichen Grundlagen fr die Angemessenheit des neuen Tarifs darzulegen und zu beweisen, dass einer ffnung um jeweils weitere 2 Stunden hçhere Eintrittsgelder von 25 % gegenberstehen.24 b) Vervielfltigungszuschlag Auch der von der GEMA fr die Vervielfltigung geforderte Laptop-Zuschlag in Hçhe von nunmehr EUR 13 je 100 Werken statt der bisherigen 30 % des Diskothekentarifs erscheint nicht durch entsprechende geldwerte Vorteile gerechtfertigt. Zwar ist der neue tarifliche Ansatz zu begrßen, die Hçhe des Laptop-Zuschlags nicht mehr prozentual an den Wiedergabetarif, sondern an den „ersparten Tontrgerkauf “ zu knpfen, doch ist die Hçhe von EUR 0,13 je Werk auch gegenber dem normalen CDTarif 25 deutlich zu hoch. Darber hinaus ist der LaptopZuschlag schon dem Grunde nach nicht gerechtfertigt. 16 Vgl. Schiedsstelle 30. 1. 1987 – Sch-Urh 2/86, ZUM 1987, 187, 189 – Tarif V-K. 17 Befragung zur Situation von Musik-Spielsttten in Deutschland am Beispiel von Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen vom Juni 2011. 18 Club-Studie Berlin (Fn. 8) S. 9: nimmt eine durchschnittliche Clubgrçße von 700 qm an bei einer Kapazitt von 750 Personen (1,06 Personen je qm); ohne die drei grçßten Clubs betrage der Mittelwert 250 qm fr 450 Personen (1,6 Personen je qm). 19 § 24 der Berliner Anlagen-Verordnung. 20 So etwa Schiedsstelle, 17. 11. 2009 – Sch-Urh 03/09, ZUM 2010, 546, 549 – Konzerttarif sowie 13. 10. 1986 – Sch-Urh 1/86, ZUM 1987, 183, 186 – Tarif U-VK. 21 Schiedsstelle, 17. 11. 2009 – Sch-Urh 03/09, ZUM 2010, 546, 550 – Konzerttarif. 22 Schiedsstelle, 17. 11. 2009 – Sch-Urh 03/09, ZUM 2010, 546, 551 – Konzerttarif; so auch BGH, 28. 10. 1987 – I ZR 164/85, GRUR 1988, 373, 376 – Schallplattenimport III. 23 Der Tarif U-K wurde fr kleine Konzerte im Jahr 2010 mit 3 % eingefhrt und steigert sich in Schritten von jhrlich 0,5 % bis zum Jahr 2014 auf 5 %. Fr mittlere Konzerte betrgt er dann 7,2 %, fr Konzerte mit mehr als 15 000 Personen 7,65 %. Ab 2015 mssen die Tarife neu verhandelt werden. 24 BGH, 22. 1. 1986 – I ZR 194/83, GRUR 1986, 376, 379 – Filmmusik; Schiedsstelle, 22. 2. 2010 – Sch-Urh 07/08, BeckRS 2010, 05544. 25 Beim „normalen“ Tontrgertarif VR-T-H1 ist fr die Vervielfltigung eines CD-Albums mit bis zu 20 Werken mindestens EUR 0,6199, also pro Werk nur EUR 0,031 zu zahlen.

