Fahrt ins Unglück und zurück

führern Günther und Egon, und erlebt einige. Abenteuer, wie eine Messerstecherei im .... „Ach du Scheiße“, sagt sie nur. „Ja“, sagt. Jürgen nur und: „Komm, ...
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Frank Maranius

Fahrt ins Unglück und zurück Roman

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© 2015 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2015 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Frank Maranius Printed in Germany

AAVAA print+design Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck:

ISBN 978-3-8459-1605-7 ISBN 978-3-8459-1606-4 ISBN 978-3-8459-1607-1 ISBN 978-3-8459-1608-8 Mini-Buch ohne ISBN

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Widmung

Ich widme dieses Buch allen Kollegen, die da draußen unterwegs sind, Tag und Nacht, bei Wind und Wetter, auch wenn alle anderen feiern. Habt die Kraft und den Mut für euch selbst einzustehen. Erkennt immer, wenn es nicht mehr gehen kann, und reißt einfach durch. Nichts kann euer Leben ersetzen, auch wenn ihr überlebt. Niemand bringt euch die Familie zurück, wenn sie zerbrochen ist, die Freunde, wenn sie weg sind. Aber vor allem widme ich dieses Buch meiner lieben Frau, die so viel Verständnis hatte, und dann durchgezogen hatte, als es nicht mehr gehen konnte. Natürlich meinem Sohn, der mir hilft, wenn ich zu dicht am Geschehen bin, wenn meine Phantasie mich nicht weiter bringt. Und auch noch Herrn Dimitrijevic, der mir Mut machte und sprachlich half. 4

Vorwort Bei einem Bahnbetriebsunfall am Haltepunkt Hordorf, sterben 10 Menschen und 40 werden zum Teil schwer verletzt. Ein Lokführer ist tot, tragisch umgekommen, der andere überlebt verletzt. Warum musste das passieren, was macht das alles für einen Sinn? Der verantwortliche Lokführer zieht sich in sich zurück, will schlicht vergessen, warum es so gekommen ist. Warum er nicht auf sich achten konnte, warum er seiner Frau sehr wehgetan hatte. Ein junger Anwalt muss diesen Fall bearbeiten. Er stürzt sich in die Arbeit, in die Recherche, wie es zu diesem Unglück kommen konnte. Er taucht ein in den Eisenbahnbetrieb, erlebt die wunderlichsten Sachen und er findet auch noch sein Glück. Der Leser lernt die Eisenbahn aus der Sicht eines Nichteisenbahners kennen, fährt kreuz und quer durch Deutschland, mit den Lok5

führern Günther und Egon, und erlebt einige Abenteuer, wie eine Messerstecherei im Gleis, einen Suizid und viele Probleme, die die Privatisierung der Eisenbahn so mit sich brachten, aber auch Probleme, die seit 50 Jahren nicht gelöst wurden. Er erlebt Menschen, die sich kennenlernen, sich wiederentdecken. Wir lernen, dass Reden Gold ist. Schweigen ist Pech, nicht einmal Silber. Frank Maranius 2015

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Glücklich Jürgen nahm Platz, er verstellte sich den Sitz so, dass er richtig an die Sifa kam, und schloss das Führerpult auf. Pieps, Übernahme, Bremsprobe, eigentlich überflüssig, denn man prüft bloß die elektrische Ansteuerung des Steuerventils und nicht das Anlegen der Bremsen. Das geht bei dieser Kiste nicht, wie konnte das, dass penible Bundesamt nur genehmigen. Auf einer Steilstrecke haben die Fahrzeuge nicht genehmigt, weil die nicht nur, mit der hydrodynamischen Bremse bergab, die Geschwindigkeit gehalten hatten, sondern das ging nur in Kombination Luft und Getriebe. Das wäre vorschriftswidrig wenn man nur die Getriebebremse, die hydrodynamische Bremse nimmt. Das ginge auch, aber nur mit Tricksen, aber was gelten einem Amt schon die Vorschriften, die gelten nur für uns. Das 7

