Die roten und die grünen Blumenwichtel

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Heidi Jung

Lustige Geschichten aus dem Wichtelland

Inhalt Die roten und die grünen Blumenwichtel ...................... 4 Ferien im Wichtelland................................................. 18 Hochzeit im Wichtelland ............................................ 36 Blumenfest im Wichtelland ......................................... 54 Die Wohnungssuche .................................................. 67 Das nackte Wölfchen ................................................. 72 Die gestohlene Krone ................................................. 84

DIE ROTEN UND DIE GRÜNEN BLUMENWICHTEL

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m Wichtelland, links und rechts vom Wichtelberg, leben die roten und die grünen Blumenwichtel. Hoch oben auf dem Wichtelberg steht ein hübsches, kleines Schloss. Dort wohnt der König der Blumenwichtel.

Der König ist ein freundlicher, gutmütiger Mann und freut sich, dass seine Untertanen so fleißig sind und so gut miteinander auskommen. Doch das war nicht immer so. Es gab

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nämlich einmal eine Zeit, da konnten die roten Blumenwichtel ihre grünen Nachbarn überhaupt nicht mehr leiden … … angefangen hatte alles, nachdem die grünen Blumenwichtel einen neuen Bürgermeister gewählt hatten. Der Bürgermeister hieß Fridolin Dotterle und er hatte vor seiner Wahl versprochen, dass er aus ihrem Dorf ein kleines Paradies machen wolle. Schöner und reicher als das der roten Blumenwichtel. Als er dann aber sein Amt antrat, musste er schon bald feststellen, dass Bürgermeister sein, gar nicht so einfach war. Im Gegenteil, es war sogar furchtbar anstrengend. Dauernd kam Jemand und wollte etwas von ihm. Und weil Fridolin Dotterle ein großer Faulpelz war und nur seine Ruhe haben wollte, hatte er schon nach zwei Wochen keine Lust mehr, Bürgermeister zu sein. Doch wie sollte er aus dieser Nummer wieder herauskommen? Er hatte keine Ahnung. Wie er auch nachdachte und grübelte, es wollte ihm einfach keine Lösung einfallen. So beschloss er, erst einmal eine Runde zu schlafen – und als er wieder aufwachte, hatte er tatsächlich eine Idee. Er rief alle Bürger zusammen und sagte ihnen, dass er nun, wie versprochen, aus ihrem Dorf ein Paradies machen wolle. Von heute ab müsse keiner mehr arbeiten. Die Kinder bräuchten nicht mehr in die Schule gehen und auch die Erwachsenen könnten tun und lassen, was sie wollten. Die grünen Blumenwichtel jubelten und fanden die Idee richtig toll. Ja, so musste das Paradies sein … Doch was dann geschah, könnt ihr euch sicherlich vorstel5

len. Es dauerte nur ein paar Wochen und schon ging es in ihrem Dorf drunter und drüber. In ihren einstmals hübschen Blumengärten wucherte nur noch Unkraut, und die Küchenkräuter und das Gemüse waren verwelkt und verschimmelt. Aber auch ihre Häuschen waren in einem jämmerlichen Zustand. Die Fensterläden hingen schief herunter und die Fensterscheiben waren so verdreckt, dass man gar nicht mehr durchsehen konnte. Drinnen, in den Häusern, sah es noch schlimmer aus. Dicker Staub lag auf den Möbeln und überall hingen Spinnweben, denn keiner hielt es mehr für nötig zu putzen oder Wäsche zu waschen. Die Blumenwichtel lagen fast nur noch im Bett; ungewaschen und erbärmlich stinkend. Ihre grüne Blume auf dem Kopf hing welk herunter. Sie standen nur noch auf, um Pipi zu machen und um etwas zu essen und zu trinken. Doch die Lebensmittel wurde allmählich immer knapper. Denn ohne Gemüse aus ihren Gärten und ohne Getreide von ihren Feldern blieben ihre Vorratskammern leer. Ein paar Mal hatte der Bürgermeister von den roten Blumenwichteln versucht, mit seinem grünen Kollegen ein ernstes Wort zu reden. Doch Fridolin Dotterle hatte ihn gar nicht ins Haus gelassen und war einfach im Bett liegen geblieben. So war es dann gekommen, dass die roten Blumenwichtel mit den Grünen nichts mehr zu tun haben wollten … Eines Morgens dann, es war Samstag vor Pfingsten, kam vom Wichtelberg ein Bote. Er verkündete, dass der König am nächsten Tag zu Besuch kommen würde. Er war von einer langen Reise zurückgekehrt und wollte nun unbedingt 6

