Erfolgsmodell: der bäuerliche Familienbetrieb - Schweizer ...

03.01.2014 - ten 55 Hektaren bestes Kulturland im. Kanton Genf. Sudhakar und Usha in ...... lich auf das Konto der Tierhaltung. In diesen. Betriebszweigen ...
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Situationsbericht 2013

Erfolgsmodell: der « bäuerliche Familienbetrieb»

Situationsbericht 2013

4

Inhaltsverzeichnis Vorwort6 Zusammenfassung7

ERFOLGSMODELL: DER BÄUERLICHE FAMILIENBETRIEB Einleitung und Definition

10

Abbildung 1:

10

Indikatoren zur Abgrenzung eines Familienbetriebs

Bedeutung der Familienbetriebe in der Schweiz

12

Tabelle 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7:

12 13 13

Rechtsformen der landwirtschaftlichen Betriebe in der Schweiz 2011 Durchschnittliche Betriebsgrössen ausgewählter Länder 2010 Betriebsverhältnisse im europäischen Vergleich 2007 Voraussichtlicher Fortbestand der Familienbetriebe deren LeiterInnen das 50. Altersjahr überschritten haben Vollzeit-Beschäftigte auf Schweizer Bauernhöfen (1965 – 2011) Familienarbeitskräfte pro Betrieb im europäischen Vergleich 2007 Herkunft der Lernenden in Ausbildung zum Landwirt EFZ

14 14 15 15

Portrait der Familie Dürst (Braunwald GL, Schweiz)

16

Portrait der Familie Bailmare (Maharashtra, Indien)

17

Portrait der Familie Irisov (Arkalyk, Kirgistan)

18

Mehrwerte der Familienbetriebe für die Gesellschaft

19

Portrait der Familie Courtois (Versoix GE, Schweiz)

20

Portrait der Familie Ortega (Biloco, Bolivien)

21

Portrait der Familie Reyes (San Antonio de los Cabos, Honduras)

22

5

Herausforderungen für die bäuerlichen Familienbetriebe

23

Tabelle 2:

23

Stärken und Schwächen von Familienbetrieben

Herausforderungen für Familienbetriebe weltweit

26

Portrait der Familie Dabokyo (Amabazira, Tschad)

28

Fazit29

DAS JAHR 2013 IM ÜBERBLICK Landwirtschaftliche Produktion

34

Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10:

34 35 37

Monatliche Niederschlagsmengen (2009 – 2013) Entwicklung der Anzahl Getreidebetriebe und -flächen (1980 – 2012) Entwicklung Schweinefleischproduktion und Produzentenpreis (2000 – 2013)

Landwirtschaftliche Gesamtrechnung

38

Tabelle 3:

40

Landwirtschaftliche Gesamtrechnung (2003 – 2013)

Buchhaltungsergebnisse und Einkommenssituation der landwirtschaftlichen Betriebe

39

Abbildung 11: Tabelle 4: Abbildung 12: Tabelle 5:

42 43 44 45

Entwicklung des landwirtschaftlichen Einkommens und des Arbeitsverdienstes (2003 – 2013) Vom landwirtschaftlichen Einkommen zum Arbeitsverdienst (2012 – 2013) Arbeitsverdienst und Vergleichslöhne (2003 – 2013) Eigenkapitalbildung und Eigenkapitalrentabilität (2012 – 2013)

Impressum48

6

Vorwort Christophe und seine Familie bewirtschaften 55 Hektaren bestes Kulturland im Kanton Genf. Sudhakar und Usha in Indien hingegen gerade mal 0.6 Hektaren oder Makarat und Zulpukar in Kirgistan mit 0.75 Hektaren nur wenig mehr. Zum Milchbetrieb von Christian und Monika im Glarnerland führt keine Strasse, dafür finden die Kakaobohnen von Nelson und Dina aus Honduras den Weg zum Schweizer Detailhändler Coop. In der Schweiz ist der Boden fruchtbar und das Land grün, im Tschad kämpft die Familie Dabokyo gegen die Ausbreitung der Wüste und in Bolivien reichen Miguel und Sabine ihre kargen 25 Hektaren nur knapp aus, um sich und ihre vier Kinder zu ernähren. Bäuerliche Familienbetriebe haben ein sehr unterschiedliches Profil, aber eines ist ihnen gemeinsam: Sie bilden weltweit das Rückgrat der Landwirtschaft. Sie sind verantwortlich dafür, dass auf unseren Tellern täglich etwas zum Essen liegt. Ihre Produktion ist nicht für den Weltmarkt gedacht, sondern in erster Linie für die Ernährung der einheimischen Bevölkerung. Das ist in einer Welt, in der gegen 850 Millionen

