der stress nimmt hier ständig zu! - Buch.de

6. 1.1 Definitionen: Stress – Burn-out –. Innere Kündigung (Thomas Rüttgers). 6. 1.2 Individuelle, institutionelle und gesellschaftliche Faktoren (Jost Schneider).
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INHALTSVERZEICHNIS (Jost Schneider) VORWORT

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„DER STRESS NIMMT HIER STÄNDIG ZU!“

KAPITEL 1 1.1 Definitionen: Stress – Burn-out – Innere Kündigung (Thomas Rüttgers)

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1.2 Individuelle, institutionelle und gesellschaftliche Faktoren (Jost Schneider)

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1.3 Vier Bewältigungsmuster / Ergebnisse des Lehrergesundheitsberichtes (Ira Kokavecz)

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(Thomas Rüttgers)

Kokavecz / Rüttgers / Schneider: Stress und Burn-out vermeiden – Das Praxisbuch © Auer Verlag – AAP Lehrerfachverlage GmbH, Donauwörth

EINLEITUNG 6

„ICH KANN NICHT MEHR!“

KAPITEL 2

(SELBST-)DIAGNOSE 17

2.1 Stressoren und persönliche Stressverstärker

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2.2 Stresspunkte – Stress-Situationen  Standortbestimmung  Bewertung der Stressoren (Appraisal)  Bewältigung der Stressoren (Coping)  Werthaltungen und Motivationen (Commitment)  Persönliche Kontroll- und Kompetenzüberzeugung (Belief)  Folgen von Stress für die Qualität der Arbeit

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2.3 Stresstests

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2.4 Stressverlauf

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2.5 Risikofaktoren

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2.6 Antreiberdynamik / Helfersyndrom  Perfektionismus  Helfersyndrom  Glaubenssätze  Schlechtes Gewissen

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INHALTSVERZEICHNIS „JETZT MUSS ICH WAS UNTERNEHMEN!“

KAPITEL 3

(SELBST-)HILFE 30

3.1 Die fünf Säulen der Identität (Ira Kokavecz)

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3.2 Denkmuster aufbrechen (Ira Kokavecz)

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3.3 Resilienz (Ira Kokavecz)

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3.4 Regeneration (Ira Kokavecz)

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3.5 Zeitmanagement für Lehrer (Thomas Rüttgers)  Vorbemerkung  Das Innen und die eigenen Ansprüche  Das Außen und die Alltagsanforderungen  Wofür wollen Sie mehr Zeit?  Zielformulierung  Prioritätensetzung  Welche Aufgabe wann?  Der Faktor Zeit  Das Pareto-Prinzip

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„UND WER HILFT UNS?“

KAPITEL 4

WEGE AUS DEM EINZELKÄMPFERTUM

4.1 Institutionelle Prävention (Ira Kokavecz)

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4.2 Stressmanagement (Ira Kokavecz)  Intern im Kollegium  Zusammen mit Schülern

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4.3 Helfer und soziale Netzwerke (Thomas Rüttgers)

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4.4 Unterstützung aus dem Gesundheitswesen (Thomas Rüttgers)  Prävention und Psychoedukation  Beratung & Therapie durch Fachleute  Beratung durch sonstige Anbieter  Therapie – ambulant  Therapie – stationär

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4.5 Gesellschaftliche Prävention (Jost Schneider)

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SCHLUSSWORT

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LITERATURVERZEICHNIS

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MATERIALSAMMLUNG

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Kopiervorlagen 1 – 23

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(Jost Schneider)

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VORWORT Wie jeder Beruf hat auch der des Lehrers seine Sonnen- und seine Schattenseiten. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Fachthemen und vor allem der inspirierende Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen werden von den meisten Kollegen als großes Plus empfunden. Die immer größer werdende Hetze, der stärker werdende Druck von Seiten der Eltern, die Verschlechterung der Umgangsformen und vor allem die Zunahme von Kontroll- und Verwaltungstätigkeiten werden dagegen heute oft als Negativfaktoren genannt.

