Die mittelalterliche Baugeschichte des Havelberger Domes
Joachim Hoffmann
Die mittelalterliche Baugeschichte
des Havelberger Domes
Lukas Verlag
© by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 2012 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstraße 57 D – 10405 Berlin www.lukasverlag.com Umschlaggestaltung : Lukas Verlag Satz und Layout :Rüdiger Kern, Berlin Druck : Elbe-Druckerei Wittenberg Bindung : Stein + Lehmann, Berlin Printed in Germany ISBN 978–3–86732–130–3
Für Else
Inhalt
6
Vorwort
11
Einleitung
12
Themenstellung und Vorgehensweise
13
Die Domkirche in Grund- und Aufriss
17
Forschungsüberblick
30
Bau- und Restaurierungsmaßnahmen seit 1411
35
Historische Grundlagen – Zum ottonischen Vorgängerbau
38
Zur historischen Topographie Havelbergs
40
Historische Ansichten
40
Die Kirchendarstellung im Havelberger Stadtsiegel
44
Zur Echtheit der Gründungsurkunde des Bistums
48
»Burg« und Kirche in Havelberg – Zur mittelalterlichen Einfriedung der Domstadt
50
Zum Fortbestand Havelbergs bis in das 12. Jahrhundert
55
Von karolingischer Zeit bis zur Bistumsgründung
55
Vom Wendenaufstand zum Wendenkreuzzug
56
Zusammenfassung
61
Der romanische Neubau (Bau I)
64
Zur Datierung nach den Schriftquellen
65
Bestand, Bauverlauf und Rekonstruktion von Bau I
68
Zum Mauerverband und zur Fundamentierung
68
Der Westbau Nachmittelalterliche Veränderungen und Restaurierungen Das Äußere
73 74 76
Inhalt
Das Innere Chronologie und Rekonstruktion der Backstein-Aufbauten
87 98
Zur Anbindung von Westbau und Langhaus
105
Das Langhaus und die Ostteile Die nördliche Außenwand Die südliche Außenwand Der Obergaden Die Nebenchor-Außenwände Das Innere
106 106 109 114 120 124
Schlussfolgerungen für Bauverlauf und Rekonstruktion
134
Datierung nach bauhistorischem und stilistischem Befund
137
Das dendrochronologische Datum von der Außenseite des Chores
137
Zur Quaderritzung am Nordportal
137
Stilistische Datierung des Baudekors
137
Einordnung der Bauformen
143
Der Westbau 143 Zur Unterscheidung von Westwerk und Westriegel 143 Die Umbauten der Westwerke in Hildesheim, Minden und Corvey 143 Westriegel mit seitlichen Turmaufsätzen 146 Westriegel mit horizontalem Abschluss (Breittürme) 149 Wohn-/Wehrtürme 153 Märkische Turmprojekte als Anreiz für die Westbau-Erhöhung 154 Das Langhaus
155
Die Ostteile Vorläufer in Trier und Magdeburg ? Bauten der Reformorden
157 158 163
Zur Funktion einzelner Bauteile
172
Der Westbau Der Westbau als Wehrbau ? Der Westbau als »Bedeutungsträger« ? Der Westbau als »Bannungszeichen« ? Die Westempore als Herrscherempore ? Zur liturgischen Nutzung
172 173 174 175 176 178
Die Nebenchöre
179
Zusammenfassende Einordnung von Bau I
183
Inhalt
7
Der gotische Umbau (Bau II)
186
Zur Datierung nach den Schriftquellen
187
Zum Bauverlauf
189
Die Umgestaltung des Langhauses
189
Die Umgestaltung der Ostteile
192
Datierungsansätze
221
Formsteinprofile 221 Werksteinprofile 225
8
Die Giebel der Nebenchöre
229
Zur älteren Ausstattung
230
Nachtrag zur Untersuchung der Dachwerke
233
Weitere Ein- und Anbauten
234
Der Lettner und das östliche Kreuzgangportal
234
Die Kapellen und Kapellenreste am Langhaus
234
Der »Eulenturm«, die »Mönchskammer« und der Verbindungsgang zur Propstei
236
Zusammenfassende Darstellung des Umbaus
247
Exkurs zur Baugeschichte des Klausurquadrums
248
Zum Wandaufriss
251
Die Liebfrauenkirche in Magdeburg als Vorbild für den Wandaufriss
253
›Ostseekathedralen‹ und Bettelordenskirchen
255
Zur Disposition der Ostteile
264
Historische Einordnung des Umbaus
266
Das Magdeburger Liebfrauenstift und die Lösung der sächsischen Zirkarie von Prémontré
266
Bischof und Kapitel im Konflikt mit den Markgrafen
267
Ein Gegenentwurf zu Chorin ?
