Mira Barth Führungskompetenz im Wandel. Komplexität und Dynamik als neue Herausforderung der Führungskräfteentwicklung IGEL Verlag
Mira Barth Führungskompetenz im Wandel. Komplexität und Dynamik als neue Herausforderung der Führungskräfteentwicklung 1.Auflage 2009 | ISBN: 978‐3‐86815‐927‐1 © IGEL Verlag GmbH , 2009. Alle Rechte vorbehalten.
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Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis 1 Einleitung 2 Komplexität in Organisationen 2.1 Verschiedene Definitionen von Organisation 2.2 Verschiedene Ansätze zur Definition von Komplexität 2.3 Konzept der Systemtheorie 2.4 Kybernetik 2.4.1 Kybernetik am Beispiel des St. Galler Modell 2.4.2 Das Modell lebensfähiger Systeme nach Stafford Beer 2.4.3 Signale der chaotischen Umwelt 2.5 Entscheidungsverhalten von Managern in komplexen Situationen 2.5.1 Grundlagen der Entscheidungsfindung 2.5.2 Entscheidungstheorie 2.5.3 Denken und Handeln in komplexen Systemen 3 Dynamik in Organisationen 3.1 Definition Dynamik 3.2 Dynamik in der Umwelt: Elemente der Marktdynamik 3.3 Entwicklung und Organisationales Lernen 3.3.1 Was ist Organisationales Lernen? 3.3.2 Der Prozess und die Ebenen Organisationalen Lernens nach Argyris & Schön 4 Bewältigung von Komplexität und Dynamik 4.1 Zwei Ansätze zur Komplexitätsreduktion 4.2 Strategien der Komplexitätsreduktion 4.2.1 Exemplarische Methode: Die Szenario‐Technik nach Dörner 4.2.2 Exemplarische Methode: Vernetzt Denken und Handeln bei komplexen Aufgabenstellungen 4.3 Führung 4.3.1 Führung unter der Betrachtung verschiedener Aspekte 4.3.2 Paradigmenwechsel im Management 4.3.3 Exkurs: Persönlichkeit 4.3.4 Persönlichkeitsmodelle 4.3.4.1 Persönlichkeitsmodell nach Eysenck 4.3.4.2 Das Fünf‐Faktoren Modell der Persönlichkeit 4.3.5 Modell nach Maccoby mit besonderer Relevanz des Manager‐Typus „Spielmacher“ 4.3.6 Eigenschaftsorientierter Ansatz 4.3.7 Systemischer Führungsansatz 5 Entwicklung neuer Führungskompetenzen 5.1 Betrachtung ausgewählter gegenwärtiger Führungskompetenzen
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III IV 1 3 3 4 5 6 7 8 9 9 10 12 15 18 18 18 21 22 23 26 26 27 27 29 32 33 33 34 34 35 37 38 41 41 43 43
5.1.1 Persönlichkeitsmerkmale 5.1.2 Intellektuelle Kompetenz 5.1.3 Kommunikative Kompetenz 5.1.4 Soziale Kompetenzen 5.1.5 Führungskompetenz 5.2 Entwicklung neuer Führungskompetenzen bezüglich Komplexität und Dynamik 5.2.1 Strategische Kompetenz 5.2.2 Intuitive Entscheidungsfindung 5.2.3 Evolutionäres Denken 5.2.4 Chaosmanagement 5.2.5 Unsicherheitstoleranz 5.2.6 Informationsselektion 5.2.7 Selbstentwicklung 5.2.8 Umsetzungskompetenz 5.3 Managementdiagnostik 5.3.1 Inhalte der Managementdiagnostik 5.3.2 Methoden der Managementdiagnostik 5.3.3 Gütekriterien 5.3.4 Grenzen der Managementdiagnostik 5.4 Das 360°‐Feedback 5.4.1 Anforderungen an die beurteilenden Personen 5.4.2 Vorgesetzten‐Feedback 5.4.3 Kollegen‐Feedback 5.4.4 Mitarbeiter‐Feedback‐Selbstbild und Fremdbild 5.5 Das Interview 5.6 Nutzung für die Personalentwicklung 5.7 Einführung der Führungskraft in den neuen Job 6 Entwickeltes 360°‐Feedback zur Potenzialbeurteilung 6.1 Fragebogenkonstruktion 6.2 Vorgesetzten‐Feedback 6.3 Kollegen‐Feedback 6.4 Mitarbeiter‐Feedback‐Selbstbild 6.5 Mitarbeiter‐Feedback‐Fremdbild 7 Entwickeltes Interview zur Führungskräfteauswahl 7.1 Fragenkatalog 7.2 Auswertung 8 Fazit / Ergebnisse 8.1 Ausblick Literaturverzeichnis Anhang
43 44 45 46 47 48 50 50 52 53 53 54 55 56 57 57 58 59 60 61 63 63 63 64 64 66 66 68 68 69 70 71 72 76 76 78 79 80 82 87
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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Elemente einer Entscheidung. Abbildung 2: Ergebnisfunktion der Entscheidungstheorie unter Unsicherheit. Abbildung 3: Stationen der Handlungsorganisation. Abbildung 4: Lernniveaus nach Argyris & Schön. Abbildung 5: Die acht Stufen des Szenario‐Prozesses. Abbildung 6: Die Beziehung zweier Persönlichkeitsdimensionen Abbildung 7: Multidirektionales Feedback (360°‐Analyse). Abbildung 8: Beispielhafte Häufigkeitsverteilung der Bewertung durch einen Mitarbeiter.