780

von Albrecht/Fiss/Sepperer, GEMA-Tarifreform

Die den Zuschlag begrndende Nutzungshandlung liegt nach dem Tarifansatz der GEMA in dem berspielen von Musikdateien auf einen Laptop zum Zwecke der Nutzung in einem Club. Zwar liegt eine Vervielfltigung i. S. d. § 16 UrhG vor. Jedoch kann diese – als bloß untergeordnete Vorbereitungshandlung der çffentlichen Wiedergabe – nicht als eine selbstndig lizenzierbare Nutzungsart i. S. d. § 31 Abs. 1 S. 1 UrhG angesehen werden.26 Eine solche setzt vielmehr voraus, dass es sich bei der konkreten Verwendungsform nach der Verkehrsauffassung um eine hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als selbstndig erscheinende Art und Weise der Auswertung eines Nutzungsrechts handelt.27 An einer solchen eigenen wirtschaftlichen Bedeutung fehlt es bei dem berspielen der Musikwerke auf eine Festplatte. Dieses dient ausschließlich dazu, die auf einer Vielzahl von CDs befindlichen Musikwerke zentral und platzsparend zu speichern. Hçhere Einnahmen werden dabei weder durch den Clubbetreiber noch durch den DJ erwirtschaftet; zudem fhrt es zu Doppelvergtungen, wenn fr eine einmalige Vervielfltigung bei jeder damit vorgenommenen Wiedergabe ein Zuschlag verlangt wird bzw. der DJ eine jhrliche Gebhr zu entrichten hat. Entsprechend hlt die Rechtsprechung regelmßig annexe Nutzungen, die in einer Hauptnutzung aufgehen bzw. dieser vorausgehen, fr nicht separat lizenzierbar.28 3. Anteilige Nutzung von GEMA-Repertoire Im Hinblick auf § 13 Abs. 3 S. 3 UrhWG hat die GEMA bei ihrer Tarifgestaltung zu bercksichtigen, ob die von den Nutzern fr eine Verwertung zu zahlende Vergtung insgesamt angemessen ist, wobei insbesondere der Anteil der Werknutzung am Gesamtumfang des Verwertungsvorgangs zu beachten ist. Dabei stellen sich zwei Fragen: Hat die GEMA dem Umstand Rechnung zu tragen, dass nicht smtliche musikalischen Urheberrechte der in Clubs gespielten Musik von ihr wahrgenommen werden (nachfolgend a))? Und weiter: Gibt es eine Gesamtbelastungsgrenze mit Blick auf die zustzlich von der GVL wahrgenommen Rechte (nachfolgend b))? a) GEMA Repertoire und GEMA-Vermutung Wie bereits ausgefhrt, besteht eine Besonderheit von Clubs darin, dass ein erheblicher Teil der gespielten Musik nicht von der GEMA wahrgenommen wird. Bercksichtigung findet dieser Umstand in dem Tarif M-V indes nicht, welcher vielmehr auf der Annahme beruht, die genutzte Musik sei gnzlich GEMA-pflichtig. Aus Grnden der Verwaltungsvereinfachung erkennt die Rechtsprechung an, dass zugunsten der GEMA eine tatschliche Vermutung ihrer Wahrnehmungsbefugnis fr die Auffhrungsrechte an Tanz- und Unterhaltungsmusik sowie fr die mechanischen Rechte besteht.29 Diese Vermutung wird wohl auch bei Clubs zu bejahen sein, hat die Rechtsprechung der GEMA das Eingreifen dieser Vermutung bisher doch nur dann versagt, wenn im Hinblick auf eine konkrete Nutzungsart nicht von einem nahezu lckenlosen Bestand der Musikrechte ausgegangen werden kann.30 Die Nutzung von Musikwerken in Clubs ist gegenber der allgemeinen Nutzung im Wege der çffentlichen Wiedergabe nicht als eigenstndige Nutzungsart anzusehen. Um den Vorgaben des § 13 Abs. 3 S. 3 UrhWG gerecht zu werden, ist der Tarif M-V aber um eine anteilige Ermßigungsregelung zu ergnzen, welche fr den Fall eingreift,

