DROGENKONSUMRÄUME RETTEN MENSCHENLEBEN Geschlecht

Auch hier waren Mehrfachnennungen möglich (z.B. Heroin/Kokain bei konsumierten „Cocktails bzw. Speedballs“). Heroin dominiert mit 392 Fällen weiterhin als ...
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DROGENKONSUMRÄUME RETTEN MENSCHENLEBEN Im Rahmen des von der Deutschen AIDS-Hilfe veranstalteten jährlichen Treffens des Arbeitskreises Drogenkonsumräume (AK Konsumraum) ist es gelungen, ein bundesweit einheitliches Dokumentationssystem für Drogennotfälle zu erarbeiten. An den Treffen nehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus fast allen deutschen Drogenkonsumräumen und Drogentherapeutischen Ambulanzen (NRW) teil. Auf Basis der Dokumentation können Aussagen zur Anzahl, den Orten und Schweregraden von Drogennotfällen erhoben werden. Darüber hinaus bietet die Dokumentation die Möglichkeit, Risikofaktoren für Intoxikation zu erkennen sowie Symptome und Maßnahmen im Notfall abzubilden. Für das Jahr 2013 liegen Daten aus 18 Einrichtungen und 15 Städten vor. Somit haben 75% der insgesamt 24 Drogenkonsumräume in Deutschland an dieser Evaluation teilgenommen. Von den insgesamt dokumentierten 584 Drogennotfällen betrafen 77% (450) Männer und 23% (134) Frauen. (Abb.1)

Geschlecht

134; 23%

männlich 450; 77%

weiblich

n=584 Abb.1

Insgesamt 83 % (486) der Notfälle fanden während der Nutzung des Drogenkonsumraums statt, während 17% (98) der Notfälle unabhängig von der Nutzung des Drogenkonsumraums auftraten aber durch Mitarbeiter der jeweiligen Einrichtungen behandelt wurden.

Schweregrad von Drogennotfällen Für insgesamt 503 Notfälle wurden Angaben zum Schweregrad gemacht. Während 309 (61,5%) Drogennotfälle als leicht oder mittelschwer eingestuft wurden, weisen 194 (38,5%) Drogennotfälle schwere und lebensbedrohliche Merkmale auf (Abb.2).

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Bei schweren Notfällen sind die Vitalfunktionen (Bewusstsein, Atmung, Kreislauf) lebensbedrohlich gefährdet und eine Unterstützung durch den Rettungsdienst/Notarzt sowie ein Transport ins Krankenhaus ist notwendig. Nach Einschätzung der im Konsumraum tätigen Mitarbeiter wären diese schweren Drogennotfälle potenziell tödlich verlaufen, wenn sich die Konsumenten alleine im häuslichen Umfeld oder im öffentlichen Raum befunden hätten.

Schwere des Notfalls 350

n=503

309

300 250

194

200 150 100 50 0 Notfall leicht/mittel

Notfall schwer Abb. 2

Risikofaktoren für Drogennotfälle Zu 270 (60%) Drogennotfällen lagen Erkenntnisse zu Risikofaktoren vor, die das Eintreten des Notfalls mutmaßlich begünstigt haben. Als Risikofaktoren wurden benannt:     

Abstinenz schlechte Verfassung Alkoholkonsum Benzodiazepine Sonstige

3

Art der Risikofaktoren 140

118

120

n=270

121

100

71

80

60

56

60 40 20 0 Abstinenz

schlechte Verfassung

Alkoholkonsum Benzodiazepine

Sonstiges

Es wird deutlich, dass eine schlechte körperliche/psychische Konstitution sowie der Konsum von Alkohol die dominierenden Risikofaktoren sind. Darüber hinaus stellt der Konsum nach vorherigen selbstgewählten oder fremdbestimmten Abstinenzphasen (z.B. Haft, Entgiftung, Rehabilitation) ebenso wie der Konsum von Benzodiazepinen einen Risikofaktor für das Auftreten von Drogennotfällen dar.

Zuletzt konsumierte Substanzen Unter der Angaben zu „konsumierte Substanzen“ wurden von den Einrichtungen ausschließlich jene Substanzen angegeben, die als reguläre, zugelassene Substanzen im Konsumraum konsumiert wurden und mutmaßlich ausschlaggebend für das Notfallgeschehen sind. Auch hier waren Mehrfachnennungen möglich (z.B. Heroin/Kokain bei konsumierten „Cocktails bzw. Speedballs“) Heroin dominiert mit 392 Fällen weiterhin als Substanz, die mutmaßlich für das Eintreten des Notfalls verantwortlich ist. Alle anderen Substanzen spielen eine deutlich untergeordnete Rolle (z.B. Kokain 130, Benzodiazepine 47)

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400 375 350 325 300 275 250 225 200 175 150 125 100 75 50 25 0

392

konsumierte Substanzen

130 47

2

39

16

Schlussfolgerungen Die hohe Beteiligung des Jahres 2013 erlaubt in quantitativer Hinsicht einen detaillierten Einblick hinsichtlich wichtiger Marker bei Drogennotfällen wie Schwere, Ort, Risikofaktoren, und konsumierten Substanzen. Drogenkonsumräume tragen maßgeblich zur Senkung der Prävalenz von Drogentodesfällen infolge von Intoxikation bei. Die Anzahl von 584 dokumentierten Drogennotfällen ist erstaunlich. Insbesondere die Tatsache, dass mit 194 (38,5%) Drogennotfällen mehr als ein Drittel schwere und lebensbedrohliche Merkmale aufweisen, führt die herausragende Relevanz von Drogenkonsumräumen hinsichtlich der Vermeidung von Todesfällen vor Augen. Diese Einrichtungen und die dort tätigen Mitarbeiter haben im Jahr 2013 fast 200 Menschen das Leben gerettet. Das Verhältnis von Männern 77% (450) Geschlechterverhältnis in der Drogenszene ab.

zu

Frauen

23%

(134)

bildet

das

Darüber hinaus zeigen die erhobenen Daten sehr deutlich, welche Risikofaktoren Einfluss auf das Eintreten eines Notfalls haben und welche Substanzen zuletzt konsumiert wurden und wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Notfall stehen. Trotz des Ausbaus des Drogenhilfesystems und der Erweiterung der Angebote wie zum Beispiel der Substitutionsbehandlung ist die schlechte gesundheitliche Verfassung der Konsumenten ein entscheidender Risikofaktor für Drogennotfälle. Es kann nur gemutmaßt werden, inwieweit die schlechte Verfassung Ergebnis des teilweise jahrelangen Drogenkonsums ist oder welchen Einfluss eine auf Repression und Verfolgung von Drogenkonsumenten ausgerichtete Drogenpolitik hat, die diese Menschen seit Jahrzehnten kriminalisiert.

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Auf Grundlage der in 2013 erhobenen Daten in 18 Drogenkonsumräumen wird deutlich, dass über die Einrichtung und Ausweitung von Drogenkonsumräumen die Zahl von Drogentodesfällen infolge von Intoxikationen maßgeblich reduziert werden könnte. Hoher Bedarf besteht zum Beispiel in München, Nürnberg, Leipzig, Bremen und Stuttgart, aber auch in anderen Städten.

Dirk Schäffer Referent für Drogen und Strafvollzug