Elektromobilität - BINE Informationsdienst

Mercedes B-Klasse F-CELL, dem ersten in Serie gefertigten ...... 1 Leichte und schwere Nutzfahrzeuge, Busse und Reisebusse 2 Nationaler Flugverkehr 3 ...
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Themeninfo I/2017 Energieforschung kompakt

Elektromobilität Was uns jetzt und künftig antreibt: Batterie-, Brennstoffzellen- und Hybridantrieb

Ein Service von FIZ Karlsruhe GmbH

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Zur Sache Der Verbrennungsmotor hat eine über 100-jährige Entwicklungsgeschichte hinter sich und ist dabei immer effizienter und sauberer geworden. Trotzdem steht der Automobil-Antrieb vor dem Umbruch: Die Endlichkeit fossiler Kraftstoffe, Klimawandel und Smog verlangen nach alternativen Lösungen. Der Antrieb der Zukunft soll sauber sein, bezahlbar, gut verfügbar und bequem in der Nutzung. Elektroantriebe erfüllen schon heute viele dieser Anforderungen. Sie arbeiten leise und vibrationsarm und emittieren am Ort ihrer Nutzung keine Schadstoffe. Wenn sie mit regenerativ gewonnenem Strom fahren, ist eine ressourcenschonendere und klimafreundlichere Fortbewegung möglich. Im Vergleich zu Verbrennungsmotoren sind Elektromotoren leicht und kompakt. Die Technik ist ausgereift: Sie besitzt einen hohen Wirkungsgrad und arbeitet robust und wartungsarm. Elektromotoren haben eine ähnlich lange Entwicklungsgeschichte wie Verbrennungsmotoren. Es ist also nicht die Antriebstechnik, die die Verbreitung von Elektrofahrzeugen hemmt. Ein hoher Entwicklungsbedarf besteht vielmehr bei den Speichern für ­elektrische Energie. Bei einem Diesel- oder Benzinmotor reicht ein simpler Hohlraum – der drucklose Tank –, um chemisch gebundene Energie für hunderte Kilometer Reichweite zu speichern. Ungleich aufwendiger sind die elektrochemischen Energiespeicher. Sowohl Akkumulatoren als auch Wasserstoffspeicher in Kombination mit Brennstoff­zellen sind vor allem voluminöser. Um die gleiche Reichweite zu garantieren wie ein Liter Diesel, muss z. B. ein Akkumulator etwa 10 Mal so groß und 20 Mal so schwer sein. Zudem fehlt noch eine Infrastruktur. Während sich Tankstellen für Benzin oder Diesel flächendeckend in den entlegensten Gebieten finden, sind Ladeplätze für Batteriespeicher oder Wasserstofftankstellen bislang kaum vorhanden. Der Wandel zu anderen Antriebstechniken vollzieht sich deshalb noch schleichend. Dabei spielen zunächst Hybridsysteme, die Benzin- oder Dieselmotoren mit Elektro­ motoren kombinieren, eine wichtige Rolle. Dazu zählen auch Elektrofahrzeuge mit einem sogenannten Range-Extender. Diese fahren rein elektrisch. Bei Bedarf treibt ein Verbrennungsmotor einen Generator an, der die Batterie auflädt. Welchen Weg die Elektromobilität nimmt, entscheidet sich also maßgeblich anhand der Speicher- und Wandlertechnik. Doch wie ist der derzeitige Stand der Technik bei Batterie und Wasserstofftank mit Brennstoffzelle? Welche Herausforde­ rungen gibt es? Wie können die vielfältigen Anforderungen erfüllt werden? Dieses BINE-Themeninfo geht diesen Fragen auf den Grund und behandelt den Systemkern Batterie, Zelle und Komponenten sowie die eingesetzten Materialien, die Integration ins Netz, und wie es gelingt, eine Infrastruktur zu schaffen. Ihre BINE-Redaktion wünscht Ihnen eine anregende Lektüre

Autoren Batterietechnik: Prof. Dr. Martin Winter (MEET, WWU Münster) Dr. Tobias Placke (MEET, WWU Münster) Dr. Sergej Rothermel (MEET, WWU Münster) Paul Meister (MEET, WWU Münster) Andre Bar (MEET, WWU Münster) Brennstoffzellentechnik: Dr. Wedigo von Wedel (NEXT ENERGY) Redaktion Anna Durst und Dr. Franz Meyer Urheberrecht Eine Verwendung von Text und Abbildungen aus dieser Publikation ist nur mit Zustimmung der BINE-Redaktion gestattet. Sprechen Sie uns an. Titelbild: Anna Durst, BINE Informationsdienst

Inhalt

Aufmacherbilder: S. 3 NOW GmbH/Philipp Plum S. 4 WWU/MEET S. 8 NOW GmbH/Philipp Plum S. 14 WWU/MEET S. 20 Fotolia/kasto

3 Brennstoffzelle, Batterie und Hybrid 4 Zentrale Komponenten der Systeme 7 En passant: Elektro-Rennwagen des 19. Jahrhunderts 8 Batteriezelle versus Brennstoffzelle 14 Materialien für eine mobile Zukunft 19 Standpunkte 20 Elektroautos beeinflussen das Netz 24 Die Mobilität von Morgen

Kaiserstraße 185-197, 53113 Bonn Tel. 0228 92379-0 [email protected] www.bine.info

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Brennstoffzelle, Batterie und Hybrid Hocheffizient, geräuscharm und emissionsfrei: Der elektrische Antriebsstrang bietet dynamische Mobilität, kann erneuerbare Energien integrieren und macht den Transportsektor unabhängiger vom Energieträger Erdöl. Doch welche Technologie wird die elektromobile Zukunft prägen: Batterie oder Brennstoffzelle? Eine Entwederoder-Entscheidung ist aber gar nicht notwendig.

Zu den elektromobilen Antriebskonzepten gehören Hybridfahrzeuge (HEV), Plug-in-Hybridfahrzeuge (PHEV) sowie reine Batterie-Elektrofahrzeuge (BEV) und Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV). Sie können sich in ihren Fahrreichweiten deutlich unterscheiden (Abb. 1). Die Meinungen gehen auseinander, ob Hybridfahrzeuge als Elektromobil gelten, da sie nur kurze elektrische Fahrreichweiten erzielen können und nicht an der Steckdose aufgeladen werden. Gerade in Nordamerika und Asien zeigt der Erfolg der Hybridfahrzeuge, dass die Elektrifizierung des Antriebsstrangs schon beim Kunden angekommen ist. In Deutschland wächst der Markt für Fahrzeuge mit rein batterieelektrischem Antrieb langsam aber stetig. Bisher sind Elektrofahrzeuge noch teurer in der Anschaffung als Verbrennungs- und Hybridfahrzeuge und in der Reichweite deutlich unterlegen. Weitere Hindernisse sind die wenig ausgebaute Ladeinfrastruktur und die im Vergleich zum Kraftstofftanken immer noch langen Ladezeiten. Die Sorge, auf der Suche nach einer Lademöglichkeit liegen zu bleiben, ist bei vielen Menschen groß und schreckt vom Umstieg ab. Diesen Herausforderungen kann auf zwei Arten begegnet werden: Entweder wird die Speicherfähigkeit der Traktionsbatterien weiter erhöht oder diese werden während der Fahrt durch die elektrochemische Umwandlung von Wasserstoff und Luftsauerstoff in einer Brennstoffzelle kontinuierlich nachgeladen (Hybridkonzept). Beide Strategien werden bereits kommerziell umgesetzt, haben aber unterschiedliche Vor- und Nachteile. So verlängert sich zum Beispiel die Ladedauer eines Fahrzeugs an der heimischen Steckdose deutlich, wenn eine Batterie hoher Kapazität ins Fahrzeug eingebaut wird. Zwar gibt es diverse Schnelllademöglichkeiten, sogar auch über induktives – also berührungsfreies – Laden, diese sind jedoch noch selten anzutreffen. Zudem hängt die wirkliche Ladedauer von den technischen Gegebenheiten ab. Bei wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen mit Brennstoffzelle dauert das Auftanken mit Wasserstoff hingegen nicht wesentlich länger als an herkömmlichen Kraftstoff-Zapfsäulen. Kurze Fahrstrecken erhöhen allerdings den Wasserstoffverbrauch, da die Brennstoffzelle bei jedem Neustart auf Betriebstemperatur gebracht werden muss. Somit

schwankt die Reichweite abhängig vom Fahrprofil. Zudem mangelt es immer noch an einer entsprechenden Wasserstoff-Infrastruktur.

Kombinierte Vorteile Zukünftig wird keine der beiden Einzeltechnologien das gesamte Anwendungsspektrum des Individual- und Güterverkehrs sowie bei Nutzfahrzeugen vollständig abdecken können. Sie ergänzen sich hinsichtlich Energieeffizienz, Ressourcenschonung und der unterschiedlichen Anforderungen der eingesetzten Primärenergieträger. Die Anwendungsbereiche – Brennstoffzelle für Langstrecken und ausreichend große Batterie für Kurz- und Mittelstrecken – lassen sich komplementär in einem Fahrzeug kombinieren. Die Frage nach der Vorreitertechnologie lässt sich somit nicht pauschal beantworten. Langfristig ist eine Koexistenz beider Konzepte für den elektrischen Antrieb zu erwarten.

Abb. 1 Die Grafik zeigt die maximale Reichweite derzeit verfügbarer elektromobiler Antriebskonzepte im Vergleich zum konventionellen Antrieb (ICE) mit 1.000 km Reichweite (Herstellerangaben). Der Batteriebetrieb ist grün eingezeichnet, rot der Betrieb mit Verbrennungsmotor. Quelle: WWU/MEET

ICE

1.000 km

HEV

860 km

PHEV

940 km

50 890

FCEV BEV

500 km 560 km

H2

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Zentrale Komponenten der Systeme Batterien und Brennstoffzellen bieten beim gegen­ wärtigen Entwicklungsstand noch keine endgültig ­befriedigenden Lösungen, um das Elektroauto schon gänzlich konkurrenzfähig gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu machen. Beide Arten von elektrochemischen Energiewandlern sind bisher noch teuer und stehen am Anfang der Marktdurchdringung.

Batterie- und Brennstoffzelle stellen elektrische Energie zur Verfügung, haben jedoch grundverschiedene Funktionsweisen und jeweils eigene Stärken und Schwächen. Bei der Auslegung des Batteriesystems sind zwei Faktoren entscheidend: die Leistung und der Energiegehalt. Die Leistung wird in Watt (W) angegeben. Der Energiegehalt korrespondiert hingegen mit der Reichweite des Fahrzeugs. Die Einheit ist eine Wattstunde (Wh) oder Kilowattstunde (kWh). Zudem ist ausschlaggebend, wie schwer und voluminös das Stromspeichermedium – also die Batterie – ist. Die Energiedichte pro Gewicht (= gravimetrisch, Wh/kg) oder Volumen (= volumetrisch, Wh/l) ist somit auch ein Indikator für die Reichweite des Fahrzeugs. Die gravimetrische

Leichte Fahrzeugbatterien Innerhalb des vom BMWi geförderten Projekts „Next Generation Hochvoltspeicher in Leichtbauweise“ – kurz NEXHOS – erforschten Wissenschaftler von BMW gemeinsam mit einem Industrieverbund ein neuartiges Konzept für Li-Ionen-Hochvolt­speichersysteme. Der Schwerpunkt lag auf der Entwicklung innovativer Leicht­­bau­werkstoffe – insbesondere einem Gehäusekonzept mit Kunststoff-Gerüststruktur sowie der entsprechenden Fertigungstechnologien. Darüber hinaus sollte das neue Speicherkonzept als fester B ­ estandteil der Karosserie Strukturaufgaben übernehmen und als Technologieträger für ein Baukastensystem dienen, welches modellübergreifend sowohl in PHEV- als auch in EV-Fahrzeugen seinen Einsatz findet. Ein wichtiges Ziel war neben der Optimierung des Gewichts die Erhöhung der Auto­ma­tisierungstiefe in der Hochvoltspeichermontage, was die Fertigungskosten reduziert, ohne dabei das Fertigungspersonal durch Hochspannungsnähe zu gefährden.

