Die sieben Perlen - Geschichtenbox

von Klaus Büchel. Altersgruppen: ab 3, 5 bis 6, 7 bis 10. Kategorien: ..... „Ha, da lacht ja der Wurm im Vogel. Meine Zauberkraft, nicht stark genug?“, empörte.
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Art: Fantastische Geschichten Themen: Prinzessin, Zwerg Kategorien: Spezielle Figuren, Alltag, Fantastisches, Abenteuer, Spezielle Orte, Tiere Altersgruppen: ab 3, 5 bis 6, 7 bis 10

Die sieben Perlen von Klaus Büchel Es war ein ganz normaler Sommertag, an dem die Eltern von Jan und Timo beschlossen, gemeinsam einen Ausflug ans Meer zu machen. Jan und Timo freuten sich sehr, so wie Kinder sich nun mal freuen, wenn es heißt, wir fahren ans Meer. Jan war ein geübter Burgenbauer, er formte den Sand so geschickt mit seinen Händen, dass selbst die feinsten Zinnen auf seinen Burgen zu erkennen waren. Timo wiederum liebte es Kanäle in den Sand zu graben, durch welche sich das Meerwasser seinen Weg bahnte. Am meisten aber mochten sie es, Verstecken zu spielen. Dies taten sie dann auch, nachdem ein jeder von ihnen etwas gebaut hatte. Timo wollte sich verstecken und Jan sollte ihn suchen, also schloss Jan die Augen und begann zu zählen. „Eins, zwei, drei …“ Schnell suchte Timo nach einem Versteck, doch außer der Burg war nichts Geeignetes zu entdecken, wo man sich hätte verbergen können. Nichts, bis auf ein kleines Schneckenhaus vor ihm im Sand. „Ja, klein müsste man sein!“, dachte Timo und kaum hatte er dies gedacht, da wurde er winzigklein, ja so klein, dass die Öffnung des Schneckenhauses wie ein riesiger Tunnel vor ihm lag. „Was ist denn nun passiert?“, fragte sich Timo erstaunt. „Na egal, hier findet Jan mich bestimmt nicht. Wohin dieser Tunnel wohl führt?“ Neugierig machte sich Timo auf den Weg in den Tunnel hinein. Das Innere des Schneckenhauses war von glänzendem Perlmutt und so glatt, dass Timo einige Male ausglitt und hinfiel. Vorsichtig ging er weiter. Als der Tunnel immer enger wurde und Timo nur mehr geduckt weiter konnte, da erblickte er vor sich ein kleines, helles Licht. Schließlich kam er diesem so nahe, dass er eine Öffnung erkannte, durch die man ins Freie gelangte. Vor ihm lag ein Strand und dahinter ein wunderschön blaues Meer. Jedoch war es nicht der Strand, von dem er gekommen war. Links am Strand war ein großer schwarzer Berg zu erkennen, rechts hingegen ein großer weißer Berg. Blickte er noch weiter nach rechts, sah er auf einer kleinen Anhöhe ein herrliches Schloss, von dem aus ein Turm bis in den Himmel ragte. Der einzige Weg dorthin führte über eine Zugbrücke. „Wer da wohl lebt?“, fragte sich Timo. Nirgends war auch nur eine Menschenseele zu erblicken. Doch als Timo sich noch einmal genau umsah, entdeckte er neben dem weißen Berg einen schmalen Pfad, auf dem sich viele kleine Männlein mit noch kleineren Schubkarren in Richtung des Schlosses hinaufbewegten. „He, ihr, wartet mal!“, rief Timo aufgeregt. So schnell er konnte lief er den Männlein