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Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Übersicht der gegenwärtigen Führungskompetenzen. Tabelle 2: Auswertung des Feedbacks.
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1 Einleitung „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen.“ (chinesisches Sprichwort) Wie sieht die Arbeitswelt von morgen aus und welche Anforderungen wird sie an Führungskräfte stellen? Diese aktuelle Frage steht in Unter‐ nehmen heutzutage ganz weit oben und beschäftigt besonders die Ver‐ antwortlichen der Personalauswahl und der Personalentwicklung. Wie erkennt man Potenziale, die hilfreich für die sich ständig ändernde Um‐ welt sind? Nach welchen Kriterien muss eine Führungskraft ausgewählt werden um Komplexität und Dynamik erfolgreich bewältigen zu können? Die vorliegende Untersuchung zeigt Lösungsansätze zur Beantwortung dieser Fragen auf. Das Umfeld von Unternehmen hat sich in den letzten Jahren durch Globa‐ lisierung und Deregulierung der Märkte sowie durch den starken Wettbe‐ werbsdruck nachhaltig verändert. Die technische und ökonomische Kom‐ plexität und die Dynamisierung von Geschäftsprozessen stellen hohe Er‐ wartungen an die Führungskräfte. Sie müssen als „Veränderungsmana‐ ger“ agieren und sich selbst, das Unternehmen und seine Mitarbeiter in die Lage versetzen, Innovations‐ und Veränderungsprozesse erfolgreich zu bewältigen. Aber nicht nur Unternehmen sind damit konfrontiert, es ist relativ unabhängig davon, womit man sich beschäftigt, man stößt sehr schnell auf Komplexität und Unsicherheit. Trotz modernster Manage‐ ment‐ und Planungsmethoden sind wir noch nicht in der Lage zu sagen, was morgen sein wird und daraus resultiert Unsicherheit. Die vorliegende Untersuchung setzt sich ausdrücklich mit einem Wandel in dem Bereich Führung auseinander, der durch die zwei Erscheinungen Komplexität und Dynamik zustande kommt. Wenn Veränderungen an‐ stehen und sich die Umwelt wandelt, bringt dies immer Anpassungspro‐ zesse und Handlungsaufforderungen mit sich. Führungskräfte haben da‐ bei eine besondere Aufgabe, da Sie diese neuen Prozesse initiieren und steuern müssen. In einer dynamischen und komplexen Welt verändern sich automatisch die Anforderungen an Führungskräfte, denn auch die Führung ist dem Wandel unterworfen und kann nicht immer an den alten Konzepten fest halten. Der Fokus der Untersuchung liegt auf einer theoretischen Ausarbeitung und Erklärung von Komplexität und Dynamik um anschließend die neuen Führungskompetenzen zu entwickeln. Um die Untersuchung abzurunden, wird ein Fragen‐Tool und ein Interview für die neuen Führungskompeten‐ 1
zen entwickelt, die in der Personalauswahl und der Personalentwicklung eingesetzt werden können. Dieses Instrument soll die Führungskräfte‐ auswahl und die Potenzialbeurteilung von Mitarbeitern und Führungsper‐ sonen hinsichtlich Komplexität und Dynamik verbessern. Die Begriffe Komplexität und Dynamik sollen nicht als „Modewörter“ ver‐ standen werden, sondern als ernst zu nehmendes Problem, welches die Zukunft beeinflussen und mitgestalten wird. Es gibt viele Ansätze zur Komplexitätsreduktion, jedoch werden die Personen, die über die richti‐ gen Kompetenzen bereits verfügen, um Führungserfolg ansatzweise zu garantieren, zu knappen Ressourcen und somit rückt die richtige Perso‐ nalauswahl immer mehr in den Vordergrund. Um Fehlentscheidungen bei der Führungskräfteauswahl zu vermeiden und die richtigen Kompetenzen festzulegen, ist es notwendig Komplexität und Dynamik in die Personal‐ auswahl und die Personalentwicklung zu integrieren.