abzielt. Es sollen unbedingt mehr Schulabgänger mit hohen und höchsten Bildungsabschlüssen produziert werden; aus jedem einzelnen Schüler soll demgemäß das Maximum des für ihn Erreichbaren herausgekitzelt werden. Doch an der Bildung und Erziehung von Kindern wirken außer der Schule noch zahlreiche weitere Instanzen mit, die unbedingt jeweils ihren Beitrag leisten müssen, wenn das Gesamtresultat besser werden soll. Aber oftmals scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. So haben beispielsweise die Vereine und Kirchen großenteils ihre Sozialisationsfunktionen eingebüßt, manche Eltern vernachlässigen ihre Erziehungspflichten, und die Angebote vieler Massenmedien sind von bestürzender Infantilisierung geprägt oder appellieren an die niedrigsten Instinkte. Auf den Schulen lastet deshalb heute ein enormer Druck: Obwohl die Rahmenbedingungen tendenziell ungünstiger geworden sind, sollen wesentlich ambitioniertere Ziele erreicht werden. Und das bedeutet: Einsatz an mehreren Fronten, mehr Arbeit, mehr Ärger, mehr Frustration, mehr Stressgefahr.

Die wesentliche Ursache für diese aktuelle Zuspitzung der Arbeitssituation ist leicht zu benennen und im Grunde auch jedermann bekannt: Die Verschärfung des internationalen Wettbewerbes infolge der Globalisierung hat in vielen Branchen und Sektoren zu massiven Rationalisierungsanstrengungen geführt. Und kein Bereich ist davon wohl stärker betroffen als das Bildungssystem! Denn in der Wirtschafts- und Industriepolitik dominiert – sicherlich auch zu Recht – die Vorstellung, dass in Deutschland vor allem hochwertige Dienstleistungen und Waren produziert werden müssen und keine simplen Billigprodukte, wie sie in Niedriglohnländern wesentlich günstiger herzustellen wären. Qualitätsprodukte können aber nur von sehr gut ausgebildeten Arbeitnehmern gefertigt werden.

Wie in dieser schwierigen Situation verfahren werden kann, damit sich die Sonnen- und die Schattenseiten des Berufes mindestens die Waage halten, zeigt Ihnen dieses Buch. Auf individueller, aber auch auf institutioneller und gesellschaftlicher Seite gibt es zum Glück eine Vielzahl von Möglichkeiten, um den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und um darüber hinaus auch aktiv und wirkungsvoll an einer nachhaltigen Verbesserung der Gesamtsituation zu arbeiten.

Vom Kindergarten über die Grundschule und die weiterführende Schule bis hin zur Universität sind deshalb alle Einrichtungen des deutschen Bildungswesens in den letzten Jahren einer radikalen Umstrukturierung unterworfen worden, die auf Effizienzsteigerung und Rationalisierung

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Jost Schneider

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EINLEITUNG

1. „DER STRESS NIMMT HIER STÄNDIG ZU!“ EINLEITUNG DEFINITIONEN: STRESS – BURN-OUT – INNERE KÜNDIGUNG (Thomas Rüttgers)

Erläuterung anhand eines Beispiels: Das auslösende (neutrale) Ereignis ist die vierte Schulstunde an einem Montagmorgen. Wie bewerten Sie dieses Ereignis?

Wenn man in aktuellen Presseartikeln oder in Fachzeitschriften die Diskussion zum Thema Lehrergesundheit verfolgt, fällt auf, dass die Ausdrücke „Stress“ und „Burn-out“ stets in einem engen Zusammenhang verwendet werden. Beide Begriffe verlieren dadurch an Trennschärfe und Bedeutung. Lassen Sie uns daher zunächst einmal einen Blick auf diese beide Termini werfen und sie durch den Begriff der „Inneren Kündigung“ ergänzen.

