Die Feststellung der Erheblichkeit von Biodiversitätsschäden nach ...

schäden befassten Versicherer gehören, ihnen ein vertieftes Fachwissen zu den betreffenden Lebensraumtypen aber vielfach fehlen dürfte, wurde zuerst ein.
223KB Größe 3 Downloads 110 Ansichten
Schriftenreihe der BTU Cottbus

Wiegleb/Wagner

Die Feststellung der Erheblichkeit von Biodiversitätsschäden nach dem USchadG Grundlagendaten für die FFH-Lebensraumtypen

Wiegleb/Wagner Die Feststellung der Erheblichkeit von Biodiversitätsschäden nach dem USchadG

Wiegleb/Wagner

Die Feststellung der Erheblichkeit von Biodiversitätsschäden nach dem USchadG Grundlagendaten für die FFH-Lebensraumtypen

G. Wiegleb & H.-G. Wagner (Hrsg.) unter Mitarbeit von C. Voets

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben vorbehalten. Verlag und Herausgeber übernehmen keine Haftung für inhaltliche und drucktechnisch bedingte Fehler. ISBN Print: 978-3-869 65-174-3 ISBN E-Book: 978-3-869 65-175-0

© 2011 Lexxion Verlagsgesellschaft mbH · Berlin www.lexxion.de Umschlagentwurf: Annika Langer Satz: typossatz GmbH, Berlin

V

Vorwort Am 14. November 2007 trat in Umsetzung der Europäischen Richtlinie zur Umwelthaftung (UmwH-RL) vom 30. April 2004 das deutsche Umweltschadensgesetz (USchadG) in Kraft. Hauptziel des USchadG ist die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, die als Schädigung geschützter Arten und natürlicher Lebensräume (auch „Biodiversitätsschäden“ genannt), Schädigung von Gewässern und Schädigung des Bodens definiert werden. Sanierungsverpflichtet ist grundsätzlich der Verantwortliche, der eine berufliche Tätigkeit i.S.d. Anlage 1 zu § 3 Abs. 1 USchadG ausübt und – verschuldensunabhängig – einen Umweltschaden verursacht, sowie – bei den Biodiversitätsschäden – auch derjenige, der einen Umweltschaden außerhalb des Tätigkeitskataloges von Anlage 1 verschuldensabhängig verursacht. Aufgrund des Verweisungsmechanismus des USchadG auf das Bundes-Naturschutzgesetz (BNatSchG) liegt eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen und damit ein Umweltschaden i.S.d. USchadG aber nur dann vor, wenn erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser Arten oder Lebensräume feststellbar sind, ein in der Anwendungspraxis dieser neuen umweltrechtlichen Regelungen kein einfaches Unterfangen. Die „Erheblichkeit“ ist zwar durch Verweise und Anhänge in der UmwH-RL und im USchadG über das BNatSchG scheinbar konkretisiert und mit Kriterien zu ihrer Feststellung untersetzt. Juristisch wie ökologisch ist der Erheblichkeitsbegriff aber alles andere als klar. Bereits im Jahr 2008 war deshalb an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes neben einer Ableitung jener Arten und Lebensräume, die im Sinne der UmwH-RL überhaupt zu Schaden kommen können, ein Modell zur Feststellung der „Erheblichkeit“ entwickelt worden. Zu seiner konkreten Anwendung bedarf es jedoch unter anderem der vorherigen Aufbereitung spezifischer Daten sowie Präzisierung der entsprechenden Kriterien. In einem weiteren von der DBU geförderten Projekt, dessen Ergebnisse hier vorgelegt werden, sollten eben diese Daten exemplarisch für die 91 nach derzeitigem Kenntnisstand in der Bundesrepublik Deutschland vorkommenden Lebensraumtypen des Anhangs I der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) aufbereitet werden, um dadurch die eventuelle Erheblichkeit von nachteiligen Auswirkungen auf diese Typen als Voraussetzung eines Umweltschadens feststellen zu können. Die Diskussionen mit Fachleuten im Rahmen dieses Prozesses führten dabei zu der Erkenntnis, dass ein erneuter vorheriger Abgleich mit Kriterien bzw. Methoden, die im Rahmen der so genannten FFH-Verträglichkeitsprüfung entwickelt wur-