Markus Ritter, Präsident Schweizer Bauernverband

Menschen nach wie vor Hunger leiden, von immenser Bedeutung. Die Versorgung der wachsenden Menschheit mit gesundem Essen ist zudem die grosse Herausforderung der Zukunft. Denn die Ressourcen wie fruchtbares Land oder ausreichend Trinkwasser sind begrenzt und vielerorts bereits knapp. Kurze Transportwege und eine auf die lokalen Bedürfnisse ausgerichtete Produktion sind zusätzliche Vorteile der lokal tätigen bäuerlichen Familienbetriebe. Aber auch ökologisch und ökonomisch ist diese Art der Landwirtschaft besonders nachhaltig: Denn die Eltern haben grosses Interesse daran, ihren Hof und ihr Land einmal in gesundem Zustand an den Nachwuchs zu übergeben.

gen Strukturen in Frage stellt, hat die UNO auf Initiative des World Rural Forums WRF und der Food and Agricultural Organization FAO das Jahr 2014 zum «Internationalen Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe» erklärt. Die Regierungen auf der ganzen Welt sollen sich Gedanken über den Nutzen und für die bäuerlichen Familienbetriebe geeignete Rahmenbedingungen machen. Christian und Monika im Glarnerland können übrigens von der Landwirtschaft allein nicht leben. Deshalb arbeitet Christian nebenbei noch als Taxifahrer. Genauso wie sein Berufskolleg der Kleinbauer Maksat in Kirgistan. Ihre Welt ist eine ganz andere, ihre Herausforderung ist die gleiche.

Ob Honduras, Bolivien, Indien, Tschad, Kirgistan, Genf oder Glarus, die bäuerlichen Familienbetriebe leisten rund um den Globus einen wertvollen Beitrag an die Ernährungssicherheit, die Nachhaltigkeit und die Vielfalt. Weil die globalisierte Marktwirtschaft diese kleinen und im internationalen Wettbewerb nicht immer konkurrenzfähi-

PS: Christophe & Sarah aus Genf, Christian & Monika aus Glarus, Makarat & Zulpukar aus Kirgistan, Miguel & Sabina aus Bolivien sowie Nelson & Dina aus Honduras führen während des ganzen UNO-Jahres 2014 ein Tagebuch über ihre Arbeit und ihr Leben auf facebook. Sie und alle weiteren Betriebe in der Schweiz sind zu finden auf: www.meinbauer.ch und www.meinebäuerin.ch

Caroline Morel, Geschäftsleiterin SWISSAID

Melchior Lengsfeld, Geschäftsleiter Helvetas Swiss Intercooperation

7

Zusammenfassung Im Fokus des diesjährigen Situationsberichts

Bäuerliche Familienbetriebe bieten der Ge-

den zu den zwei Portraits von Schweizer Be-

stehen die bäuerlichen Familienbetriebe. Diese

sellschaft einen Mehrwert. In erster Linie

trieben sind auch zahlreiche Parallelen erkenn-

sind kein «Sonderfall», sondern in der Land-

versorgen sie die lokale Bevölkerung mit Le-

bar. So steht immer die Familie im Mittelpunkt

wirtschaft nach wie vor die Regel, sie kämpfen

bensmitteln und gewährleisten so die Ernäh-

und alle benötigen Zugang zu Ressourcen wie

aber mit verschiedenen Herausforderungen.

rungssicherheit. Dies tun sie nachhaltig, denn

Ackerland, Kapital und Bildung.