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nach. Als er jedoch den ersten Schritt in ihre Richtung tat, verschwand sogleich das Schneckenhaus, durch welches er an den Strand gelangt war. Zwar erschrak Timo ein wenig, doch ließ er sich nicht beirren und eilte den Männlein nach. „He, ihr da! Was macht ihr denn da? So wartet doch!“, rief Timo, als er fast bei ihnen war. Da wandte sich eines der Männlein um und sprach: „Wir holen Eis vom weißen Berg und bringen es mit unseren Karren zum Schloss. So hat es der König uns aufgetragen.“ „Der König? Ihr habt einen König?“, fragte Timo überrascht. „Ja, wir haben einen König, aber einen sehr traurigen König“, entgegnete das Männlein sichtlich bekümmert. „Schon seit Tagen lässt er Eis in großen Mengen ins Schloss bringen. Für seine Tochter soll es sein, sagt man.“ „Wozu braucht sie solche Mengen Eis?“, fragte Timo. „Weshalb fragst du ihn nicht selbst? Komm doch einfach mit.“ Das ließ Timo sich nicht zweimal sagen. Und so setzten sie gemeinsam den Weg zum Schloss fort. Timo betrachtete erstaunt die gewaltigen Schlossmauern mit ihren Zinnen darauf, die beinahe so aussahen wie auf Jans Sandburgen. Dann durchschritten sie, über eine mächtige, aus schweren Holzbalken gefertigte Zugbrücke, ein großes Tor, durch welches man in den Schlosshof gelangte. In der Mitte des Hofes befand sich ein Brunnen, über den sich ein silbernes Dach spannte. Als Timo gerade im Begriff war, den Brunnen näher zu betrachten, eilte auch schon der König mit großem Gefolge herbei. „Ah, da sind ja meine lieben Eismännlein!“, rief der König freudig aus. „Gerade rechtzeitig, viel länger hätte ich diese unerträgliche Hitze im Schloss nicht mehr aushalten können. Doch was sehe ich da, ein Fremder? Sag, wer bist du und was führt dich auf mein Schloss?“ „Ich bin Timo und wollte gerne wissen, was Ihr mit all dem Eis macht.“ „Ach“, jammerte der König, „das ist eine traurige Geschichte. Aber komm nur mit, dann will ich sie dir gerne erzählen.“ So verließen der König und Timo gemeinsam den Hof und schritten eine lange Treppe hinauf, welche geradewegs in den Thronsaal führte. „Puh“, stöhnte Timo, „wieso ist es hier so heiß?“ Der König bat Timo Platz zu nehmen und berichtete: „Vor gar nicht langer Zeit, meine Tochter Felimeh ging gerade am Meeresufer spazieren, da kam der von allen hier gefürchtete Zauberer Takirsh und verlangte von ihr die blaue Perle, die sie an einer Kette um den Hals trug. Als sie sich jedoch weigerte, ihm die Perle zu geben, strafte er sie mit einem gar fürchterlichen Fluch, dem Feuerfluch. Seitdem ist es nicht mehr möglich, sich ihr auf weniger als hundert Fuß zu nähern, man würde sonst verbrennen. Felimeh selbst jedoch haben die Flammen, die sie umgeben, nichts an.