VI

Vorwort

den, notwendig ist. Das Ergebnis dieses wissenschaftlichen Disputs wird nachfolgend vorgestellt. Da zu den Anwendern und Rechtsadressaten des USchadG die zuständigen Fachbehörden sowie potenzielle Schadensverursacher, aber auch die mit Umweltschäden befassten Versicherer gehören, ihnen ein vertieftes Fachwissen zu den betreffenden Lebensraumtypen aber vielfach fehlen dürfte, wurde zuerst ein auf einfachen Kriterien beruhender Bestimmungsschlüssel für diese entwickelt. Außerdem wurden die Kriterien zur Erheblichkeitsfeststellung derart aufbereitet, dass sie auch auf bisher nicht erfasste oder auf erst künftig – aufgrund eventueller weiterer gesetzgeberischer Bestrebungen – auftretende Fälle anwendbar sein können. Dennoch wirft das vorliegende Projekt eine Reihe von Fragen auf, auf die vorerst noch keine erschöpfenden Antworten gegeben werden konnten. Eine Klärung dieser offenen Fragen wäre im Hinblick auf die praktische Anwendung des USchadG im Einzelfall aber dringend erforderlich, da ansonsten die Gefahr besteht, dass das Gesetz gerade bei den Biodiversitätsschäden das gleiche Schicksal der praktischen Bedeutungslosigkeit erlangt wie sein zivilrechtliches Pendant, das Umwelthaftungsgesetz (UmwHG). Cottbus, im Juli 2011 Prof. Dr. Dr. h.c. Lothar Knopp

VII

Dank Ohne die großzügige Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Wir danken deshalb zunächst und vor allem der DBU für diese Förderung, ihre inhaltliche Unterstützung, ihre Geduld und ihr Entgegenkommen bei zahlreichen Gelegenheiten. Darüber hinaus haben wir von zahlreichen Kollegen und Fachleuten Beiträge, Kritik, Verbesserungsvorschläge und Anregungen erhalten. Wir danken insbesondere Frau Prof. Dr. B. Nixdorf, BTU Cottbus; Herrn Prof. Dr. H. Schubert, Universität Rostock; Herrn Dr. E. Schröder, Herrn Dr. A. Ssymank und Herrn D. Bernotat, Bundesamt für Naturschutz, Bonn und Leipzig; Herrn Dr. O. von Drachenfels, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Hannover; Herrn Dr. D. Leßmann, BTU Cottbus; der Bundesgeschäftsstelle des Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU), Berlin und hier besonders Herrn M. Wessel sowie Frau A. Klein, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V., Berlin. Frau Dr. F. Schulz, BTU Cottbus, danken wir für die Durchsicht des Manuskriptes. Schließlich danken wir dem Lexxion Verlag für sein Entgegenkommen bei der Publikation und Gestaltung des Textes.

IX

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 I. Definition von Biodiversitätsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 II. Arten und Lebensräume des Umweltschadensgesetzes . . . . . . . . . . . . . 4 III. Der Erhaltungszustand des FFH-Monitorings als Bezug . . . . . . . . . . . . 6 IV. Die Erheblichkeitsabschätzung und ihre Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . 7 V. Die Erheblichkeitsfeststellung nach dem Cottbuser Modell . . . . . . . . . . 9 VI. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 C. Kriterien des Umweltschadensgesetzes zur Erheblichkeitsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Räumlicher Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 D. Das Verhältnis zur FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß Fachkonventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Zur Anwendbarkeit der „Fachkonventionsvorschläge“ der FFH-VP bei der Erheblichkeitsfeststellung im Rahmen des USchadG . . . . . . . . 20 E. Rahmenbedingungen der Erheblichkeitsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . I. „KO“-Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regenerierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erhaltungszustand in der BRD bzw. der Europäischen Union . . . . . 3. Maximal tolerierbarer Flächenverlust laut Fachkonventionen . . . . . 4. Das 1 %-Kriterium der Fachkonventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zusammenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 25 32 40 42 44 50