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2 Komplexität in Organisationen Heute findet sich Komplexität und Dynamik in allen Organisationen in den verschiedensten Bereichen wie Wirtschaft, Regierung und Verwal‐ tung wieder. Komplexität stellt ein besonderes Problem in und an Organi‐ sationen dar, da Organisationsmitglieder häufig vor unüberschaubaren und schwierigen Aufgabenstellungen stehen, welche nicht mit Routinelö‐ sungen aus dem Alltagsgeschäft bewältigt werden können (Fisch, Beck, 2004). Somit wird es für Organisationen bereits erforderlich die Komple‐ xität zu reduzieren und einen Weg zu finden komplexe Probleme effektiv zu lösen um wettbewerbsfähig und erfolgreich für die Zukunft zu sein. In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen zu Komplexität und Dynamik vorgestellt. Zu Beginn werden die Begriffe Organisation und Komplexität definiert um eine Hinführung zum Thema zu erhalten. Die Systemtheorie und die Kybernetik dienen des Weiteren als theoreti‐ sche Hintergründe für das systemisch‐ganzheitliche Verständnis und dar‐ aus lassen sich dann wiederum neue Führungskompetenzen ableiten. Die Systemtheorie schildert den Umgang mit komplexen und dynamischen Situationen in einer Organisation. Der zweite wichtige Baustein ist die Kybernetik, die das Denken in Regelkreisen genauer erläutert. Sie wird anhand des St. Galler Modell, des Modells lebensfähiger Systeme und durch die Erklärung der Signale der Umwelt genauer beschrieben. Als Ab‐ schluss des Kapitels wird auf das Entscheidungsverhalten eines Managers genauer eingegangen, in dem die Grundlagen von Entscheidungen und verschiedene Entscheidungstheorien genauer erläutert werden. Aus die‐ sen Grundlagen lassen sich später neue Führungskompetenzen ableiten, die zur Bewältigung von Komplexität und Dynamik notwendig sind. 2.1 Verschiedene Definitionen von Organisation Gebert (1978) hebt als Bestimmungsmerkmale hervor, dass „Organisatio‐ nen als offene Systeme gegenüber ihrer Umwelt eine zeitlich überdau‐ ernde Existenz aufweisen, spezifische Ziele verfolgen und aus Individuen bzw. Gruppen zusammengesetzt sind, wobei eine bestimmte Struktur (Arbeitsteilung, Hierarchie von Verantwortung etc.) existiert“ (Rosenstiel, Molt, Rüttinger, 2005. S.25). „Unter einer Organisation verstehen wir ein strukturiertes soziales Sys‐ tem, das aus Gruppen von Einzelpersonen besteht, die zusammenarbei‐ ten, um vereinbarte gemeinsame Ziele zu erreichen“ (Weinert, 2004. S. 6).
