Die Logik der Zustimmung AWS

Husserl. 1900/1992, Reinach 1911). Allgemein wird, wie bei Mill, anerkannt, dass sich die Zustimmung auf ein Zustimmungsobjekt bezieht: “All language recognises a difference between a doctrine or opinion and the fact of entertaining the opin- ion; between assent, and what is assented to.” (Mill 1973, 87). Von Brentano.
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Stelzner · Die Logik der Zustimmung

In diesem Buch wird der Begriff der Zustimmung in seinen unterschiedlichen Ausprägungen in drei Teilen herausgearbeitet (Teil I: Zustimmung in der Philosophie der Neuzeit und in der traditionellen Logik, Teil II: Zustimmung in der modernen Philosophie, Teil III: Die logische Analyse der Zustimmung). Der neuzeitlichen Tradition in der Verwendung des Zustimmungsbegriffs folgend, erfolgt seine Analyse in Verbindung mit epistemischen und sprechakttheoretischen Begriffen wie Glaube und Überzeugung, Fürwahrhalten, Urteil, Akzeptation und Behauptung. Im Hauptteil des Buches wird im Rahmen der Unterscheidung zwischen der Logik innerer Zustimmung und der Logik äußerer Zustimmung das Verhältnis von Zustimmung, Widerspruch und Folgerung sowie von Zustimmungsfolgerung und Relevanz dargestellt. Hier erfolgt die Behandlung der Zustimmung in formalisierten Sprachen, wodurch sich eine präzise und die logischen Konsequenzen klar umfassende Explikation des Zustimmungsbegriffs ergibt. Das Buch verfolgt das Ziel, Anwendungen der epistemischen Logik in der Philosophie des Geistes, der Erkenntnistheorie, der Argumentationstheorie und der künstlichen Intelligenz zu fördern.

Werner Stelzner

Die Logik der Zustimmung Historische und systematische Perspektiven epistemischer Logik

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Stelzner · Die Logik der Zustimmung

Werner Stelzner

Die Logik der Zustimmung Historische und systematische Perspektiven epistemischer Logik

mentis MÜNSTER

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INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3

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DIE BEHANDLUNG DER ZUSTIMMUNG IM HISTORISCHEN KONTEXT .............................................................11

René Descartes: Zustimmung und freier Wille ................................................. 15 John Locke: Zustimmung und Wahrscheinlichkeit .......................................... 19 David Hume: Zustimmung und Evidenz .......................................................... 27 Bernard Bolzano: Zustimmung und Satz an sich ............................................. 30 John Henry Kardinal Newman: Zustimmung als Glaubensakt ..................... 35 Christoph Sigwart: Zustimmung in der psychologistischen Logik ................ 38 Logik und Zustimmung ......................................................................................... 38 Urteile als Zustimmungen ..................................................................................... 41 Zustimmung ausdrückende Urteile als zentraler Gegenstand der Logik ..................................................................... 43 1.6.4 Sprechakt und Behauptung ................................................................................... 44 1.6.5 Urteil als Gegenstand der Logik .......................................................................... 46 1.6.6 Wahrheit, Urteil und der Charakter logischer Gesetze .................................... 48 1.6.7 Satz als Ausdruck des Urteils. Subject und Prädicat......................................... 52 1.6.8 Der sprachliche Ausdruck des Urteilsaktes ....................................................... 54 1.6.9 Unmittelbare und vermittelte, analytische und synthetische Urteile ............. 57 1.7 Gottlob Frege: Zustimmung als Urteilsakt ........................................................ 58 1.7.1 Die Behandlung des Urteils in der „Begriffsschrift“ ........................................ 58 1.7.2 Die Urteilsstruktur in den „Grundgesetzen der Arithmetik“ ......................... 60 1.7.3 Zur Redundanz des Wahrheitsprädikats ............................................................ 64 1.8 Wilhelm Windelband: Zustimmung und Verwerfung ..................................... 66 1.8.1 Urteilsformen und Reform der Logik ................................................................. 66 1.8.2 Einteilung der Urteile nach der Qualität ............................................................ 67 1.8.3 Nichtklassische Einteilung der Urteile nach der Qualität................................ 72 1.8.4 Qualität der Urteile und logische Grundgesetze ............................................... 76 1.8.5 Formalisierungen .................................................................................................... 79 1.8.5.1 Normative Logik..................................................................................................... 79 1.8.5.2 Objektive Logik ...................................................................................................... 84 1.8.6 Zustimmung und Geltung .................................................................................... 87 1.9 Heinrich Rickert: Zustimmung und Wertung ................................................... 89 1.10 Edmund Husserl: Vorstellungsakt und Zustimmung ...................................... 92 1.11 Theodor Ziehen: Zustimmung und Geltungsbewusstsein.............................. 94 1.12 Adolf Reinach: Zustimmung und Behauptung ................................................. 95

