Donausanierung zwischen Hundersingen und Binzwangen - LUBW

Finanzierung: 2.600.000,00 Euro, .... unterschiedlichen Tiefen und Breiten, reich strukturierten Böschungen und Kiesbänken als neuen Lebensraum für Fische ...
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Donausanierung zwischen Hundersingen und Binzwangen Landkreis Biberach und Landkreis Sigmaringen

[Luftbild Helmut Baur Dez. 2011]

Der Idealfall im Flussbau ließ sich am Oberlauf der Donau realisieren. Zwischen Hundersingen und Binzwangen, kurz: HuBi, war durch großzügigen Grunderwerb genügend Fläche vorhanden, der Donau ein völlig neues Bett zu bieten, und dies auf einer Länge von 2,7 km. Geografische Lage:

Deutschland, Baden-Württemberg, Landkreis Sigmaringen, Gemeinde Herbertingen, Gemarkung Hundersingen und Landkreis Biberach, Gemeinde Ertingen, Gemarkung Binzwangen.

Gewässer:

Donau, Kilometer 2658,3 bis 2660,7

Gewässertyp:

Ziffer nach LAWA: 9.2: Große Flüsse des Mittelgebirges

Hydrologie: NNQ MNQ MQ MHQ HQ100 HHQ HQ1000

Pegel Hundersingen m³/s 1,6 5,6 25 171 474 492 665

Bauzeit:

Beginn Mai 2009, Ende November 2011

Finanzierung:

2.600.000,00 Euro, gefördert durch ELER

Abfluss niedrigster bekannter mittleres Niedrigwasser mittlerer mittleres Hochwasser 100-jährlicher höchster bekannter 1000-jährlicher

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Vorgeschichte

Das große Hochwasser vom Oktober 1824 beschädigte lange Uferabschnitte, lokal verlegte sich der Donaulauf großflächig. Wollte man die damals äußerst wertvolle landwirtschaftliche Nutzfläche erhalten, musste man den Fluss umfangreich bändigen. Zwischen 1842 und 1854 liefen hier Durchstiche von Mäandern, Uferschutzbauten und Sicherungsarbeiten für Brückenpfeiler. Hundersingen

Binzwangen Hellblau: historische Donau Mittelblau: begradigte Donau Dunkelblau: neue Donau Die Folgen der damals Melioration genannten und von den Anwohnern begrüßten Arbeiten sind bekannt: Der Fluss wurde kürzer, die Erosionskraft nahm zu und, da die Ufer gesichert waren, tiefte das Gewässer sich in die Landschaft ein. Damit sank auch der Grundwasserspiegel, die ehemalige Aue versteppte, das Wasser floss schneller ab, kleinere Hochwässer erreichten nicht mehr die ehemaligen Überflutungsflächen, sie führten im Gegenteil zu einer weiteren Zunahme des Problems. Gleichzeitig steigt flussabwärts durch die höhere Fließgeschwindigkeit die Hochwassergefahr.

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Integriertes Donauprogramm

Das 25-jährliche Hochwasser von 1980 mit 376 m³/sec rief die Spezialisten auf den Plan. Gleichzeitig beklagten Naturschützer die allgemeine Degradation des Donautales zur „Kultursteppe“ mit beträchtlichem Artenschwund. Flussregenpfeifer und Weißstorch drohten als Sinnbilder der intakten Landschaft auszusterben.

Ab 1987 ließ das Regierungspräsidium Tübingen die Donau systematisch untersuchen. 22 Fachgutachten der Disziplinen Biologie, physikalisch-chemischer Zustand, Freizeitaktivitäten, Naturschutzkonzeption, Flussmorphologie, Geschiebehaushalt, Hydrologie, Hydraulik und über den Zusammenhang zwischen Niederschlag und Abfluss befassten sich mit der gesamten Baden-Württembergischen Donau (knapp 200 km Länge). Das Hochwasser mit dem höchsten Abfluss von 492 m³/sec am 16. Februar 1990 und entsprechend spektakulären Schäden beförderte zusätzlich die Ideen zum „Integrierten Donauprogramm“ (IDP), nämlich das Verknüpfen von Hochwasserschutzmaßnahmen mit der Gewässerökologie und führte schließlich am 28. Januar1992 zum entscheidenden Kabinettsbeschluss der Landesregierung. Durch diesen Beschluss war es der Wasserwirtschaftsverwaltung möglich, im Vorgriff auf Hochwasserschutz- und Renaturierungsmaßnahmen Grundstücke zu erwerben und Projekte zu verwirklichen. Der interdisziplinäre Ansatz des IDP zeigte nun seine Qualitäten. Vom Hochwasserschutz profitierte die Gewässerökologie und umgekehrt. Der naturschützerische und fischereiliche Sachverstand floss ebenso ein wie hydraulische Gegebenheiten und energiewirtschaftliche Aspekte. Der aktuelle Stand kann unter www.rp-tuebingen.de IDP-Projekt entnommen werden.