12/2012

K &R

dass ein Club den Nachweis der Nutzung von NichtGEMA-Repertoire fhrt. Eine solche Bestimmung ist in vielen GEMA-Tarifen enthalten.31 b) Gesamtbelastungsgrenze Bei der Beurteilung der Angemessenheit des Tarifs M-V ist weiterhin dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die GEMA nur einen Teil der fr die Musiknutzung erforderlichen Rechte wahrnimmt. Denn bei der Nutzung von Tontrgermusik sind zustzlich die von der GVL wahrgenommenen Leistungsschutzrechte der ausbenden Knstler und Tontrgerhersteller zu vergten. Der von der GVL fr Clubs vorgesehene Wiedergabetarif statuiert derzeit eine Vergtung in Hçhe von 26 % des Tarifs M-V, der Laptop-Zuschlag betrgt EUR 3,38. Die „Koppelung“ des GVL-Wiedergabezuschlags32 an den Wiedergabetarif der GEMA hat zur Folge, dass sich die drastische Erhçhung des Wiedergabetarifs auch auf den entsprechenden GVL-Zuschlag auswirkt. Um einer bermßigen Belastung der Nutzer entgegenzuwirken, hat sich die Rechtsprechung bei einer Inanspruchnahme eines Nutzers seitens mehrerer Rechteinhaber teilweise durch die Etablierung einer Gesamtbelastungsgrenze beholfen.33 Auch wenn die Rechtsprechung bislang noch keine Gesamtbelastungsgrenze fr die Nutzung im Wege der çffentlichen Wiedergabe etabliert hat, erscheint die Einfhrung einer solchen aus Sicht der Nutzer34 erforderlich. Allgemein wird eine Gesamtbeteiligung von 10 % als Richtgrçße,35 bei digitalen Verwertungen auch eine leicht hçhere Beteiligung fr angemessen erachtet.36 Insofern drfte eine kritische Grenze im Falle der LaptopNutzung mit 13,28 %37 in Anbetracht der jahrzehntelangen Rabattierungspraxis schon erreicht sein.38 Dies wrde erst recht gelten, wenn die GVL ihre Absicht verwirklicht, 26 So hielt das OLG Mnchen die Aufspaltung von Online-Nutzungen in einen mechanischen und einen § 19 a UrhG-Teil fr unzulssig, 29. 4. 2010 – 3 U 3698/09, ZUM 2010, 709 – MyVideo. 27 Vgl. nur BGH, 12. 12. 1991 – I ZR 165/89, GRUR 1992, 310, 311 – Taschenbuchlizenz. 28 BGH, 30. 6. 1976 – I ZR 63/75, GRUR 1977, 42, 44 – Schmalfilmrechte; von Albrecht, K&R 2009, 661, 663 m. w. N. 29 BGH, 5. 6. 1985 – I ZR 53/83, NJW 1986, 1244 – GEMA-Vermutung I. 30 So etwa BGH, 15. 10. 1987 – I ZR 96/85, NJW 1988, 1847, 1848 – GEMA-Vermutung IV. 31 So etwa im Tarif VR-OD 4, Ziffer 5, im Tarif Fernsehen (S-VR/Fs-Pr) mit fnf Musikanteilsstufen und Radio (S-VR/Hf-Pr) mit sechs Stufen. 32 Mit der Neuverçffentlichung des Tarifs M-V am 5. 11. 2012 hat die GEMA auch die Berechnung des Vervielfltigungszuschlags nach dem Tarif VRT-G aufgegeben. Im Gegensatz zu diesem ist der „neue“ Vervielfltigungstarif VR- nicht an den Tarif M-V gekoppelt. 33 OLG Mnchen, 30. 6. 2011 – 6 Sch 14/09 WG, ZUM 2012, 54 – CNN. 34 Auf diese Perspektive stellt die Schiedsstelle ab, 2. 8. 2010 – Sch-Urh 08/ 09 – Tanzkurse. 35 So Schricker, in: Poll (Hrsg.) Videorecht, 1986, fr die Beteiligung aller Urheber und Leistungsschutzberechtigten bei der Videoauswertung von Filmen; Schulze, ZUM 1999, 827, 831; Schiedsstelle, 13. 10. 1986 – 1/86, ZUM 1987, 183, 186 – Tarif U-VK. 36 Vgl. Schiedsstelle, 11. 12. 2006 – Sch-Urh 36/04, ZUM 2007, 243, 246 – Ruftonmelodie, mit der Erhçhung auf 11 % wegen des Mehrwertes aus § 19 a UrhG. 37 Die Gesamtbelastung ergibt sich aus: 100 % Tarif M-V, EUR 13 pro Veranstaltung bzw. EUR 2028 p.a. Tarif VR- (entspricht ca. 5,4 % der Vergtung nach Tarif M-V), 26 % GVL-Wiedergabetarif und EUR 3,38 pro Veranstaltung bzw. EUR 527,28 p.a. GVL-Vervielfltigungstarif (entspricht ca. 1,4 % des Tarifs M-V). Ausgehend von einem Tarifsatz von 10 % nach dem Tarif M-V, betrgt die Gesamtbelastung somit ca. 13,28 % der vergtungsrelevanten Einnahmen. 38 Die Schiedsstelle hielt in ihrer ersten Entscheidung zum Konzerttarif eine Belastung von 16 % fr zu hoch und eine Gesamtbelastung von 10 % fr angemessen, 13. 10. 1986 – Sch-Urh 1/86, ZUM 1987, 183, 185, 186 – Tarif U-VK.