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Inhaltsverzeichnis

2.

DER ZUSTIMMUNGSBEGRIFF IN DER MODERNEN PHILOSOPHIE ..................................................... 105

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.2.1 2.2.2.2 2.2.2.3 2.2.2.4 2.2.3 2.2.4 2.2.4.1 2.2.4.2 2.2.4.3 2.2.4.4

Gegenstände der Zustimmung, mentale Ereignisse und Zustimmung ...... 107 Empfindung .......................................................................................................... 107 Wahrnehmung ...................................................................................................... 108 Zustimmung .......................................................................................................... 110 Linguistische und mentale Zustimmung .......................................................... 111 Innere und äußere Zustimmung ........................................................................ 120 Zustimmung und Glaube ................................................................................... 120 Zustimmung und Behauptung ........................................................................... 124 Effektive epistemische Prädikate ...................................................................... 124 Zur sprechakttheoretischen Explikation des Behauptungsbegriffs ............ 127 Behauptung und Verstehen ................................................................................ 132 Logische Normalität und äußere Zustimmung ............................................... 133 Lüge und die Zuschreibung von Glauben ....................................................... 138 Zustimmung und Akzeptanz ............................................................................. 152 Die Auffassung L. J. Cohens zur Akzeptanz .................................................. 153 Voluntarismus, Glaube und Akzeptanz ........................................................... 154 Beziehungen zwischen Glauben und Akzeptanz ........................................... 156 Widerspruch und Folgebeziehung in Bezug auf Glauben und Akzeptanz.............................................................. 158 Das Moore-Paradoxon ........................................................................................ 162 Omissive und kommissive Form des Mooreschen Satzes ............................ 162 Schwacher und starker Glaubensbegriff und Moore-Paradoxon ................ 169 Das Mooresche Paradoxon im Kontext von Glauben und Akzeptanz ..... 174 Qualitative und quantitative Begriffe von Zustimmung und Glauben....... 177 Glaube, Zustimmung und logische Folgebeziehung ..................................... 185 Quantitativer Glaube und subjektive Wahrscheinlichkeit ............................ 186 Zur Unverzichtbarkeit des qualitativen Glaubensbegriffs ............................ 188 Zustimmung, Rechtfertigung und die Ethik des Glaubens .......................... 190 Die Ethik des Glaubens und der Deontologismus ........................................ 190 Die Beeinflussbarkeit von Zustimmung und Glauben.................................. 202 Selbstbetrug ........................................................................................................... 208 Selbstbetrug und Zustimmungswiderspruch................................................... 209 Selbstbetrug als Phänomen des Glaubenswechsels ....................................... 213 Glaube, Akzeptanz und Selbstbetrug ............................................................... 216 Zustimmung, Glaube, Wissen und Rechtfertigung ........................................ 220 Innere Zustimmung, Glaube und Wissen........................................................ 220 Innere Zustimmung, Glaube und logische Rationalität ................................ 223 Äußere Zustimmung und Wissen ..................................................................... 224 Wissen und Rechtfertigung: Internalismus und Externalismus ................... 227 Die Standardanalyse des Wissens und die Gettier-Paradoxa ....................... 228 Kontextualismus, Indexikalität und versteckte Parameter............................ 245 Kontextualismus ................................................................................................... 249 Indexikalität und der Sinn von Sätzen .............................................................. 251