seine Untertanen wiedersehen. Er wollte zuerst bei den Roten, dann bei den Grünen einen Tag verbringen. Die roten Blumenwichtel waren ganz aus dem Häuschen vor Freude. Und als der Bote zu den grünen Blumenwichteln weiter zog, um auch ihnen die frohe Botschaft zu bringen, begannen sie sofort, alles für den königlichen Besuch vorzubereiten. Sie schmückten ihre Häuser mit Girlanden und bunten Fähnchen. Die Hausfrauen putzten, bis alles blitzblank war. Der Festplatz vor dem Rathaus wurde hergerichtet. Bänke und Tische wurden aufgestellt. Der Bürgermeister setzte sich an seinen Schreibtisch im Rathaus und begann an seiner Willkommensrede zu schreiben. Die Blasmusik und der Kinderwichtelchor legten eine außerordentliche Probe ein. Die Wichtelfrauen bügelten die Festtagsgewänder und die besten Köche des Dorfes versammelten sich, um zu besprechen, welches Festmahl für den König zubereitet werden sollte. Als am nächsten Tag der König eintraf, war alles aufs Beste vorbereitet. Die Blasmusik spielte, die Wichtelkinder sangen, der Bürgermeister hielt seine Willkommensrede und die Köche hatten ein köstliches Mahl gekocht.

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Der gute König war so glücklich über den herzlichen Empfang und die vortreffliche Bewirtung, dass er den ganzen Tag lachte und fröhlich war. Und als am Abend die Musik zum Tanz aufspielte, tanzte er mit allen Wichtelfrauen vom Dorf … Am nächsten Morgen verabschiedete sich der König herzlich und setzte sich in seine Kutsche. Doch gerade als er sein Zeichen zur Abfahrt geben wollte, kam noch ein kleiner Wichteljunge angerannt und drückte ihm ein Päckchen in die Hand. Der König bedankte sich für das Geschenk, dann wies er seinen Kutscher an, die Pferdchen lostraben zu lassen – und die roten Blumenwichtel standen am Wegesrand und winkten. Der König seufzte glücklich. Dann öffnete er neugierig das kleine Päckchen, das ihm der Wichteljunge geschenkt hatte. Gespannt griff er hinein und staunte nicht schlecht, als eine 8

Wäscheklammer zum Vorschein kam. Zuerst schaute er ganz verdutzt, dann musste er herzlich lachen, weil er glaubte, der kleine Schlingel hätte einen Spaß mit ihm gemacht. Gutgelaunt lehnte er sich dann zurück und beschloss, noch ein kleines Nickerchen zu machen. Und weil die Kutsche so gemütlich schaukelte, schlief er auch gleich ein und träumte einen schönen Traum. Doch nach einer Weile, wurde er wieder recht unsanft geweckt. Eine dicke, fette Schmeißfliege hatte sich nämlich ausgerechnet seine Nase als Landeplatz ausgesucht. Der König schlug erst erschrocken um sich, dann musste er niesen, dann war er hellwach. Doch das lag nicht nur an der unverschämten Schmeißfliege, sondern auch an dem jämmerlichen Gestank, der jetzt zu ihm in die Kutsche drang. Entsetzt hielt er sich die Nase zu, doch das half nichts. Auch als er sich seinen Umhang vors Gesicht drückte, wurde es nicht besser. In seiner Not erinnerte er sich an die Wäscheklammer, die ihm der Wichteljunge mit auf den Weg gegeben hatte. Rasch holte er sie aus seiner Hosentasche und zwickte sich mit ihr die Nase zu. Puh, jetzt war es besser. Noch ganz durcheinander, schaute er aus dem Kutschenfenster, um zu sehen, woher dieser üble Gestank kam. Doch als er die Ursache entdeckte, glaubte er, seinen Augen nicht zu trauen. Inzwischen hatten sie nämlich das Dorf der grünen Blumenwichtel erreicht, wo sich links und rechts der Straße hässliche Müllberge auftürmten. Und wie sahen die Häuser aus? Was war mit den Blu9

mengärten passiert? Überall wucherte nur Unkraut. Es musste etwas Schreckliches passiert sein. Seine armen Untertanen. Waren sie am Ende alle tot? Der König machte sich große Sorgen, und eine dicke Träne kullerte aus seinem linken Auge. Doch gerade als sich eine zweite Träne auf den Weg machen wollte, öffneten sich die Haustüren und die grünen Blumenwichtel traten winkend heraus. Auch sie hatten ihre Festtagskleidung angezogen, aber die war natürlich ungewaschen und ungebügelt. Doch der König war so glücklich, sie gesund und munter zu sehen, dass ihm gar nicht auffiel, wie schmutzig und zerlumpt sie aussahen. Ein älterer Wichtelmann begrüßte nun den König und führte ihn zum Festplatz. Das wäre eigentlich die Aufgabe des Bürgermeisters gewesen, doch der hatte verschlafen und lag noch im Bett. Der König ahnte natürlich nichts davon und setzte sich auf einen wackligen Stuhl. Gespannt wartete er auf den Vortrag des Kinderwichtelchors, der sich jetzt vor ihm aufstellte. Sie wollten ›Der Mai ist gekommen‹ singen, doch weil sie nicht geprobt hatten, kannten sie den Text nicht mehr richtig und so sangen sie: »Der Mai kommt geflogen, die Vögel schlagen aus, da klettre wer Lust hat, die Bäume hinauf …«

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