Die Mystik in den Religionen der Welt - Buch.de

Printed in Germany. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek ... Die indische religiöse Denkweise kommt nicht nur im Hinduismus.
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

E-Book-Ausgabe:

ISBN 978-3-89969-112-2 Copyright © 2011 by PRINCIPAL Verlag, Münster/Westf.

Print-Ausgabe: Überarbeitete Auflage Erstausgabe: 1991 Benziger Verlag AG Zürich ISBN 3-545-25080-6 Taschenbuchausgabe: 1993 Goldmann Verlag ISBN 3-442-12444-1

ISBN 978-3-89969-085-9 Copyright © 2009 by PRINCIPAL Verlag, Münster/Westf. www.principal.de Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany

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Eleonore Bock

Die Mystik in den Religionen der Welt

PRINCIPAL VERLAG

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Anmerkung des Verlags: Die in der Print-Ausgabe vorhandenen Leerseiten wurden in der E-Book-Ausgabe mit Rücksicht auf die Konsistenz der Seitenangaben im Register beibehalten.

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Dem Andenken Albert Schweitzers gewidmet

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Vorwort Mit diesem Buch wird der Versuch unternommen, eine leicht verständliche Einführung in ein weites Gebiet des menschlichen Geisteslebens zu geben. Das Hauptanliegen ist die Beschreibung der vier großen Religionen Hinduismus, Buddhismus, Islam und Christentum und der mit ihnen verbundenen mystischen Strömungen. Da der Begriff der »Mystik« im heutigen Sprachgebrauch überaus uneinheitlich verwendet wird, wird er auf seinen ursprünglichen Inhalt zurückgeführt und klar definiert. Dadurch ergibt sich eine Abgrenzung zu manchen anderen Erfahrungen, die oft als »mystisch« bezeichnet werden, aber außerhalb der hier gewählten Definition liegen. Die indische religiöse Denkweise kommt nicht nur im Hinduismus und Buddhismus zum Ausdruck (vom Jainismus sei abgesehen), sondern ist stark auch von den Yoga-Lehren geprägt worden, welche in einer Parallelentwicklung entstanden sind. Diese können teils als religiös gefärbte, teils als areligiöse Mystik aufgefasst werden, sofern man von den mehr technischen Anfangsstufen zu den höheren Bewusstseinsebenen vordringt. Das gewählte Thema wurde daher durch den Abschnitt »Yoga« erweitert. Eine isolierte Betrachtung des Islams und des Christentums ohne Berücksichtigung des Judaismus und der griechischen Philosophie hätte ein nur sehr unvollständiges Bild ergeben. Das Christentum hat vom Judaismus die Heilige Schrift und wesentliche Inhalte der Lehre übernommen. Es hat weiterhin in einer jahrhundertelangen Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie gestanden und von dieser zahlreiche Ideen und Denkmethoden entlehnt. Und schließlich wurde die mittelalterliche christliche Mystik erst durch die mystische Philosophie des Neuplatonismus eigentlich ins Leben gerufen. Der Islam entstand in einem Milieu, in dem neben den arabischen Stämmen eine starke jüdische Minderheit anwesend war, außerdem bestanden Beziehungen zum christlichen Äthiopien. So lassen sich denn auch viele jüdische und manche christliche Züge in der Religion Muhammads nachweisen. Nach der Berührung mit Byzanz hat auch der Islam sich mit der griechischen Philosophie beschäftigen müssen. Im Mittelmeerraum besteht somit ein ausgedehntes Ideengeflecht zwischen der Philosophie und den dortigen Hauptreligionen. Anscheinend hat der indische Kulturkreis kaum etwas zu diesen Entwicklungen beigetragen, wie aus dem fast völligen Fehlen von Berichten über Indien im Altertum zu schließen ist. Doch dürfte die Ausdehnung des Alexanderreiches bis nach Nordindien auch bis zu einem gewissen Grade zu