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Projekt HuBi Ausgangssituation Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Obere Donau auf weiten Abschnitten begradigt. Dies führte zu einer starken Verkürzung und Einengung des Gewässerlaufs. In der Folge traten erhöhte Erosionskräfte an der Gewässersohle auf, die zu einer starken Eintiefung der Donau führten. Zudem wurde dem Fluss sukzessive wertvoller Raum genommen, wodurch u.a. Hochwasserwellen beschleunigt und die natürlichen Lebensräume reduziert wurden. Durch die Eintiefung der Gewässersohle senkte sich ebenfalls der mit der Donau korrespondierende Grundwasserspiegel drastisch ab, und die angrenzenden Auen wurden trocken. Von diesen negativen Auswirkungen besonders betroffen war der Donauabschnitt zwischen Hundersingen und Binzwangen. In diesem Bereich hatte die Donau inzwischen den natürlichen Schotterkörper vollständig ausgeräumt und verlief auf der freigelegten Molasseschicht ca. 3 m unter dem ursprünglichen Niveau.

Erosionsprofil bei Binzwangen

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Nachdem das Land Baden-Württemberg angrenzende Flächen erworben hat, standen zwischen Hundersingen und Binzwangen ca. 100 ha für eine Sanierung und Revitalisierung der Donau zur Verfügung. In einem ersten Schritt hatte die damalige Gewässerdirektion Donau/Bodensee, Bereich Riedlingen, im Frühjahr 2004 das Institut für Landespflege der Universität Freiburg (ILF) damit beauftragt, ein Gewässerentwicklungskonzept für den betreffenden Flussabschnitt auszuarbeiten. Im Abschlussbericht [KONOLD März 2005] wurden verschiedene Planungsvarianten vorgeschlagen.

Beabsichtigte Maßnahmen Das Institut für Wasserbau der Universität Stuttgart (IWS) hat die Planungsvarianten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Hochwassersicherheit, ihrer morphologischen und ökologischen Wirkung und Nachhaltigkeit sowie hinsichtlich ihres Aufwands für die bauliche Umsetzung und Unterhaltung bewertet und einander gegenübergestellt. Dies bildete die Entscheidungsgrundlage für die Auswahl einer der beiden Planungsvarianten. Unter Beteiligung aller betroffenen Behörden und Interessengruppen fiel während einer Expertenrunde im Februar 2005 die Wahl auf Planungsvariante 2B.

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Die Planungsvariante 2B sieht die vollständige Ausleitung der Donau in ein Gewässerbett vor. Die Ausleitung erfolgt mit einem nicht überströmbaren Damm. Der neue Gewässerverlauf orientiert sich an der historischen Situation. Das Sohlgefälle des neuen ca. 40 m breiten Gewässers wurde von ca. 2 ‰ auf ca. 1 ‰ reduziert. Die Fließlänge des Gewässerabschnitts von ca. 2,7 km wird um knapp 400 m verlängert. Am Ende des neu zu gestaltenden Gerinnes ist ein Rampenbauwerk erforderlich, um die entstandene Höhendifferenz zum vorhandenen Donaubett wieder zu überwinden. Das Rampenbauwerk wird naturnah und ökologisch durchgängig gestaltet. Das alte Bett muss teilweise verfüllt werden um ein Durchbrechen des Neuen in den alten Lauf zu verhindern. Es sollen Abschnitte ausgespart werden um entsprechende Feuchtbiotope (Stillgewässer) zu schaffen.

Ziele des Vorhabens Sanierung der Donau Durch Ausleitung der Donau in ein neues unbefestigtes Flussbett kann der Flusslauf seine gestaltende Dynamik voll entfalten. Das geringe Sohlgefälle und die geplante Aufweitung des Gewässerquerschnitts wird die Tiefenerosion stoppen und die Gewässersohle stabilisieren. Regeneration einer Flusslandschaft Die Anhebung der Gewässersohle bewirkt eine häufige Ausuferung und Reaktivierung von Auestrukturen. Damit wird verloren gegangener Retentionsraum wieder hergestellt. Dies führt zu einem verbesserten Hochwasserschutz für flussabwärts liegende Siedlungen. Revitalisierung der Aue Um den Flussabschnitt im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie ökologisch aufzuwerten, sollen zudem gewässerbegleitende Vegetationsstrukturen und auetypische Lebensräume geschaffen sowie gewässermorphologische Prozesse gefördert werden. Hierbei soll auch der Talraum als Kulturlandschaft und Lebens-, Erholungs- und Wirtschaftsraum für den Menschen erhalten werden.