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Nun, jetzt weißt du, weshalb es hier im Schloss so heiß ist. Und wären nicht die lieben Eismännlein, so wäre es mir kaum mehr möglich, meiner geliebten Tochter nahe zu sein.“ „Jetzt verstehe ich“, sagte Timo, „aber gibt es denn gar keine Möglichkeit, den Fluch von ihr zu nehmen?“ „Es gibt einen Weg, den Zauber zu brechen. Da sich jedoch keiner fand, der den Mut besaß, dem Zauberer Takirsh entgegen zu treten, war es bisher nicht möglich, sieben Perlen zusammenzutragen“, sprach der König bekümmert. „Sieben Perlen?“, fragte Timo. „Ja, sieben Perlen braucht man, um den Zauber zu brechen“, fuhr der König fort. „Takirsh besitzt drei davon. Er trägt sie um seine Stirn gebunden. Weitere drei, so sagt man, befinden sich im Besitz des Krebses Bartak und eine, wie du ja weißt, befindet sich am Halse meiner Tochter. Du siehst, es ist schier unmöglich, den Fluch von ihr zu nehmen.“ „Sagt mir nur, wo ich diesen Takirsh und diesen Bartak finden kann. Ich fürchte mich nicht und deswegen will ich Euch gerne die fehlenden Perlen besorgen“, sprach Timo mit entschlossener Stimme. „Oh, junger Freund, du erfüllst mein Herz mit Freude und Hoffnung. Sollte dein Vorhaben gelingen und du wirklich mit den Perlen zurückkehren, so könnte meine geliebte Tochter erlöst werden. Allerdings weiß niemand von uns, wo sich Bartak und Takirsh aufhalten, außer vielleicht Asaefa die Weise. Sie ist meine Ratgeberin und hat mir schon des Öfteren bei schwierigen Fragen geholfen. Sie lebt auf eigenen Wunsch hin hoch oben im Schlossturm, wo die Luft am klarsten ist. Sie solltest du fragen, jedoch wirst du ohne meine Begleitung zu ihr müssen, da meine Beine mit den Jahren zu schwach geworden sind, einen solch mühsamen Aufstieg zu bewältigen.“ Also machte Timo sich denn alleine auf den Weg, den Turm hinauf. Doch selbst nachdem er tausend Stufen hinter sich gelassen hatte, schien die Treppe nicht enden zu wollen. Nur mehr beschwerlich trugen ihn seine Beine Stufe um Stufe weiter hinauf. Als ihm fast die Kräfte versagten, erblickte er endlich eine reich verzierte Türe aus Holz. Wie aber war Timo erschrocken, als sich diese plötzlich öffnete und knarrend aufsprang, ohne dass jemand Hand an sie gelegt hatte. Argwöhnisch betrat Timo den Raum. Dort waren sonderbare Schriftzeichen an den Wänden, geheimnisvolles Säuseln durchschwirrte die Luft und feiner, weißer Nebel bedeckte den Boden. Da erblickte er, an einem schmalen Turmfenster stehend, eine auf einen Stab gestützte kleine Gestalt mit schneeweißem Haar, die ihn auch gleich ansprach: „Komm nur näher,

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Timo, ich habe dich schon erwartet.“ Verwundert fragte Timo: „Woher kennst du meinen Namen?“ „Die Winde erzählten es mir. Auch erzählten sie mir, dass du kommen würdest, meinen Rat einzuholen“, antwortete Asaefa weise. „Ja, das stimmt“, staunte Timo. „Kannst du mir helfen? Ich bin auf der Suche nach dem Krebs Bartak und dem Zauberer Takirsh.“ Die Weißhaarige wandte sich dem Turmfenster zu und sprach bedächtig: „Gut, ich werde die Winde befragen. Aber bedenke, Takirsh und Bartak sind sehr mächtig. Nur ein falsches Wort aus deinem Munde und es könnte dein letztes gewesen sein.“ Dann begann Asaefa den Winden zu lauschen. „Und ... konntest du etwas erfahren?“, fragte Timo neugierig. „Still!“, forderte Asaefa. „Setz dich hierher zu mir und höre, was ich dir berichte.“ Über Bartak erfuhr ich, dass er weit draußen am Boden des Meeres lebt. Du kannst ihn an der Stelle des Strandes finden, an welcher das Meer am schönsten klingt. Achte darauf, was das Meer zu dir spricht und wiederhole, was du hörtest, dann wird Bartak erscheinen. Weiter erfuhr ich, dass er Wettkämpfen nur schwer widerstehen kann und er stets seine Reichtümer in seinem Gehäuse mit sich trägt. Über den Zauberer Takirsh erzählten die Winde, dass er im großen schwarzen Berg lebt. Du gelangst durch einen schmalen Riss im Fels zu ihm.“ „Der schwarze Berg, sagst du? Ich kenne ihn“, sprach Timo. „Still!