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einem kulturellen Austausch geführt haben, der wohl in beiden Richtungen verlaufen sein wird. Die indischen Denker haben aber ihre religiösen, mystischen und philosophischen Systeme zweifellos im Wesentlichen selbstständig (und z. T. vor der Alexanderzeit) entwickelt. Das vorliegende Buch will in keinem der verschiedenen Abschnitte eine ausführliche Darstellung des behandelten Gebietes geben. Es wird vielmehr versucht, anhand von ausgewählten Beispielen die wichtigsten Entwicklungen anzudeuten. Die Ausführungen sind für den interessierten Laien gedacht; dem Fachmann können und wollen sie nichts bieten. Die Literatur der besprochenen Gebiete ist für den Einzelnen nicht mehr übersehbar. Es werden daher nur verhältnismäßig wenige Werke nach subjektiver Auswahl angeführt. Herr Dr. Syed Laik Ali und Frau Rafia Ali (Bad Vilbel), Herr A. Marck (Moledet/Israel), Frau L. Noam (St. Legier) sowie Herr W.G. Prins (Chailly sur Clarens) hatten die Güte, einzelne Kapitel kritisch durchzusehen, sind aber selbstverständlich für Mängel im Plan und in der Ausführung des Werkes nicht verantwortlich. Herr G. de Beauclair (Freiburg/Br.), Frau I. Fresenius (Wiesbaden) und Herr D. Saur (Mainz) waren in liebenswürdiger Weise anderweitig behilflich. Infolge schwerer Erkrankung konnte ich das Manuskript nicht druckfertig erstellen; diese Aufgabe übernahm mein Mann. Allen Genannten sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt. Freiburg im Breisgau, Frühjahr 1990 E.B.

Vorwort zur 2. Auflage Die Autorin konnte noch an Vorbereitungen zur 2. Auflage ihres Buches teilnehmen, aber nicht mehr aktiv daran mitarbeiten. Es wurden einige Ergänzungen angebracht - Chandogya-Upanishad VI, 1-16; Neufassung des Kapitels »Taoismus«; Suhrawardi, Lull, Margarita Porete, Granum sinapis. Die Ausführungen über Ramon Lull wurden einem unpublizierten Manuskript der Autorin entnommen. Durch Kürzungen konnte der Zuwachs des Werkes begrenzt werden. Rudolf Bock Bad Krozingen im Frühjahr 2009

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Inhalt Vorwort

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1. Einleitung; Definitionen der Mystik; Verhältnis von Religion und Mystik 1.1 Allgemeines 1.2 Definitionen der Mystik