Energiedichte wird auch als spezifische Energie bezeichnet. Die maximal erreichbare Leistung bei gegebenem Batteriegewicht (W/kg) bzw. Volumen (W/l) ist beispielsweise beim Beschleunigen wichtig. Verfügbare Leistung und Energie eines Batteriespeichersystems stehen in einem bestimmten Verhältnis zueinander und variieren je nach Batteriezelltyp. Für eine anschauliche Darstellung wird häufig ein sogenanntes Ragone-Diagramm verwendet, in dem die gravimetrische Leistungsdichte in Abhängigkeit von der gravimetrischen Energiedichte dargestellt wird (Abb. 2). Die Grafik zeigt Batteriezellen, insbesondere ­Lithium-Ionen-Batterien – auch Li-Ionen-Batterien bzw. LIBs genannt –, mit denen elektrische Antriebe hinsichtlich ihrer Leistungsdichte dem Verbrennungsmotor nahe kommen. Die Brennstoffzelle hingegen erlaubt ähnliche bzw. höhere Energiedichten, allerdings bei beschränkter Leistung. Auf dem Weg zu einer funktionsfähigen Traktionsbatterie bilden sogenannte Aktivmaterialien, also Wirtsmaterialien zur Li-Ionen-Speicherung, nur den Anfang eines umfangreichen Materialkreislaufs. Sie sind für den Speichermechanismus verantwortlich. Um das Aktivmaterialpulver zu entsprechenden Elektroden verarbeiten zu können, müssen Binder und Leitkohlenstoffe beigemischt werden, die eine ausreichende Haftung bzw. elektronische Leitfähigkeit zwischen den Aktivmaterialpartikeln gewährleisten. Das Kompositmaterial wird mithilfe des Binders an einen Stromableiter befestigt, der den Strom an- und abtransportiert. In der Zelle werden die negative und positive Elektrode durch einen Separator räumlich getrennt, um einen elektronischen Kurzschluss zu vermeiden. Im Nachfolgenden werden einfachheitshalber die Begriffe Anode (für negative Elektrode) und Kathode (für positive Elektrode) gebraucht. Ein Stapel aus Anode, Separator und Kathode, getränkt mit einem Flüssigelektrolyten, bildet die Grundlage bei Li-Ionen-Zellen. Ein großer Teil der eingesetzten Materialien kann in einem umfangreichen Materialkreislauf wiederverwendet werden (Abb. 3). Bei kleinen Akkus werden teilweise auch Polymerelektrolyte – eine Art Gel – eingesetzt. Neue Konzepte befinden sich noch in der Forschung, bei denen keramische Festelektrolyte den Separator und den Flüssigelektrolyten ersetzen.

Um ein Auto fortbewegen zu können, müssen zahlreiche dieser Zellen seriell miteinander zu Modulen verschaltet werden. Das führt zu einer höheren Betriebsspannung. Je nach Format und Größe der verwendeten Zellen werden diese zusätzlich parallel verschaltet, um die Batteriekapazität und -leistung zu erhöhen. Mehrere Module bilden, seriell verschaltet, schließlich ein Batteriepack. Typisch sind Serienschaltungen von 96 Zellen. Die Betriebsspannung erreicht dann im geladenen Zustand bis zu 400 Volt, was für leistungsstarke Antriebe notwendig ist.

Leistungsdichte [W/kg]

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2.000

Gasturbine

1.000

Superkondensator

500

Verbrennungsmotor Lithium-Ionen-Batterie

200 100 50

Für einen sicheren Betrieb des gesamten Batteriesystems verfügt jedes Modul über eine Modulkontrolleinheit, welche die Zellspannungen und Ströme einzelner, seriell geschalteter Zellgruppen kontinuierlich überwacht und bei Bedarf aktiv angleicht. Eingebaute Temperatur-Sensoren und zumeist angeschlossene Kühlung und Heizung stellen sicher, dass das Modul die vorgesehenen Werte weder über- noch unterschreitet. Informationen aus mehreren solcher Modul-Kontrolleinheiten werden in einer BatterieKontrolleinheit verarbeitet. Diese ermittelt den Ladezustand des Gesamtsystems, antizipiert Fehler und leitet Maßnahmen für einen schonenden und sicheren Betrieb ein. Zusammen bilden die Modul- und Batteriekontrolleinheit das sogenannte Batterie-Management-System (BMS). Inaktive Bauteile, wie zum Beispiel das Gehäuse, erhöhen Gewicht und Volumen, sind jedoch für Funktion und Sicherheit unverzichtbar. Ein optimiertes Verhältnis von aktiven zu inaktiven Komponenten eines Batteriesystems trägt also zu einer Verbesserung der gravimetrischen und der volumetrischen Energiedichte bei (Abb. 4). Vor diesem Hintergrund bildet das Gehäuse, in dem die einzelnen Komponenten untergebracht werden, hohes Potenzial für Gewichtseinsparung und eine bessere Raumausnutzung.

Brennstoffzelle Blei-SäureBatterie

20 Nickel-CadmiumBatterie

10 5 0

Nickel-MetallhydridBatterie 0

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Außer peripheren Pumpen und Gebläsen erfolgt die Umwandlung der chemischen in elektrische Energie ohne bewegte Teile. Aus dem Auspuff des Fahrzeuges entweicht lediglich ein warmer Luftstrom mit weniger Sauerstoff, dafür aber mehr Wasserdampf (H2O) als in der zuvor angesaugten Umgebungsluft. Der Betrieb der Brennstoffzelle ist somit lokal frei von umweltschädlichen Emissionen und Lärm. Das stetige Ansaugen von Luftsauerstoff als Oxidationsmittel auf der Kathodenseite der Brennstoff-

10

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Zink-Luft-Batterie 50

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Energiedichte [Wh/kg]

Abb. 2 Ragone-Diagramm zum Vergleich unterschiedlicher EnergiespeicherTechnologien bzgl. ihrer gravimetrischen Leistungsdichte und gravimetrischen Energiedichte. Für einzelne Batteriesysteme gelten die Angaben auf Zellebene. Quelle: WWU/MEET

Recycling Materialien

Anwendung

Brennstoffzellen-Technologie Neben Batterien ist die Brennstoffzelle eine weitere ­Möglichkeit, Strom für das Elektrofahrzeug zu liefern. Die Brennstoffzelle benötigt Wasserstoff (H2 ) als Kraftstoff und angesaugten Luftsauerstoff (O2 ) aus der Umgebung. Im Brennstoffzellen-Aggregat wird in einer geräuschlosen Umwandlung bei Temperaturen unter 100 °C aus den ­beiden Gasen Wasserstoff und Luftsauerstoff elektrischer Strom direkt gewonnen. Die Wandlung der chemischen Energie des Wasser- und Sauerstoffs in elektrische Energie und Wärme findet in den von den beiden Gasen jeweils getrennt durchströmten Elektroden einer Zelle statt. Um technisch brauchbare Leistungen zu bekommen, werden einige hundert Zellen in einem Stack in Reihe mit gemeinsamen Anschlüssen für die Gaseinlasswege von Wasserstoff und Luft sowie für den Gasauslass geschaltet (Abb. 7).

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Batteriesystem

Komponenten Batteriemodul

Zelle

Abb. 3 Materialkreislauf von wiederaufladbaren Batterien Quelle: WWU/MEET

Aktivmaterial

Elektrode

Zelle

Batteriemodul

Batteriesystem

Anwendung

Abb. 4 Gewichtsanteil an Aktivmaterial am Gesamtgewicht einzelner Batterie- bzw. Automobilkomponenten Quelle: WWU/MEET

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Abb. 5 Bis zum Jahr 2023 sollen 400 Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland gebaut werden. Quelle: obs/AIR LIQUIDE Deutschland GmbH

zellen birgt einen systembedingten Vorteil dieses Energiewandlers gegenüber der Batterietechnologie für Elektrofahrzeuge (BEV). Ein Brennstoffzellenfahrzeug (FCEV) braucht wie das Fahrzeug mit Verbrennungsmotor nur das Reduktionsmittel in Form von Treibstoff (Wasserstoff) in seinem Tank mitzuführen. Ein BEV hingegen hat im In-

Abb. 7 Der Brennstoffzellen-Stack Quelle: WWU/MEET

Endplatten Membran-Elektroden-Einheit (MEA) mit Katalysator Bipolarplatte

H2

H2

O2

Elektrolytmembran

H2

O2

O2

H2O

Abb. 6 Ein Tankvorgang mit Wasserstoff dauert etwa 3 Minuten. Quelle: NOW GmbH/Philipp Plum

neren der Batteriezellen immer sowohl das Reduktionsmittel als auch das Oxidationsmittel an Bord. Diese zusätzliche Mitnahmelast könnte bei den BEV erst entfallen, wenn es gelungen ist, Metall-Luft-Systeme, wie z. B. das Li-Luft-System, als Antriebsbatterie verfügbar zu machen. Für das FCEV ist der Treibstoff Wasserstoff wegen seiner Eigenschaften allerdings nur mit hohem Aufwand zu handhaben. Er ist selbst zwar sehr leicht, dafür aber sehr voluminös und muss auf hohen Druck von einigen hundert Bar gebracht werden, um im Fahrzeug eine ausreichende Menge unterzubringen. Für 5 kg Wasserstoff werden daher rund 100 kg Gewicht an Tank benötigt. Pro Volumeneinheit gesehen sind die erreichbaren Speicherdichten von komprimiertem oder verflüssigtem Wasserstoff noch ungünstiger. Trotz dieser prinzipiellen Schwierigkeit ist Wasserstoff wegen seiner möglichen Schlüsselrolle in einem zukünftigen regenerativen Energiesystem als Treibstoff für FCEVs in der bereits fortgeschrittenen Entwicklung. Wasserstoff kann mittlerweile an speziellen Tankstellen getankt werden, von denen es jedoch erst rund zwei ­Dutzend in Deutschland gibt. Die Wasserstofftanksäulen erscheinen den Kunden ganz ähnlich wie herkömmliche Tankstellen, sie unterscheiden sich von diesen jedoch sehr deutlich in technischer und logistischer Hinsicht wegen der Belieferung mit und der Bevorratung von ­ ­Wasserstoff. Damit sind sie nicht einfach in bestehende Tankstellen integrierbar (Abb. 5). Die Betankung eines FCEVs unterscheidet sich nicht von einem VerbrennerFahrzeug (ICE-Fahrzeug). Derzeit gibt es allerdings noch nicht ausreichend viele Tankplätze und vor allem noch keine dahinterstehende Wasserstoffinfrastruktur. Wäre dies gegeben, wäre die Brennstoffzellentechnologie ­direkt anschlussfähig an die gegenwärtigen Nutzungs­gewohn­heiten der Autofahrer. Mit dem Regierungsprogramm „Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ (NIP2) gibt es in Deutschland ein groß angelegtes Förderprogramm für die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie, an dem das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie weitere Bundesministerien

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En passant

beteiligt sind. Einer der Schwerpunkte des NIP2 ist die Anwendung der Brennstoffzellentechnologie im Verkehrssektor. Die Aktivitäten in Deutschland sind flankiert von internationalen Allianzen (Europa, Japan und USA), bei denen wichtige Technologiezweige und die Politik gemeinsam an der Entwicklung und jeweils der nationalen Implementierung der Brennstoffzellentechnologie im Verkehrssektor arbeiten. Eine zentrale Frage ist die Herkunft des Wasserstoffs. Die globale Umweltverträglichkeit für diese Form der Elektromobilität ist erst gegeben, wenn der Treibstoff Wasserstoff nachhaltig unter Einsatz erneuerbarer Energien produziert wird. Die Nutzungskette besteht aus mehreren verlustbehafteten Prozessschritten. Von der Herstellung des Wasserstoffs, der Verflüssigung bzw. Komprimierung, dem Transport und Lagerung bis schließlich der Rück­ verstromung im Fahrzeug, bleibt von der anfangs eingesetzten elektrischen Energie nur ein Anteil von unter 25 % übrig. Somit kann aus 4 kWh Überschussstrom nur rund 1 kWh Antriebsenergie für das Brennstoffzellenfahrzeug erzeugt werden. In einem Stromnetz mit hohem Anteil an regenerativer Stromerzeugung kann diese Energienutzung trotzdem sinnvoll sein, da sie überschüssigen Strom speichern und verwerten kann. Zu jeder Komponente der Stromerzeugung mit Brennstoffzellen gibt es noch Forschungsbedarf und Projekte mit dem Ziel, deren Funktion, Zuverlässigkeit und Sicherheit zu verbessern sowie die Herstellungskosten der Komponenten zu senken, um so die Serienproduktion vorzubereiten. Entsprechend umfasst die Forschungsförderung branchenübergreifend die gesamte Fertigungskette. Unter den deutschen Autobauern sind besonders zwei Hersteller aktiv unterwegs mit dem Ziel, Brennstoffzellenfahrzeuge in nächster Zeit auf den Markt zu bringen. Der Volkswagen-Konzern engagiert sich u. a. mit einem großen Forschungsprojekt mit mehreren Partnern in dem BMWigeförderten Projekt HyMotion 5. In diesem geht es um entscheidende Schritte der Herstellkette für die Brennstoffzelle auf dem Weg zur Wettbewerbsfähigkeit mit dem Verbrennungsmotor. Im Zentrum steht die Senkung der Herstellkosten der Stacks. Dies erfordert das Ausloten von Grenzen bei der Herstellung der Komponenten, wie der Reduzierung der Platinbeladung der Membran-Elektroden-Einheiten (MEA), der Umformbarkeit von Material für die Bipolarplatten und der Entwicklung von Dichtungskonzepten für den Stackbau. Zusätzlich soll die enge Zusammenarbeit mit den Partnern später eine Zulieferkette mit hoher Gesamtproduktivität aufbauen helfen. Der Fahrzeughersteller Daimler will in Kürze erste Modelle von Brennstoffzellen-Fahrzeugen auf den Markt bringen. Dennoch gibt es bei dieser jungen Technologie für das Automobil noch viele Herausforderungen in Forschung und Entwicklung.