268
Reflexe des Havelberger Domes in der spätgotischen Architektur der Mark Brandenburg
271
Inhalt
Fazit
276
Anhang
282
Die Überlieferung zur Verwüstung des Domes von 1279
283
Nachweis der unveröffentlichten Quellen (Archivalien, Pläne und historische Ansichten, bauhistorische Dokumentationen)
286
Literatur und Quelleneditionen
287
Inhalt
9
satis lusimus – de reliquo seria res agatur
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete und im Bildumfang gekürzte Fassung meiner im Dezember 2006 an der Universität Trier eingereichten Dissertation. Es gilt, all denen Dank zu sagen, die sich über die Jahre hinweg dem Projekt mit Interesse und persönlichem Einsatz gewidmet haben : zunächst Prof. Michael Viktor Schwarz (Wien) und Prof. Leonhard Helten (Halle), die während ihrer Trierer Zeit dafür gesorgt hatten, dass das Thema weder zu monographisch noch zu ikonologisch angelegt wurde. Das Ergebnis der Bemühungen hat Prof. Bernd Nicolai (Bern) schließlich bewertet, der die Betreuung der ins Stocken geratenen Dissertation vorbehaltlos übernommen und tatkräftig fortgesetzt hat. Seiner Kennerschaft der zisterziensischen Baukunst und der an ihr entwickelten Fragestellungen verdankt die Arbeit wichtige Aspekte im Hinblick auf die Bauten der Prämostrantenser in Mittel- und Norddeutschland. In der Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Phänomen Backsteinbau bin ich Prof. Helten zu Dank und Anerkennung verpflichtet, der sich auch als Zweiter Berichterstatter bereiterklärte. Reinhard Schmitt vom Landesamt für Denkmalpflege (Halle) ist für kritische Anregungen und sein stetes Interesse am Fortgang der Arbeit ebenso zu danken wie Uwe Fiedler und Christian Popp, die mir ihre Erträge zur Bistums- und Domforschung bereits im ungedruckten Zustand zukommen ließen. In Folkhard Cremer hatte ich während seiner Redaktion der Dehio-Neuauflage einen wichtigen Gesprächspartner. Vieles wäre unerkannt oder missgedeutet geblieben, hätte ich nicht im entscheidenden Stadium der Abfassung mit den Bauforschern Dirk Schumann, Tilo Schöfbeck und Frank Högg in Berlin, Havelberg und Jerichow Probleme und Befunde erörtern können. In Trier halfen die Wegbegleiter Christine Beier, Christine Stolpe, Wilhelm Maier, Jan Werquet und Andreas Waschbüsch mit Rat und Kritik. Jens Rüffer, Ralf Dorn und Claude Dupuis haben sich ihren eigenen, ganz besonderen Platz in dieser Liste verdient. Antje Reichel hat mit ihrer Kenntnis des Bauwerks und der Bereitstellung der archivalischen und Sachquellen des Prignitz-Museums in Havelberg nicht nur zur Tragfähigkeit des Manuskriptes beigetragen, sondern durch ihre beharrliche Zusprache auch entscheidend zur Vollendung des Projektes. Die Drucklegung wurde wesentlich erleichtert durch die finanzielle Unterstützung zweier kultureller Initiativen : dem »Verein für Geschichte der Prignitz« (wobei Herrn Dr. Uwe Czubatynski noch für letzte Hinweise zum Manuskript zu danken ist) und dem Verein »Freunde und Förderer des Prignitz-Museums«. Zuletzt ein aufrichtiger Dank an meine Eltern, die mit wachsender Sorge, aber steter Hilfsbereitschaft auf diesen Moment gewartet haben – und das Versprechen an meine Frau Katja und unseren Sohn Jeremias, das Versäumte alsbald nachzuholen. Ich erlaube mir noch die Feststellung, dass sowohl die erste Begegnung mit der Architektur der Mark Brandenburg als auch die vielen seither zwischen Mosel und Havel zurückgelegten Wege mit ihren nachhaltigen Begegnungen eigentlich ein Ergebnis der »Wende« sind.