K &R

12/2012

dieselbe Beteiligung wie die GEMA durchzusetzen,39 was zu einer Belastung in Hçhe von 21,08 %40 fhren wrde. 4. Angemessenheitsregelung gemß Abschnitt V des Tarifs M-V Abgemildert wird das vorstehende Ergebnis jedoch durch die im neuen Tarif vorgesehene Angemessenheitsregelung, die eine Hçchstbeteiligung der GEMA von 10 % an den pauschal41 ermittelten oder tatschlichen Eintrittsgeldern42 vorsieht. So wrde sich die Gesamtbeteiligung von GEMA und GVL auf 12,74 %43 der Einnahmen reduzieren. Problematisch erscheint hier, dass – wie das obige Beispiel (III. 1.) zeigt – eine Beteiligung der GEMA mit 10 % sptestens im Jahr 2018 zur Regelvergtung wrde. Damit wrde sozusagen „durch die Hintertr“ ein Regeltarifsatz eingefhrt, der – wie im Folgenden noch aufzuzeigen ist – weder aus den bisherigen Vereinbarungen noch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz gerechtfertigt werden kann. 5. Kulturrabatt Es stellt sich weiter die Frage, ob den Clubs gemß § 13 Abs. 3 S. 4 UrhWG ein sog. Kulturrabatt zu gewhren ist. Hiernach soll die Verwertungsgesellschaft bei der Tarifgestaltung auf religiçse, kulturelle und soziale Belange der zur Zahlung der Vergtung Verpflichteten einschließlich der Belange der Jugendpflege angemessene Rcksicht nehmen. Konkrete Ausgestaltung findet diese Vorschrift in Abschnitt IV 2 des Tarifs M-V, welcher Sondernachlsse in Hçhe von 15 % gewhrt fr Veranstaltungen, die nachweislich keine wirtschaftlichen Ziele verfolgen. Wenn auch die wirtschaftliche Zielsetzung von Clubs nicht in Abrede gestellt werden kann, so erscheint die Gewhrung eines Kulturrabatts vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Norm fr einen großen Teil der Clubs angebracht. Zu den unbedingt fçrderungswrdigen Belangen gehçrt es nicht nur, jungen DJ-Knstlern eine Plattform ihrer Weiterentwicklung zu bieten und damit Jugendpflege zu betreiben. Insbesondere gilt es, solche Clubs durch Rabattierung zu fçrdern, deren Anliegen es ist, außergewçhnliche Veranstaltungen einem breiten Publikum auch in finanzieller Hinsicht zugnglich zu machen. Hierzu gehçren etwa die Yellow Lounge, eine Veranstaltungsreihe, bei der klassische Musiker regelmßig und zu erschwinglichen Preisen in verschiedenen Berliner Clubs auftreten, der Tape Modern Ausstellung im Tape Club in Berlin, Lichtinstallationen sowie Kooperationen mit Theatern, die in Clubs blich geworden sind. 6. Tariferhçhungen gegenber bisherigen Vereinbarungen mçglich? Ausgangspunkt der Angemessenheitsprfung eines Tarifs sind nach stndiger Spruchpraxis der Schiedsstelle die von den Beteiligten bisher fr angemessen gehaltenen und entsprechend vereinbarten gesamtvertraglichen Regelungen.44 Fraglich ist daher, ob sich die GEMA von einer mehr als 50 Jahre im Wesentlichen unvernderten gesamtvertraglichen Tarifpraxis mit der BVMV ohne Weiteres lçsen kann. Mag auch die GEMA gute Grnde fr ihre Tarifreform vorbringen, so lsst doch die Schiedsstelle Abweichungen von einer Verkehrsgeltung nur ausnahmsweise dann zu, wenn sich seit dem zuletzt vereinbarten Gesamtvertrag die Orientierungsmaßstbe wesentlich gendert haben.