Abb. 8 Illustration der „La Jamais Contente“ mit dem Fahrer und Konstrukteur Camille Jenatzy Quelle: Public Domain via Wikimedia Commons

Elektro-Rennwagen des 19. Jahrhunderts Schon vor über 100 Jahren fuhren Autos elektrisch. „La Jamais Contente“ – frz. für die nie Zufriedene – war ein elektrisch betriebener Rennwagen, der 1898 präsentiert wurde. Das Auto erreichte als erstes Straßenfahrzeug eine Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h. Konstruiert hatte das fast 1,5 Tonnen schwere, raketenförmige Gefährt der belgische Rennfahrer Camille Jenatzy, der auch eine Firma betrieb, die Elektroautos baute. Der Rekord ging drei Jahre später verloren – an einen Wagen mit Dampfantrieb. Die Karosserie lagerte auf einem Kastenrahmen, der aus Partinium angefertigt wurde, einer leichten Legierung aus Aluminium, Wolfram und Magnesium. Die Bauweise in Form eines Torpedos war eine der ersten, die nach aerodynamischen Gesichtspunkten entwickelt wurde. Das Konzept hatte jedoch zwei Schwächen: Zum einen ragte der Oberkörper des Fahrers aus der Karosserie, zum anderen war das Fahrwerk mit den kleinen, dicken Reifen freistehend unter dem Rumpf montiert. So bot der Wagen trotz der strömungsgünstigen Karosserie eine große Angriffsfläche für den Fahrtwind. Außer einem Lenkstock, einem Fußhebel – der die Beschleunigung regelte – und einer Handbremse hatte das Fahrzeug keine weiteren Bedienelemente. Angetrieben wurde der Wagen mit zwei 25-kWElektromotoren mit 200 Volt und 125 Ampere. Eine Batterie aus 82 Bleielementen der Fa. Fulmen bot damals die höchste Speicher­kapazität. Ein Akkumulator-Element mit einer Kapazität von 135 Amperestunden bei 27 A Entladestrom wog 10,4 kg.

Abb. 9 Die „La Jamais Contente“ auf dem Mondial de l’Automobile im Oktober 2014 Quelle: Thesupermat/Wikipedia (CC BY-SA 3.0)

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Batteriezelle versus Brennstoffzelle Sowohl Batterien als auch Brennstoffzellen wandeln chemische Energie in elektrische Energie um. Bei Akkumulatoren, wie etwa der Lithium-Ionen-Batterie, ­ kehrt die Zufuhr elektrischer Energie die chemische Entladungsreaktion um. In Brennstoffzellen werden Wasserstoff und Sauerstoff von außen zu- und das Reaktionsprodukt in Form von Wasserdampf abgeführt.

Generell unterscheidet man bei kommerziellen Li-IonenZellen zwischen drei unterschiedlichen Bauformen: zylindrische, prismatische und sogenannte Pouch-Zellen – auch Pouchbag- oder Coffeebag-Zellen genannt. Bei einer zylindrischen Zelle wird der Elektrodenstapel zu einer Rolle gewickelt und in einem metallischen Gehäuse platziert (Abb. 10). Diese Zellen kommen schon seit den Anfängen bei einer Vielfalt von Anwendungen zum Einsatz, sind günstig in der Herstellung und durch das stabile Gehäuse vor mechanischen Einflüssen geschützt, um z. B. einen gewissen Gasdruck innerhalb der Zelle zu tolerieren. Zylindrisch geformte Zellen lassen sich jedoch nicht ohne Raumverlust zu Modulen und Packs anordnen. Prismatische Zellen haben die Form eines Rechtkants und sind so platzsparend stapelbar. Bei prismatischen Zellen wird ein mechanisch beständiges Plastik- oder Metallgehäuse verwendet (Abb. 11), während bei einer Pouch-Zelle eine dünne, flexible Aluminium-Verbundfolie das Gehäuse bildet (Abb. 12). Ungeachtet des finalen Zellformats ist ein zentraler Prozess der Zellproduktion von Li-Ionen-Batterien die Fertigung der Kompositelektroden (Abb. 16 und 17, S. 11). Bei diesem Prozessschritt wird das Aktivmaterial der Anode oder Kathode als homogene Schicht auf eine Stromableiterfolie aufgebracht. In einem typischen Herstellungsprozess wird zunächst das Aktivmaterial mit dem Binder und einem Leitkohlenstoff trocken vermischt. Als nächstes wird eine bestimmte Menge eines Prozesslösungsmittels dazu gegeben und die Masse zu einer homogenen Schlicke – auch Slurry ­genannt – verrührt. Sobald die gewünschte Fließ­ fähigkeit erreicht ist, wird das Material anschließend in einem Beschichtungsprozess beidseitig auf eine Ableiterfolie aufgebracht. Nach der Trocknung werden die fertigen Elektroden verdichtet, ausgeschnitten und der Zellfertigung zugeführt. Für die Anoden dient typischerweise Wasser als Prozesslösungsmittel und Kupferfolie als Stromableiter, während für die Kathode organische Lösungsmittel und Aluminiumfolie eingesetzt werden. Bei der Fertigung von zylindrischen Zellen werden die Elektroden – jeweils durch einen Separator getrennt – gestapelt.

Der Elektrodenstapel wird dann der Länge nach zu einer Rolle aufgewickelt und in ein metallisches Gehäuse eingebracht. Die an der Anode angebrachte Kupferableiterfolie wird mit dem Zellgehäuse im unteren Bereich der ­Zelle verschweißt. Die Aluminiumableiterfolie wird mit dem positiven Pol im Deckel der Zelle verbunden. Anschließend erfolgt die Befüllung mit einer bestimmten Elektrolytmenge und der Verschluss der Zelle. Ein Kunststoffring stellt dabei die elektrische Isolierung des posi­ tiven Pols vom Gehäuse sicher; das Gehäuse dient zugleich als negativer Pol. Bei prismatischen und Pouch-Zellen kann die Elektrodenanordnung auf zwei Arten erfolgen, entweder über einen ovalen Wickel um einen flachen Kern oder durch alter­nie­ rende Stapelung von auf ca. Zellbreite geschnittenen Elektroden und Separatoren. Die ovale Wicklung ist ins­ besondere bei großen Zellen von Vorteil, da diese deutlich schneller und günstiger in der Fertigung ist. Die ­Stapelung einzelner Elektroden und Separatoren ist zeitauf­ wen­diger, führt jedoch zu einer besseren Raumausnutzung innerhalb der Zelle und ist gerade bei sehr dünnen Zellen mechanisch von Vorteil. Die gesamte Prozesskette zur Herstellung automobiltauglicher Li-Ionen-Zellen wurde im Rahmen des vom BMWi-geförderten Projekts „Entwicklung einer Fertigungsmethodik für neuartige wett­ bewerbsfähige Hochenergiebatteriezellen zur Erprobung der Technologie für eine spätere Großserienfertigung in Deutschland“ (Li-FeM) durch die VW-VM Forschungsgesellschaft untersucht und bezüglich einzelner Prozessschritte, wie unter anderem der Elektrodenbeschichtung und -kalandrierung sowie der Elektrolytbefüllung, optimiert. Sicherheit spielt bei der Untersuchung verschiedener Zelltypen, die mit diversen Sicherheitselementen – etwa einem Stromunterbrecher, Current-Interruption-Device (CID) genannt – ausgestattet sein können, eine übergeordnete Rolle. In Sicherheitsprüfungen werden die Zellen unter speziellen, extremen Testbedingungen hinsichtlich ihrer mechanischen, thermischen und elektrischen Stabilität untersucht, unter anderem auf Überladung, Überhitzung oder mechanische Belastungstests.

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Minuspol Zellgehäuse Pluspol Negative Elektrode Kupfer-Stromsammler Separator Positive Elektrode Aluminium-Stromsammler Separator

Isolierdichtung

Abb. 10 Schematischer Aufbau einer zylindrischen Zelle Quelle: WWU/MEET

Minuspol Zellgehäuse Pluspol Negative Elektrode Kupfer-Stromsammler Separator Positive Elektrode Aluminium-Stromsammler

Separator

Abb. 11 Schematischer Aufbau einer prismatischen Zelle Quelle: WWU/MEET

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Zellgehäuse Negative Elektrode Kupfer-Stromsammler Separator Positive Elektrode Aluminium-Stromsammler

Abb. 12 Schematischer Aufbau einer Pouch-Zelle Quelle: WWU/MEET

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Abb. 13 Akkuposition im Auto

Abb. 14 Elektroauto beim „Tanken“ von Strom

Quelle: WWU/MEET

Quelle: Anna Durst, BINE Informationsdienst

Aufbau einer Lithium-Ionen-Zelle Der Aufbau der Anoden bzw. Kathoden ist im Prinzip ähnlich. Jede Elektrode besteht aus vier Hauptbestandteilen, dem jeweiligen Aktivmaterial, dem Leitkohlenstoff, einem Binder und dem Stromableiter (Abb. 18 und 19). Die Li-Ionen-Zelle ist ein geschlossenes System, das aus Anode und Kathode besteht, welche durch den elektrolytgetränkten Separator räumlich voneinander getrennt sind. Während der Ladung der Zelle werden Li-Ionen (Li+) aus dem Kathoden-Aktivmaterial extrahiert und zum Anoden-

Abb. 15 Aufbau einer Lithium-Ionen-Batterie mit einer Graphitanode und einer Schichtoxidkathode Quelle: WWU/MEET

Kupfer-Stromableiter Elektrolyt

Graphenschicht

Lithium-Ion

Aluminium-Stromableiter

Kathode Separator

SEI CEI

Aktivmaterial transportiert, wo sie eingelagert werden. Nach der Ladereaktion befindet sich die Anode in einem elektrochemisch reduzierten Zustand, während die Kathode oxidiert vorliegt. Während der Entladung wird die Transportrichtung der Ionen umgekehrt. Somit findet während des Lade- bzw. Entladevorgangs ein reversibler Transfer der Li+-Ionen zwischen den Elektroden statt (Abb. 15). Die Primärfunktion der Stromableiter besteht darin, den Elektronenzufluss und -abfluss zu bzw. aus der Zelle zu ermöglichen. Bei der Auswahl des Ableiters spielen u. a. die elektronische Leitfähigkeit, der Preis und die elektrochemische Stabilität eine Rolle. Da es sich beim Stromableiter um ein Inaktivmaterial handelt, er also nicht am eigentlichen Speicherprozess teilnimmt, werden möglichst dünne Folien aus hochleitfähigem Kupfer oder Aluminium für die Anode bzw. Kathode verwendet. Für die dauerhafte mechanische Verbindung der Aktivmaterialpartikel untereinander und zum Stromableiter ist der Binder verantwortlich. Vor allem bei Aktivmaterialien, die während der Zyklisierung eine starke Expansion und Kontraktion erfahren, muss der Binder für einen dauerhaften elektronischen Kontakt der Partikel zum Stromableiter sorgen. Bedingt durch die relativ schlechte elektronische Leitfähigkeit einiger Aktivmaterialien ist die Zugabe von Leitkohlenstoffen notwendig. Das soll helfen, eine Gerüststruktur aufzubauen, um die Leitfähigkeit innerhalb der gesamten Elektrode sicherzustellen. Da Binder, Leitadditiv und Strom­ ableiter Inaktivmaterialien sind, ist deren Reduzierung auf ein Minimum in der Elektrode erstrebenswert, um eine möglichst hohe gravimetrische und volumetrische Kapazität zu erzielen. Um einen Kurzschluss innerhalb der Zelle zu vermeiden, müssen Ionen- und Elektronenfluss räumlich voneinander getrennt werden. Während die Elektronen unter Hilfe der Ableiter über einen externen Stromkreis zum Verbraucher fließen, findet durch den Elektrolyten nur ein Transport der Li-Ionen statt. Der Separator hat die Funktion, die Elektroden elektronisch voneinander zu trennen und dient gleichzeitig zur Aufnahme des Elektrolyten. Üblicherweise werden Polymerseparatoren oder keramisch beschichte-