15 15 17

1.3 Verhältnis von Religion und Mystik

22

1.4 Aktives oder kontemplatives Leben

23

2. Hinduismus

27

2.1 Geschichtliches 2.2 Allgemeines; Schrifttum des Hinduismus

27 29

2.3 Götter des neueren Hinduismus

35

2.4 Die wichtigsten philosophischen Systeme 2.4.1 Übersicht

36 36

2.4.2 Samkhya und Yoga

37

2.4.3 Vaisheshika und Nyaya 2.4.4 Mimamsa und Vedanta 2.5 Hinduistische Mystik und hinduistische Mystiker

39 41 44

2.5.1 Übersicht

44

2.5.2 Die Upanishaden 2.5.3 Die Bhagavadgita

45 52

2.5.4 Shankara

55

2.5.5 Ramakrishna

57

3. Yoga

62

3.1 Einführung

62

3.2 Die wichtigsten Begriffe und Techniken des Yoga 3.3 Verschiedene Yoga-Systeme

63 71

3.3.1 Übersicht

71

3.3.2 Raja-Yoga; das Yoga-Sutra des Patanjali 3.3.3 Jnana-Yoga

72 80

3.3.4 Bhakti-Yoga 3.3.5 Karma-Yoga

82 85

9

3.3.6 Kundalini-Yoga (Laya-Yoga) 3.3.7 Hatha-Yoga

88 91

3.3.8 Mantra-Yoga (Japa-Yoga) 3.3.9 Weitere Yoga-Arten

95 97

3.4 Yoga, Religion und Mystik 3.5 Yoga und der Westen

98 100

4. Buddhismus 4.1 Leben des Buddha

105 105

4.2 Die Lehre des Buddha

105

4.2.1 Allgemeines

105

4.2.2 Die vier edlen Wahrheiten

106

4.2.3 Der achtfache Pfad und die fünf Gebote; Versenkungstechniken

107

4.2.4 Philosophische Lehren

116

4.2.5 Ausbreitung des Buddhismus nach dem Tode des Buddha

120

4.3 Hinayana

121

4.3.1 Entwicklung der Lehre

121

4.3.2 Mönchsorden und Laiengemeinschaften

123

4.3.3 Schrifttum des Hinayana

124

4.4 Mahayana

125

4.4.1 Weiterentwicklung der Lehre

125

4.4.2 Die Madhyamika-Schule; Nagarjuna

130

4.4.3 Die Yogacara-Schule

134

4.4.4 Vajrayana

137

4.4.5 Entwicklung des Mahayana in China

138

4.4.6 Entwicklung des Mahayana in Japan; Zen

140

4.4.7 Entwicklung des Mahayana in Tibet; das Totenbuch

143

4.4.8 Schrifttum des Mahayana und des Vajrayana

154

5. Taoismus

158

5.1 Einführung; Konfuzius

158

5.2 Lao-tzu und das Tao-te ching

159

5.3 Chuang-tzu und sein Werk

171

5.4 Weiterentwicklung des Taoismus

176

10

6. Die griechische Philosophie; Einfluss auf Judaismus, Islam und Christentum

180

6.1 Allgemeines

180

6.2 Die Vorsokratiker und philosophische Schulen im 6./5. Jahrhundert v. Chr.

183

6.3 Die klassische Zeit der griechischen Philosophie 6.3.1 Einführung

197 197

6.3.2 Sokrates

198

6.3.3 Platon und die Akademie 6.3.4 Aristoteles und das Lykeion

200 205

6.3.5 Die Stoa

215

6.4 Mittel- und Neuplatonismus

223

6.4.1 Einführung 6.4.2 Numenios

223 225

6.4.3 Plotin (Plotinos)

227

6.4.4 Proklos

240

7. Judaismus 7.1 7.2 7.3 7.4

Geschichtliches Das religiöse Schrifttum der Juden Entwicklung der jüdischen Religion; die Propheten Jüdische Religionsphilosophie im Altertum und im Mittelalter 7.4.1 Allgemeine Weisheitsliteratur 7.4.2 Philo von Alexandria 7.4.3 Jüdische Religionsphilosophie nach Philo 7.4.4 Maimonides 7.5 Mystische Strömungen im Judaismus 7.5.1 Allgemeines 7.5.2 Merkaba-Mystik 7.5.3 Mittelalterlicher deutscher Chassidismus 7.5.4 Die Kabbala; der Sohar 7.5.5 Abulafia 7.5.6 Israel Baal Schemtow und der Chassidismus

8. Der Islam

248 248 249 255 262 262 263 268 271 283 283 284 286 288 289 293 298

8.1 Einführung

298

11

8.2 Das Leben Muhammads; die Nachfolger Muhammads 8.3 Der Koran; islamisches Recht 8.4 Islam und griechische Philosophie; Kalam 8.4.1 Al-Kindi 8.4.2 Al-Farabi (Alfarabius) 8.4.3 Die Abhandlungen der lauteren Brüder

299 304 311 312 313 313

8.4.4 Ibn Sina (Avicenna) 8.4.5 Al-Ghazzali (Alghazel) und ibn Rushd (Averroes) 8.5 Islamische Mystik 8.5.1 Allgemeines; die formative Periode des Sufismus 8.5.2 Lehren der Sufis 8.5.3 Sufi- und Derwisch-Orden

314 317 321 321 325 332

8.6 Berühmte Sufis 8.6.1 Al-Junaid 8.6.2 Al-Hallaj 8.6.3 Al-Ghazzali (Alghazel) 8.6.4 Ibn Arabi 8.6.5 Sanai 8.6.6 Attar

334 334 337 343 350 353 355

8.6.7 Rumi 8.6.8 Suhrawardi Maqtul

360 365

9. Christentum

373

9.1 Religiöse Strömungen im Römerreich in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung 9.1.1 Allgemeines

373 373

9.1.2 Mysterienreligionen

374

9.1.3 Gnosis; Mandäer; Marcioniten; Manichäismus

375

9.2 Jesus von Nazareth

381

9.2.1 Die Quellen zu Leben und Lehre Jesu

381

9.2.2 Das Leben Jesu

383

9.2.3 Jesu Sendung und Aufgabe

385

9.2.4 Die Lehre

388

9.2.5 Wer war Jesus? Jesus als Mystiker

395

9.3 Entwicklung der christlichen Lehre und Bildung der Kirche nach Jesu Tod

12

400

9.3.1 Der Apostel Paulus

400

9.3.2 Die Gemeinde in Jerusalem; Missionstätigkeit; das Apostelkonzil

405

9.3.3 Erste Ausgestaltung der Lehre; Kult

407

9.3.4 Die Ausbreitung des Christentums 9.4 Entwicklung der christlichen Kirchen

408 411

9.4.1 Einführung

411

9.4.2 Kirche und Politik

411

9.4.3 Die ersten vier Konzile

412

9.4.4 Spätere ökumenische Konzile; päpstliche Konzile

419

9.4.5 Weitere Ausgestaltung der christlichen Lehre; Einbeziehung der Philosophie (Clemens von Alexandria, Origines, die drei Kappadozier, Augustinus)