Deshalb hat die UNO das Jahr 2014 zum «Inter-

die Eltern sind bestrebt, den Hof auf finanziell

national Year of Family Farming» erklärt. Mitt-

gesunden Beinen und mit intakten natürlichen

Damit dieser Zugang gesichert ist, lassen sich

lere und kleine Bauernbetriebe produzieren

Ressourcen an eines der Kinder zu übergeben.

als Fazit folgende Erwartungen an die Politik

weltweit 70% aller Lebensmittel und auch in

Mit der familieninternen Betriebsübergabe er-

formulieren: Engagement für die nationale Er-

der Schweiz bilden Familienbetriebe das Rück-

folgt auch ein Wissenstransfer über regionale

nährungssouveränität und gerechte Handels-

grat der Landwirtschaft. Zudem erfüllen sie

Anbaumethoden und Traditionen. Diese Veran-

beziehungen, Stärkung der Marktposition der

Aufgaben, die über die Nahrungsmittelproduk-

kerung verhindert die Abwanderung und stärkt

Bauernfamilien, Korrektur der Einkommens-

tion hinausgehen. Doch was ist ein bäuerlicher

Wertschöpfung im ländlichen Raum generell.

defizite, Förderung der landwirtschaftlichen Bildung und Forschung für eine sozial und

Familienbetrieb, mit welchen Problemen sieht er sich konfrontiert und wie sieht es in anderen

Eine Analyse der Stärken und Schwächen

ökologisch nachhaltige Landwirtschaft sowie

Ländern aus? Mit diesen Fragen beschäftigt

dieser Betriebsform zeigt, dass die enge Bin-

Schutz der Produktionsgrundlagen wie Boden

sich das Schwerpunktthema des vorliegenden

dung innerhalb der Familie und Generationen

oder Wasser. Bäuerliche Familienbetriebe sind

Berichts, den der Schweizer Bauernverband

sowohl Stärke als auch Schwäche sein kann.

das Fundament jedes Landes, denn sie sichern

zusammen mit SWISSAID und HELVETAS Swiss

Einerseits ermöglicht sie Kontinuität und Unab-

langfristig das Essen aller!

Intercooperation erstellt hat.

hängigkeit, andererseits beeinflussen familiäre Schwierigkeiten den Erfolg des Betriebs. Zu

Der zweite Teil des Berichts gibt einen Über-

Eine eindeutige Definition, was ein bäuerlicher

den sozialen kommen ökonomische Herausfor-

blick über das Landwirtschaftsjahr 2013 und

Familienbetrieb ist, gibt es nicht. Vielmehr sind

derungen, wie die schwache Marktposition, die

die Marktverhältnisse. Das kühle und feucht

es verschiedene Indikatoren, die eine Abgren-

begrenzten Ressourcen und der stetige Druck

Wetter bis Ende Juni verzögerte die Ernten um

zung gegenüber der industriellen und der rein

auf die Lebensmittelpreise hinzu. Letzteres

gut zwei Wochen. Juli und August waren dann

hobbymässigen Landwirtschaft ermöglichen.

führt dazu, dass die ökologischen und übrigen

sehr trocken, was sich bei gewissen Kulturen

Zu diesen gehören Fragen wie: Wem gehört

gemeinwirtschaftlichen Leistungen nur teilwei-

positiv, bei anderen negativ auswirkte. Insge-

der Betrieb, woher kommt das Familieneinkom-

se oder gar nicht marktfähig sind und durch

samt war es ein unterdurchschnittliches Jahr

men, wer trifft die Entscheidungen und trägt

Direktzahlungen abgegolten werden müssen.

für den Pflanzenbau. Dank besseren Preisen

das Risiko oder wer arbeitet auf dem Betrieb?

Nicht in allen Ländern bietet aber der Staat die

bei der Milch und den Schweinen konnte hin-

Daran lässt sich feststellen, dass fast alle Höfe

nötige Unterstützung, obwohl diese Form der

gegen die tierische Produktion ihre Wertschöp-

in der Schweiz Familienbetriebe sind. In Ent-

Landwirtschaft Probleme wie die Landflucht

fung gegenüber dem Vorjahr verbessern. Das

wicklungsländern hingegen gibt es industrielle

bekämpft und den Menschen eine Perspektive

Einkommen pro Familienarbeitskraft, so die

Grossbetriebe, die in der Hand von weltweit tä-

bietet. Fünf verschiedene Portraits von Bau-

Schätzung des SBV, dürfte sich leicht verbes-

tigen Unternehmen sind, vor allem Produkte für

ernfamilien aus aller Welt zeigen die schwierige

sern.

den Export anbauen und den bäuerlichen Fami-

Situation von bäuerlichen Familienbetrieben in

lienbetrieben das Kulturland streitig machen.