2.2.5 2.2.5.1 2.2.5.2 2.2.5.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.3.1 2.4.3.2 2.4.3.3 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.6 2.6.1 2.6.2

Inhaltsverzeichnis 2.6.3 2.6.4 2.6.5 2.6.6 2.6.7

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2.6.8

Verdeckte Parameter und Kontextualismus von Wissenssätzen .................252 Parameter für Wissensaussagen .........................................................................255 Bedingungen für das Zutreffen von Wissensaussagen ..................................257 Wissensbehauptung und Kontext......................................................................259 Die Bereitschaft zur äußeren Zustimmung und die Zustimmungslogik .................................................................................262 Ein Missverständnis: Nichtmonotonie und Kontextualität ..........................264

3.

DIE LOGISCHE ANALYSE DER ZUSTIMMUNG ................................265

3.1 3.1.1 3.1.1.1 3.1.1.2 3.1.1.3 3.1.2 3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.3 3.1.3.1 3.1.3.2 3.1.3.3 3.1.3.4

Moderne Ansätze zur epistemischen Logik .....................................................267 Frühe Ansätze: J. Łos, G. H. von Wright und A. Pap ...................................267 Die Behauptungslogik von Łos..........................................................................267 Von Wrights Wissenslogik ..................................................................................272 Die Glaubenslogik von Pap ................................................................................275 Epistemische Logik und mögliche Welten.......................................................277 J. Hintikkas epistemische Logik: Epistemische Alternativen........................278 Kripke-Semantiken und epistemische Logik: W. Lenzen .............................284 Epistemische Logik ohne logische Allwissenheit ...........................................293 F. Dretske: Nicht penetrierende Operatoren ..................................................294 R. A. Eberle: A Logic of Believing, Knowing, and Inferring .......................398 P. Weingartners mehrwertige epistemische Logik ..........................................304 A. A. Sinowjew, H. Wessel und K. Wuttich: Empirische epistemische Logik .........................................................................309 H. J. Levesque: Epistemische Logik und Relevanz ........................................323 Die Logik des “only knowing” ...........................................................................323 Die Logik des expliziten und impliziten Glaubens.........................................338 R. Fagin, J. Y. Halpern, Y. Moses und M. Y. Vardi über die Logik von Glauben und Wissen .........................................................348 Das Mögliche-Welten-Modell für die epistemische Logik ............................349 Formen kollektiven Wissens und Glaubens ....................................................353 Axiomatische Darstellungen für die epistemische Logik 358 Gemeinsames Wissen und Einverständnis ......................................................360 Logische Allwissenheit und die Begrenztheit logischer Fähigkeiten ...........369 Das „syntaktische“ Herangehen ........................................................................374 Das semantische Herangehen ............................................................................377 Nichtstandardlogiken und logische Allwissenheit ..........................................383 Unmögliche Welten und logische Allwissenheit .............................................396 Bewusstheit und logische Allwissenheit ...........................................................398 Lokales Denken ....................................................................................................403 Die Struktur epistemischer Prädikate................................................................406 Parameterbezogenheit epistemischer Aussagen ..............................................406 Zeitparameter ........................................................................................................412 Zustimmung und Kommunikationspartner.....................................................415 Parameterbezogenheit anderer epistemischer Prädikate ...............................418 Verabsolutierung von Parametern epistemischer Aussagen .........................428

3.1.4 3.1.4.1 3.1.4.2 3.1.5 3.1.5.1 3.1.5.2 3.1.5.3 3.1.5.4 3.1.5.5

3.1.5.6 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5

8 3.2.6 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.3.1 3.3.3.2 3.3.4 3.4 3.4.1 3.4.1.1 3.4.1.2 3.4.2 3.4.2.1 3.4.2.2 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.2.1 3.6.2.2 3.6.2.3 3.6.2.4 3.6.3