425

9.4.6 Scholastik

439

9.5 Christliche Mystik

445

9.5.1 Einführung; Quellen der christlichen Mystik

445

9.5.2 Dionysios-Areopagita (Pseudo-Dionysios)

446

9.5.3 Ramon Lull (Raimundus Lullus)

460

9.5.4 Meister Eckhart

467

9.5.5 Granum sinapis

482

9.5.6 Die Beginen

484

9.5.7 Margareta Porete

484

9.5.8 Weitere christliche Mystiker

491

10. Schlusswort

514

10.1 Religiosität 10.2 Meditation und Mystik

514 520

10.2.1 Versenkungstechniken 10.2.2 Meditation 10.3 Religiöse Mystik; Religiosität des Genies Leibniz

520 523 526

10.4 Areligiöse Mystik 10.5 Carl Albrecht; Psychologie der Mystik

530 531

Register

546

13

14

1. Einleitung; Definition der Mystik; Verhältnis von Religion und Mystik 1.1Allgemeines Religion bedeutet dem Sinne nach »Bindung«. Gemeint ist damit das Verhältnis des Menschen zu übersinnlichen Mächten, von denen er sich abhängig fühlt. Angst vor Naturgewalten und Ohnmacht gegenüber Krankheit und Tod, aber auch Staunen über das Zweckmäßige in der Natur und Dankbarkeit für ihre Gaben haben wohl seit Urzeiten den Glauben an die Existenz solcher Wesenheiten hervorgerufen. Sie bestimmen das Schicksal des Menschen. Man muss ihnen für Wohltaten danken und sie um Abwendung von Unglück bitten. Die Verbindung des Einzelnen zu diesen Mächten übernehmen bestimmte Personen, die dadurch in der Gemeinschaft eine Sonderstellung erhalten: die Priester, Medizinmänner, Zauberer, Magier oder Schamanen. In allen Religionen bestehen - entweder von Anfang an oder nach einer längeren Entwicklung - festgelegte Formen, in denen sich die Religiosität der Anhänger ausdrückt. Dies sind Riten, Kult und Gottesdienstordnung. Im Allgemeinen sind die für die Ausübung der Zeremonien Verantwortlichen bestrebt, die einmal eingeführte Lehre und die Art des Gottesdienstes unverändert zu lassen. So hat sich z.B. in der katholischen Kirche ein Dogmengerüst - ähnlich den Axiomensystemen der Mathematik - herausgebildet, welches nicht mehr geändert (höchstens ergänzt) werden kann. Manche Religionen haben sich dadurch als außerordentlich beständig erwiesen und z.T. mehrere Jahrtausende überdauert. Trotzdem sind in wohl allen Religionen im Laufe der Zeit Änderungen eingetreten, die teils durch freiwilliges Übernehmen fremder Ideen, teils durch äußere Einflüsse und teils durch Fortschritte in Philosophie und Naturwissenschaften bewirkt wurden. Der zentrale Begriff jeder Religion ist der des Gottes oder des Göttlichen. Gerade dieser Begriff weist aber ganz unterschiedliche Ausprägungen auf. Zunächst kann das Göttliche in Gestalt eines konkreten Dinges, sei es ein Stein, ein Baum, ein Bild oder eine Statue, verehrt werden. Selbst bei dieser Art der Religiosität gibt es Unterschiede: Das dargestellte materielle Wesen kann als solches angebetet werden; es kann als Abbild eines Gottes aufgefasst werden, der für den Menschen unsichtbar bleibt, und auf einer abstrahierenden weiteren Ebene kann es ein Symbol für ein nicht beschreibbares Göttliches sein. Mit der zuletzt genannten Form ist bereits eine Stufe erreicht, in welcher das Göttliche nicht mehr mit allzu konkreten Eigenschaften versehen ist. Eine weitere Abstrahierung findet man in Religionen, die

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