von Albrecht/Fiss/Sepperer, GEMA-Tarifreform

781

Maßgebend ist daher, ob im Bereich der Clubszene seit der Vereinbarung des Diskothekentarifs in seiner jetzigen Form im Jahr 1982 und seiner letzten inflationsbedingten Anpassung fr die Jahre 2011/2012 eine solche wesentliche nderung der Orientierungsmaßstbe zur Festsetzung der seinerzeit fr angemessen gehaltenen Vergtung eingetreten und durch die GEMA belegt ist.45 Die Rechtsprechung stellt insoweit strenge Anforderungen. So ging der BGH etwa davon aus, aufgrund des Aufkommens neuer werbefinanzierter Sender mit einem berdurchschnittlich hohen Musikanteil von 80 % und mehr sei die Einfhrung einer gesonderten Vergtungsstufe gerechtfertigt, da der vorherige Tarif lediglich im Hinblick auf Sender mit einem Musikanteil von bis zu 50 % differenzierte.46 Entsprechend bejaht das OLG Mnchen in einer aktuellen Entscheidung eine maßgebliche Vernderung der Orientierungsmaßstbe, da seit dem Aufkommen der Musikvideos in den 1990er Jahren die Wertigkeit der Leistungsschutzrechte der ausbenden Knstler gestiegen sei und damit bei Tanzkursen eine Steigerung des GVL-Zuschlages fr die çffentliche Wiedergabe von 20 % auf 30 % rechtfertige.47 Vergleichbare Vernderungen der Orientierungsmaßstbe hat die GEMA zur Rechtfertigung der neuen Tarife nicht vorgebracht. Sie beruft sich weder auf eine gesteigerte Wertigkeit der von ihr wahrgenommen Rechte noch auf eine erhçhte Nutzungsintensitt.48 Auch der fr die Tarifreform zentrale Aspekt der Gleichbehandlung stellt keinen „vernderten Orientierungsmaßstab“ dar (dazu nachfolgend 7.). 7. Einfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Angemessenheit des Tarifs Die GEMA fhrt zur Begrndung ihrer Tarifreform insbesondere an, sie wolle im Auffhrungsbereich zu einer Vereinheitlichung und damit zu einer Gleichbehandlung der verschiedenen Nutzergruppen kommen. Die Clubs seien im Vergleich zu anderen Nutzergruppen bislang zu niedrig tarifiert worden. Es stellt sich mithin die Frage, ob die Pflicht zur Gleichbehandlung, dem die Verwertungsgesellschaften nicht nur durch das Angemessenheitsgebot der §§ 12, 13 UrhWG, sondern auch als Normadressat des § 20 GWB unterliegen,49 die aktuelle massive Tariferhçhung deshalb zwin39 Vgl. Presseinformation der GVL v. 27. 9. 2012, abrufbar unter www.gvl.de. 40 GEMA und GVL fr Wiedergabe und Vervielfltigung jeweils 10,54 % der vergtungsrelevanten Einnahmen. 41 Gewichtetes durchschnittliches Eintrittsgeld mal amtliche Kapazitt (die aber auch hçher sein kann als die im Normalfall von der GEMA unterstellte 2/3-Auslastung von „Wand zu Wand“). 42 Die Bemessungsgrundlage als solche ist nicht zu beanstanden, da die Eintrittsgelder unmittelbar in Zusammenhang mit der Nutzung der Musikwerke stehen, vgl. nur Schiedsstelle, 17. 11. 2009 – Sch-Urh 03/09, ZUM 2010, 546, 549 – Konzerttarif. 43 Fr die GEMA 10 % und daran anknpfend 26 % und 1,4 % Zuschlge fr die GVL. 44 Schiedsstelle, 2. 8. 2010 – Sch-Urh 08/09 – Tanzkurse. 45 OLG Mnchen, 12. 6. 2003 – 6 WG 4/00, ZUM-RD 2003, 464, 472 – IFPI. 46 BGH, 5. 4. 2001 – I ZR 132/98, NJW 2002, 603, 606 – Gesamtvertrag privater Rundfunk. 47 OLG Mnchen, 27. 9. 2012 – 6 Sch 13/10 WG, in Besttigung der vorangehenden Schiedsstellenentscheidung (Fn. 44), vgl. Presseinformation der GVL (Fn. 39). 48 Ein Fall der intensiveren Nutzung lag der Entscheidung „Whistling for a Train“ zugrunde: Hier hat der BGH nicht die bisher vereinbarte Vergtung herangezogen, weil diese lediglich zehn bis zwanzig Werbespotschaltungen umfasste und nicht wie im Folgenutzungszeitraum 102 Schaltungen. BGH, 2. 10. 2008 – I ZR 6/06, ZUM 2009, 225, 227. 49 Vgl. BGH, 5. 4. 2001 – I ZR 132/98, NJW 2002, 603, 606 – Gesamtvertrag privater Rundfunk; Schiedsstelle, 22. 2. 2010 – Sch-Urh 07/08, BeckRS 2010, 05544.