Inhaltsverzeichnis Verabsolutierung von Parametern und logische Folgebeziehung ............... 431 Explizite und implizite Zustimmungslogik...................................................... 433 Explizite Zustimmung ......................................................................................... 433 Formal implizite Zustimmungslogik................................................................. 439 Hermeneutisch implizite Zustimmungslogik .................................................. 442 Explizite Zustimmung und Verstehen ............................................................. 443 Hermeneutisch implizite Zustimmungsprädikate .......................................... 447 Zustimmung de dicto und de re ........................................................................ 451 Negationen in der Zustimmungslogik .............................................................. 458 Verwerfung und Negation .................................................................................. 459 Fürfalschhalten ..................................................................................................... 459 Verwerfung der Zustimmung ............................................................................ 461 Kontradiktorische und konträre Negationen .................................................. 464 Beschränkte Negationen und innere Negationen........................................... 465 Positionale Negationen ....................................................................................... 474 Semantische Grundlagen der Logik expliziter Zustimmung ........................ 477 Klassische Semantik und Semantik der Zustimmungslogik ......................... 477 Grundprinzipien für Bewertungen in epistemischen Welten ....................... 483 Semantische Systeme für epistemische Welten............................................... 486 Zustimmungsbegriffe in epistemischen Semantiken ..................................... 492 Die Logik expliziter Zustimmung ..................................................................... 500 Die Erfassung logischer Ressourcen in der Zustimmungslogik .................. 500 Ressourcenbeschränkte logische Sprechertypen ............................................ 506 Unmittelbare Logizität im Sinne von SE und SB ........................................... 507 Logizität im Sinne von SE und SB.................................................................... 509 Minimale Logizität im Sinne von SE und SB .................................................. 511 Ressourcenbelastung und syntaktische Komplexität ..................................... 512 Widerspruchsfreie Zustimmung und Relevanz .............................................. 515 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 521 Personenindex ...................................................................................................... 537 Benutzte klassische Ausdrucksmittel ................................................................ 541

VORWORT Die vorliegende Arbeit wendet sich mit der epistemischen Logik einer der wichtigsten nichtklassischen philosophischen Logiken1 zu, die zugleich enge Beziehungen zu anderen nichtklassischen Logiken hat. Die epistemische Logik, speziell die Logik der Zustimmung, ist auch außerhalb der Logik von besonderer Relevanz. Das gilt nicht nur für philosophische Disziplinen, hier insbesondere für Erkenntnistheorie und Philosophie des Geistes. Eine besondere Rolle spielen Untersuchungen zu epistemischen Logiken u. a. auch in der modernen Linguistik, der Psychologie, der Kommunikations- und Argumentationstheorie, der Handlungstheorie, der Informatik und speziell in den Forschungen zur künstlichen Intelligenz. Der Ansatzpunkt für die Entwicklung spezieller epistemischer Logiken ist dabei der Unterschied zwischen der Frage, ob eine Aussage bzw. ein Satz wahr ist, von der Frage, ob einer Aussage Wahrheit in bestimmter Weise mental oder in Form eines sprachlichen Aktes zu- oder abgesprochen wird, ob dieser Aussage zugestimmt wird, nicht zugestimmt wird oder ob sie verworfen wird. Die moderne epistemische Logik stellt sich mit der Thematisierung des Unterschieds zwischen dem (objektiven) Zukommen eines Wahrheitswertes und dem (subjektiven) Zuschreiben oder Absprechen eines Wahrheitswertes durch epistemische Subjekte unterschiedlicher Art einem grundsätzlichen philosophischen Problem. Dieses Problem besteht in der Unterscheidung von (objektiver) Geltung eines Satzes bzw. einer Aussage auf der einen Seite und der epistemischen Rolle dieses Satzes auf der anderen Seite. Diese epistemische Rolle drückt sich in der (subjektiven) Genese des Satzes bzw. der Aussage, dem Erfassen des Satzes bzw. der Aussage sowie dem Erheben von Geltungsansprüchen in epistemischen Einstellungen oder kommunikativ-epistemischen Akten durch epistemische Subjekte aus. Auch wenn die in epistemischen Logiken am häufigsten behandelten Begriffe Glaube und Wissen sind, darf nicht übersehen werden, dass mit dem Zustimmungsbegriff ein fundamentaler epistemischer Begriff gegeben ist, der in zwei Ausprägungen als innere Zustimmung (im Sinne des Fürwahrhaltens eines Satzes) und als äußere Zustimmung (im Sinne einer an Kommunikationspartner gerichteten Akzeptation oder Behauptung eines Satzes) auftritt. Die Analyse und Explikation logisch relevanter Eigenschaften der epistemisch grundlegenden Begriffe der inneren und äußeren Zustimmung ist der Hauptgegenstand des vorliegenden Buches. Nach meiner Auffassung können inhaltlich und formal überzeugende Untersuchungen zur epistemischen Logik nicht auf die Darstellung von formalen Aspekten vorgeschlagener Systeme epistemischer Logik beschränkt sein, sondern erfordern die Berücksichtigung historisch gewachsener Verwendungsweisen epistemischer