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Sanierung der Donau  Das Regierungspräsidium Tübingen -Landesbetrieb Gewässer- hat im Rahmen des Integrierten Donauprogramms sowie zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in den Jahren 2009 bis 2011 das Renaturierungsvorhaben „Donausanierung zwischen Hundersingen und Binzwangen” umgesetzt.

Maßnahmenplan

Auf einer Länge von 2,7 km erhielt die Donau ein neues, naturnahes Flussbett. Die neue Flusssohle liegt bis zu 2,5 m höher als im bisherigen eingetieften Zustand. Sie wurde über eine „Sohlgleite” an den Unterlauf angeschlossen. Mittels Geländeabtrag wurde ein neues Gewässerbett geschaffen, das sich vom Hochwasser noch überformt. Die Talaue wird der natürlichen Sukzession und der morphologischen Selbstentwicklung überlassen Die wasserrechtliche Plangenehmigung wurde im Juli 2008 durch das Landratsamt Biberach erteilt. Am 6. Mai 2009 fand der Spatenstich zur Donaurenaturierung im Beisein von Umweltministerin Tanja Gönner und Regierungspräsident Hermann Strampfer in Binzwangen statt. Für die Erstellung der Ausführungsplanung, Ausschreibung und örtliche Bauleitung hat der Landesbetrieb Gewässer das Büro Geitz & Partner aus Stuttgart beauftragt.

-8Bau einer Riegelrampe Technisches Herzstück des ersten Bauteils war die Herstellung einer 160 m langen Sohlgleite mit dem Ziel, die Sohle der Donau um 2,3 m und den Mittelwasserspiegel um 1,6 m anzuheben. Diese Sohlgleite wurde im oberen Bereich als Riegelrampe und im unteren Bereich als Schüttsteinrampe ausgeführt. In der Riegelrampe fließt das Wasser nunmehr über ineinandergreifende Becken, deren Lage und Höhe genauestens berechnet wurde, in Kaskaden ab. Damit ist die Fischdurchgängigkeit gewährleistet.

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Ein derart anspruchsvolles Bauwerk konnte nicht in der fließenden Donau hergestellt werden. Um eine trockene Baugrube zu erhalten wurden deshalb die Donau in zwei Bauabschnitten halbseitig mit Spundwänden abgetrennt und die entstandenen Baugruben leergepumpt. Die Becken haben einen Unterbau, auf den Steinriegel mittels Hightech eingesetzt wurden. Nach Bauende wurden die eingebrachten Spundwände abgetrennt bzw. gezogen. Für die Kanufahrer sind ober- und unterhalb der Sohlgleite eine Bootsausstieg- und Bootseinstiegstelle angelegt worden. Ausführende Betrieb war die Fa. Schrode GmbH aus Hayingen. Für das Bauwerk wurden ca. 20.000 t Steinmaterial verbaut, die reinen Baukosten belaufen sich auf 750.000 €.

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Neuer Flusslauf Parallel zum Bau der Sohlgleite wurde auf einer Länge von ca. 850 m (Bauteil 1) ein neues Donaubett ausgehoben, das zunächst nur von unterstrom einen Anschluss an die alte Donau hatte. Ziel der Maßnahme ist die Schaffung eines naturnahen Gewässerbettes mit unterschiedlichen Tiefen und Breiten, reich strukturierten Böschungen und Kiesbänken als neuen Lebensraum für Fische und Vögel.

- 11 Im Bereich des neue Flusslaufes sind wir auf Müll- und Bauschutt aus der Altablagerung „Äusserer Kessel” gestoßen. Die beauftragte Firma Max Wild aus Berkheim hat das Material zunächst sortiert. Es wurden 110 t Müll einer geordneten Entsorgung zugeführt und 600 m³ Bauschutt zu einer Recyclinganlage abtransportiert. Insgesamt 20 t Metallteile und Schrott landeten bei einer Wiederverwertungsanlage.

Auf eine Besonderheit wird noch verwiesen. Bei diesem Vorhaben arbeiteten der Landesbetrieb Gewässer und die Abteilung Straßenbau des Regierungspräsidium Tübingen Hand in Hand. Die Kollegen des Straßenbaus benötigten für den Bau der Ortsumgehung Herbertingen große Mengen Kies. Im Bereich des zweiten Bauteils wurden ca.120.000 m³ Kies entnommen und direkt im Straßenbau eingebaut.