“, mahnte Asaefa. „Außerdem erfuhr ich, dass Takirsh gerne mit seinen Künsten prahlt. Nun habe ich getan, was ich konnte und hoffe, deine Fragen beantwortet zu haben. Mögen Glück und ein scharfer Verstand dich begleiten. Ach, eines noch, bevor du deinen Weg fortsetzt, nimm dieses Blatt und benetze es mit dem Wasser aus dem Hofbrunnen. Es hat die Eigenschaft Böses zurückzuwerfen.“ „Hab Dank für deine Hilfe“, sprach Timo und begab sich unverzüglich zum König. „Ich habe mit Asaefa gesprochen und von ihr erfahren, wo sich sowohl Bartak als auch Takirsh aufhalten. Gleich morgen in der Früh werde ich losziehen und versuchen, die Perlen zu holen.“ „Großartig!“, freute sich der König. „Mögen Mut und Weisheit dich führen.“ Am nächsten Morgen verließ Timo den Schlosshof, jedoch nicht, ohne vorher das Blatt, das er von Asaefa der Weisen erhalten hatte, mit Wasser aus dem Brunnen benetzt zu haben. Dann schritt er über die Hängebrücke den Berg hinab zu dem Strand, von dem er gekommen war. Dort angelangt, erinnerte er sich an Asaefas Worte und schritt, einen Fuß vor den anderen setzend, das Ufer des Meeres ab, stets darauf bedacht die Stelle zu finden, an der das Meer am schönsten klänge. Aufmerksam lauschte er dem Plätschern des Wassers und als er fest davon überzeugt war, die richtige Stelle gefunden zu haben, summte er die Melodie des Meeres nach. Da wurden die Wellen mit einem Male immer größer und das Wasser hob sich vor Timo

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in die Höh’, woraufhin ein riesiger Einsiedlerkrebs mit mächtigen Scheren den Fluten entstieg und geradewegs auf Timo zuhielt. „Wer – klack – wagt es – klack – meine Ruhe zu stören?“, empörte sich Bartak. „Das war ich“, antwortete Timo ein wenig kleinlaut. „Weshalb – klack – störst du meine Ruhe – klack –? Und wehe – klack –, du hast keinen triftigen Grund – klack –, dann sollst du – klack – meine Scheren zu spüren bekommen“, drohte Bartak. „Ich heiße Timo und bin gekommen, dich zu einem Wettkampf herauszufordern. Dort, wo ich herkomme, sagt man, dass ich der Schnellste bin, im Schloss des Königs hingegen spricht man, dass es niemand Schnelleren gäbe als dich.“ „Das ist wohl wahr – klack –“, bestätigte Bartak. „Noch nie wurde ich – klack – im Wettlauf besiegt.“ „Heute werde ich dich eines Besseren belehren!“, erwiderte Timo selbstbewusst. Aufgeregt klapperte Bartak: „Ha, – klack – das wollen wir – klack –, – klack – erst mal sehen – klack –.“ Timo wies mit seiner Hand auf zwei eng beieinanderstehende Felsen und meinte, dass es dort hindurchzulaufen galt. „Unmöglich – klack –, niemals passt mein Schneckenhaus durch diese Lücke – klack –“, wandte Bartak ein. „Dann hast du die Wette verloren“, entgegnete Timo. „Ich – klack –, – klack – habe noch nie eine Wette verloren – klack –. Dir werde ich es zeigen – klack –!“, zürnte Bartak und zwängte sich aus seinem Haus, denn verlieren wollte er nicht. Darauf hatte Timo gehofft und begann mit dem Startsignal: „Auf die Plätze, fertig, los!“ Kaum, dass er „los“ gesagt hatte, schoss der Krebs auch schon davon. Mit rasender Geschwindigkeit trommelten seine sechs Beine auf den Sand. Timo hingegen kroch blitzschnell in Bartaks Gehäuse, welches dieser ja am Strand zurückgelassen hatte, und fand auch sogleich die drei Perlen, nach denen er gesucht hatte. Geschwind nahm er sie an sich und machte sich schleunigst auf den Weg, dem Krebs hinterher. Natürlich hatte Bartak zuerst das Ziel erreicht. Sichtlich erschöpft kam Timo etwas später ins Ziel und hechelte: „Puh, bei allen Winden, wie ist es dir nur möglich, so schnell zu sein?“ „Hä – klack –“, freute sich Bartak. „Ich habe dir ja gleich gesagt, dass du gegen mich – klack – niemals gewinnen kannst – klack –.“ „Gib mir etwas Zeit zum Trainieren“, bat Timo, „dann werde ich dich erneut herausfordern.“ „Haha – klack –, nimm dir so viel Zeit, wie du magst. Doch wird es dir niemals gelingen – klack – mich zu besiegen – klack –. Falls du glaubst, du wärst soweit – klack –, dann rufe mich – klack –. Du weißt ja, wo du mich findest – klack –, – klack –“, sprach Bartak, kroch zurück in sein Haus und verschwand wieder im Meer, ohne bemerkt zu haben, dass sein Gehäuse um ein Weniges leichter geworden war.