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Nichtklassische Logiken unterscheiden sich von der klassischen Logik dadurch, dass in ihnen mindestens eines der klassisch grundlegenden Prinzipien der Zweiwertigkeit und der Extensionalität nicht gilt. Das heißt, in nichtklassischen Logiken gilt nicht, dass eine Aussage genau einen der beiden Wahrheitswerte wahr oder falsch hat ( Zweiwertigkeit) und der Wahrheitswert einer Aussage funktional dadurch bestimmt ist, was die in ihr vorkommenden Termini bedeuten bzw. bezeichnen ( Extensionalität).

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Vorwort

Prädikate ebenso wie die Orientierung an Anwendungen und Analysen dieser Begriffe in der modernen analytischen Philosophie. Dieser Überlegung entsprechend gliedert sich das Buch in drei Teile: Im 1. Teil (Die Behandlung der Zustimmung im historischen Kontext ) wird die Behandlung von Zustimmungsbegriffen in der Philosophie der Neuzeit bis Anfang des 20. Jahrhunderts analysiert. Dabei habe ich in den Kapiteln zu Sigwart (1.6), Frege (1.7) und Windelband (1.8) auf Materialien aus dem Buch Traditionelle und nichtklassische Logik (Stelzner/Kreiser 2004, 99–113, 115–122 und 183–202) zurückgreifen können, die von besonderer Relevanz für das Verhältnis von Urteil und Zustimmung sind. Der 2. Teil (Der Zustimmungsbegriff in der modernen Philosophie) befasst sich anhand der Analyse zentraler Diskussionsfelder mit epistemischen Problemstellungen aus der modernen analytischen Philosophie, in denen logische Mittel angewandt werden. In den hier bearbeiteten Problemstellungen steht die Anwendung logischer Mittel zur Lösung inhaltlicher Fragen im Mittelpunkt, nicht aber die Entwicklung adäquater nichtklassischer logischer Mittel für die Analyse epistemischer Kontexte. Dieser Aufgabe wird sich im 3. Teil (Die logische Analyse der Zustimmung) zugewandt, in dem spezifische Ausdrucksmittel und Theorien der Logik der Zustimmung entwickelt werden. In dem umfangreichen ersten Kapitel des 3. Teils wird der Leser in den modernen Stand der epistemischen Logik eingeführt, auf dessen Basis in den weiteren Kapiteln dieses Teils Grundlinien der Logik der Zustimmung entwickelt werden. Die wohl wichtigste methodische Voraussetzung meiner Vorgehensweise in allen drei Teilen besteht darin, dass konsequent und klar zwischen unserer Analysesprache und der Sprache epistemischer Subjekte unterschieden wird, deren epistemische Einstellungen und Akte man analysiert. Die verwendete Analysesprache ist dabei klassisch logisch strukturiert, d. h., wir legen die klassische Logik als Basislogik für die zu entwickelnden Analysen und Darstellungen logisch relevanter epistemischer Verhältnisse fest.2 Welche logischen Beziehungen zwischen unterschiedlichen epistemischen Aussagen bzw. zwischen unterschiedlichen Zustimmungen bestehen, wird aber nicht von der klassisch festgelegten Analysesprache bestimmt, sondern hängt auch von der Sprache des epistemischen Subjekts und der damit verbundenen Logik ab, die sich wesentlich von der klassischen Logik der Analysesprache unterscheiden kann. Ich möchte nicht versäumen, den Personen und Institutionen zu danken, ohne die das vorliegende Buch nicht, oder zumindest nicht in der vorliegenden Form, entstanden wäre. Mein Dank gilt vor allem Lothar Kreiser, Manfred Stöckler, Gottfried Gabriel, Christian Thiel, Werner Wolff und Richard Günther. Besonders verpflichtet bin ich aber auch der Unterstützung, die ich durch die Universität Bremen und die Deutsche Forschungsgemeinschaft erfahren habe.