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Abb. 16 Elektrodenherstellung unter realen Bedingungen Quelle: WWU/MEET

te Polymerseparatoren in LIBs eingesetzt. In diesem Zusammenhang sind auch die Gelpolymerelektrolyte (GPE) zu erwähnen, die eine Hybridform aus Elektrolyt und Separator darstellen. Zu den Vorteilen der quasi-festen GPE gehört die mechanische Stabilität, wodurch die Verwendung einer klassischen Separator-Flüssigelektrolyt-Einheit entfällt , sowie die Fähigkeit, die Flüssigkomponente in der Polymerkomponente – wie in einem Schwamm – zu immobilisieren, um auch evtl. Auslaufen zu verhindern.

rungen für den Brennstoffzellen-Stack (Abb. 7): Die Le­bens­dauer eines Brennstoffzellen-Stacks muss innerhalb von 10 Jahren mindestens 5.000 Nutzungsstunden ohne ­nennenswerte Leistungseinbußen betragen, wobei der Stack bis zu 300.000 Lastwechseln und 30.000 StartStopp-Situationen ausgesetzt wird, die er schadlos über­-

Abb. 17 Schematische Darstellung eines Elektrodenherstellungsprozesses

Katalysatoren für die Brennstoffzelle Bei der Technologie der Brennstoffzellen wurde die Einsatzfähigkeit der Einzelkomponenten und deren Zusammenspiel im Dauertest bewiesen und erste Anbieter haben sich mit kleineren Fahrzeugserien bereits auf den Markt zubewegt. So gibt es im Pkw-Bereich Angebote von Herstellern aus Japan und Korea, wie etwa Honda (JPN), Toyota (JPN) und Hyundai (KOR). Anfang 2011 startete Daimler mit der Mercedes B-Klasse F-CELL, dem ersten in Serie gefertigten Brennstoffzellen-Fahrzeug, eine Welttour: Es umrundete innerhalb von 125 Tagen und mit einer gefahrenen Strecke von 30.000 Kilometern die Erde. Das Unternehmen hat innerhalb eines EU-geförderten Demonstrationsprojektes auch 30 europäische Hauptstädte mit Brennstoffzellen-Bussen ausgestattet, die im regulären Linienverkehr im Einsatz sind. Die Brennstoffzellen-Technologie steht insgesamt bei allen Herstellern aber auch noch vor großen technologischen Herausforderungen. Ein wichtiges Forschungsthema, das hier exemplarisch vorgestellt wird, ist die Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit der Katalysatoren. Insbesondere bei dem Kathodenkatalysator treten im Fahrbetrieb oft noch nicht voll zufriedenstellend beherrschte Zustände auf. Für realitätsnahe Lebensdauertests von Brennstoffzellen mit neuen Katalysatorvarianten werden oftmals wiederholte gestauchte Fahrprofile herangezogen, um die tatsächlichen Verhältnisse der Gesamtbelastung möglichst wirklichkeitstreu und dabei zeitsparend wirksam werden zu lassen. Aus der Studie des Langzeitbetriebes im Fahrzeug ergeben sich einige der folgenden Grundanforde-

Quelle: WWU/MEET

a) Herstellung der Elektrodenschlicke

b) und c) Beschichtung und Trocknung der Vorderund Rückseite der Ableiterfolie

d) Schneideprozess

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stehen muss. Diese technischen Anforderungen stellen besonders das Katalysatorsystem auf der Kathodenseite, also auf der Luftseite, vor eine schwierige Aufgabe. Eine andere Schwierigkeit besteht auf der Anodenseite der Zellen im Stack, denn dort kann sich gelegentlich ein spezieller elektrochemischer Zustand der Spannungsumkehr bilden, wenn der Wasserstoff bei beendeter Fahrt abgeschaltet und von Luft oder Stickstoff verdrängt wird.

Abb. 18 Schematischer Aufbau einer Kompositelektrode, bestehend aus Stromableiter (Kupfer oder Aluminium), Aktivmaterial, Ruß – als Leitadditiv – und Binder Quelle: WWU/MEET

Aktivmaterial Leitkohlenstoff bzw. -additiv Stromableiter

Poymerbinder, Elektrolyt, Porosität

Abb. 19 Querschnitt einer Elektrode Quelle: WWU/MEET

10 μm

Dabei können aufgrund des geänderten elektrochemischen Potenzials an der Anode Spannungsumkehrungen – also Umpolungen – vorkommen. Diese schaden dem AnodenKatalysator, wenn sie zu ausgeprägt, zu lange oder zu häufig auftreten. Daher wird sowohl nach möglichst robusten Anoden-Katalysatorsystemen gesucht, als auch nach geeigneter Steuerungstechnik für das Gasmanagement bei Fahrtende. Es besteht wegen der häufig auftretenden korrosiven Betriebszustände in Verbindung mit dem stetigen Bemühen um einen geringstmöglichen Platin-Einsatz also weiterhin ein großes Interesse an besonders degradationsstabilen Katalysatorkonzepten und Trägermaterialien für Brennstoffzellen in Fahrzeugen. Innerhalb der BMWi-geförderten Projekte NeKat und BestKat gingen Wissenschaftler besonderen Fragestellungen zu Katalysatoren nach. Das technische Arbeitsziel der Forschungsarbeiten war die Qualifizierung einer Brennstoffzellen-Membran-Elektroden-Einheit für den Auto­mobilbetrieb, die ausreichend leistungsfähig (spez. Leistung von mindestens 2,9 kW/g Platin) und langzeitstabil mit rund 5.000 Betriebsstunden sein muss. Für die chemischen Abläufe an der gesamten Brennstoffzelle ist vor allem die sogenannte Sauerstoff-Reduktion-Reaktion an der Kathode (engl. Oxygen-Reduction-Reaction oder abgekürzt ORR) maßgeblich. Im Forschungsvorhaben NeKat erreichten die Forscher ihr Ziel nach Durchlaufen der dynamischen Langzeittests mit korrosiven Abschaltereignissen mit einer Membran-Elektroden-Einheit aus neuen Kathoden- und Anodenkatalysatoren auf einem Kohlenstoffträger mit einer Beladung der MEA von nur 0,25 mg Platin/cm2. Damit übertrafen die Wissenschaftler auch die zuvor definierten Stabilitätsanforderungen deutlich. Mit dem Vorhaben BestKat will ein Katalysatorhersteller die Leistung der Kathodenkatalysatoren noch einmal deutlich verbessern. Dabei verfolgt er zwei Wege: über Legierungskatalysatoren und über chemisch modifizierte Katalysatoren. Über den Ansatz der Legierungskatalysatoren konnten sehr aktive Katalysatoren für die Reduktionsreaktion des Sauerstoffs erhalten werden, die den Zielwert von 2,9 kW/g Platin bis zum Faktor 4 gegenüber dem Referenzkatalysator übertrafen, die aber ihre Aktivität bei den Potenzial-Zyklusversuchen recht schnell verloren. Die Legierungskatalysatoren erwiesen sich auch als zu empfindlich gegen die Spannungsumkehr von mehr als einem Volt beim Start-Stopp-Betrieb. Über den anderen Weg der chemisch modifizierten Katalysatoren konnte die Massenaktivität gegenüber dem standardmäßigen Platin-Katalysator erheblich gesteigert ­werden und – allerdings mit wieder anderen KatalysatorPräparationen – eine verbesserte Langzeit-Stabilität im anspruchsvollen Langzeit-Fahrzyklus-Test der MEA demonstriert werden (Abb. 21). Es bleibt eine Herausforderung, die erreichte spezifische Leistung bzw. Haltbarkeit auf einen einzigen Katalysator zu vereinen. Die beiden Projekte verdeutlichen, dass mit weiterer Forschung am Katalysatorsystem die gesetzten Anforderungen an die Brennstoffzelle für die mobile Anwendung eines Tages bedient werden könnten und damit eine wirkliche Konkurrenz zum Verbrennungsmotor für lautloses und umweltschonendes Fahren entstehen kann.

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H2

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O2

Bipolarplatte Membran-Elektroden-Einheit (MEA) mit Katalysator Elektrolytmembran Wasserstoff (H2 ) H+ Elektron (e–) Sauerstoff (O2 ) O2Wasser (H2O)

Restbrenngas

H2 O

2H2 + O2ප 2H2O Abb. 20 Prinzipskizze einer einzelligen Brennstoffzelle

Zellspannung [V]

Quelle: WWU/MEET

0,900 39 µV/h @ 0,1 A/cm2

0,800 0,700 0,600

158 µV/h @ 1,0 A/cm2 0,500 224 µV/h @ 1,5 A/cm2

0,400 0,300

339 µV/h @ 2,0 A/cm2

0,200 0,100 0

0 200 sim. Betriebszeit [h]

400

600

800

1.000

1.200

CV @ 0,1 A/cm CV @ 1,0 A/cm CV @ 1,5 A/cm CV @ 2,0 A/cm Abb. 21 Test einer Membran-Elektroden-Einheit (MEA) während eines Fahrzyklusversuchs mit für den Anodenkatalysator 2

2

2

2

besonders belastenden Luft-Luft-Start-Stoppereignissen: Deren schädliche Auswirkung mit der Zeit auf das Katalysatorsystem der MEA tritt im Fahrzyklusverlauf weniger stark zutage, wenn wenig Strom abgerufen wird (grüne Kurve), wird aber deutlich, wenn die Brennstoffzelle besonders viel Strom liefern muss (gelbe Kurve). Quelle: Daimler AG

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Materialien für eine mobile Zukunft Welche Materialien machen die Mobilität von morgen eigentlich möglich? Ohne Separatoren, Elektroden samt Anoden- und Kathoden-Aktivmaterialien und Elektrolyten wäre eine Batterie nicht realisierbar. Brennstoffzellen bestehen aus speziell entwickelten Katalysatoren – Elektrolyte sind dabei unverzichtbare Kernkomponenten.

Die Materialien einer Batterie stehen am Beginn der Wertschöpfungskette und sind in ihrem Zusammenwirken ursächlich für die Leistungsdaten in der Anwendung. Darüber hinaus sind die Zellmaterialien der größte Kostenverursacher in einer Batterie. Um Li-Ionen-Batterien mit möglichst hohen gravimetrischen oder volumetrischen Energiedichten realisieren zu können, ist die richtige Materialauswahl entscheidend. Generell wird Energiedichte wie folgt definiert:

Energiedichte

Wh Wh bzw. kg L = Kapazität

Ah Ah bzw. kg L

∙ Zellspannung (V)

Die Kapazität der Zelle wird sowohl von der Anodenkapazität als auch der Kathodenkapazität bestimmt und wird vom Material mit der geringeren Li-Ionen Speicherfähigkeit, in der Regel ist das die Kathode, limitiert. Zur Bestimmung der Zellkapazität wird nicht nur die Kapazität der Anode und Kathode, sondern auch die Masse bzw. das Volumen der Inaktivmaterialien berücksichtigt. Das ist insofern relevant, als neuere Materialien mit höherer Dichte tendenziell mehr inaktive Bauteile zur Beherrschung der Sicherheit benötigen.

Anodenmaterialien Stand der Technik im Bereich der Anodenmaterialen in LIBs ist Graphit. Das Material zeichnet sich durch eine spezifische Kapazität von ca. 360 mAh/g aus. Zudem besitzt lithiierter Graphit ein Betriebspotenzial von nur 0,1 V vs. Li/Li+, wodurch eine hohe Zellspannung ermöglicht wird. Lithiierter Graphit reagiert mit dem Elektrolyten, wobei eine für die Sicherheit und Performance essentielle Schutzschicht, die sog. Solid Electrolyte Interphase (SEI) auf der Anode entsteht, welche die weitere Zersetzung der Elektrolytkomponenten verhindert. Die Ausbildung der SEI konsumiert aktives Li, wodurch die nutzbare Kapazität irre­ versibel herabgesetzt wird.