wirkliche Anlegen der Bremsen sieht man gar nicht mehr, sondern nur in einem Schauglas. Das sieht man nur beim Taurus. Egal wird halt gemacht, kann ja überwacht werden. Wichtig für ihn ist immer die Wirksamkeit der Bremsen, muss man halt beim ersten Anhalten prüfen. PZB - Daten eingeben, die Daten der punktförmigen Zugbeeinflussung an der Rückwand, und wieder den Schrank zumachen, Fahrgastinformationssystem, die FIS, stimmt, hat der Kollege schon gemacht. Danke schön. Noch 5 Minuten Zeit, gut, melden wir uns fertig und Jürgen tippt am Funkgerät die Fertigmeldedaten ein. Die Frauenstimme bestätigt automatisch das Abgehen der Fertigmeldung. Und dann geht es los. Ausfahrt steht, 60 erwarten, hinten ist auch schon frei, das nächste Signal, Abfahrtzeit, raus gucken, alles o.k., die Türfreigabe zurücknehmen, und ab geht´s. Hier noch mit punktförmiger Zugbeeinflussung der, PZB, also restriktiv mit Wechselblinken bis zum Auslaufen des Programms 8

Maximum 25 km/h. Er fährt aber nur 20 km/h, zur Sicherheit, damit er nicht angehalten wird, also eine Zwangsbremse bekommt. Das rote Licht erlischt, jetzt, kann er sich aus dem Programm befreien und beschleunigt bis 60 km/h. Nach dem Signal, bis zu dem die 60 km/h gelten, sind es 100 km/h, also Hebel nach vorn. Die Stadt fliegt vorbei, dann ist sie weg, kein Halt an den beiden Bahnhöfen. Das ist ein Express. Dann die Wiesen mit Kühen, Zäunen, ist besser so, eine Kuh ist zu groß zum Umfahren, da eine Rehgruppe. Sehr oft ist er hier noch nicht gefahren, es ist noch keine Routine, also noch ein wenig Anspannung, öfter mal auf den Fahrplan gucken, wo muss er halten, und die Fahrzeiten kontrollieren. Trotzdem schweifen die Gedanken ab, über die Landschaft hinaus. 9 Monate ist er schon hier, die Probezeit ist vorbei. Er hat einen unbefristeten Vertrag, das war Bedingung und das hatte ihn schon ein wenig gewundert. Nach dem, was die Kollegen erzählen, geht das hier sehr lange mit befristeten Verträgen. Gerade hat ein 9

junger Kollege aufgehört, der wieder nur befristet weiter beschäftigt werden sollte, der geht woanders hin. Aber bei Jürgen war das wichtig, der unbefristete Vertrag, sonst hätte er das nicht gemacht. In der nächsten Woche löst seine Frau die Wohnung in Schwerin auf, noch ein Haufen Arbeit. Die Kinder gehen hier schon zur Schule, leben sich ein. Das Häuschen, in einem kleinen Dorf bei Halberstadt, ist schon renoviert, nun wird alles ruhiger, schöner. Der nächste Halt reißt ihn aus seinen Gedanken, anhalten, raus gucken, alles fertig, hier gibt es sogar noch eine Aufsicht, die die Reisenden sichert beim Überqueren der Gleise. Sie grüßen sich und weiter gehts. Eigentlich kommt er aus Brandenburg. Irgendwann hat es ihn nach Schwerin verschlagen, die Liebe, aber mit der Arbeit war es hier schlecht. Dann kam die Gelegenheit, Lokführer zu werden. Nun war er immer unterwegs, deutschlandweit, 10 Tage unterwegs, 5 Tage zu Hause, bis zu 220 Stunden 10

monatlich, mehr Stunden hat er einfach nicht gemacht. Die Familie rumort, er sehnt sich nach einer Arbeit zu Hause, nach Ordnung, nach einem geregelten Leben, nach planbarer Freizeit. Die Einfahrt von Oschersleben kommt, rechts die Rennstrecke, er war schon mal da, war geil. Einfahrt mit 80 km/h, dann kommt die LF 1 mit der 60, aber keine PZB. Er könnte einfach so rein ballern, nichts würde ihn bremsen, wenn er nicht entgleist, würde es einfach nicht jucken. Anhalten, Türen auf, die Ausfahrt kommt, Abfahrtzeit raus gucken, alles o.k., Türen zu und ab. Ausfahrt mit maximal 100 km/h, den Hebel also nach vorn. Der Triebwagen setzt sich in Bewegung, kommt in Fahrt. Bei 100 km/h macht er zu und lässt es rollen, hier läuft es. Ja, das ist anstrengend. Immer wenn du zu Hause bist, musst du alles aufarbeiten, was aufgelaufen ist. Rechnungen Briefe, die Frau lieben, die Kinder brauchen dich, die Hausaufgaben nachsehen. 11