Vorwort
11
Einleitung
Themenstellung und Vorgehensweise
1 KDWestprignitz, S. 49 – 85 ; Schirge 1970.
Unweit der Mündung der Havel in die Elbe liegt die Kleinstadt Havelberg, die von der ehemaligen Bischofskirche mit den angrenzenden Klausurbauten als »Stadtkrone« überragt wird. (Abb. 1) Dieser Dombau gehört zu den noch wenig erforschten Kathedralen des Mittelalters, obschon seine Architektur und seine Ausstattung oftmals Erwähnung finden. Die Darstellung der Entstehungsphasen des Bauwerks ist das vorderste Ziel dieser Arbeit. Mit der Neubearbeitung der Bauchronologie sollen die grundlegenden, aber lediglich kursorischen Darstellungen von 1909 und 1970 revidiert werden.1 Der bauhistorischen Untersuchung schließt sich die Einordnung der Architektur mit den Mitteln der Form- und Stilanalyse an. Ferner wird der Erörterung des historischen Umfelds Raum gegeben, das zur Entstehung des Bauwerks und zu seinen späteren Veränderungen beigetragen hat. Die unmittelbare Voraussetzung für die Errichtung des bestehenden Domes war der sogenannte Wendenkreuzzug des Jahres 1147. Dieses Unternehmen hatte neben der Missionierung der östlich der Elbe ansässigen Slawen (»Wenden«) vornehmlich die Einverleibung ihrer Gebiete in den Herrschaftsbereich der teilnehmenden Herzöge und ihrer Vasallen zum Ziel, die aus den westlich angrenzenden Reichsregionen stammten.
1 Havelberg. Stadtansicht, um 1935 (Bildarchiv Foto Marburg)
Themenstellung und Vorgehensweise
13
Der Havelberger Bischof Anselm begleitete das Unternehmen als päpstlicher Legat ; für ihn ergab sich die Gelegenheit zur Wiederherstellung seiner Diözese, die seit über eineinhalb Jahrhunderten nur noch dem Namen nach existierte. Denn bereits in der Mitte des 10. Jahrhunderts waren die Bistümer Brandenburg und Havelberg im Zuge der Ausweitung des ottonischen Reiches nach Osten entstanden. Als Zentren für die Christianisierung der Wendenvölker eingerichtet, gingen die beiden Bischofssitze aber schon 983 in einem umfassenden slawischen Gegenschlag wieder unter. Neben der Rückeroberung der Gebiete sind die ältesten monumentalen Sakralbauten östlich der Elbe ein weiteres Ergebnis des Wendenkreuzzuges. Die nun zum zweiten Male erbauten Kathedralkirchen von Brandenburg und Havelberg – hinzu kommt Ratzeburg, das als Bischofssitz nach Gründung und Verlust im 11. Jahrhundert nun ebenfalls wieder eingerichtet wurde –, ferner die neu errichteten Stiftskirchen in Jerichow und Leitzkau – sie alle wurden zwischen 1148 und 1165 begonnen. Diese fünf Bauten demonstrieren gleichzeitig das besondere Wirkungsfeld des in den 1120er Jahren entstandenen Ordens der Prämonstratenser, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, erneut das Christentum unter den Wenden zu verbreiten. Die Errichtung einer Bischofskirche in Havelberg ist somit ein Ergebnis dreier grundlegender Phänomene des deutschen Mittelalters : der Ausweitung des Heiligen Römischen Reiches in den vormals heidnischen Osten, der Kreuzzugsbewegung und der Impulse zu einer Neuorientierung des monastischen Gemeinschaftslebens, die sich in der Gründung mehrerer Reformorden niederschlugen, wozu auch die Prämonstratenser gehörten. Für die lange nach dem politischreligiösen Umschwung in der Mitte des 12. Jahrhunderts entstandenen jüngeren Teile des Domes ist der Entstehungshintergrund nicht so offensichtlich ; er wird im Rahmen dieser Arbeit zu erörtern sein. Der Untersuchungszeitraum beginnt mit der Bistumsgründung 946/948 ; er endet mit der schrittweisen Auflösung des Domstifts im 16. Jahrhundert : 1506/7 wurde die prämonstratensische Ordensregel für das Domkapitel aufgehoben, 1561 trat das Kapitel zum protestantischen Bekenntnis über, 1598 wurde das seit 1548 vakante Bistum Havelberg aufgelöst. Den für das 16. Jahrhundert ermittelten Baumaßnahmen kommt hier nicht die gleiche Aufmerksamkeit zu wie den als einheitliche Konzeptionen zu würdigenden Leistungen des romanischen Neubaus und seiner – vereinfacht gesprochen – gotischen Einwölbung. Der Umbau ergab im selben Maße eine Modernisierung wie eine zeichenhafte Hervorhebung des überkommenen Bestandes. Hauptanliegen der Arbeit ist es, Grund- und Aufriss der beiden Konzeptionen innerhalb der mittelalterlichen Architekturgeschichte zu verorten. Deshalb wird die Baugeschichte nicht diachron abgehandelt, sondern in zwei getrennten Analysen (Bau I und II) werden Baugeschichte und Einordnung jeweils gekoppelt. Bei dieser Behandlung gleichsam zweier Dome müssen leider Wiederholungen und Querverweise in Kauf genommen werden. In den beiden Hauptteilen der Untersuchung kommt das gleiche Schema zur Anwendung : Zunächst werden die bisher hinzugezogenen schriftlichen Quellen auf ihre Aussagefähigkeit für die Datierung des Bauwerks geprüft. Das anschließende Abschreiten des Bestandes soll zur Scheidung einzelner Bauabschnitte, 14
Einleitung