Wird es Sie Kraft kosten, belasten? Dann gehen Sie weiter im Schema nach unten. Oder wird die Stunde für Sie ein reines Vergnügen, ein Spaziergang? Dann ist das Schema für Sie mit der Auswertung „Kein Stress“ zu Ende. Wenn Sie das Ereignis belastet, stellt sich nun die Frage, ob Sie wissen, was zu tun ist, um mit dieser Belastung fertig zu werden. Hierbei geht es nicht nur um Fragen der Erfahrung, Methodenkompetenz etc., sondern auch um das Problem der körperlichen Belastbarkeit und emotionalen Stärke. Wenn Sie mit der Situation zurechtkommen, sie bewältigen können, ist das Schema für Sie mit der Auswertung „Kein Stress“ zu Ende. Können Sie die Belastung jedoch nicht für Sie zufriedenstellend bewältigen, werden Sie eine Stressreaktion zeigen. Diese kann sich individuell sehr unterschiedlich ausdrücken (siehe hierzu den Stresstest in Kapitel 2.3).

A. Was versteht man unter Stress? Stress ist eine natürliche und alltägliche (menschliche) Reaktion auf Anforderungen in unserer Umwelt. Der Begriff ist wertneutral, bezeichnet also zunächst weder einen negativen noch einen positiven Zustand. Es ist daher hilfreich, den Begriff nicht nur aus einer objektiven, sondern auch aus einer subjektiven Perspektive zu betrachten. Ereignis

Bei der Bewertungsebene B entscheidet es sich, ob die Situation eine Herausforderung (= unter Anstrengung zu bewältigen) oder eine Überforderung (= selbst unter Anstrengung nicht zu bewältigen) ist.

Keine Belastung Bewertung A

KEIN STRESS

Belastung

Häufig sind neue Situationen eine Überforderung und Stress. So gesehen brauchen wir Stress ganz lebensnotwendig, um neue Lernerfahrungen zu sammeln. Tritt die Situation dann erneut auf, wissen wir, wie sie zu bewältigen ist.

Bewältigung der Belastung Bewertung B

Stellt sich dieser Lernprozess dauerhaft nicht ein, erleben wir eine Dauerbelastung, die zu Stresserkrankungen führen kann.

Keine Bewältigung

STRESS

B. Was versteht man unter Burn-out? Der Begriff wurde erstmals 1974 in Amerika verwendet, um den vollständigen und unerklärlichen Motivationsverlust in sozialen Berufen zu erklären.

Dauerbelastung

Burn-out ist bis heute keine Krankheit im Sinne einer medizinischen Definition. Sie findet sich in der Klassifikation der Weltgesundheitsorgani-

Erkrankung

Abb. 1: Entstehung von Stress

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Gesteigerte Unruhe, erhöhter Konsum von: Kaffee, Zigaretten, Alkoh

Veränderte Einstellung: Gefühllose und distanzierte Gleichgültigkeit, Gefühl der Isolation und KAPITEL nach Vorschrift

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sation WHO nur unter der Auffangkategorie ICD10, Z 73 („Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“). Begründet wird dies damit, dass es kaum ein Symptom gibt, das nicht mit Burn-out in Verbindung gebracht wird. Ferner gibt es bis heute keine eindeutige Unter  scheidung zwischen Ursachen und Folgen des Burn-outs bei und der Symptombeschreibung. Merkmale Auslöser von Burn-out

Psychisch-mental

Verändertes Verhalten

Körperlich

Veränderte Einstellung

Innerpsychisch

Handlungsbedingungen KV 01

Rahmenbedingungen

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Merkmale von Burn-out

Auslöser von Burn-out

Zwischenmenschlich

Innerpsychisch: Abb. 3: Auslöser von Burn-out (s. KV 01, MaterialsammSelbstideal lung S. 73 unddes aufHelfers der CD)/ „Gutmenschen“, Perfektionismus, eindimensi

Rahmenbedingungen: Innerpsychisch: Belastendes Arbeitsumfeld, mangelhafte Arbeitsbedingungen u. a. Selbstideal des Helfers / „Gutmenschen“, PerfekHandlungsbedingungen: tionismus, eindimensionale Selbstwahrnehmung Überhöhte Anforderungen, Behinderung von Kreativität und Engagem u. a.