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An den Stellen, an denen im Folgenden unspezifiziert die Bezeichnungen „Logik“ bzw. „logisch“ erscheinen, wird sich demzufolge stets auf die klassische Logik bezogen, die z. B. in Kutschera 1967 und anderen Einführungen in die Logik dargestellt wird.

1. Die Behandlung der Zustimmung im historischen Kontext

Der Begriff der Zustimmung in seinen unterschiedlichen Facetten spielt in der Geschichte der Philosophie3 und in modernen Theorien der Philosophie des Geistes, der Erkenntnistheorie, der Argumentationstheorie und der epistemischen Logik eine bedeutende Rolle. Der neuzeitlichen Tradition folgend, fungiert der Zustimmungsbegriff in der Analyse epistemischer und sprechakttheoretischer Begriffe wie Glaube und Überzeugung, Fürwahrhalten, Urteil, Akzeptation und Behauptung. Als Gegenbegriffe zur Zustimmung betrachtet man die Verwerfung, Ablehnung oder Verneinung. Zu beachten ist der Unterschied zwischen der Zustimmung in der engeren Bedeutung ( lat. „assensus“, „assensio“) und der Übereinstimmung ( lat. „consensus“).4 Während Zustimmung vorzugsweise auf propositionale Gehalte oder Sätze bezogen ist, wird Übereinstimmung wesentlich als Verhältnis zwischen epistemischen Subjekten expliziert. Allerdings wird „Zustimmung“ auch in Bezug auf einen Kommunikationspartner benutzt, wenn elliptisch davon gesprochen wird, dass ein epistemisches Subjekt einem anderen Subjekt zustimmt. Genauer müsste es natürlich heißen, dass Subjekt x den von Subjekt y geäußerten oder behaupteten Sätzen p1, …, pn zustimmt, einigen von y behaupteten Sätzen zustimmt, oder allen von y behaupteten Sätzen zustimmt. Schließlich läuft also auch diese kommunikative Form der Zustimmung letztendlich wieder auf die Zustimmung zu Sätzen oder propositionalen Gehalten hinaus. Zustimmung wird jedoch nicht nur auf deskriptive Information tragende Entitäten bezogen verstanden, sondern auch auf Werturteile ästhetischer und ethischer Art, auf Anweisungen, Bitten etc. und auf Handlungen bezogen. Dabei wird dann auch von „Billigung“ gesprochen, wie bei Lotze: Diese Billigung nun, durch welche unser Wille den Entschluß, welchen die drängenden Beweggründe des Vorstellungsverlaufes ihn darbieten, als den seinigen adoptirt, oder die Mißbilligung, mit welcher er ihn von sich zurückweist, beide würden denkbar sein, auch wenn keine von beiden die geringste Macht besäße, bestimmend und verändernd in den Ablauf der inneren Ereignisse einzugreifen. ( Lotze 1896, 289).