782

Kuß/Schmidtmann, Gaming

gend gebietet, weil die Clubs bisher und im Vergleich zu anderen Nutzern bermßig begnstigt wurden. Eine vergleichende Betrachtung mit geltenden Lizenzstzen fr hnliche Nutzungsformen, die von den Parteien und anderen Nutzern bzw. Nutzervereinigungen bereinstimmend als angemessen angesehen werden, nimmt die Schiedsstelle zur Ermittlung der Angemessenheit eines Lizenzsatzes immer dann vor, wenn es an einer Vereinbarung zwischen den Parteien oder eines unmittelbar einschlgigen Tarifs mangelt.50 Anders aber als in diesen durch die Schiedsstelle wiederholt entschiedenen Konstellationen war und ist mit dem Diskothekentarif ein unmittelbar auf Clubs zugeschnittener Tarif gerade vorhanden. Dass die Schiedsstelle jemals langjhrige gesamtvertragliche Vereinbarungen oder langjhrig Geltung beanspruchende Tarife aus Grnden der Gleichbehandlung einer Komplettrevision unterzogen hat, ist nicht ersichtlich. Aber selbst wenn sich die GEMA auf ein verndertes Tarifumfeld berufen kçnnte, kme eine Vergleichsbetrachtung zu dem Ergebnis, dass eine derartige Erhçhung wie im Tarif M-V geschehen, in dieser Hçhe jedenfalls nicht angemessen wre. Vergleichsgrundlage wre insoweit am ehesten der fr Konzerte geltende und gesamtvertraglich etablierte Tarif U-K. Die Unangemessenheit des Tarifs M-V ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Konzerttarif seinerseits – im hier vergleichbaren Segment bis 2000 Personen – einen Hçchstsatz von 5 % der Eintrittseinnahmen veranschlagt, whrend der Tarif M-V insoweit eine 10 %ige Beteiligung vorsieht, die zumindest durch das Berufen auf die Angemessenheitsregelung nicht berschritten werden kann.