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Der Bauteil 2 „Neuer Flusslauf” mit 1,7 km Länge bis zur Ausleitung Richtung Hundersingen wurde im Jahr 2010 angelegt und im Mai 2011 geflutet. Die teilweise Verfüllung der alten Donau und die Herstellung des Ausleitungsdammes dauerte noch bis November 2011. Da das neue Flussbett weitgehend unbefestigt blieb, kann es sich eigendynamisch entwickeln. Das erste Hochwasser vom Januar 2012 hat die Kraft der Donau bereits unter Beweis gestellt.

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Neue Donau nach Flutung Mai 2011

Kosten Insgesamt wurden bei der Maßnahme HuBi ca. 250.000 m³ Erdmaterial bewegt. Die Donausanierung (Revitalisierung der Donau und ihrer Aue) ist Bestandteil des Integrierten Donauprogrammes (IDP). Die Projektkosten in Höhe von 2,6 Mio. EUR trägt zu 60 % das Land Baden-Württemberg, die restlichen 40 % wurden durch das Entwicklingsprogramm Ländlicher Raum (ELER) zur Verfügung gestellt.

- 14 Ausblick Im Renaturierungsabschnitt treten nun auch kleinere Hochwasser über die Ufer, die früher schnell abgeführt wurden. Der durch den Umbau aktivierte Retentionsraum verbessert die hydraulische Situation langfristig. Man kann nun gespannt sein, wie sich die Talaue künftig entwickelt. Schon in der Baustellenphase entdeckte man ganze Trupps des Flussregenpfeifers, der hier auch schon erfolgreich gebrütet hat. Es bleibt zu hoffen, dass auch künftige Hochwasser die Kraft haben, Kiesflächen zu verschieben und die natürliche Sukzession von neuem beginnen zu lassen.

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Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Baden-Württemberg Im Rahmen dieser Strategie wurde das Umweltbildungskonzept „Lernort Donau“ entwickelt. Diese großflächige Renaturierung soll insbesondere Kinder und Jugendliche ansprechen. Aber auch Bootstouristen oder Nutzer des internationalen Donau-Radwanderweges können sich vor Ort informieren über die zahlreichen Aspekte der Landschaftsentwicklung, der Gewässermorphologie, der Ökologie, der frühgeschichtlichen Siedlungen am Rande des Donautals und den vielen Beziehungen zwischen Mensch und Gewässer. Ein Lehrpfad entlang der Neubaustrecke weist an verschiedenen Aussichtspunkten auf Besonderheiten hin, ein Flyer ist erstellt und verteilt Ein zentraler Aspekt stellt die natürliche Entwicklung und die sozioökonomischen Folgen dieses Landschaftsraums dar. Wie geht der Mensch als Anlieger, Tourist, Bootsfahrer mit einem sich ändernden Gewässer um? Der heutige Mensch ist das statische Landschaftsbild gewohnt, das sich zwar jahreszeitlich ändert, die Struktur selbst bleibt jedoch erhalten. Ufert ein Gewässer aus natürlichen Gründen über die ihm zugewiesene Grenze hinaus, beklagt der betroffene Nachbar zunächst einen Schaden. Wo liegen nun welche Verantwortlichkeiten? Wie weit darf sich die Natur in unserer geordneten Landschaft entfalten? Die Wasserwirtschaft hat es sich unter anderem zum Ziel gesetzt, die Folgen der Natürlichkeit eines Fließgewässers zu beschreiben und positive Signale zu setzen. Seither ist bereits der Biber eingezogen, das Barbarakraut hat langgezogene Uferteile vom Frühjahr bis Frühsommer gelb überzogen, erste Blutweiderichbestände leuchten rot im Strömungsschatten, auch das Rohrglanzgras fasst auf schlammigem Untergrund Fuß. Die schnellsten Wiederbesiedler stammen natürlich aus der Vogelwelt: Flussregenpfeifer, Flussuferläufer, Kiebitz, Silberreiher und sogar die Nilgans wurden als auffällige Besucher und teilweise Brutvögel schon im ersten Jahr beobachtet. Die eigens im Zusammenhang mit dem Lernort Donau ausgebildeten Gewässerführer werden hoffentlich noch lange Zeit damit beschäftigt sein, interessierte Gruppen für die Attraktivitäten unserer Fließgewässer zu begeistern und in der natürlichen Dynamik der Flüsse eine Chance für Mensch und Umwelt zu sehen. Ausblick Ein Monitoring, das nicht nur die Fischfauna erfasst, soll die Wirksamkeit der Maßnahme erhellen. Ein entsprechendes Programm befindet sich in der Diskussion. Link: Flyer Hundersingen-Binzwangen