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Timo jedoch machte sich sogleich auf den Weg zum schwarzen Berg. Dort angelangt erblickte er auch den Riss im Fels, durch welchen man ins Innere des Berges gelangte und somit zum Zauberer Takirsh. Es sah genauso aus, wie es ihm Asaefa die Weise beschrieben hatte. Timo zwängte sich langsam durch den Spalt. Die Felswände um ihn herum fühlten sich feucht und glatt an. Je weiter er in den Berg vordrang, desto leiser wurde das Rauschen des Meeres. Tiefer und tiefer ging er in den Berg hinein und gelangte so schließlich in eine Höhle, in der leises Blubbern zu vernehmen war. Timo folgte dem Geräusch und erblickte auf einem Ofen einen schwarzen Kessel, aus dem bläuliche Schwaden hervorquollen. Gleich neben dem Ofen befand sich ein Regal, worin die unterschiedlichsten Gefäße standen. Ein weiteres Regal war voller sonderbarer Bücher, wovon eines ständig seine Farbe wechselte. Gerade als Timo dieses genauer ansehen wollte, erstrahlte plötzlich der ganze Raum in rot-violettem Licht und ein angsteinflößendes Brausen ging durch die Luft. Da tat es einen Knall und mit einem Male stand ein kleines, zerzaustes Männlein von hagerer Gestalt vor Timo und rief: „Tiki ta tiki ta, was machst du da? Tiki ta tiki tum, schnüffelst hier herum!“ „Begrüßt man so einen Gesandten des Königs?“, entgegnete Timo mutig. „So, so, was will der König denn von mir?“, fragte Takirsh neugierig. „Er behauptet, Eure Flüche wären nicht halb so stark, wie die der anderen Zauberer im Land“, sprach Timo. „Ha, da lacht ja der Wurm im Vogel. Meine Zauberkraft, nicht stark genug?“, empörte sich Takirsh. Daraufhin holte Timo das Blatt hervor, welches er von Asaefa erhalten hatte und sprach: „Mit diesem Blatt, das der König mir gab, lässt sich die Stärke Eurer Flüche messen. Ihr braucht es nur anzusprechen. Sollte Euer Fluch stark genug sein, so beginnt es zu leuchten.“ Dies ließ Takirsh sich nicht zweimal sagen und griff sofort nach dem Blatt. „Tiki ta tiki tit, her damit. Ich werde einen meiner neuesten Flüche benutzen“, ereiferte er sich. „Wie wäre es mit dem Warzenzauber? Wen dieser Fluch trifft, dem wächst mit jedem Tag eine Warze.“ „Der Warzenzauber? Von dem hab ja sogar ich schon gehört“, sprach Timo abwertend. „Hmhm“, überlegte Takirsh, „dann werde ich meinen mächtigsten Zauber anwenden, den Fluch der Versteinerung.“ „Das hört sich nach einem wirklich starken Fluch an“, lobte Timo Takirshs Vorschlag. Daraufhin hielt der Zauberer das Blatt vor seinen Mund und sprach: „Tiki ta tiki tein, es werde zu Stein.“