Zwischenmenschlich: Rahmenbedingungen: Konflikthafte Beziehungen, mangelnde Unterstützung u. a. Psychisch-mentale Merkmale sind z. B.: Abb. 2: Merkmale von Burn-out (s. KV 01, MaterialErschöpfung, depressive Stimmung, Angst, Konzentrationsstörungen sammlung S. 73 und auf der CD) Belastendes Arbeitsumfeld, mangelhafte Arbeits-

bedingungen u. a. Körperliche Merkmale sind z. B.: Psychisch-mentale Merkmale sind z. B.: Kopfschmerzen, Unfähigkeit zu entspannen, Bluthochdruck, Magen-Darm-Beschwerden Handlungsbedingungen: Erschöpfung, Depressive Stimmung, Angst, KonVerhaltensmerkmale sind z. B.: zentrationsstörungen Überhöhte Anforderungen, Behinderung von KreGesteigerte Unruhe, erhöhter Konsum von: Kaffee, Zigaretten, Alkohol, Medikamenten, sozialer Rückzug ativität und Engagement, ausbleibende AnerkenKörperliche Merkmale sind z.B: nung u. a. Veränderte Einstellung: Gefühllose und distanzierte Gleichgültigkeit, Gefühl Kopfschmerzen, Unfähigkeit zu entspannen, Blut-der Isolation und mangelnden Unterstützung, Dienst Zwischenmenschlich: nach Vorschrift hochdruck, Magen-Darm-Beschwerden Konflikthafte Beziehungen, mangelnde Unterstützung u. a.

Gesteigerte Unruhe, erhöhter Konsum von Kaffee, Auslöser von Burn-out Zigaretten, Alkohol und / oder Medikamenten, sozialer Rückzug InnerHandlungspsychisch bedingungen Veränderte Einstellung:

MERKE: Burn-out ist eine berufsbezogene Erkrankung, die insbesondere im sozialen Bereich auftaucht. Erstrecken sich die Symptome auf mehr als nur den beruflichen Bereich, spricht man von anderen psychischen Erkrankungen, wie z. B. Depression, Chronisches Erschöpfungssyndrom, Angststörung, Sucht etc.

Gefühllose und distanzierte Gleichgültigkeit, GeRahmenZwischenfühl derbedingungen Isolation und mangelnden Unterstützung, menschlich Dienst nach Vorschrift Kokavecz / Rüttgers / Schneider: Stress und Burn-out vermeiden – Das Praxisbuch © Auer Verlag – AAP Lehrerfachverlage GmbH, Donauwörth

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Verhaltensmerkmale sind z. B.:

Die Symptome sind, jedes für sich genommen, Innerpsychisch: gewöhnlich alltäglich. Sie werden Perfektionismus, durch die Selbstideal und des Helfers / „Gutmenschen“, eindimensionale Selbstwahrnehmung u. a. Faktoren C. Was versteht man unter Innerer Kündigung? Rahmenbedingungen:  Zeitdauer, Belastendes Arbeitsumfeld, mangelhafte Arbeitsbedingungen a. Der u. Burn-out-Symptomebene „Verändertes Verhalten“ und „Veränderte Einstellung“ sehr ähn Häufigkeit und Handlungsbedingungen: lich ist die Innere Kündigung. Innere Kündigung Überhöhte Intensitätszunahme Anforderungen, Behinderung von Kreativität und Engagement, ausbleibende Anerkennung u. a. bezeichnet eine innere Verweigerungshaltung bezüglich Arbeitsleistungen, die nicht formal-verzu Indikatoren für eine Erkrankung. Zwischenmenschlich: Konflikthafte Beziehungen, mangelnde Unterstützung u. a.traglich festgelegt sind („Dienst nach Vorschrift“).