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„Organisationen (im institutionellen Sinne) sind nach einer gängigen De‐ finition soziale Gebilde, die dauerhaft ein Ziel verfolgen und eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe Aktivitäten der Mitglieder auf das ver‐ folgte Ziel ausgerichtet werden sollen“ (Breisig, 2006. S. 8). Hohe Komplexität bringt eine unangenehme Folge mit sich, insbesondere dass sich ein System im Zeitablauf so unterschiedlich verhält, dass man nicht mehr in der Lage ist voraus zu sagen, welchen Zustand das System als Nächstes einnehmen wird. Dieser Zustand der Ungewissheit macht den handelnden oder beobachtenden Personen Probleme (Ulrich, Probst, 1988). 2.2 Verschiedene Ansätze zur Definition von Komplexität „Unter Komplexität versteht man die Tatsache, dass reale Systeme unge‐ heuer viele Zustände aufweisen können. Selbst in noch relativ einfachen Fällen ist die Komplexität meistens größer, als man zu erfassen vermag“ (Malik, 2006. S. 186). „Komplexität wird definiert als Fähigkeit eines Systems, in einer gegebe‐ nen Zeitspanne eine große Zahl von verschiedenen Zuständen annehmen zu können“ (Ulrich, Probst, 1988. S. 58). „Üblicherweise wird Komplexität mit Hilfe der Begriffe Element und Rela‐ tion definiert. Mindestens drei Dimensionen müssen bestimmt werden, um das Ausmaß der Komplexität eines Systems festzulegen, nämlich die Zahl der Elemente die Zahl der im System möglichen Beziehungen zwischen den Ele‐ menten und der Verschiedenartigkeit dieser Beziehungen, durch die dann in komplexen Bestimmungsprozessen zugleich die Ele‐ mente qualifiziert werden“ (Neuberger, 1995. S. 238). Komplexe Probleme: „Komplexe Probleme haben besondere Eigenschaf‐ ten: Sie sind komplex, weil sie viele verschiedenartige Elemente enthal‐ ten, die untereinander reich verknüpft sind und sich in Beziehungen, In‐ teraktionen und Elementen stets verändern. Sie sind dynamisch und ent‐ halten eine große Anzahl von möglichen Zuständen und Verhaltenswei‐ sen“ (Probst, 1992. S. 22).
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2.3 Konzept der Systemtheorie Im allgemeinen Sinne versucht die Systemtheorie allgemeingültige Ge‐ setze über das Verhalten von Systemen zu formulieren (Hentze, Graf, Kammel, Lindert, 2005). Die Systemtheorie geht davon aus, dass viele Systeme, z. B. Lebewesen, Maschinen und soziale Gebilde nach den glei‐ chen Prinzipien funktionieren. Unter einem System wird eine geordnete Gesamtheit von Elementen verstanden, zwischen denen ein innerer Zu‐ sammenhang besteht oder hergestellt werden kann. Es ist ein dynami‐ sches Ganzes, das bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen be‐ sitzt. Das Verhalten des Ganzen wird vom Zusammenwirken aller Teile beeinflusst (Ulrich, Probst, 1988). Die einzelnen Verknüpfungen stellen das System dar und werden als eine Gesamtheit betrachtet, die sich be‐ wusst und deutlich von ihrer Umwelt abgrenzt. Somit steht im Mittel‐ punkt der Betrachtung die funktionalen Beziehungen und damit weniger die Elemente selbst (Hentze et al., 2005). Dadurch wird der Systemansatz dort anwendbar, wo komplexe Vorgänge und Zusammenhänge bestehen. Der Systemtheorie liegt somit ein Denken in vernetzten Ganzheiten zu‐ grunde (Probst, 1992). Im Folgenden werden die Charakterisierungs‐ merkmale der Systemtheorie aufgezählt: Offene Systeme werden als Zusammenhänge zwischen Elementen definiert, die von ihrer Umwelt abgegrenzt sind, aber in einer akti‐ ven Austauschbeziehung zu ihrer Umwelt stehen. Gegenstand des Austauschs zwischen System und Umwelt sind E‐ nergien, Materie, Informationen und Menschen. Nur durch die genannten Austauschprozesse kann ein System seine Lebens‐ und Leistungsfähigkeit erhalten. Offene Systeme streben ein stabiles Verhältnis mit ihrer Umwelt an (Gleichgewichtszustand). Durch veränderte Umweltbedingungen kann dieser Gleichge‐ wichtszustand in Gefahr geraten und wird dadurch als einen „stati‐ onären Zustand“ definiert. Bei Änderungen in der Umwelt werden Anpassungsprozesse erforderlich um den Gleichgewichtszustand aufrecht zu erhalten. Dies erfordert von Systemen die Fähigkeit zur Adaptivität und Flexibilität. Die Anpassungsprozesse werden primäre Regulation (Veränderun‐ gen der Struktur) und sekundäre Regulation (Variation von Verhal‐ tensparametern innerhalb einer gegebenen Struktur) genannt,
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