Entwicklungsländern. Neben den Unterschie-

Erfolgsmodell: der bäuerliche Familienbetrieb

»»»

10

Erfolgsmodell: der bäuerliche Familienbetrieb EINLEITUNG UND DEFINITION

Schnell kommt die Frage auf, was genau einen

Im Rahmen dieses Berichts geht es im ersten

bäuerlichen Familienbetrieb ausmacht und wie

Teil darum, das Konzept der bäuerlichen Fami-

er sich definieren lässt. So unterliegt nur schon

lienbetriebe zu präzisieren. Das Ziel ist jedoch

World Rural Forums und der FAO zum «Inter-

der Begriff «Familie» in der heutigen Gesell-

nicht, eine klar abgrenzbare Definition zu ent-

national Year of Family Farming», also zum In-

schaft einem starken Wandel mit traditionellen

wickeln. Vielmehr sollen die Faktoren heraus-

ternationalen Jahr der bäuerlichen Familienbe-

Familien, Einelternfamilien, Patchwork-Fami-

geschält werden, welche den Gegensatz zur

Die UNO hat das Jahr 2014 auf Antrag des

triebe deklariert. Im Hinblick auf die künftige Versorgung der Weltbevölkerung mit Lebensmitteln kommt diesen weltweit eine grosse Bedeutung zu. Das Thema ist auch für die Schweiz

«

Der bäuerliche Familienbetrieb ist nicht nur eine Arbeits- sondern auch eine Lebensgemeinschaft.

»

Ruth Rossier

von Interesse, prägen doch bäuerliche Familienbetriebe ihre Landwirtschaft. Obwohl diese

lien und gleichgeschlechtlichen Eltern. Auch

industriellen Landwirtschaft und zur Hobby-

im internationalen Vergleich gut mechanisiert

«bäuerlich» ist ein sehr weit gefasster Begriff,

landwirtschaft ausmachen.

und die Betriebsleiter bestens ausgebildet

der sich nicht mit wenigen Worten beschreiben

sind, teilen sie viele der Sorgen in den übrigen

lässt. Dazu ist er viel zu vielfältig und facetten-

Verschiedene Merkmale spielen eine Rolle

Weltregionen.

reich.

Im Hinblick auf das Internationale Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe hat sich auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisati-

Abbildung 1: Indikatoren zur Abgrenzung eines Familienbetriebs

on der Vereinten Nationen (FAO) dieser Frage angenommen. Sie hat über 36 verschiedene

Wer macht die Arbeit

Definitionen aus Wissenschafts-, Regierungs-

auf dem Betrieb?

Wer trifft die wichtigen Entscheidungen?

Wie ist die Betriebs-

chen Betrieb?

trieb auf eigene Rechnung führt. Die Grösse des Betriebs, die sich auf unterschiedliche Art de-

die Infrastrukturen?

finieren lässt, erscheint ebenfalls als zentrales

Indikatoren

Merkmal der bäuerlichen Familienbetriebe. Die FAO erwähnt weiter den beschränkten Zugang Wie wird der Betrieb finanziert?

zu Ressourcen wie Land oder Kapital und dass die Landwirtschaft die Haupteinkommensquelle darstellt. Für die französische Nichtregierungsorganisation Coordination SUD ist der

Woher stammt das Familieneinkommen?

Betrieb hauptsächlich von Familienangehörigen

Wer besitzt das Land und

dungen zwischen Familie und dem landwirtschaftli-

figsten genannt wird, dass die Arbeit auf dem ausgeführt wird und dass die Familie den Be-

übergabe geplant?

Welches sind die Verbin-

und NGO-Kreisen zusammengetragen. Am häu-

enge Zusammenhang zwischen den wirtschaftWer trägt die Risiken?

lichen Tätigkeiten und der Familie das entscheidende Merkmal der bäuerlichen Familienbetrie-

11

denkt langfristig und erbringt die vielfältigen Leistungen «Die Bauernfamilie flexibel und mit grossem Engagement. Diese Unternehmensform lässt viel Spielraum für eigenverantwortliches Handeln. » Bundesrat Johann Schneider- Ammann

be. Dieser Zusammenhang beeinflusst auch die betriebswirtschaftliche Beschlussfassung, die Arbeitsorganisation sowie die Betriebsführung und -übergabe.