F. Bestimmungsschlüssel für FFH-LRT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

X

Inhalt

G. Monografien bewertungsrelevanter FFH-LRT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. LRT *2140 Küstendünen mit Krähenbeere, prioritär . . . . . . . . . . . . . . . II. LRT *4070 Buschvegetation mit Pinus mugo und Rhododendron hirsutum, prioritär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. LRT 5110 Stabile xerothermophile Formationen von Buxus sempervirens an Felshängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. LRT 8110 Silikatschutthalden der montanen bis nivalen Stufe . . . . . . .

69 69 72 74 77

H. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Offene Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 J. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Herausgeber und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

1

A. Einleitung Am 14.11.2007 trat das deutsche Umweltschadensgesetz (USchadG) zur Umsetzung der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 21.4.2005 (Umwelthaftungsrichtlinie; UmwH-RL) in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Es fordert vom Verursacher eines Umweltschadens Vermeidungs-, und, im Falle eines bereits eingetretenen Schadens, Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen, sofern der Verursacher eine berufliche Tätigkeit ausübt, die zum Schaden geführt hat.1 Zu den vom Gesetz berücksichtigten Umweltschäden gehören gemäß § 2 Abs. 1 USchadG: a) eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen nach Maßgabe des § 19 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)2, b) eine Schädigung der Gewässer nach Maßgabe des § 90 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) oder c) eine Schädigung des Bodens durch eine Beeinträchtigung der Bodenfunktionen im Sinn des § 2 Abs. 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG), die durch eine direkte oder indirekte Einbringung von Stoffen, Zubereitungen, Organismen oder Mikroorganismen auf, in oder unter den Boden hervorgerufen wurde und Gefahren für die menschliche Gesundheit verursacht. Vor allem die unter Punkt a) genannten „Schäden an Arten und natürlichen Lebensräumen…“ sind es, denen in der Literatur zum Thema – teils bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes – besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde.3 Sie werden seit geraumer Zeit der Einfachheit halber meist als „Biodiversitätsschäden“ bezeichnet.4 Im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes „Der Biodiversitätsschaden des Umweltschadensgesetzes – Grundlagendaten zur Erfassung und Bewertung“ (Az: 27690-33/2) wurden am Lehrstuhl Allgemeine Ökologie der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU) in Fortführung des Vorläuferprojektes „Aktuelle Haftungsfragen zu Schäden an der Biodiversität nach dem deutschen Umweltschadensgesetz“ (Az: 26178-33/2)5 1 Vgl. Louis 2008. 2 Vormals § 21 a BNatSchG. 3 Siehe u. a. Roller & Führ 2005; Hille 2007; Peters et al. 2008; Knopp & Wiegleb 2009. 4 Siehe z. B. Louis 2008: 164. 5 Vgl. Knopp & Wiegleb 2009.

2

Einleitung

relevante Grundlagendaten zur Ermittlung und ggf. „Erheblichkeitsfeststellung“ eines eingetretenen Biodiversitätsschadens exemplarisch für die 91 Lebensraumtypen (LRT) der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) zusammengetragen und aufbereitet. Während im ersten Projekt zunächst die durch Verweise der Gesetzgebung bzw. die zugrunde liegenden Richtlinie teils nur uneindeutig umschriebenen „Schutzgüter“ des USchadG abgleitet und benannt sowie Vorschläge zur Erfassung, Risikoabschätzung und Erheblichkeitsfeststellung einerseits, ferner zur Klärung der juristischen Vorgaben und Problemlagen andererseits erarbeitet wurden, stellt der vorliegende Bericht die Umsetzung dieser Arbeit für die FFH-LRT sowie vor allem der seine Entstehung begleitenden Fachdiskussionen dar.