Flucht

Mode verkam, suchte sie sich rasend schnell neue Betätigungsfelder. ... So sehr diese Mode. „intellektuell ... nen Philosophie im Wege stehen, sollte man.
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HINTERGRUND 3

M IT T WOC H , 20 . JÄ NNER 20 16

Flucht

aus der Wehrpflicht hält an Drei Jahre nach der Volksbefragung ist der Wehrdienst nicht wirklich attraktiver geworden. Der Zustrom zum Zivildienst ist unvermindert stark. Ist das Bundesheer noch zu retten? ALEXANDER PURGER

Die Soldaten des Bundesheeres warten auf Entscheidungen der Politik – bisher vergeblich.

„Weiterhin ein falsches System.“ F. Frischenschlager, Ex-Minister

Für das Gesundheits- und Sozialsystem ist der Zustrom zum Zivildienst eine gute Nachricht, garantiert er doch eine Masse an billigen Arbeitskräften. Für das Bundesheer ist der ungebrochene ZivildienstBoom hingegen ein Beweis seiner mangelnden Attraktivität. Ist das System der Wehrpflicht also trotz des klaren Ja der Österreicher vor drei Jahren am Ende? Keineswegs, antwortet Entacher. Eine

Reihe von Staaten, die ein Berufsheer eingeführt hätten, würde liebend gern zur Wehrpflicht zurück, sagt er mit Verweis etwa auf Schweden. „Gott sei Dank hat Österreich 2013 die richtige Entscheidung getroffen“, sagt der Salzburger. „Das Volk war wieder einmal gescheiter als die Regierenden.“ Komplett anderer Meinung ist Frischenschlager, der jetzt als Wehrexperte für die Neos tätig ist. Er ist nach wie vor überzeugt davon, dass ein Freiwilligenheer die wesentlich bessere Lösung wäre. Durch die Volksbefragung sei kein einziges Problem gelöst worden. „Wir zwingen das Bundesheer weiterhin in ein falsches System“, sagt er. Das Heer bilde nach wie vor 20.000 Grundwehrdiener pro Jahr aus, die aber nach sechs Monaten abrüsteten und militärisch nie wieder genutzt würden. „Ein Großteil des Geldes fließt in eine Ausbildungsarmee, bei der gar nichts herauskommen kann“, kritisiert der Verteidigungsminister der Jahre 1983 bis 1986. „Diese Politik ist wirr.“

BILD: SN/APA/ANDREAS PESSENLEHNER

Auch Entacher wurmt es, dass die ausgebildeten Grundwehrdiener später nicht für Übungen herangezogen werden. Es sei gesetzlich möglich, bis zu zwölf Prozent der Präsenzdiener zu späteren Milizübungen einzuberufen. „Das ist geltendes Recht, aber es wird nicht

BILD: SN/APA

sich vom Bundesheer ab. Dass überhaupt noch die knappe Mehrheit der jungen Männer zum Heer geht, liegt vor allem an den Zuwandererkindern. Für die meisten jungen Männer mit Wurzeln auf dem Balkan ist es undenkbar, keinen Dienst mit der Waffe zu leisten.

BILD: SNAPA

WIEN. Mit einer 60-Prozent-Mehrheit haben sich die Österreicher vor drei Jahren für die Beibehaltung der Wehrpflicht und gegen die Umstellung auf ein Berufsheer ausgesprochen. Was ist seit der Volksbefragung im Jänner 2013 geschehen? „Das Bundesheer hat sich um eine Attraktivierung des Grundwehrdienstes bemüht, die Ergebnisse sind jedoch ernüchternd“, diagnostiziert der frühere Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager. „Der Plan war gut. Ein Großteil der Maßnahmen war mangels Budget aber nicht durchführbar“, pflichtet ihm der frühere Generalstabschef Edmund Entacher bei. General Entacher, vor der Volksbefragung ein glühender Wehrpflicht-Verteidiger, und Frischenschlager, ein glühender BerufsheerBefürworter, sind sich in dieser Frage völlig einig: Die nach der Volksbefragung von der Regierung versprochene Attraktivierung des Wehrdienstes hat nur in begrenztem Umfang stattgefunden. Was kein Geld kostete, wurde gemacht, etwa mehr Sport in der Ausbildung. Entscheidende Schritte, um die Zufriedenheit der Präsenzdiener zu erhöhen – wie eine verbesserte Schießausbildung oder ein höheres Taggeld – scheiterten jedoch an den Geldnöten des Heeres. Das schlägt sich auch in der Zivildienst-Statistik nieder. Im abgelaufenen Jahr haben sich 15.858 Wehrpflichtige zum Zivildienst gemeldet, das ist die zweithöchste Zahl seit Einführung des Wehrersatzdienstes. Nur 2014 lag der Wert noch höher. Das heißt, nahezu die Hälfte der Wehrpflichtigen meldet