ƒƒ Die Familie führt den Betrieb auf eigenes

Landwirtschaft bilden. Deutlich zeigt sich dies anhand der Betriebsgrösse, die im internatio-

Risiko. ƒƒ Die Landwirtschaft ist die Haupteinkom-

nalen Vergleich relativ klein ist (Abb. 2). Das folgende Kapitel geht auf die weiteren Fakto-

mensquelle der Familie. ƒƒ Das Familienleben und die Tätigkeiten auf

ren und die Schweizer Situation vertieft ein.

Die Definition bäuerlicher Familienbetriebe

dem landwirtschaftlichen Betrieb sind eng

Im Jahr 2011 betrug die durchschnittliche land-

hängt somit von mehreren Indikatoren ab,

miteinander verflochten.

wirtschaftliche Nutzfläche pro Betrieb etwa

die nicht einzeln betrachtet werden können. Es lässt sich unmöglich sagen, ab welcher

ƒƒ Der landwirtschaftliche Betrieb wird von Generation zu Generation weitergegeben.

18  Hektaren. Lediglich 124 Betriebe wiesen eine Fläche von über 100 Hektaren auf.

Fläche oder Angestelltenzahl ein Betrieb kein Familienbetrieb mehr ist. Die verschiedenen

Familienbetriebe sind in

Artikel 104 der Bundesverfassung, der die

Indikatoren müssen als Ganzes betrachtet

der Schweiz die Norm

Rahmenbedingungen für den Landwirtschafts-

und je nach Kontext unterschiedlich bewertet

In der Schweiz gibt es ebenfalls keine offizi-

sektor absteckt, hat dazu beigetragen, die

werden. Die Abbildung 1 zeigt die Vielfalt der

elle Definition für bäuerliche Familienbetrie-

bäuerlichen Familienbetriebe zu erhalten und

Aspekte, welche die familienbetriebene Land-

be. Trotzdem kann man guten Gewissens be-

zusammen mit weiteren Gesetzesgrundlagen,

wirtschaft ausmachen.

haupten, dass die bäuerlichen Familiebetriebe

wie dem bäuerlichen Boden- und Pachtrecht,

nach wie vor noch das Rückgrat der Schweizer

zu fördern. Diese Form der Landwirtschaft

Olivier De Schutter, der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, hat sich ebenfalls Gedanken zur Definition

Der bäuerliche Familienbetrieb Von Olivier De Schutter, Sonderberichterstatter der

aus internationaler Perspektive gemacht (Kas-

Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung

ten). Aus den verschiedenen Aussagen lassen

Die Definition eines Familienbetriebs variiert von Land zu Land und

sich folgende Parameter herausschälen, die in

sogar von Region zu Region. In Brasilien zum Beispiel stützt sich

ihrer Gesamtheit bäuerliche Familienbetriebe

der Begriff des Familienbetriebs auf ein Gesetz (Gesetz Nr.11.326

von der industriellen Landwirtschaft und auch

vom 24. Juli 2006), das vier Anforderungen stellt: eine maximale

gegenüber reinen Hobbybetrieben abgrenzen:

Fläche (wobei die Kriterien je nach Gliedstaat verschieden sind);

ƒƒ Familienangehörige verrichten den grössten

ein arbeitsbasiertes Kriterium (die Arbeit auf dem Betrieb muss

Teil der Arbeit auf dem Betrieb. ƒƒ Die Familie trifft die strategischen Entscheidungen. ƒƒ Die Familie besitzt das Land und die Infrastrukturen oder die Bereitstellung ist durch einen Pachtvertrag geregelt. ƒƒ Das im Betrieb investierte Kapital stammt mehrheitlich aus Eigenmitteln oder von Kreditgebern, die nicht eine kurzfristige Rendite anstreben.

überwiegend von Familienmitgliedern erbracht werden); ein Einkommenskriterium (das Familieneinkommen muss überwiegend aus den betrieblichen Tätigkeiten stammen), und ein Geschäftsführungskriterium (die Familie muss die Führung innehaben). Das Flächenkriterium ist für die Definition eines Familienbetriebs folglich von beschränktem Nutzen. Entscheidender scheint die Frage zu sein, wem die Produktionsmittel gehören und wer auf dem Betrieb arbeitet: Ein Familienbetrieb liegt dann vor, wenn er in den Händen der Personen ist, die den Alltagsbetrieb sicherstellen. Wie sich zeigt, ist die Frage der Definition heikel. Sie umfasst ideologische Dimensionen, deren Bedeutung nicht zu unterschätzen ist.