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Kaum hatte er dies gesprochen, da erstarrte sein Körper zu Stein. Timo zögerte nicht lange und nahm das Band mit den drei Perlen von Takirshs Kopf. Dann eilte er so schnell er konnte zum Schloss zurück. „Hier, seht“, jubilierte Timo, „ich habe alle Perlen besorgt, die Ihr braucht, um den Fluch zu brechen.“ Voller Freude jauchzte der König: „Welch ein Glück, dich getroffen zu haben. Durch deinen Mut werde ich nun endlich meine geliebte Tochter wieder umarmen können. Komm, lass uns zu ihr eilen und den Fluch von ihr nehmen.“ Und so suchten sie gemeinsam jenen Raum des Schlosses auf, in dem die Prinzessin seit ihrer Verzauberung lebte. Der König lief voran, konnte er es doch kaum erwarten, Felimeh in seine Arme zu nehmen. Timo folgte mit forschem Schritt. Nach einer Weile gelangten sie an eine Tür, die so groß war, dass ein Elefant aufrecht hätte hindurch schreiten können. Als der König die Tür öffnete, kam ihnen eine solche Hitze entgegen, dass sich beide die Hände vor ihre Gesichter hielten. Da nahm der König eiligst die Perlen und rollte eine nach der anderen Felimeh zu. Und mit jeder Perle, die er ihr zurollte, wurde der Fluch ein wenig schwächer. Die Flammen wurden kleiner und kleiner und als die letzte der sechs Perlen vor Felimeh lag, wich der Zauber gänzlich von ihr. „Vater!“, rief sie und eilte überglücklich in seine Arme. „Wie hast du es fertig gebracht mich zu befreien?“ „Nicht ich bin dein Befreier“, sprach der König voller Freude, „sondern ein freundlicher junger Mann, den ich zum rechten Zeitpunkt traf. Ihm ist es zu verdanken, dass wir uns wieder nahe sein können. Darf ich vorstellen, Timo.“ Felimeh sah Timo an und sprach: „Wie kann ich dir nur jemals danken. Falls du irgendeinen Wunsch hast, so sag ihn mir und ich will gerne alles mir Mögliche tun, ihn zu erfüllen.“ Was auch der König, indem er mit dem Kopf nickte, bestätigte. Timo überlegte nicht lange und bat: „Vielleicht könnt Ihr mir ja sagen, wie es möglich ist, wieder dort hinzugelangen, von wo ich gekommen bin.“ Der König und Felimeh berieten eine Weile, zogen nachdenkliche Gesichter und wandten sich schließlich Timo zu: „Falls noch genügend deiner Fußabdrücke im Sand zu erkennen sein sollten, wird es ein Leichtes sein, die Stelle zu finden, woher du gekommen bist.“ Und so machten sie sich also gemeinsam auf den Weg zum Strand. „Hier an dieser Stelle muss es gewesen sein!“, rief Timo. „Dann schließe jetzt die Augen und sage dreimal laut: ‚Ich bin wieder da’“, forderte Felimeh Timo auf. „Das ist alles?“, fragte Timo ein wenig überrascht. „Ja“, bestätigte der König, „das ist alles.“ „So lebt denn wohl“, sprach Timo und als er dreimal laut „ich bin wieder da“ gerufen

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hatte, befand er sich tatsächlich wieder an jener Stelle, an welcher er sich klein gewünscht hatte. Da hörte Timo Jan rufen: „Da bist du ja, ich habe dich die ganze Zeit gesucht. Wo warst du nur?“ Aufgeregt sagte Timo: „Jan, Jan, ich muss dir was erzählen.“ Und so nahm ein ganz normaler Strandtag seinen Lauf. Timo und Jan unterhielten sich noch lange angeregt, während Möwen den Strand überflogen und das Geschehen aus der Luft betrachteten. Das Schneckenhaus jedoch blieb am Strand zurück. Und wer weiß, vielleicht liegt es ja noch heute dort.

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