Der Tote vom Loch 4 - Buch.de

AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin www.aavaa-verlag.com. eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt ... Allein ginge es nur um sieben Uhr. So stand er am Abschlag des ersten Loches des Pas- ha Golfclubs ... schoss das Car des Marshalls um die Ecke. Auch er besichtigte erst die Leiche ausgiebig, ehe er die.
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Gerhard Appelshäuser

Der Tote auf Bahn 4 Thriller

© 2013 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2013 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Fotolia, 41131765 - Golf Ball© jamdesign Printed in Germany ISBN 978-3-8459-0837-3 AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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I.

Ein Frühlingsmorgen auf dem Golfplatz

Die Frühlingssonne war gerade über dem Taurusgebirge aufgegangen und ihre ersten Strahlen begannen, die Luft über dem Golfplatz zu erwärmen. Obwohl es schon Mitte März war, luden die nächtlichen Fallwinde ihre kalte Fracht, die sie über den schneebedeckten Bergen des Taurus aufgenommen hatten, auf den Golfplätzen von Belek ab. Es dauerte ein paar Stunden, bis sich warmes Mittelmeerklima einstellte. Aus diesem Grund mieden die Golfer die Plätze in den frühen Morgenstunden, obwohl das klare, ungetrübte Licht die Konturen des Platzes in einer Form plastisch erscheinen ließen, wie zu keiner anderen Tageszeit. Diejenigen unter den 3

Spielern, die eine einsame Runde dem üblichen Golfstress des Tages vorzogen, mussten früh aufstehen, auf ein Frühstück verzichten und auf den ersten Löchern reichlich frieren. Dafür wurden sie mit einer grandiosen Stimmung belohnt. Die schneebedeckten Gipfel des nahen Gebirges glitzerten in der Sonne, die Morgennebel stiegen vom Rasen auf und hingen noch in Fetzen an den zahlreichen Pinienbäumen. Die Vögel hatten ihren Morgengesang noch nicht beendet, und die Zeit schien einfach stehen zu bleiben. Zwischen den Schlägen hatte der morgendliche Golfer Muße, die Landschaft und ihre Stimmung zu genießen. Kein Partner drängte auf ein rasches Weiterspielen und keine nachfolgenden Spieler rückten auf; ein Eldorado für die Naturfreunde unter den Golfern. Pauli gehörte nicht zu dieser Kategorie, denn er war wütend. Erst gestern aus Europa angekommen, wollte er unbedingt heute allein über die Runde gehen und das gemütlich nach dem Frühstück und nicht vor zehn Uhr. Das sei unmöglich, beschied man ihm, die Plätze seien ausge4

bucht. Allein ginge es nur um sieben Uhr. So stand er am Abschlag des ersten Loches des Pasha Golfclubs und versuchte seine Muskeln aufzulockern. Ein Unterfangen, das bei einer Außentemperatur von gerade einmal zehn Grad zum Scheitern verurteilt war und darüber hinaus war die Luft feucht. Den Rest der nötigen Konzentration raubte er sich selbst, indem er auf die sturen und kundenunfreundlichen Türken schimpfte. Selbst die Sekretärin an der Rezeption, die ihn trotz der frühen Morgenstunde freundlich anlächelte und zuvorkommend bediente, abgesehen davon, dass sie auch noch hübsch war, konnte seinen Missmut nicht vertreiben. Normalerweise blieb Pauli mit seinen Schlägen einigermaßen in der Mitte der Spielbahnen, aber heute verzog er die ersten Schläge nach links und nach rechts. Der Ärger trieb seinen Puls in die Höhe. Am dritten Loch gelang es ihm endlich, zu seiner gewohnten Form zu finden. Die setzte sich auch am Vierten fort. Pauli wurde schon leicht euphorisch, als ihm die Quittung für seinen Hochmut präsentiert wurde. Der zweite Schlag 5

landete wieder weit links im Wald. Den Ball fand er nicht auf Anhieb, denn dort wuchsen reihenweise Büsche zwischen den Bäumen und der nahen Straße, in die sich sein Ball verkrochen hatte. Er zwängte sich gebückt durch eine Buschgruppe. Als er sich wieder aufrichtete, um nach seinem Ball zu suchen, fiel sein Blick auf eine rote Golftasche, die einsam am Boden lag. Mit wenigen Schritten war er dort und erschrak. Keinen Meter von der Tasche entfernt kauerte ein Mann auf der Erde. Leicht zusammengekrümmt in Seitenlage, das Gesicht in Richtung der nahe vorbeiführenden Straße gedreht. Pauli ging vorsichtig auf den Mann zu, der nur an seinen Golfschuhen und dem Golfhandschuh als Golfer zu erkennen war, und sprach ihn an. Als er nicht reagierte, sah sich Pauli vorsichtig nach allen Seiten um, ob ihm auch keiner zusah, bückte sich und rüttelte ihn leicht am Arm. Keine Reaktion. Dann versuchte Pauli seinen Puls zu fühlen und fand keinen. Dabei musste er in die aufgerissenen Augen des Mannes blicken, in denen sich Entsetzen spiegelte. Pauli erschrak und 6