12

dürfte am besten geeignet sein, um:

rausforderungen der bäuerlichen Familienbe-

über 7% als einfache Gesellschaft aufgeführt.

ƒƒ die hohen Anforderungen bezüglich Nach-

triebe ein. Ebenso stellt er verschiedene typi-

Aus einer juristischen Perspektive können folg-

sche Familienbetriebe im In- und Ausland vor.

lich rund 99% der Landwirtschaftsbetriebe in

haltigkeit und Tierschutz zu erfüllen;

der Schweiz als Familienbetriebe bezeichnet

ƒƒ innovative Betriebe zu fördern, die optimal auf

werden (Tab. 1).

die Marktnachfrage reagieren, sich bietende Chancen packen und Nischen erschliessen; ƒƒ die multifunktionalen Aufgaben wie die Le-

BEDEUTUNG DER FAMILIENBETRIEBE IN DER SCHWEIZ

Sowohl bei der Rechtsform der natürlichen Person als auch bei der einfachen Gesellschaft

bensmittelproduktion, die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, die Pflege der

Ein möglicher Indikator, um die zentrale Rolle

haften die Gesellschafter und somit indirekt

Kulturlandschaft und der Traditionen sowie

der Familienbetriebe innerhalb der Schweizer

die Familien solidarisch und mit dem ganzen

die Rolle als Motor des ländlichen Raums

Landwirtschaft zu beschreiben, sind deren

Vermögen für Verbindlichkeiten der gesamten

wahrzunehmen.

Rechtsformen, wie sie das Agrarinformations-

Gesellschaft.

system des Bundesamtes für Landwirtschaft Dieser Bericht geht weiter auf die Bedeutung

BLW erfasst. Demnach sind rund 91% der Be-

Grössere aber weniger Betriebe

und Entwicklung, den Mehrwert sowie die He-

triebe im Besitz einer natürlichen Person sowie

Die Familienbetriebe in der Schweiz unterlagen in den letzten Jahren einem stetigen

Tabelle 1: Rechtsformen der landwirtschaftlichen Betriebe in der Schweiz 2011.

Strukturwandel. Während es in der Schweiz

Quelle: Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) 2013

in den 1960er-Jahren noch über 160 000 landwirtschaftliche Betriebe gab, ist die Zahl bis

Rechtsform

Prozent

heute auf 57 000 gesunken. Die frei werden-

Aktiengesellschaft

0.43 %

den Nutzflächen gingen an die verbleibenden

Bund (Betrieb)

0.01 %

Betriebe und führten dazu, dass sich die be-

Einfache Gesellschaft

7.40 %

wirtschafteten Flächen pro Betrieb bis heute

Gemeinde (Betrieb)

0.01 %

ständig vergrösserten. Während im Jahr 1985

Genossenschaft

0.04 %

durchschnittlich 10 Hektaren bewirtschaftet

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

0.20 %

wurden, waren es 2010 bereits 18 Hektaren.

Kanton (Betrieb)

0.05 %

Dennoch bleiben die Schweizer Betriebe im

Kollektivgesellschaft

0.08 %

internationalen Vergleich relativ klein (Abb. 2),

Kommanditaktiengesellschaft

0.01 %

was nicht zuletzt auf die topografischen Ein-

Kommanditgesellschaft

0.00 %

schränkungen zurückzuführen ist.

Natürliche Person

91.53 %

Öffentlich-rechtliche Körperschaft (Betrieb)

0.02 %

Über 40% der Flächen

Öffentlich-rechtliche Körperschaft (Verwaltung)

0.02 %

in Pacht bewirtschaftet

Stiftung

0.08 %

Ein Kriterium ist, wie eingangs erwähnt, der

Verein, Vereinigung

0.04 %

Besitzstand. Ein Familienbetrieb kann aber

Nicht zugeteilt

0.08 %

auch dann vorliegen, wenn grosse Flächen

Total

100.00 %

oder ganze Betriebe langfristig gepachtet sind.