IV. Ergebnis Die GEMA hat ein berechtigtes Interesse an einer Vereinfachung der Tarife im Auffhrungsbereich sowie an einer linear steigenden Beteiligung entsprechend der mit der Musiknutzung erzielten Einnahmen. Bei der Lizenzierung einzelner Veranstaltungen haben die Auswirkungen der Tarifreform eine geringere Brisanz. Indes ist die Umsetzung durch den Tarif M-V gerade gegenber Clubs mit dem urheberrechtlichen Prinzip „angemessen ist, was b-

12/2012

K &R

lich ist“ nicht vereinbar. Die Kumulierung mehrerer Faktoren, insbesondere die Streichung der bisherigen Jahrespauschalen, fhrt zu Steigerungen in dreistelliger Hçhe, die das bisher bliche weit bersteigen. Dies gilt selbst fr die Tarifversion vom November 2012, welche Nachlsse zur Marktneueinfhrung vorsieht. So begegnet bereits die Errechnung der Einnahmen der Clubs angesichts der Ausfllung ihrer Berechnungselemente durch die GEMA Bedenken. Auch eine pauschale Beteiligung in Hçhe von 10 %, welche im Jahr 2018 erreicht werden soll, erscheint zu hoch. Ebenso kçnnen die Zeit- und Vervielfltigungszuschlge wohl nicht mit entsprechend hçheren Einnahmen der Clubs gerechtfertigt werden. Weiterhin fehlt es an einer Regelung im Tarif, die ihn fr die nachgewiesene Verwendung von GEMA-freier Musik entsprechend reduziert. Und schließlich bedarf es der Einfhrung einer Gesamtbelastungsgrenze unter Bercksichtigung der GVL-Zuschlge. Folge dieser unangemessenen Erhçhung wird sein, dass die Clubs sptestens im Jahr 2018 auf die in Abschnitt V des Tarifs M-V vorgesehene Angemessenheitsregelung rekurrieren und damit die mit der Tarifreform beabsichtigte Verwaltungserleichterung in ihr Gegenteil verkehrt wird. Um den Verwaltungsaufwand tatschlich zu reduzieren, wre eine Tarifgestaltung sachgerecht, die in der Regel angemessen ist. Insgesamt bestehen erhebliche Bedenken gegen die geplante drastische Erhçhung der bisher blichen Vergtung. Wesentliche tatschliche nderungen haben sich whrend der jahrzehntelangen Geltung des Diskothekentarifs nicht ergeben, so dass die Schiedsstelle wohl kaum von der Angemessenheit des Tarifs fr Clubs ausgehen wird. Am Ende kçnnen die Gesamtvertragspartner nur auf dem Verhandlungsweg eine fr beide Seiten vorhersehbare und akzeptable Lçsung erzielen. Hierbei kçnnten sie sich an dem 5 %igen Tarifsatz fr Konzerte gemß Tarif U-K orientieren.

50 Vgl. nur Schiedsstelle, 17. 11. 2009 – Sch-Urh 03/09, ZUM 2010, 546, 549 – Konzerttarif.

RA Christian Kuß, LL.M. und RAin Karin Schmidtmann, Dsseldorf *

Gaming – Rechtliche Risiken und Mçglichkeiten fr Spieleanbieter in Deutschland Computerspiele erfreuen sich immer grçßerer Beliebtheit. Dies gibt Anlass, die rechtlichen Regelungen, denen sich Entwicklungsstudio und Publisher bei der Entwicklung und dem Vertrieb von Computerspielen gegenber sehen, genauer zu beleuchten. Die vorliegende Darstellung ist nicht erschçpfend. Vielmehr fasst sie die urheber-, medien- und lauterkeitsrechtlichen Fragen in diesem Kontext fr den interessierten Leser berblicksartig zusammen, um ihn fr aktuelle Problemfelder zu sensibilisieren.

I. Bedeutung von Computerspielen Computerspiele kamen erstmals in den 70 er Jahren auf. In den 80 er Jahren erschienen mit den Heimcomputern Commodore C64, Amiga und Atari die ersten Computerspiele fr zuhause.1 Maniac Mansion, 2 Monkey Island3 und Ma* 1 2 3

Mehr ber die Autoren erfahren Sie auf S. VIII. Quandt/Festl/Scharkow, MP 2011, 414. Lucasfilm Games, Maniac Mansion. Lucasfilm Games, The Secret of Monkey Island.