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die Beratung vor Ort – 139. II.2 ... gen muss, gilt nach einer Definition aus Großbritannien als »energiearm«. ... Notwendig ist die fachkundige Beratung in der.
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Michael Kopatz u. a.

Energiewende. Aber fair! Wie sich die Energiezukunft sozial tragfähig gestalten lässt WUPPERTAL INSTITUT

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Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter www.oekom.de Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH, Waltherstraße 29, 80337 München Weitere Autoren und Mitarbeit: siehe Seite 294 Gesamtredaktion: Michael Kopatz Journalistisches Lektorat: Joachim Wille (Frankfurter Rundschau) Korrektorat: Silvia Stammen, München Satz + Layout: oekom verlag Umschlaggestaltung: Elisabeth Fürnstein, oekom verlag Titelfoto: © Wanja Jacob (fotolia.com) Druck: AZ Druck und Datentechnik, Kempten Dieses Buch wurde auf 100%igem Recyclingpapier gedruckt. Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-86581-428-9 e-ISBN 978-3-86581-554-5

Michael Kopatz u.a.

Energiewende. Aber fair! Wie sich die Energiezukunft sozial tragfähig gestalten lässt

Inhalt Vorwort – 9 Für eilige Leser – 11 Klimaschutz und Ressourcengerechtigkeit: Energiearmut als ökologische Herausforderung – 15

Teil I: Das Phänomen Energiearmut I.1

Ursachen für Energiearmut – 24 Armut – 24 Steigende Energiepreise – 31 Gebäudezustand, Hausgeräte, Routinen – 35 Selbstverstärkungseffekte der Energiearmut – 38

I.2

Auswirkungen von Energiearmut – 40 Wer ist betroffen? – 40 Die Menschen – 42 Finanzielle Belastung der öffentlichen Haushalte – 50 Die Perspektive der Versorger – 52

I.3

Kostentreiber Energiewende? – 54

I.4

Arme Verschwender? – 59

I.5

Kann man Energiearmut definieren? – 62 Die Bundesregierung vermeidet den Begriff Energiearmut – 62 Was ist »angemessen« warm? – 63 Großbritannien – 65 Energiearmut in Deutschland – 70

I.6

Internationales – 77 Großbritannien – 78 Österreich – 84 Gegen Energiearmut in der EU – 89 Energiearmut in Entwicklungsländern – 90

Inhalt

5

Teil II: Maßnahmenfelder

6

II.1

Vor Ort beraten – 96 Der Stromspar-Check – 96 Das EnergieSparProjekt aus Nürnberg – 104 Sei clever! spare Energie – 117 EnergieSparService Essen – 123 NRW bekämpft Energiearmut – 132 Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Beratung vor Ort – 139

II.2

Gebäudesanierung: Öko, aber unsozial? – 145 Ausgangslage – 145 Gute Beispiele – 156 Maßnahmen und Konzepte – 161 Die ökofaire Transformation – 171

II.3

Prepaid statt Sperre – 173 Das Gesetz und »schutzbedürftige« Haushalte – 176 Bezahlen nach Bedarf mit digitalen Zählern – 178 Die Technik – 178 Geräte – 183 Die Psychologie: Smart Meter als »Schubser« – 185 Der politische Rahmen und die Verbreitung von Smart Metern – 187 Wie die Guthabenaufladung funktioniert – 189 Praxiserfahrungen mit Prepaid-Zählern – 190 Zusammenfassung – 196

II.4

Soziales Recht und Förderkonzepte – 200 Staatliche Transfers für Strom – 200 Übernahme der Heizkosten fair gestalten – 205 Anschaffung effizienter Geräte – 216 Förderbedarf für Heizungen – 222

II.5

Soziale Tarife? – 224 Auswirkungen der »Freimengentarife« – 224 Sozialtarif im Wettbewerb – 231 Progressive Tarife – 232 Reduzierung der Stromsteuer – 233 Reduzierung der Mehrwertsteuer – 234 Tarifwirrwarr – 236 Fazit – 240

II.6

Mobil ohne Auto – 242 Die Folgen von Mobilitätsarmut abschwächen – 243 Mobilitätsarmut beseitigen – 244 Semesterticket für alle – 245 Kosten – 249 Fazit – 250

Inhalt

II.7

Nationales Programm gegen Energiearmut – 251 Stabile Finanzierung – 251 Aufgaben des Programms – 253 Organisation – 255 Die Einsparverpflichtung – eine Alternative? – 257 Fazit – 258 Die faire Energiewende – 260 Ingenieurskunst – 260 Lebenskunst – 264 Es gibt nur Gewinner – 271 Anhang – 275 Endnoten – 276 Bildnachweis – 292