13

Während die Pacht von ganzen Betrieben in

Abbildung 2: Durchschnittliche Betriebsgrössen (ha) ausgewählter Länder 2010.

der Schweiz eher von geringer Bedeutung ist

Quellen: Eurostat 2013, FAO 2011 (Kirgistan, Indien, Honduras) 160

11

14

32

Vereinigtes Königreich

grösseren Betrieben

8

60

Luxemburg

1

26

56

Deutschland

Grössere Zuversicht bei

1

19

54

Frankreich

0

1

18

Belgien

Bewirtschafters.

20

Niederlande

in der Slowakei nicht einmal 10% Eigentum des

40

Österreich

teten Fläche als Eigentum gezählt werden, sind

Schweiz

Während in Irland über 80% der bewirtschaf-

60

Litauen

innerhalb Europas ist allerdings sehr gross.

84

80

Honduras

im europäischen Durchschnitt. Die Streuung

100

Italien

verhältnis (Abb. 3). Die Schweiz liegt damit

120

Indien

der Schweiz rund 40% ihrer Flächen im Pacht-

Kirgistan

ckenholz-Tänikon ART die Familienbetriebe

152

140

Malta

der Zentralen Auswertung von Agroscope Re-

Betriebsgrössen in Hektaren

che bedeutsam: 2011 bewirtschafteten laut

Die Entwicklung hin zu immer grösseren Betrieben dürfte mit ein Grund sein, warum vor

Tschechische Republik

(2011: ca. 9%), ist die Pacht von Betriebsflä-

Abbildung 3: Betriebsverhältnisse im europäischen Vergleich 2007.

allem kleinere Betriebe ihren Fortbestand als

Quelle: EU-Strukturerhebung 2007, Eurostat & Landwirtschaftliche Betriebszählung

unwahrscheinlich beurteilen: In einer Umfrage

und landwirtschaftliche Betriebsstrukturerhebung, Bundesamt für Statistik (BFS)

aus dem Jahr 2010 (Abb. 4) sagten nur gerade 25% der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter

n Eigentum

von Betrieben mit einer Nutzfläche von unter

100%

5  Hektaren, dass ihr Betrieb wahrscheinlich

90%

weitergeführt wird. Bei Betrieben mit Nutzflä-

80%

chen über 30 Hektaren waren 66% hinsichtlich

70%

der Zukunft des Betriebes zuversichtlich.

60%

n Pacht, Teilpacht und andere Besitzerverhältnisse

Slowakische Republik

Tschechische Republik

Familie erledigt wird – sei es nun Voll- oder Teil-

Bulgarien

Hauptteil der anfallenden Arbeiten durch die

Frankreich

0%

Gleich geblieben ist, dass auch heute noch der

Deutschland

ten hat sich seit den 1980er-Jahren halbiert.

Schweiz

10% Niederlande

tor ab. Die Zahl an Voll- und Teilzeitbeschäftig-

EU-27

20%

Österreich

an Beschäftigten im landwirtschaftlichen Sek-

Portugal

30%

Italien

40%

Mit dem Strukturwandel nahm auch die Zahl

Polen

Wichtige familieneigene Arbeitskräfte

Irland

50%

14

Abbildung 4: Voraussichtlicher Fortbestand der Familienbetriebe deren LeiterInnen

zeit. 2011 waren 76% der Vollzeit- und 86% der

das 50. Altersjahr überschritten haben. Quelle: Landwirtschaftliche Betriebszählung und

Teilzeitbeschäftigten auf landwirtschaftlichen

landwirtschaftliche Betriebsstrukturerhebung, BFS, Statistik 2010

Betrieben Familienangehörige (Abb. 5). Damit

n Wahrscheinlich

n Unwahrscheinlich

gehört die Schweiz auch im internationalen

n Ungewiss

100%

Vergleich zu den Spitzenreitern. 2007 waren

90%

in der Schweiz pro Betrieb 1.8 Familienarbeitskräfte beschäftigt, während der EU-Durch-

80%

schnitt lediglich bei einer Familienarbeitskraft

70%

pro Betrieb lag (Abb. 6). Diese Tatsache lässt

60%

sich als weiterer Hinweis für die grosse Be-

50%

deutung der Familienbetriebe in der Schweizer

40%

Landwirtschaft interpretieren.

30%

Entscheidungsfindung innerhalb

20%

der Familie

10%

Ein anderer Aspekt bezüglich Familienbetrie-

0%

< 5 ha

5 - 10 ha

10 - 20 ha

20 - 30 ha

30 ha