Der Fokus der aktuellen Anodenforschung liegt hauptsächlich auf Materialien, die gut verfügbar und günstig sind und eine höhere spezifische Kapazität als Graphit aufweisen, jedoch auch ein möglichst geringes Betriebspotenzial besitzen. Bedingt durch die vergleichsweise niedrige spezifischen Kapazität kommerzieller Kathodenmaterialien ist die Kapazitätserhöhung der Anode zur Erreichung einer höheren Zellkapazität nur bis zu einem gewissen Grad zielführend (Abb. 23), d. h. aktuell führen Anoden­ kapazitäten > 1.200 mAh/g zu keiner signifikanten Erhöhung der Zellkapazität mehr. Vor diesem Hintergrund kann Silizium (Si) mit einer spezifischen Kapazität von ca. 3.500 mAh/g und einem Betriebspotenzial von 0,4 V gegenüber Li/Li+ einen entschei­ denden Beitrag leisten, um eine höhere Zellen­ergiedichte zu realisieren, und ist aktuell das am intensivsten untersuchte Anodenmaterial zur Substitution des Graphits. Der praktischen Verwendung dieses Materials stehen jedoch einige bisher unzureichend gelöste Probleme im Weg. Während der Li-Aufnahme, auch Lithiierung genannt, kommt es zu einer starken Volumenausdehnung, die bis zu 300 % betragen kann. Bei diesem Vorgang muss die gebildete, und durch Ausdehnungen gerissene, SEI-Schicht lokal durch neue SEI-Schichten repariert werden, wodurch erneut Elektrolyt und aktives Li verbraucht wird. Während der anschließenden De-Lithiierung schrumpft das Material wieder stark zusammen. In Summe kommt es aufgrund von Material-Degradation zu vermehrter Rissbildung und im schlimmsten Fall zum Verlust des elektronischen Kontaktes von Aktivmaterialpartikeln. Als Folge des Kontaktverlustes sinkt die Zellkapazität, da die Partikel nicht mehr für die Energiespeicherung zur Verfügung stehen und somit „totes“ Material darstellen. Verschiedene Ansätze werden verfolgt, um diese Performance-Degradation zu reduzieren. Neben der Verwendung von Si-Nanopartikeln, welche die starken Volumenschwankungen besser vertragen können, werden neue Binder und Elektrolyte eingesetzt. Sie sollen den Zusammenhalt der Partikel in der Elektrode bzw. die Stabilität der SEI-Schicht während des Ladens und Entladens verbessern. Darüber hinaus stellt die geringe elektronische

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2.500

3. Elementhäufigkeit in der Erdkruste [wt. %] 26,5 26,0 25,5 25,0 4,75 4,50 4,25 4,00 0,020

1.500

2.000

0,015

1.000

1.500

1. Gravimetrische Kapazität [mAh/g] 4.000

5.000

3.500

4.500

3.000

4.000 3.500

2.500

3.000

2.000

C

Sn

Ge

Si ZnFe2O4

500 0

Niedrigster Preis Höchster Preis 4. Rohmaterialkosten [USD/lb] 2.000 1.500 1.000 16 14 12 10 8 6

0,010

1.000

500

4

0,005 C

Sn

Ge

Si ZnFe2O4

0

2 0 C

Sn

Ge

Si

Zn

C

Fe

Sn

Ge

Si

Zn

Abb. 22 1. Gravimetrische Kapazität, 2. volumetrische Kapazität, 3. Vorkommen und 4. Kosten von Anodenmaterialien Quelle: WWU/MEET

Leitfähigkeit des Halbleitermaterials Si eine Herausforderung dar. Ein hoher Anteil an Leitkohlenstoffen in der Kompositelektrode kann dem entgegenwirken. Die komplexe Thematik neuer Anodenmaterialien wurde in den BMWi-geförderten Projekten alpha-Laion und LiNaS untersucht. Im Fokus stand etwa die Entwicklung von SiKohlenstoff-Kompositmaterialien. Ein geringer Anteil Si (< 20 Gew. %, entsprechend ca. 1.200 mAh/g) wurde dem Graphit beigemischt, um eine deutlich höhere Kapazität zu erzielen und gleichzeitig die Probleme von Si-Elektroden zu begrenzen. Des Weiteren stand die Untersuchung geeigneter Bindermaterialien und Elektrolyte für Si-basierte Anoden im Vordergrund.

Kathodenmaterialien Im Vergleich zur Anode, bei der hauptsächlich Graphit zum Einsatz kommt, ist die Situation bei den Kathodenmate­ rialien deutlich vielfältiger. Vor allem die Verwendung von diversen Lithium-Metalloxiden mit unterschiedlich zusammengesetzten Mischungen der Metalle Kobalt, Nickel, Mangan und Aluminium entspricht aktuell dem Stand der Technik für automobile Anwendungen. Der prominenteste Vertreter dieser Materialklasse ist das sogenannte LithiumNickel-Kobalt-Manganoxid (NMC), das aus gleichen Anteilen der drei Metalle besteht (ca. 33 % Ni, 33 % Co und 33 % Mn) und eine spezifische Kapazität von ca. 160 mAh/g aufweist. Zur Verbesserung der Energiedichte werden für die Kathodenmaterialien grundsätzlich zwei Strategien verfolgt, zum einen die Erhöhung des Betriebspotenzials und somit der Zellspannung und zum anderen die Erhöhung der spezifischen Kapazität.

werden. Dies wurde u. a. auch im oben erwähnten Projekt alpha-Laion angestrebt. Als derzeit aussichtsreichster Kandidat für die Verwendung in PHEVs und EVs wird Nickel-reiches NMC angesehen. Sowohl die Vor- als auch die Nachteile des Materials sind maßgeblich vom Ni-Anteil abhängig. Auf der einen Seite steigert ein höherer Ni-Anteil die Stromratenfähigkeit und die Kapazität von 160 mAh/g (33 % Ni) auf über 200 mAh/g (80 % Ni). Andererseits führt der hohe Ni-Gehalt zu einer Abnahme der thermischen Stabilität und zu zahlreichen Nebenreaktionen, vor allem an der Grenzfläche zum Elektrolyten, was die Lebensdauer verkürzt. Nickel-reiche Kathodenmaterialien sind bei der Zellfertigung auch extrem anfällig für Reaktionen mit Luftfeuchtigkeit. Für die kommerzielle Implementierung von Ni-reichem NMC bedarf

Abb. 23 Abhängigkeit der Zellkapazität von der Kapazität der Anode unter Annahme einer Kathodenkapazität von 135 mAh/g (Lithium-Kobaltoxid, LCO) bzw. 200 mAh/g (Lithium-Nickel-Kobalt-Aluminiumoxid, NCA) Quelle: WWU/MEET

Kapazität der Zelle [mAh/g]

0

2. Volumetrische Kapazität [mAh/cm3] 5.500

100 80 60 40 20

Bezüglich der Kapazitätserhöhung hat das sogenannte Li-reiche NMC, auch High-Energy-NMC (HE-NMC) genannt, aufgrund der relativ hohen Kapazität von über 250 mAh/g viel Aufmerksamkeit in der Automobilindustrie erlangt. Um HE-NMC für automobile Anwendungen nutzen zu können, müssen noch zahlreiche Performance-Eigenschaften, wie die geringe Zyklenstabilität, der Spannungsabfall und die geringe elektronische Leitfähigkeit, verbessert

0

15

0 500 1.000 Kapazität der Anode [mAh/g] Q Kathode = 135 mAh/g (LCO)

1.500

Q Kathode = 200 mAh/g (NCA)

2.000

Fe

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a)

b)

Kupfer-Stromableiter Lithium-Metall-Anode SEI Flüssigelektrolyt Separator Schwefelkathode Festkörperelektrolyt Kathodenmaterial Lithium-Ion Aluminium-Stromableiter

Abb. 24 Post-Lithium-Ionen-Konzepte: Lithium-Schwefel-Batterie (links) und Feststoff-Batterie (rechts) Quelle: WWU/MEET

es einer Abmilderung der Reaktivität der Partikelober­ flächen, z. B. durch Oberflächenbeschichtung oder gezielte Dotierung des Materials.

Elektrolyte Obwohl der Elektrolyt eine wichtige Systemkomponente in jeder Batteriezelle ist, insbesondere weil er mit vielen Batteriekomponenten chemisch und elektrochemisch reagiert, wurde er in der Forschung lange Zeit stiefmütterlich behandelt. Unter Experten gilt er als „vergessene Batteriephase“. Generell kommt dem Elektrolyten die Aufgabe des Ionen-Transportes zu, wobei er zusammen mit dem Separator gleichzeitig eine Barriere für den Elektronenfluss darstellt. Zentrale Komponenten des Elektrolyten sind das Lösungsmittel, das Leitsalz und Additive. Bei der Zusammenstellung der idealen Mischung sind einige Parameter wie Leitfähigkeit, Viskosität, Entflammbarkeit (Sicherheit) und ein breites elektrochemisches Stabilitätsfenster wichtig.

Abb. 25 Bipolarplatte Quelle: WWU/MEET

In kommerziellen LIBs wird hauptsächlich Lithiumhexafluorophosphat (LiPF6 ) als Leitsalz verwendet. Es trägt zu einer hohen ionischen Leitfähigkeit des Elektrolyten bei, unterstützt den Aufbau einer hocheffektiven SEI-Schicht auf der Anode und – sehr wichtig – stabilisiert den Aluminium-Stromableiter auf der Kathode gegen anodische Auflösung. Das Lösungsmittel besteht generell aus einer Mischung unterschiedlicher Carbonate, die zum einen eine hohe Salzlöslichkeit und somit Leitfähigkeit garantieren und zum anderen die Viskosität des Elektrolyten auf ein passendes Niveau senken. Additive, die in kleinen Anteilen (< 5 Gew. %) zugegeben werden, sollen z. B. zur Verbesserung der SEI-Schichtbildung oder der Sicherheit der Zelle in Form von Brandschutz- bzw. Überladeschutzmitteln beitragen. Die Verwendung von Hochvoltkathoden (mit Ladeschlusspotenzialen > 4,3 V vs. Li/Li+) zeigt das oxidative Limit der Carbonat-basierten Elektrolyte auf, was die Entwicklung neuer Additive und Lösungsmittel, mit erhöhter Stabilität bei hohen Potenzialen, notwendig macht. Einerseits soll durch die Verwendung von Hochvolt-Elektrolyt­additiven, analog zur Funktion der SEI auf der Anode, eine Schutzschicht auf der Kathode, die sogenannte Cathode Electrolyte Interphase (CEI), gebildet werden, die die weitere oxidative Zersetzung des Elektrolyten unterdrückt. Andererseits ist die Suche nach alternativen Lösungsmitteln, die per se eine ausreichende Stabilität bei hohen Potenzialen aufweisen, Gegenstand aktueller Forschung. Der Einführung dieser Alternativen stehen verschiedene Hindernisse, wie u. a. eine Inkompatibilität mit der Graphit­ anode oder deutlich höhere Kosten als beim Standardelektrolyten, im Weg.

Alternative Batteriekonzepte Neben den etablierten LIBs werden in der Wissenschaft aktuell neue bzw. alternative Zellkonzepte verfolgt, wie insbesondere die Li-Schwefel-Batterie (Abb. 24 links), die Li-Luft-Batterie oder die Feststoffbatterie (Abb. 24 rechts) – auch All-Solid-State-Batterie genannt. Allgemein werden diese Konzepte auch unter dem Begriff Post-Lithium-­

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Aus der Praxis Wasserstoff für Fahrzeuganwendungen sicher speichern

Abb. 26 Kryodruck-Speicherung von Wasserstoff für Fahrzeuganwendungen (links) Quelle: BMW AG

Abb. 27 Druckspeicherung von Wasserstoff für Fahrzeuganwendungen (oben) Quelle: Roland Mösl, PEG ,

Brennstoffzellentechnologie im Fahrzeug bedeutet für viele Bauteile den ständigen Kontakt mit Wasserstoff. Es ist bekannt, dass Stahl und viele andere Materialien unter Langzeit-Einwirkung von Wasserstoff verspröden. Daher muss gewährleistet sein, dass alle Bauteile, die in ständigem Kontakt mit Wasserstoff stehen, über die Lebensdauer des Fahrzeuges haltbar und sicher sind. Das Forschungsvorhaben MatFuel fokussiert auf die werkstoff­ liche Einsatzfähigkeit von Systemkomponenten. Die Weiterentwicklung der Werkstoffe soll zu kostengünstigeren Lösungen führen und die Zuverlässigkeit von Bauteilen steigern (Abb. 28). Neben dem Einsatz im Automobil wird Wasserstoff auch als Energieträger für breitere Anwendungen in der Energiewirtschaft diskutiert. Die Erkenntnisse aus dem Vorhaben können deshalb auf viele Anwendungen übertragen werden. Beispiele sind die Energieversorgung von Kleingeräten, die Kraft-WärmeKopplung jeder Anwendungsgröße bis hin zur Materialforschung für eine saisonale Energiespeicherung. Die verwendete Tanktechnologie (Abb. 27) bietet trotz der enorm hohen Drücke von 350 bar bzw. 700 bar eine hohe Sicherheit. Sie erfüllt die Anforderungen für den Einsatz in Straßenfahrzeugen bezüglich des Verhaltens bei einem Crash, der Feuerbeständigkeit und dem Insassenschutz. Neben der bereits gut entwickelten Druckwasserstoff-Speicherung gibt es auch die Möglichkeit der drucklosen Speicherung von tiefkaltem Flüssigwasserstoff. Die unvermeidlichen kontinuierlichen Wärmeeinträge aus der Umgebung in den Kryo-Tankbehälter führen jedoch zu sogenannten Boil-Off-Verlusten, also dem Abblasen von verdampftem Wasserstoff. Eine Lösung dieses

Problems für die Praxis scheint durch die Kryodruck-Speicherung von überkritischem Wasserstoff gefunden worden zu sein. Die Kryodruck-Speicherung von Wasserstoff ist eine Kombination der Flüssigwasserstoff- und der Druckwasserstoff-Speicherung. Im Forschungsvorhaben CryoComp arbeitete der Automobilhersteller BMW zusammen mit Technologiepartnern an der Technik, sodass mittelfristig eine technische Reife und marktfähige Lösung zu erwarten ist. Die Kryodruck-Tanktechnik speichert, verglichen mit der 700-bar-Technik, bis zu 50 % mehr Wasserstoff im Fahrzeugtank. Im Rahmen des Vorhabens konnte neben der Lösung der Speicheraufgabe in technischer Hinsicht zusammen mit den Partnern MT Aerospace, RUAG, Alvatec, Rotarex und BMW auch die Qualifizierung von Lieferanten für besonders wichtige Bauteile für diese Speichertechnologie erreicht werden. Die Ergebnisse zeigen, dass Fahrzeugtaugliche Komponenten für einen Kryodruck-Speicher (Abb. 26) darstellbar sind, welche die Anforderungen an die Dauerhaltbarkeit im Fahrzeugbetrieb erfüllen und den sicheren sowie stabilen Betrieb eines automobilen Kryodruck-Speichers gewährleisten können.