Diese erweiterten Fassungen der Zustimmung finden wir bereits bei Krug, der „assensus“ allerdings mit „Beifall“ und nicht mit „Zustimmung“ übersetzt: „In ästhetischer Hinsicht ist der Beifall das Wohlgefallen an einer künstlerischen Leistung. [...] In moralischer Hinsicht endlich ist der Beifall die Billigung einer Handlung als einer guten.“ ( Krug 1832, 308 f.). Zustimmung zu moralischen

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Zur Behandlung des Zustimmungsbegriffs in der Antike und im Mittelalter vgl. Kobusch 2004 und in der Philosophie der Neuzeit vgl. Gabriel 2004. Vgl. Gabriel 2004, 1465.

14 Urteilen wird z. B. bei Lipkin 1981, McNeilly 1957, Grant 1956, Horsburgh 1954 behandelt. Wir werden uns in dieser Arbeit primär der kognitiven Verwendung des Zustimmungsbegriffs zuwenden. Diese Verwendungsweise ist es auch, die die dominierende Rolle des Zustimmungsbegriffs in der Urteilstheorie mit sich bringt und mitunter zu einer Identifizierung von Zustimmen und Urteilen führt (vgl. Wolff 1728, 451). Von verschiedenen Autoren wird die Zustimmung vom Urteilen, das sich unmittelbar als auf die Dinge bezogen darstellt, dadurch unterschieden, dass sie im Sinne einer sekundären Stellungnahme sprachbezogen ist: „Diese geistige Fähigkeit wird, wenn sie sich unmittelbar an den Dingen betätigt, Urteilen genannt. Betätigt sie sich an Wahrheiten, die in Worte gefaßt sind, so wird sie gewöhnlich Zustimmung oder Ablehnung genannt.“ ( Locke 1968, 242). Die Zustimmung wird hier also auf bestehende Behauptungen bezogen, wie dies auch bei Reinach und Husserl der Fall ist (vgl. Husserl 1900/1992, Reinach 1911). Allgemein wird, wie bei Mill, anerkannt, dass sich die Zustimmung auf ein Zustimmungsobjekt bezieht: “All language recognises a difference between a doctrine or opinion and the fact of entertaining the opinion; between assent, and what is assented to.” ( Mill 1973, 87). Von Brentano wurde abweichend davon die Auffassung entwickelt, dass Anerkennen und Verwerfen die das Urteil charakterisierenden Elementarphänomene sind (vgl. Brentano 1874, 266 ff.), also dem Urteil vorgängig sind. Nicht immer wird bei der Zustimmung deutlich zwischen der Zustimmung als Akt der Anerkennung der Geltung und der Zustimmung als epistemischem Zustand im Sinne des Glaubens oder Fürwahrhaltens unterschieden, was sich lateinisch im Unterschied zwischen „assensus“ und „assensio“ ausdrückt. Dies zeigt sich z. B. bei der Behandlung der kognitiven Zustimmung als Beifall durch Krug. Einmal findet man bei ihm die indifferente Auffassung: „Beifall (assensus) ist logisch betrachtet die Zustimmung zu einem Urtheile, das man für wahr hält.“ ( Krug 1832, 308). Der Aktcharakter von Zustimmung ( Beifall) und der mögliche Übergang der Zustimmung zum Zustandscharakter von Überzeugung werden von Krug in folgendem Zitat unterstrichen: Sobald wir ein Urtheil für wahr halten, geben wir demselben auch Beifall (assensus). Dieser Beifall ist eine eigene Art des Wohlgefallens an wahren Urtheilen, als solchen, entspringend aus dem natürlichen Streben des Menschen nach Wahrheit, welches auch als herrschender Charakterzug Wahrheitsliebe heißt. Ist nun jener Beifall dauerhaft, so entspringt daraus derjenige Gemüthszustand, welcher Ueberzeugung (persuasio) heißt und nichts anders als das beharrliche Bewußtsein von der Gültigkeit eines Urtheils ist. ( Krug 1820, 78 f.).

Gegen diese Übersetzung von „assensus logicus“ wendet sich Herbart: „Doch aber macht es der gemeine Sprachgebrauch nicht so arg, wie manche Philosophen, die sogar den assensus logicus auf deutsch mit Beyfall, anstatt mit Zu-