„Das Heer ist ein kleines Wunder.“ Edmund Entacher, Ex-Generalstabschef

vollzogen“, ärgert sich Entacher. Dabei wäre es möglich, durch diese Maßnahme die Miliz entscheidend zu fördern. Die vorhandenen Milizbataillone seien zwar gut mit Offizieren und Unteroffizieren ausgestattet, was für Übungen fehle, seien aber die Mannschaften. Die Lösung wäre die Einberufung von Präsenzdienern zu Milizübungen. Frischenschlager sieht die Lösung hingegen in einer Armee aus

Berufssoldaten, die bis zu zehn Jahren im Heer dienen und dann in andere Bereiche des öffentlichen Dienstes übernommen werden. Die gegenwärtige Politik löst bei beiden Fachleuten Kopfschütteln aus. „Im Herbst beschließt das Parlament ein Budget und im Dezember kommen die gleichen Abgeordneten daher und verlangen vom Verteidigungsminister, dass er mehr Geld herbeischafft. Das ist doch Heuchelei!“, wettert Frischenschlager. Was fehle, sei eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Landesverteidigung. Laut Entacher wurde das Heer durch den eingeschlagenen Sparkurs „schwerstens beschädigt“. Die weiteren Sparpläne würden sogar die Auflassung von 26 Kompanien vorsehen, was Entacher als „Wahnsinn“ für die Durchhaltefähigkeit bezeichnet. „Aber das Bundesheer ist ein kleines Wunder, sagt er. „Es ist nicht umzubringen.“ Vom neuen Verteidigungsminister erwartet sich Entacher zumindest eine Nachdenkpause, was das Sparen betrifft.

Von der „Political Correctness“ zum Sturm auf die Bildnisse Eine hitzige Debatte über eine Statue in Oxford zeigt, wohin außer Rand und Band geratene politische Korrektheit führen kann.

HEVI

Viktor Hermann

Es schien anfangs eine gute Idee zu sein, Wörter und Handlungsweisen zu unterlassen, die geeignet sein könnten, jemanden zu kränken oder zu beleidigen. Die Idee kam, wie so vieles, was in den europäischen Gesellschaften übernommen wird, aus den USA. Die „Political Correctness“ wuchs aus dem Bestreben, nach dem Ende der Rassentrennung und Rassendiskriminierung die „richtige“ Bezeichnung für jene Menschen zu finden, deren Vorfahren als Sklaven aus Afrika nach Amerika gekommen waren. Der Weg führte vom rassistischabwertenden „Nigger“ über „Negroe“, „Colored“, „Black“ bis hin zum heute üblichen „African American“. Da die politische Korrektheit aber rasch zur Mode verkam, suchte sie sich rasend schnell neue Betätigungsfelder. Und bald erfasste sie alle möglichen Lebensbereiche bis hin zu Sprachverboten. So darf man in den USA niemanden mehr klein nennen, auch wenn er

oder sie dem Durchschnittsmenschen nicht einmal bis zur Schulter reicht – das heißt in den USA jetzt „vertically challenged“, also „vertikal herausgefordert“. So sehr diese Mode „intellektuell herausgefordert“ sein mag, so gefährlich entwickelt sich die Manie der politischen Korrektheit jetzt. An amerikanischen und britischen Universitäten gibt es mittlerweile Verhaltenskataloge, die den Studenten und Professoren vorschreiben, was sie tun dürfen und was nicht. Das ist noch tragbar, wenn es um sexistische Bemerkungen oder gar Übergriffe geht, wird aber völlig unsinnig, wenn Studentenorganisationen per politischer Korrektheit Redeverbote und Zensur fordern. So verlangten Studenten in England, man müsse die zu einem Vortrag geladene Germaine Greer, eine der Ikonen des Feminismus, wieder ausladen, weil sie eine „unsensible Bemerkung“ über Menschen gemacht hatte, die

das Geschlecht gewechselt haben. Andere Vortragende sollten mundtot gemacht werden, weil sie zu links, zu rechts, zu liberal, zu konservativ oder was auch immer seien. Eine aktuell hitzige Debatte über eine Statue in Oxford zeigt, wohin eine außer Rand und Band geratene politische Korrektheit führt. Dort verlangen Studenten, eine Statue von Cecil Rhodes zu demontieren, weil der Mann ein Rassist und Kolonialist gewesen sei. Das ignoriert freilich die Tatsache, dass Rhodes’ Statue an der Uni steht, weil er ein Vermögen in eine Stiftung eingebracht hat, die armen Studenten aus Afrika und der ganzen Welt das Studium in Oxford finanziert. Gerade in einer Zeit, da Terroristen Statuen und Denkmäler sprengen, weil sie ihrer eigenen Philosophie im Wege stehen, sollte man der Bilderstürmerei Einhalt gebieten. [email protected]