Abb. 28 Vorgehensweise für die Entwicklung und Qualifizierung Wasserstoff-exponierter Bauteile Quelle: Robert Bosch GmbH Spannungsamplitude

Als geeignetste Variante, Treibstoffe von Brennstoffzellen in Straßenfahrzeugen mitzuführen, hat sich gespeicherter Wasserstoff erwiesen. Es wurden auch verschiedene andere Konzepte (wie z. B. Methanol) erprobt. Die Druckspeicherung von Wasserstoff ist heute anwendungsreif für den mobilen Einsatz entwickelt und getestet. Im Vergleich mit den her­ kömmlichen Treibstoffen auf Mineralölbasis, Autogas (LPG – Liquefied Petroleum Gas) oder verdichtetem Erdgas (CNG – Compressed Natural Gas) und Flüssigerdgas (LNG – Liquefied Natural Gas) weist Wasserstoff als Treibstoff im Kraftfahrzeug ein eher geringeres Gefahrenpotenzial auf.

Zeitfestigkeit

Dauerfestiggkeit

PA= 90 % 50 % 10 %

100

1.000

10.000

100.000

1E+6

1E+7

1E+8

Lastspielzahl Luft

Wasserstoff

in H2, unbeladen, 10 Hz Durchläufer

in Luft

in H2, vorbeladen

in H2, unbeladen, 1 Hz Kt = 2, R = 0,1

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Ionen-Technologien zusammengefasst. Bevor es zu einer echten Anwendung kommt, müssen noch zahlreiche ­Hürden, wie u. a. die hohe Reaktivität von metallischem Lithium, die geringe Lebensdauer der Luft- bzw. SchwefelKathode oder auch die erhöhten Kosten und die verbesserungsfähige mechanische und chemische Kompatibilität der Feststoffelektrolyte, überwunden werden. Die Einschätzungen, welche Technologie sich durchsetzen wird, ändern sich stetig. Allerdings werden der wiederaufladbaren Li-Luft-Batterie nur noch geringe Chancen eingeräumt.

Material und Komponenten bei Brennstoffzellen Auch bei Brennstoffzellen stehen die Materialien sowie die daraus aufgebauten Komponenten im Vordergrund der Technologie. Sie sind entscheidend für die Funktionstüchtigkeit und für die Kosten des Stacks, bzw. der Wasser-

Abb. 29 Schichtbildung über (a) Beschichtung mit Graphite Like Carbon (GLC) oder (b) sequentielles Plasma-Nitro-Carburieren (PNC) Quelle: Daimler AG Schicht

Grundwerkstoff

a) Beschichtungsprozess PVD, PACVD usw.

b) Diffusionsprozess

stofftanks und der peripheren Aggregate. Im Stack sind neben den MEA mit den Katalysatoren auch die Bipolarplatten als Stromsammler zur Aufnahme und Ableitung der Elektrizität ein wichtiger technischer Bestandteil und auch ein wichtiger Kostenfaktor. Die Bipolarplatten werden so genannt, weil ein und dieselbe Platte bei den in Reihe geschalteten Zellen zwei Rollen einnimmt: Einmal trägt sie das höhere Potenzial gegenüber der vorgelagerten Bipolarplatte, bildet für die betreffende Zelle den Pluspol und leitet Elektronen für die zugehörige Kathodenreaktion zu. Andererseits stammen diese Elektronen aus der Anodenreaktion der nachgelagerten Zelle, die dort das niedrigere Potenzial bedeutet. Auf der einen Seite der Platte in Bezug auf die vorgelagerte Zelle läuft somit die Kathodenreaktion, auf der anderen die Anodenreaktion in Bezug auf die nachfolgende Zelle. Die Gestaltung der Bipolarplatten ist maßgeblich für die Funktion der Brennstoffzelle zur Ableitung der Elektronen, aber auch für die Ver- und Entsorgung der zuund abzuführenden Gasströme (Abb. 25, S. 16). Für eine Bipolarplatte gilt die Grundanforderung, dass sie sehr gut elektrisch leitfähig sein muss, wobei hier sowohl die Querleitfähigkeit (durch die Platte) als auch die Längsleitfähigkeit (längs der Platte) betrachtet werden müssen. Die permanente Aufrechterhaltung der Kathoden- und Anodenreaktionen in den Zellen des Stacks erfordert die kontinuierliche Versorgung der Elektroden mit Wasserstoff (für die Anodenreaktion) bzw. mit Luft (für die Kathodenreaktion). Diese Funktion der gut flächenverteilten Zu- und Ableitung der gasförmigen Stoffe stellt die Bipolarplatte mithilfe der darin eingeprägten Strömungs­ kanäle sicher. In der Brennstoffzelle sind die Bipolar­ platten sich ständig verändernden elektrochemischen Verhältnissen ausgesetzt und müssen diesen stand­ halten können. Weiterhin gilt besonders im Automobil­ bereich, dass Bauteile günstig in Massen produzierbar und möglichst gut rezyklierbar sind. Das gilt auch für alle Teile der Brennstoffzelle.

Abb. 30 Veränderung des Durchgangswiderstandes bei verschiedenen Entwicklungsmaterialien für beschichtete metallische

Durchgangswiderstand

und nichtmetallische Bipolarplatten in der Dauer-Stackanwendung Quelle: Daimler AG

Plasmanitrocarburieren (PNC)

21 Bipolarplatten

Testbeginn

Graphite Like Carbon (GLC)

Testende

Grenzwert

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Aus der Praxis

Standpunkte

Bipolarplatten

Welche Technik treibt uns künftig an: Batterie oder Brennstoffzelle?

Mit den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsvorhaben namens mini-BIP, MatFuel und CryoComp gehen Wissenschaftler besonderen Fragestellungen bei Bipolarplatten nach. Zum Beispiel sollen innerhalb des Vorhabens „mini-BIP – metallische bipolare Platten aus beschichteten Hochleistungswerkstoffen“ korrosionsresistente Carbonfaser-Werkstoffe im kombinierten Einsatz mit besonders gut verformbarem Metall zur Herstellung von Bipolar­ platten erforscht werden. Als Grundmaterial wählten die Forscher Edelstahl, da dieser sich gut verarbeiten lässt, wie etwa zum Stanzen, Prägen sowie Tiefziehen zur Ausprägung der Strömungskanäle. Die weitere maß­ gebliche Anforderung ist eine unter den korrosiven Bedingungen im Inneren der Brennstoffzelle dauerhaft beständige elektrische Leitfähigkeit in ausreichender Höhe. Edelstahl alleine kann dies nicht ohne weiteres erfüllen. Wegen der ober­flächenwirksamen Korrosionsprozesse erhöht sich mit der Zeit der Übergangswiderstand der Bipolarplatte und damit entstehen nicht hinnehmbare Spannungs­ verluste. In mini-BIP wird untersucht, wie es mit einer Oberflächenmodifikation in Form einer hauchdünnen amorphen Kohlenstoffschicht auf dem Stahl als Grundmaterial gelingen kann, die guten Eigenschaften des korrosionsstabilen Graphites mit denen des Edelstahles zu kombinieren. Dies wollen die Wissenschaftler mit zwei verschiedenen Techniken erreichen: einmal der Beschichtung mit Graphite Like Carbon mit einer Schichtdicke von < 100 nm mit einem gepulsten Vakuumbogen und andererseits mit diffusiver Schicht­bildung auf der Plattenoberfläche via Plasma-NitroCarburieren über ein GleichstromGlimmentladungsplasma (Abb. 29). Im Fein­vakuum wurden diese zwei Verfahren angewendet, die im 1.000-Stunden-Stacktest gute Ergebnisse für einen dauerhaft niedrigen Durchgangs­widerstand brachten (Abb. 30). Umformversuche mit verschiedenen Varianten des neuen Materials zeigten, dass die vorher aufgebrachten Beschichtungen keinen signifikanten Einfluss auf die Umformbarkeit haben. Im Laufe des Vorhabens wird mit dem neuen Material ein kompletter Stack mit 50 Zellen auf­­ge­baut und in Testbetrieb gehen. Sollte dies erfolgreich sein, wäre der Weg frei für metallische Bipolarplatten, die ausreichend korrosionsstabil und gut zu produzieren sind.

Professor Dr. rer. nat. habil. Rüdiger-A. Eichel Direktor des Institutes für Energie- und Klimaforschung (IEK-9: Grundlagen der Elektrochemie) am Forschungszentrum Jülich und Lehrstuhl für Materialien und Prozesse für Elektrochemische Energiespeicher und -wandler an der RWTH Aachen

PRO BATTERIE: Die Praxistauglichkeit batteriebetriebener Elektromobile konnte mittlerweile im täglichen Betrieb mit großem Erfolg demonstriert werden. Hinsichtlich der konkurrierenden Brennstoffzellentechnologie zeichnen sich Akkus durch eine Lade-/Entladeeffizienz von über 95 % aus. Im Vergleich dazu entstehen bei H2-Technologien bereits etwa 50 % Verluste aus der Umwandlung von Strom zu H2 . Hinzu kommen noch Wirkungsgradverluste, die bei der Rückverstromung entstehen, sodass nur etwa 25 % der ­ursprünglichen Primärenergie zur Mobilität verbleiben, ohne weitere Verluste, wie H2-Kühlung und Kompression, H2-Transport zu den Tankstellen etc., zu berücksichtigen. Wenn man nun den EU-Energiemix zugrunde legt, bedeutet dies ein erhebliches Mehr an CO2-Emissionen, die Brennstoffzellen-Autos zugerechnet werden müssen. Auf der anderen Seite werden mit der Festkörperbatterie derzeit besonders vielversprechende neuartige Akkus erforscht, die deutlich verbesserte ­Sicherheit, höhere Energiedichte und längere Lebensdauer versprechen. Neben den hohen Potenzialen zur Vermeidung klimaschädlicher Emissionen ist dies ein weiteres Argument, um die Marktdurchdringung zu erhöhen. Die oft zitierte limitierte Reichweite von Batterieautos stellt kein entscheidendes Argument mehr dar: beim neuen Honda Clarity wird nach EPA-Norm eine Reichweite von ca. 480 km angegeben. Im Vergleich dazu erreicht ein Tesla Model S nach der gleichen Norm 430 km; der 85 kWh Akku des Tesla müsste also nur um 10 kWh vergrößert werden, um dieselbe Reichweite zu erzielen.

Professor Dr. rer. nat. habil. Jürgen Garche Der Elektrochemiker ist Senior-Professor an der Universität Ulm und betreibt das Consulting-Büro FCBAT. Er ist u. a. Herausgeber der „Encyclopedia of Electrochemical Power Sources“

PRO BRENNSTOFFZELLE: Die erste Brennstoffzelle (BZ) wurde bereits 1839 vorgestellt, also etwa 30 Jahre vor dem ersten Bleiakkumulator. Dennoch beginnt die BZ sich erst jetzt am Markt zu etablieren, was auf große Schwierigkeiten bei der Kommerzialisierung hinweist. Das ist vor allem auf hohe Kosten zurückzuführen, das liegt im Wesentlichen an den Platin-Kataly­ satoren und den H2-Tanks. Durch intensive Forschungs- und Entwicklungs­ arbeiten ist es jedoch in den vergangenen 20 Jahren gelungen, in den oberen Kostenbereich konventioneller Wettbewerbstechnologien zu kommen. Nimmt man mittelfristig näherungsweise Kostengleichheit an, werden BZ gegenüber Batterien überall dort bevorzugt, wo längere Betriebsdauern (bei BZ durch größeren H2-Tank ohne drastische Gewichtszunahme möglich) und sehr kurze Lade- bzw. Tankzeiten gefragt sind, wie dies bisher mit Benzin oder Diesel der Fall ist. Allerdings muss die BZ-Technologie in den kommenden 10 Jahren (window of opportunity) den Markt durchdringen, sonst wird die Batterie zur dominierenden Technologie.