rannte panikartig zu seiner Golftasche zurück, wobei er so schnell durch die Büsche brach, dass er sich das Gesicht zerkratzte, aber vor lauter Aufregung keinen Schmerz verspürte. Nervös durchsuchte er seine Golftasche nach seinem Handy und konnte es nirgends finden. Er musste es im Hotel vergessen haben. „Wenn ich das Scheißding einmal brauche, habe ich es nicht mit“ sprach er zu sich selbst und überlegte, was er jetzt tun sollte. Sein Fluchtreflex gebot ihm weiterzuspielen, so als wäre nichts geschehen und die Leiche durch einen anderen finden zu lassen. Aber dazu fehlten ihm die Nerven. Außerdem sah er noch immer das angstverzerrte Gesicht mit den weit aufgerissenen Augen vor sich, was seine Panik nur weiter steigerte. Er hatte noch nie einen toten Menschen gesehen. Zurückzugehen und den Vorfall im Sekretariat zu melden traute er sich nicht. Was ist, wenn der Tode in der Zwischenzeit verschwindet? Dann steht er als Blamierter da. Also blieb er in der Sonne stehen und wartete. Sicher kamen andere Golfer nach ihm und die konnten die Clubleitung informieren. Aber vielleicht kam 7

auch schon vorher der Platzmarschall auf einem Golf Car vorbei. Als es länger dauerte, und noch immer niemand kam, setzte er sich auf den Boden und versuchte den Vorfall zu verdrängen, damit er seine Angst besser beherrschen konnte. Aber es dauerte fast eine halbe Stunde, bis er drei Damen entdeckte, die gerade zum vierten Abschlag gingen. Er schrie und fuchtelte wild mit den Armen, um sie auf sich aufmerksam zu machen, aber die Damen waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie ihn zunächst nicht bemerkten, bis die erste am Abschlag den Ball auf das Tee setzte. Es dauerte wieder eine Weile, bis sie den wild mit den Armen rudernden Pauli entdeckten, und verstanden, dass dort am Green etwas passiert sein musste. Die Golferinnen kamen jetzt schnell näher. Als er sie kurz über seinen Fund informiert hatte, handelten die Damen rasch und professionell. Während die eine mit dem Sekretariat telefonierte, suchte die andere, eine Ärztin, wie sich später herausstellte, bei dem Mann in den Büschen einen Puls zu finden, um dann bedauernd seinen Tod festzustellen. Nach weiteren fünf Minuten 8

schoss das Car des Marshalls um die Ecke. Auch er besichtigte erst die Leiche ausgiebig, ehe er die Golfer informierte, dass die Polizei gleich da sein müsste und sie warten sollten. In der Zwischenzeit waren auch die nächsten Spieler am Ort des Geschehens angekommen. Bis der Platz gesperrt worden war, hatten sich rund ein Dutzend Personen um die Leiche versammelt, jeder eine fachmännische Stellungnahme abgegeben, wobei rüpelhaftes Golfverhalten am Häufigsten fiel; die letzten Spuren verwischt und dafür andere hinterlassen wurden. In der Ferne hörten sie die Sirene des näherkommenden Polizeifahrzeugs, dem auch ein Krankenwagen folgte. Der Marshall hatte inzwischen den Draht zur Straße geöffnet und erwartete dort die Polizei, die sich so den Weg durch den ganzen Golfplatz sparen konnte. Allerdings wurden dadurch die vielleicht noch vorhandenen Spuren gänzlich zerstört, wie sich später herausstellen sollte. Dafür fotografierten die Polizisten alles professionell, der mitgekommene Arzt untersuchte den Toten gründlich. Dabei 9

entdeckte er eine Wunde an der linken Schläfe des Mannes, so als hätte ihn dort ein Golfball mit voller Wucht getroffen. Den Golfern, welche die Leiche vorher untersucht hatten, war die Verletzung entgangen, weil der Tote auf dieser Seite lag, und den „krimiversierten“ Laien war klar war, dass sie den Toten nicht bewegen durften. Offensichtlich ein Unfall, wie die herumstehenden Golfer sachkundig meinten, obwohl keiner von ihnen vorher einen durch einen Golfball getöteten Menschen gesehen hatte. Der Tote trug keinerlei Papiere bei sich. An der Golftasche war ein Anhänger aus Leder mit dem Namen Francoise Millot befestigt, offensichtlich ein Franzose. Der Marshall machte die Polizei aufmerksam, dass nirgends ein Greenfee Ticket des Clubs zu finden sei, aus dem hervorgehen würde, wann der Golfer auf die Runde gegangen war. Da es sich für die Polizei offensichtlich auch um einen Unfall handelte, suchten sie die nähere Umgebung nach dem Golfball ab, der den Tod verursacht haben konnte. Sie fanden nicht einen, sie fanden zwölf Bälle. Einer davon war Paulis 10