Inhalt

7

Vorwort Klimawandel und Ressourcenknappheit zwingen uns zu einem grundlegenden Wandel – technologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Ganz konkret sichtbar wird der Systemwechsel bei der Energieversorgung. Ihren Anfang nahm die Umstellung mit der gesetzlichen Einspeisevergütung für erneuerbare Energien und sie wurde zum durchgreifenden Konzept infolge der Reaktorkatstrophe in Fukushima. Seither beobachten weltweit Industrienationen mit gespannter Aufmerksamkeit, ob in Deutschland das scheinbar Unmögliche gelingt. Dabei geht es weniger um die technischen Potenziale, sondern eher um die gesellschaftliche Dynamik. Denn allerorten scheinen wütende Bürger bestrebt, den Bau von Speichern, Windkraftwerken und Trassen in ihren persönlichen Lebensbereichen zu behindern. Hinzu kommt, dass die Besitzstandswahrer ein Zerrbild von Gewinnern und Verlierern in der öffentlichen Diskussion etablieren möchten; als sei die Transformation der Energieversorgung nur um den Preis der sozialen Spaltung zu haben. Genau hier liegt der Ansatzpunkt der vorliegenden Studie »Energiewende. Aber fair!«. Statt sich mit der Polemik über hohe Strompreise zu befassen, entwickelt Michael Kopatz konkret umsetzbare Maßnahmen, mit denen Geringverdiener entlastet werden. Das Besondere an diesem Buch ist die Verschmelzung von sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Perspektiven, die wissenschaftlich fundiert und zugleich praxiserprobt sind. Dementsprechend vielfältig sind die Adressaten des Buches: Akteure aus der Umwelt- und Sozialpolitik, Wohlfahrtsund Umweltverbände, Schuldnerberatungen, Sozial- und Umweltbehörden, Wohnungsgesellschaften, Energieversorger, Stadtwerke und Kirchen sowie Wissenschaftler. Die sozialverträgliche Gestaltung der Energiewende geht alle etwas an.

Vorwort

9

Eine verständliche und anschauliche Sprache, verbunden mit zahlreichen Abbildungen und Grafiken, macht die Lektüre zu einer Freude. Hervorgehobene Textpassagen erschließen die Thematik auch dem punktuellen Querleser. Viel Freude und Anregung beim Lesen wünscht Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie

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Vorwort

Für eilige Leser Wie keine andere Nation betreibt Deutschland den Wandel der Energieversorgung. In gut 30 Jahren wird der Strom fast ausschließlich erneuerbar erzeugt. Ehrgeizige Effizienzprogramme im Zusammenwirken mit erneuerbaren Energien werden den Bedarf an Kohle, Öl und Gas um mehr als drei Viertel reduzieren. Diese Energiewende führt mittelfristig zu moderaten und sozial verträglichen Preisen, weil die Abhängigkeit von den versiegenden fossilen Ressourcen sinkt. Doch der Widerstand der Profiteure des Status quo ist enorm. Sie forcieren die Gerechtigkeitsdebatte und gerieren sich als Fürsprecher der Armen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Verfechter der Energiewende auch Lösungen für die sozialen Probleme anbieten, die sich aus dem Umbau ergeben können. In Deutschland gibt es von Jahr zu Jahr mehr Bürger, die ihre Wohnung nicht angemessen heizen und kaum ihre Stromrechnung bezahlen können. Wer mehr als zehn Prozent seines Nettoeinkommens für Energie aufbringen muss, gilt nach einer Definition aus Großbritannien als »energiearm«. Davon sind hierzulande knapp 14 Prozent betroffen, so die Bundesregierung. Energiearmut entsteht durch niedriges Einkommen, hohe Energiepreise, ineffiziente Gebäude, verschwenderische Gerätschaften und durch unbedachte Alltagsroutinen. Sind diese Faktoren ungünstig kombiniert, kommt es schlimmstenfalls zur Strom- oder Gassperre. Hunderttausende leben zeitweise ohne Strom in einer Art Höhlendasein. Inzwischen zeigt sich deutlich: Die Energiewende ist auch eine sozialökologische Herausforderung. Aus rein sozialpolitischer Sicht ließen sich die hohen Energiepreise über Sozialtransfers kompensieren. Doch so flösse viel Geld in ein Fass mit löchrigem Boden, wenn die Energiepreise weiter ansteigen. Jetzt ist die richtige Zeit, die Ressourcenkrise an der Wurzel