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Elektroautos beeinflussen das Netz Sind Elektrofahrzeuge an das Stromnetz angeschlossen, können sie zu virtuellen Speicher­ kraftwerken zusammengefasst werden. Diese nehmen überschüssige Energie auf und speisen sie bei Bedarf teilweise ins Netz zurück, wenn die Stromnachfrage die Erzeugung übersteigt. Dann ist vom sogenannten Vehicle-to-Grid-Konzept die Rede.

Serien-Elektrofahrzeuge können bereits bis zu 90 kWh elektrische Energie pro Ladevorgang aus dem Netz aufnehmen. Bei einer großen E-Fahrzeugflotte sind die Auswirkungen auf das Energienetz beträchtlich. Diese müssen besonders dann berücksichtigt werden, wenn in einem Parkhaus mehrere Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden. Denn unkoordiniert kann dies zu Problemen bei der Netzstabilität führen. Rechenbeispiel: 12 Fahrzeuge à 90 kWh gleichzeitig in einer Stunde zu laden, bedeutet eine Ladeleistung im Megawatt-Bereich. Zeitlich abgestimmt können intelligente Fahrzeuge den Ladevorgang mit dem Netz aushandeln und es sogar stabilisieren. Für die Stromanwendung im Straßenverkehr wird oft gefordert, der Strom müsse rein aus erneuerbaren Quellen, also aus Überschussstrom von Solar- und Windenergieanlagen, kommen. Durch die real vorhandenen Netze werden hier jedoch Grenzen gesetzt, denn die Netze bieten derzeit nur beschränkte Möglichkeiten, das Überangebot aus erneuerbaren Energien zu integrieren.

Netzengpässe und Ladezeiten Wie ist die Gesamtwirkung der Elektromobilität auf das Energiesystem und auf das Potenzial zur CO2-Vermeidung? In verschiedenen Forschungsvorhaben, wie in den BMWigeförderten Vorhaben NET-ELAN, NET-INES, On-BoardMetering und komDrive, erhielten Wissenschaftler interessante Ergebnisse zu diesem Fragenkomplex. Im Projekt NET-ELAN fanden die Forscher heraus, dass mit Windstrom betriebene Elektrofahrzeuge, wie Batteriefahrzeuge (BEV), Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge (PHEV) oder Range-Extender-Elektro-Fahrzeuge (REEV), bis zu 70 % der Emissionen eines vergleichbaren Verbrennerfahrzeuges vermeiden können. Doch warum wird nicht der erwartete Anteil von 100 % erreicht? Der Grund liegt in der nur recht geringen Jahresfahrleistung für BEV-Kleinwagen. Diese haben ein besonderes Fahrprofil und Systemgegebenheiten und damit kommen sie im Mittel nur auf eine Fahrleistung von rund 9.000 km pro Jahr. Dem gegenüber steht der Flotten-Durchschnittswert von 12.500 km pro Jahr für ver-

gleichbare Pkw mit Verbrennungsmotor. Die Differenz von 3.500 km pro Jahr und Fahrzeug fällt als Transport­bedarf aber nicht einfach weg, sondern wird von einem Verbrennerfahrzeug zu decken sein. Deshalb kann ein in das Gesamtsystem eingebrachtes Elektrofahrzeug nicht den 100-prozentigen Substitutionswert für ein Verbrennerfahrzeug erreichen. Es überrascht weiterhin, dass der Einsparwert eines BEV von 70 % noch leicht übertroffen werden kann, indem z. B. ein PHEV mit 54 % elektrischen Fahranteilen und 12.500 km Jahresnutzung dagegen ­gestellt wird, oder auch ein REEV mit 68 % elektrischen Fahranteilen. Die genannten verschiedenen Antriebskonzepte haben unterschiedliche charakteristische Werte für den Energiebedarf und damit zusammenhängend eine unterschiedliche Wirkung für die CO2- bzw. Treibhausgasbilanz (Abb. 33, S. 23). Für Abschätzungen zur CO2-Emissionsminderung durch Elektrofahrzeuge müssen auch die bestehenden Möglichkeiten des Verteilnetzes mit betrachtet werden – besonders im Hinblick auf günstige Ladezeiten und vorzugsweise mit Überschuss-Windstrom. Wird das Laden so organisiert, dass es während der typischen Schwachlastzeiten im Netz nachts zwischen 0 und 6 Uhr stattfindet, so ist dies günstig für das Stromerzeugungssystem und die Windstromnutzung. Das Ergebnis des Forschungsvorhabens NET-ELAN zeigt: Für das Szenariojahr 2030 kann ein Anteil von 44 bis 57 % des Ladebedarfs für die Elektromobilität von Windstrom gedeckt werden. Dies gilt allerdings nicht, wenn zu anderen Tageszeiten als die oben genannten geladen wird, denn dann ist die Netzlast größer – auch ohne eingekoppelte E-Fahrzeuge – und der Windüberschuss fällt entsprechend geringer aus. Mit den vorhandenen Transportkapazitäten der Übertragungsnetze, die zuweilen als Engpass wirken, lässt sich über gesteuertes Laden derzeit ein Anteil von maximal 8 % der überschüssigen Windenergie zusätzlich integrieren. Selbst wenn es E-Fahrzeuge bereits in ausreichender Anzahl gäbe, könnten sie derzeit nur einen kleinen Anteil zur Netzintegration von erneuerbaren Energien beitragen. Mit gezieltem Netzausbau und der entsprechenden Ladesteuerung ließe sich jedoch die

Treibhausgasemissionen in Millionen Tonnen CO2-Äquivalent [t CO2e]

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200 Prognose Umweltbundesamt 2015 180 Basiswert 1990 160 140 120 –40 % ggü. 1990 100 80 60 –80 % ggü. 1990

40 Minderungsziel Treibhausgasemissionen über alle Sektoren Nationales Energiekonzept 2010

20 0 1990

1995

2000

2005

Straße-PKW Straße-Nutzfahrzeuge

1

1

2010

2015

2020

2025

2030

Luft2

Sonstige Verkehre

Wasser3

Schiene

Leichte und schwere Nutzfahrzeuge, Busse und Reisebusse

2

Nationaler Flugverkehr

2035

3

2040

2045

2050

Küsten- und Binnenschifffahrt

Abb. 31 Treibhausgasemissionen in Millionen Tonnen-CO2-Äquivalent nach Verkehrsmitteln ab 1990 bis 2015 inklusive Prognose bis 2050 Quelle: dena

Integration der Überschuss-Windenergie durch Elektrofahrzeuge auf bis zu 24 % steigern. Neben den Einflüssen der Übertragungsnetze, die den Hochspannungsstrom vom Erzeugungsort in die Regionen bringen, gibt es auch Wechselwirkungen zwischen Elektrofahrzeugen und den regionalen Niederspannungsnetzen, an denen das Ladegeschehen hauptsächlich abläuft. Dort muss immer darauf geachtet werden, dass die elektrische Spannung konstant gehalten und die Stromlast in den Leitungen nicht überschritten wird. Dies fällt schwer, wenn viele Elektrofahrzeuge gleichzeitig geladen werden. So dürften z. B. bei heutiger Netzauslegung nur rund 2 % aller Autos E-Fahrzeuge sein, wenn diese alle gleichzeitig und zur Spitzenlast sowie zuhause an der Steckdose laden wollen. Wird das Aufladen jedoch in die Nacht verschoben, so dürften netzseitig rund 12 % aller Autos Elektroautos sein, ohne dass es zu Versorgungsproblemen im Verteilnetz kommt. Es wird damit deutlich, dass mit den angenommenen Anteilen von 3 % E-Fahrzeugen im Jahr 2020 und von 18 % im Jahr 2030 das gesteuerte Laden der E-Fahrzeuge mit Berücksichtigung der Fahrzeugnutzung erforderlich wird. Das heißt, es wird nicht jeder zuhause einfach laden können, wie er will. Im Vorhaben NET-INES untersuchten Forscher im Zusammenhang mit den Fragen zur Netzintegration der Elektromobilität die Kooperationsbereitschaft der Autofahrer. Hier ging es um die Bereitschaft der Akteure, wie Fahrzeug-

halter, eine von außen steuerbare Flexibilität der Antriebsbatterie zur Energieaufnahme und Energieabgabe im stehenden Fahrzeug auch für Netzdienstleistungen (Vehicle-to-Grid, V2G) zur Verfügung zu stellen. Bei der Befragung von 611 ausgewählten Personen mit vorhandener Nutzererfahrung mit E-Autos wurde deutlich, dass die Personen mit besonders aufgeschlossener persönlicher Meinung zu erneuerbaren Energien eher bereit sind, ihr E-Fahrzeug dem Konzept des V2G zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es im Wesentlichen um ein netzgünstiges, zeitversetztes Laden nach bestimmten Kriterien. Dem gegenüber steht das ungesteuerte Laden, bei dem das E-Fahrzeug einfach gleich nach der Fahrt eingesteckt und aufgeladen wird, bis die Batterie wieder voll ist. Es zeigt sich, dass 75 % der Befragten das ungesteuerte ­Laden nutzen, allerdings auch 57 % das gesteuerte Laden. Vorbehalte gegen das gesteuerte Laden gehen auf die Befürchtung zurück, nicht zu jeder Zeit über ein vollgeladenes Auto zu verfügen und wegen der von außen gesteuerten häufigeren Stromaufnahme und Stromabgabe des E-Fahrzeuges in das Netz eine größere Abnutzung der teuren Antriebsbatterie zu riskieren. Als Anreiz für die ­Kooperation könnte der Fahrstrom billiger sein. ­Vermutungen gehen dorthin, dass sich Autofahrer ähnlich preis­orientiert verhalten würden, so wie sie es heute auch bei der Suche nach der günstigsten Tankstelle tun. Dies würde eine kooperative Einstellung im Sinne der V2G-Nutzung bedeuten. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass die zukünftigen Antriebsbatterien auf je-

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Größenklasse Zul. GGW [t] ø Jahreslaufleistung [km/a] Bestand [Fzg.]

GK1 GK2 GK3 GK4 Sattelzüge [0 ; 3,5 t]

[3,5 t ; 7,5 t]

[7,5 t ; 12 t]

[12 t ; 26 t]

[40 t]

ca. 13 Tsd.

ca. 27 Tsd.

ca. 66 Tsd.

ca. 74 Tsd.

ca. 106 Tsd.

ca. 2 Mio.

ca. 262 Tsd.

ca. 77 Tsd.

ca, 161 Tsd.

ca. 183 Tsd.

26 Mrd.

7,1 Mrd.

5,1 Mrd.

11,9 Mrd.

19,4 Mrd.

Fahrleistung [Fzg.-km/a] CO2 Emission TTW [g/Fzg.-km]

185 371 526 732 1.028

CO2 Emission TTW [Mio. tCO2 /a]

4,81 2,63 2,68 8,71 19,94

potenzielle

BEV / PHEV

strombasierte Brennstoffzelle potenzielle Antriebs- Power-to-Methan strombasierte Antriebstechnologien technologien

Power-to-Liquid

HO-LKW (Hybrid-Oberleitungs-LKW)

Abb. 32 Voraussichtlicher Einsatz von strombasierten Antriebstechnologien im Lastverkehr Quelle: Fraunhofer ISI, Prof. Wietschel

den Fall eine ausreichende Robustheit für eine V2G-Nutzung mitbringen werden. Die Nutzerbefragung zeigt zudem, dass E-Autofahrer sich zunächst freuen, nicht mehr zum Tanken fahren zu müssen. E-Autofahrer möchten sich aber nicht gleich wieder über eine Nebenbewirtschaftung ihrer Fahrzeugbatterie, z. B durch ihren Stromanbieter, in einer neuartigen komplexen Sachlage wiederfinden. Wie sich die Elektromobilität mit ihren individuellen Anforderungen unter Nutzung bereits überall vorhandener Stromanschlüsse ortsunabhängig realisieren lässt, demonstrierten Wissenschaftler im Vorhaben On-Board-Metering II. Pro Fahrzeug wurden in der Untersuchung zwei bis vier Ladepunkte zur Verfügung gestellt, um immer dann laden zu können, wenn die Fahrzeuge gerade irgendwo parken. Durch solche hinzugefügten, zusätzlichen Ladepunkte entsteht in der betreffenden Region die Möglichkeit des Zwischenladens. Dies erhöht nicht nur den Einsatzradius der Fahrzeuge, sondern verbessert auch deren lokale Netzintegration. Da mit mehreren Lademöglichkeiten an vielen Punkten und somit in kleineren Portionen nachgeladen werden kann, ergibt sich insgesamt eine bessere räumliche und zeitliche Verteilung des Ladegeschehens, und im Verteilnetz können mehr Fahrzeuge gleichzeitig laden. Die Forscher des On-Board-Metering-Projektes wenden bei der technischen Umsetzung der vielen Ladepunkte ein innovatives Konzept für eine effiziente Ladeinfrastruktur und für die Abrechnungsmethodik für die geladene Strommenge an. Die Mess- und Abrechnungstechnik, die Ladesäulen und Ladepunkte teuer und voluminös macht, wird einfach in ein im Fahrzeug mitgeführtes smartes Ladekabel verlegt. Überall dort, wo ein Zugang zu einer Stromleitung besteht, lässt sich mit einer relativ einfachen Umrüstung zur Aufnahme des Auto-Ladesteckers ein neuer

Ladepunkt einrichten. So lassen sich die vielen schon vorhandenen Stromversorgungen – etwa an Straßenlaternen – mit geringem Aufwand zusätzlich für die Elektromobilität nutzen. Das macht das Stromtanken flexibel und einfach gestaltbar.