Ball, er traute sich aber nicht, um die Herausgabe zu bitten. Die Polizei stellte die Golftasche sicher und die Leiche wurde im Krankenwagen in die nahe Klinik transportiert. Pauli forderte man auf, als Finder der Leiche, der Polizei im Clubhaus wegen des unvermeidbaren Protokolls zur Verfügung zu bleiben. Ihm passte das überhaupt nicht. Nicht nur, dass die Golfrunde abrupt und vorzeitig beendet worden war, ihm knurrte der Magen, denn inzwischen war es fast elf Uhr und er hatte noch immer nichts gefrühstückt. Aber, wie überall auf der Welt, nahm auch die Polizei aus Belek darauf keine Rücksicht. Sie ließen Pauli im Sekretariat warten und vertieften sich erst einmal in den Computer des Sekretariats, um herauszufinden, wann und mit wem ein Francoise Millot auf die Runde gegangen war. Da verlor Pauli endgültig die Geduld. Er setzte sich, ohne um Erlaubnis zu fragen, in die Cafeteria und bestellte sich ein großes Frühstück, mit dem er gerade anfing, als ihn der wütende Polizist zurückzitierte. Es ging dann doch schneller als erwartet, nur bat man ihn am nächsten Tag auf die Polizei-

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station in Belek, um das Protokoll zu unterschreiben.

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Unerwartete Komplikationen

Auf der Wache in Belek rief der Chef vom Dienst das Kommissariat in Antalya an, denn bei einem Unfall eines Ausländers war es besser, die Vorgesetzten in der nächsten Stadt zu informieren. Nach etlichem Hin und Her verbinden nahm der Kommissar Tayfun Gürkan den Fall an. Gürkan, ein erfahrener Polizist, kurz vor der Pensionierung, war der einzige Beamte, der gerade frei war, denn sein ursprüngliches Ressort, die Mordkommission, war schon vor Monaten an seinen Nachfolger übergegangen. Ihm schob man jetzt alles zu, was schnell bearbeitet werden konnte oder was man als unwichtig einstufte. Als Erstes veranlasste Gürkan die Überführung der Leiche in die Gerichtsmedizin, die es nur in Antalya gibt. Dann ließ er sich ausführlich die Ergebnisse der vor Ort Recherche berichten und beschloss, am nächsten Tag nach Belek zu fahren, 13

und sich den Unfallort selbst anzusehen. Den Rest des Tages verbrachte er im Kaffeehaus, wo er sich mit seinem Freund Mustafa, der im Nebenberuf Präsident des National Golfclubs war, traf, um ihn ausgiebig über Golf zu befragen. Mustafa saß schon an einem Tisch, in seine Zeitung vertieft, als Gürkan eintraf. Die beiden Freunde konnten unterschiedlicher nicht sein. Mustafa war groß gewachsen und schlank, ein sportlicher Mensch, noch im Vollbesitz seiner Haarpracht, wenn auch vollständig grau, ja schon fast weiß. Gürkan war klein, mit einem ordentlichen Bauch, an dem man ablesen konnte, dass er einerseits unsportlich und andererseits gutes Essen zu schätzen wusste. Er trug kein Haar mehr auf dem Kopf, dafür prangte ein tiefschwarzer Schnauzer unter seiner Nase; im Büro wurde hinter vorgehaltener Hand kolportiert, Gürkan würde den Bart jeden Tag mit schwarzer Farbe einwichsen. Offen traute sich das niemand laut zu behaupten, denn keiner wollte den scharfzüngigen Kommissar zum Feind haben. Nach den Umarmungen unter Freunden, auf die in der Türkei üblichen Wangenküsse hatten bei14

de schon lange verzichtet. Nach der Erkundigung, wie es um die Gesundheit von Mustafas Gattin stehe, schilderte ihm Gürkan den Fall, so gut es ihm nach dem telefonischen Bericht aus Belek möglich war. „Sag Mustafa, kann ein Golfball überhaupt solche tödlichen Verletzungen verursachen?“, fragte Gürkan. „Ehe ich dir diese Frage beantworte, zahlst du heute unsere Zeche?“ „Wenn mich deine Antworten weiterbringen, ja“, dabei lächelte Gürkan verschmitzt. Solche Spesen zahlte er nicht privat, dafür hatte er einen kleinen Etat, den man ihm bei seiner Versetzung vergessen hatte, zu entziehen. „Ein Golfball kann schon enorme Verletzungen verursachen“, meinte Mustafa nach einigem Nachdenken, „ immerhin kann ein abgeschlagener Ball Geschwindigkeiten bis zu 150 km/Std. entwickeln und ich kenne einige Fälle, wo Armoder Beinknochen von der Wucht des Balles gebrochen wurden. Selbst Schädelbrüche sollen schon vorgekommen sein. Ob sie tödlich verlau-

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