Da bleibt meist keine Zeit für sich selbst, er hatte das satt. Das Vorsignal von Hordorf ist frei, hier brauchen wir nicht halten, er schaut schnell nach, ja das ist ein Express. Er schaut hoch, das Hauptsignal ist noch weit weg und frei, ein Formsignal gut zu sehen. Aber was war das, drei weiße Lichter in seinem Gleis, aber weit weg. Aber steht der vor seinem Signal in der Gegenrichtung, oder ist der darüber? Steht der, oder fährt der, was ist das? Er fängt an zu bremsen. Ja, mein Gott, er reißt durch, Notbremsung, er greift zu Hörer. „ Hordorf was ist das, steht der in meinem Gleis?“ „Ja, der steht vor meiner Tür, er steht, kannst ruhig anhalten“, erwidert der Fahrdienstleiter. „OK“, kann er nur sagen, und da genug Platz ist, löst er die Bremse wieder ein wenig aus, so dass der Anhalteruck nicht so groß wird. Er steht nun. Blut schießt in seinen Kopf. „Du Arschloch, warum setzt du keinen Notruf ab, weißt doch, dass ich komme, Idioten gibt das“, denkt er und greift zum Mikrofon: 12

„Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus betrieblichen Gründen sind wir hier auf der freien Strecke zum Halten gezwungen worden, die Weiterfahrt wird sich um einiges verzögern, wenn ich was Genaues weiß, melde ich mich.“ Und er legt wieder auf. In dem Moment kommt die Zugbegleiterin und sagt: „Watt iss denn los?“, und ihr rutscht augenblicklich das Herz in die Hose, man hört es richtig plumpsen. Denn der Zug in ihrem Gleis ist gut erkennbar, vor ihnen, in etwa 100 m Entfernung. „Ach du Scheiße“, sagt sie nur. „Ja“, sagt Jürgen nur und: „Komm, spendiere uns und den Fahrgästen einen Kaffee.“

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Der letzte Morgen Anna stand früh auf, weil sie die Jungs versorgen musste. Sie ließ ihren Mann schlafen, der hatte Zeit, musste erst gegen 13:00 Uhr los, hatte Nachmittagsdienst. Und sie, sie war noch nicht eingelebt, war noch nicht richtig hier, noch nicht angekommen. Klar war es schön, wieder die Jungen um sich zu haben, die Liebe ihrer Söhne, die in Liebe entstanden waren, die sie über alles liebte. Mutterliebe, die verzeihen konnte, die Verständnis aufbringen konnte, und doch forderte sie etwas dafür. Mama ärgern ging nicht, auch sie hatte Rechte, und die setzte sie durch. Da war aber auch noch der dritte Junge, ihr Mann, auch den liebte sie, aber auch auf den musste sie aufpassen. Nicht, dass er nicht von alleine funktionieren würde, aber Ordnung, ihre Ordnung, war nicht sein Ding. Immer lag irgendetwas herum, sie hasste es, wenn etwas 14

herumlag und dann räumte sie auf. Aber dann suchte er es, natürlich fragte er sie immer, wen denn sonst. Das war immer ein Theater, aber sie kannte nicht die Plätze, wo er suchte und konnte es auch nicht direkt dort hinlegen. Da gab es schon mal Streit. Vielleicht sollte man das mal klären, wo sie was hinlegt, wenn sie aufräumte. Eine Ordnung finden, mit der er auch leben könnte, denn es ging um Dinge, die er brauchte und vielleicht sollte man sich auf Orte einigen, die er findet. Sie weckte also zuerst die Jungen an, wie sie das nannte, denn das war auch so eine Zeremonie, die wach zu bekommen. Jürgen war da anders, aber das lag an seinem Beruf. Genau, damit er nicht verschlief, sprang er aus dem Bett, wenn der Wecker klingelte. Aber dann brauchte auch er seine Zeit, ehe er fertig war und die nahm er sich. Auch sie war noch gar nicht richtig da, aber es half nichts, es musste sein. Die morgendlichen Verrichtungen waren wie automatisiert, das hatte sie so eingerichtet, es musste ja alles klappen. 15