Für eilige Leser

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zu packen und zugleich den Klimawandel zu begrenzen. Soweit möglich sind Verbrauchsreduktionen bei angemessenem Komfort anzustreben. Dafür stehen verschiedene Konzepte und Maßnahmen bereit. Entscheidend ist jedoch nicht allein die Geräteausstattung und Beschaffenheit des Gebäudes. Wichtig ist zugleich, die Menschen vor Ort über effiziente Verhaltensweisen zu beraten. Bei einem durchschnittlichen Haushalt liegen allein dadurch die Einsparpotenziale für Strom und Wärme zwischen zehn und 30 Prozent. Richtiges Lüften und moderate Raumtemperaturen können mehrere Hundert Euro sparen. Doch ein Wandel von Alltagsroutinen und Gewohnheiten lässt sich nicht ins Werk setzen, indem einige Infobroschüren verteilt werden. Notwendig ist die fachkundige Beratung in der Wohnung. Sparlampen werden direkt montiert und effiziente Verhaltensweisen vermittelt. Bloße Hinweise genügen indes auch vor Ort nicht. Vielmehr gilt es anschaulich und mit didaktischem Geschick zu erläutern, warum beispielsweise Kipplüften die Schimmelgefahr erhöht und viel Energie kostet. Überhaupt werden die Sparmöglichkeiten beim Heizen oft unterschätzt. Das mag auch daran liegen, dass die öffentliche Diskussion nur um die Stromkosten kreist. Ein Schelm, wer jetzt denkt, hier hätten die Gegner der Energiewende ihre Hände im Spiel. Dabei wäre es fatal, nur die Stromkosten zu betrachten, denn die Heizkosten verursachen in der Regel rund die Hälfte der Energierechnung. Es stimmt übrigens nicht, dass arme Menschen verschwenderisch mit Energie umgehen. Vielmehr handelt es sich um ein weitverbreitetes Vorurteil. Die Auswertung von Beratungsprojekten zeigt, dass Arme eher weniger Strom benötigen als der Durchschnitt. Je wohlhabender die Bürger hingegen sind, desto mehr Energie benötigen sie. Ein wichtiger Ansatzpunkt, um die technischen Sparpotenziale zu erschließen, ist der Kühlschranktausch. Damit lässt sich die Stromrechnung leicht um 100 Euro im Jahr verringern. Doch neue, effiziente Geräte sind teuer und reines Wunschdenken, wenn das Geld knapp ist. Das macht ein bundesweites Förderprogramm notwendig, das in den Kommunen umgesetzt wird. Die Sozialbehörden können mithilfe von fachkundigen Energieberatern klären, ob ein Neugerät helfen kann. Anschließend erhält der Haushalt einen Spendengutschein über 350 Euro, der bei teilnehmenden Fachgeschäften eingelöst werden kann. Nur die Effizienzklasse ist vorgeschrieben. Der Fachhandel liefert den Kühlschrank nach Hause, nimmt das Altgerät mit und schickt die Rechnung an das Sozialamt.

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Für eilige Leser

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die sozialverträgliche Gebäudesanierung. Arme Menschen leben vorwiegend in schlecht isolierten Gebäuden. Das liegt auch daran, dass die Sozialträger nur geringe Mieten übernehmen. In Bielefeld stellt man sich dem Problem mit einem »Klimabonus«. Die Stadt erlaubt höhere Mieten, wenn das Gebäude vergleichsweise wenig Heizkosten verursacht. Das ist für die Staatskasse aufkommensneutral und erhöht den Sanierungsanreiz für Vermieter. Zudem gilt es zu vermeiden, dass einkommensarme Menschen aus ihrem Heim saniert werden. Das ist unter anderem möglich, wenn bei Mehrfamilienhäusern ein Drittel der Sanierungskosten durch die staatliche Förderung getragen wird. Hilfreich wären auch Obergrenzen für Mietsteigerungen sowie eine Stärkung genossenschaftlicher Wohnformen und des sozialen Wohnungsbaus. Die Einführung von Sozialtarifen ist dagegen weniger empfehlenswert. Sie können die sozialen Folgen steigender Energiekosten nicht mildern, ohne zugleich unerwünschte Nebenwirkungen auszulösen. Ein hoher administrativer Aufwand, mangelnde Zielgenauigkeit, rechtliche Hürden, wettbewerbliche Verzerrungen und klimapolitische Überlegungen sprechen gegen eine bundesweit verpflichtende Einführung solcher Tarife. Die schlimmste Folge der Energiearmut, die Versorgungsunterbrechung, können Prepaidzähler verhindern. Sie werden in anderen Ländern millionenfach eingesetzt und vermeiden zunehmende Stromschulden. Die Betroffenen gehen bewusster und sparsamer mit Elektrizität um. Die Guthabenaufladung könnte in Zukunft wie beim Prepaidhandy erfolgen. Sperrungen sind daher zu untersagen. Stattdessen können die Versorger ihre Außenstände mit Prepaidzählern abbauen. Die Finanzierung kann beispielsweise über das Netzentgelt erfolgen. Ohnehin würden kaum Kosten entstehen, wenn die Prepaidfunktion in die gegenwärtige Standardisierung der Intelligenten Stromzähler Eingang findet. Es gibt also zahlreiche Möglichkeiten, um die Folgen hoher Energiepreise für arme Menschen abzufedern. Statt sich in Stimmungsmache und Polemik über »bezahlbare Strompreise« zu ergehen, empfiehlt es sich, konkrete Lösungskonzepte auf den Weg zu bringen. Das schafft Akzeptanz auch bei den Bedürftigen, sichert die Wohlfahrt und stärkt die Demokratie. Es gibt wenig zu verlieren, aber viel zu gewinnen.

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