Städtische Emissionen und Geräusche verringern Ein besonderer Vorteil der Elektromobilität ist der nahezu emissionsfreie Betrieb vor Ort. Dies ist besonders vorteilhaft in Städten, wo ein hohes Verkehrsaufkommen zusammentrifft mit einer großen Anzahl von Menschen. Rund 30 % des gesamten Straßenpersonenverkehrs und etwa 25 % des Straßengüterverkehrs erfolgen auf Straßen innerorts und damit entfallen auch entsprechende Anteile der Emissionen auf städtische Gebiete (Abb. 31). Zwar verursacht der Wirtschaftsverkehr weniger Emissionen in Städten als der Individualverkehr, doch es lohnt sich, auch beim Wirtschaftsverkehr den Blick auf mögliche entlastende Effekte durch den Ausbau der Elektromobilität zu richten. Allgemein wird für den städtischen Wirtschaftsverkehr von einer deutlichen Steigerung der Verkehrsleistung in den nächsten Dekaden ausgegangen. Besonders im innerstädtischen Wirtschaftsverkehr wird derzeit vorwiegend der Dieselantrieb eingesetzt. Neben den Emissionen an CO2 und an Stickoxiden sind besonders die Partikel­ emissionen und die Geräuschentwicklung im innerstädtischen Bereich besonders störend. Der Hauptteil der Emissionen im gesamten Wirtschaftsverkehr entfällt auf Fahrzeuge mit mehr als 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht. Im Gegensatz zum Individualverkehr ist der Wirtschaftsverkehr jedoch nicht so leicht für Elektroantriebe erschließbar. Sehr schwere Fahrzeuge wie Sattelzüge werden vor-

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Weitere Ergebnisse aus dem Projekt komDrive verdeut­ lichen, dass die Energiebezugskosten für Elektrofahrzeuge durch kostenoptimale Ladestrategien um bis zu 13 % gegenüber rein bedarfsorientiertem Laden gesenkt werden können. Die Anwendung spezieller Ladestrategien hat zudem einen positiven Einfluss auf den möglichen Anteil an E-Fahrzeugen, den das Netz noch verkraften könnte. Allerdings bliebe das grundsätzliche Problem der nicht ausreichenden Netzkapazitäten für viele E-Fahrzeuge am Netz bestehen und ist mit Ladestrategien nicht lösbar. Ein Energiesystemmodell für Deutschland zeigt, dass der zu erwartende Anteil von Elektrofahrzeugen im Wirtschaftsverkehr nicht zu signifikanten Auswirkungen auf das gesamte Energieversorgungssystem in Deutschland bis 2030 führt. Durch den Einsatz von Elektroautos wird der gesamte Primärenergieverbrauch gegenüber heute nur geringfügig zurückgehen. Speziell der Einsatz von Mineralölprodukten bezogen auf den Gesamtverkehr, würde um ca. 10 % sinken. Die sukzessive Elektrifizierung des städtischen Wirtschaftsverkehrs erfordert entsprechend der

Abb. 33 Oben: Wheel-to-Wheel-Energiebedarf von Benzin, Diesel- und Batterieelektrofahrzeugen im Vergleich und Berechnungen im Vorhaben NET-ELAN (nach Joint Research Center, EURCAR & Concawe, 2011) Unten: Treibhausgasbilanz (THG) von Benzin-, Diesel - und Batterie­elektrofahrzeugen im Vergleich (nach Joint Research Center, EURCAR & Concawe, 2011) und Berechnungen im Vorhaben NET-ELAN Quelle: Ford Forschungszentrum Aachen, Heiko Maas

Benziner: 5,9 l/100 km Diesel: 4,2 l/100 km BEV: 143 Wh/km (alle NEFZ) Energiebedarf der Fahrzeuge inkl. Vorkette

Fossilier Primärenergiebedarf [MJ/km]

Für eine Analyse zur Emission und Elektrifizierung in Städten reicht es, nur die leichteren Gewichtsklassen der Wirtschaftsfahrzeuge zu betrachten. Schwerlastfahrzeuge spielen anzahlmäßig keine signifikante Rolle. Wie sich die Effekte der Elektrifizierung speziell des innerstädtischen Wirtschaftsverkehrs auswirken können, wird im Vorhaben komDrive untersucht. Dort stehen die Fragen im Vordergrund, unter welchen Randbedingungen der Einsatz von Elektrofahrzeugen im Güternahverkehr technisch, ökologisch und ökonomisch von besonderem Vorteil ist. Zudem wird untersucht, welche Synergien sich damit zu anderen Bereichen, insbesondere zur Stromwirtschaft, ergeben können. Grundlage für die Betrachtungen waren u. a. Daten aus 256 Fahrzyklen diverser Wirtschaftsfahrzeuge von Pkw bis zu 12t-Lkw. Die Ergebnisse zeigen, dass der Beitrag eines sukzessiven Umstieges auf Elektroantriebe im innerstädtischen Wirtschaftsverkehr bis zum Betrachtungshorizont nur moderate Auswirkungen auf die Senkung von CO2- und NOx-Emissionen haben wird. Die Analyse der Daten aus Fahrprofilen des Wirtschaftsverkehrs zeigte deutlich, dass sich heute schon rund 70 % aller Fahrten mit derzeit verfügbaren Elektrofahrzeugen abdecken ließen. Mittelfristig tatsächlich zu erwarten sind aber nur weniger als 10 % an elektrisch gefahrenen Fahrten. Dies liegt nicht nur am fehlenden Angebot von geeigneten Nutzfahrzeugen, sondern auch an den einschränkenden Gegebenheiten des bestehenden Stromverteilnetzes. Netztechnisch liegt der maximal mögliche Anteil an Elektrofahrzeugen selbst bei gesteuertem Laden nur im unteren Prozentbereich von rund 10 %. Es dauert vermutlich noch bis jenseits 2030, bis sowohl ein ausreichendes Fahrzeugangebot für den Wirtschaftsverkehr vorliegt als auch das Netz so ausgebaut ist, dass ein wesentlich höherer Anteil an Elektrofahrzeugen integriert werden kann.

Forschungsergebnisse keinen Zubau an Kraftwerksleistung, sondern es käme zu einer Mehrauslastung bereits vorhandener Kapazitäten. Die Einspeisung erneuerbarer Energien in den Verkehrssektor insgesamt (Ziel: 40 % bis 2050) ist ein wichtiger Treiber für den Einsatz elektrischer Fahrzeuge im Straßenverkehr. Um dieses Ziel zu erreichen, muss auch der städtische Wirtschaftsverkehr in die Elektrifizierung mit einbezogen werden.

2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0 Benziner OK

Diesel DK

Benziner E10

BEV EU-mix Diesel B7

BEV Kohle BEV Wind

BEV Gas

Treibhausgasbilanz der Fahrzeuge inkl. Vorkette

THG Emissionen [CO2/km]

aussichtlich noch lange Zeit mit Verbrennungsmotoren betrieben. Zudem stehen Wirtschaftsfahrzeuge untereinander immer in wirtschaftlicher Konkurrenz, sie haben einen höheren individuellen Energiebedarf und Energievorrat und es werden im Gegensatz zum privaten Pkw geringe Standzeiten angestrebt. Zeitausfälle durch Nachladen sind eigentlich kaum tolerierbar. Das Potenzial der E-Antriebe des Lastverkehrs zeigt Abbildung 32.

180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Benziner OK

Diesel DK

Benziner E10 Vorkette

BEV EU-mix Diesel B7

Nutzung

BEV Wind BEV DE-mix

BEV Gas BEV Kohle

OK: Ottokraftstoff DK: Dieselkraftstoff

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Die Mobilität von Morgen Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) erwartet, dass die Batteriekosten bis 2025 weiter signifikant sinken. Gleichzeitig werden sich konventionelle Fahrzeuge aufgrund von Emissionsvorgaben verteuern. Spätestens dann werden Elektro­ fahrzeuge wettbewerbsfähig. Basis für eine solche Prognose ist auch die zu erwartende weitere Verbesserung der Li-Ionen-Zellen. Derzeit verfügt diese Technologie über fundamentale Vorteile gegenüber alternativen Zelltechnologien: eine hohe Zuverlässigkeit, Lebensdauer und Energiedichte. Deshalb wird dieses System mit großer Wahrscheinlichkeit sowohl den High-End-Batteriemarkt für portable Geräte als auch automobile Anwendungen für viele weitere Jahre dominieren. In den kommenden Jahren wird die Batterieforschung die Energiedichte noch deutlich verbessern. Die Batterie-Experten sind sich einig, dass materialseitig bei Li-Ionen weitere Energiedichte-Steigerungen bis zu einer Verdopplung gegenüber dem heutigen Stand möglich sind. Zusätzlich zu besseren Zellchemien erwarten sie optimierte Zell-, Modul- und Systemkomponenten. Klar scheint aus heutiger Sicht: Es wird nicht nur die eine Technologie für alle Anwendungen geben, sondern unterschiedliche Batteriesysteme, die sich für eine bestimmte Anwendung besonders eignen oder dafür kombiniert werden können. Die Marktperspektive der Brennstoffzellen(BZ)-Fahrzeuge hängt stark von deren technischer Entwicklung auf Fahrzeugebene ab. Hinzu kommt die Schwierigkeit, in den Automobil-Marktregionen Wasserstoff-Versorgungssysteme aufzubauen, um für die Fahrzeuge eine Marktperspektive zu schaffen. Ein wichtiger Schritt für die BZ-Technologie ist die Überführung der Stackfertigung in eine Massenproduktion. Neue Katalysator-Entwicklungen sollten die Abhängigkeit von Platin verringern. Die Speichertechnik für Wasserstoff im Fahrzeug muss verbessert werden, um die Energiedichte weiter zu erhöhen. Bei allem Fortschritt werden sowohl die Batterieals auch die BZ-Technologie nur dann ihre ökologischen Vorteile ausspielen können, wenn Wasserstoff und Ladestrom nachhaltig und effizient produziert werden. Mit der Energiewende werden diese Voraussetzungen geschaffen. Die Hybridisierung von Batterie- und Wasserstoffspeicher sowie BZ-Antriebskonzepten erscheint dann vielversprechend, wenn Synergien in der Kombination geschaffen werden können. Klar ist: Nur über eine Verstärkung der systematischen und systemischen Forschungsund Entwicklungsanstrengungen können die offensichtlichen Synergiepotenziale auch gehoben werden.

Impressum Projektorganisation Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) 11019 Berlin Projektträger Jülich Forschungszentrum Jülich GmbH 52425 Jülich Förderkennzeichen 03ET2042A 03ET2044A,B 03ET2045A-C 03ET2051A-E 03ET2058 03ET4005A-C 03ET4007A-D 03ET4012A 03ET6004A-E 03ET6007 A-H 03ET6038 0327862A-C 0327889A,B 0328004A-E 03BV240 ISSN 1610-8302 Herausgeber FIZ Karlsruhe · Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur GmbH Hermann-von-Helmholtz-Platz 1 76344 Eggenstein-Leopoldshafen

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Links >> Münster Electrochemical Energy Technology (MEET) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster | www.uni-muenster.de/MEET >> NEXT ENERGY – EWE-Forschungszentrum für Energietechnologie e. V. www.next-energy.de >> Nationale Organisation Wasserstoff und Brennstoffzelle (NOW GmbH) www.now-gmbh.de >> Bundesverband eMobilität | www.bem-ev.de >> Nationale Plattform Elektromobilität | nationale-plattform-elektromobilitaet.de

Mehr vom BINE Informationsdienst >> Thermoelektrik: Strom aus Abwärme. BINE-Themeninfo I/2016 >> Emissionsarme Energieversorgung auf dem Rastplatz. BINE-Projektinfo 02/2013 >> Bordstromversorgung mit Brennstoffzellen. BINE-Projektinfo 10/2011  BINE Informationsdienst berichtet aus Projekten der Energieforschung in seinen Broschürenreihen und dem Newsletter. Diese erhalten Sie im kostenlosen Abonnement unter www.bine.info/abo

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