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Einer inneren Kündigung geht in der Regel sowohl ein Bruch eines zwischenmenschlichen 7

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EINLEITUNG

1.2

Vertrauensverhältnisses als auch ein stark empfundenes Ungleichgewicht in der persönlichen Kosten-Nutzen-Analyse voraus („Warum soll ich mich noch weiter anstrengen, es kommt für mich ja eh nichts dabei raus!“).

INDIVIDUELLE, INSTITUTIONELLE UND GESELLSCHAFTLICHE FAKTOREN (Jost Schneider)

Die Stress auslösenden Faktoren können in drei Gruppen unterteilt werden. Eine genaue Kenntnis und Beachtung dieser Unterteilung ist anzuraten, weil gesellschaftliche Probleme nicht auf institutioneller Ebene und institutionelle Probleme nicht auf individueller Ebene gelöst werden können und sollen. Wenn Sie sich nicht jahrelang vergeblich darum bemühen wollen, strukturelle Mängel durch persönliches Engagement zu kompensieren, sollten Sie zunächst klären, auf welcher Ebene in Ihrem konkreten Fall die auslösenden Faktoren zu finden sind!

Man unterscheidet eine aktive und eine passive Form: Aktiv  Zum einen Lehrer, die ihre Arbeit mit den Schülern zwar machen, aber dabei versuchen, die Schuladministration möglichst auszublenden. Zum anderen Lehrer, die bestrebt sind, sich eher über private Nebentätigkeiten (Familie, Verein, Hobby) als über schulische Aktivitäten einen Zustand innerer Befriedigung herzustellen. Passiv  Rückzug in den meisten Lebensbereichen, Verweigerung und Enttäuschung dem Leben gegenüber.

Individuelle Faktoren

Indikatoren einer Inneren Kündigung  Verloren gegangenes Interesse am Austausch im Team  Keine Vorschläge, keine Kritik  Nicht-Ausschöpfen eigener Kompetenzen  Hohe Fehlzeiten  Desinteresse an Fortbildung  Verweigerung der Übernahme von Sonderaufgaben (z. B. Vertretung)  Mangelndes Interesse an schulischen Aktivitäten außerhalb des Unterrichts

Immer genau im richtigen Moment das Gras wachsen zu hören oder umgekehrt auf Durchzug zu schalten, ist aber eine Kunst, die nicht jedem in die Wiege gelegt wurde und die sich auch bei längerer Berufspraxis nicht automatisch einstellt. Wer seiner individuellen seelischen Konstitution nach eher zu den feinfühligen oder reizbaren Naturen gehört, gerät leicht in Gefahr, die Dinge ernster zu nehmen, als es gut für ihn ist. Hier sind dann Vorsorgemaßnahmen am Platze, die für „anders verpackte“, seelisch robustere Kollegen u. U. entbehrlich sind. Kapitel 2 dieses Buches zeigt Ihnen, welchem Typus Sie angehören und welche Präventionsmöglichkeiten Sie ganz persönlich nutzen sollten.

Ebenso wie der Burn-out ist auch die Innere Kündigung eine behandlungsbedürftige Erkrankung. Wer sich im zwischenmenschlichen Kontakt resigniert zurückzieht, da er nicht mehr an die Möglichkeit einer Problemlösung bzw. Beziehungsklärung glaubt, braucht ebenso Hilfe wie derjenige, der vor lauter Arbeit unterzugehen droht. In der Praxis ist jedoch immer wieder zu beobachten, wie sich Menschen mit einer der beiden Erkrankungen schwer tun, die ihnen entgegengebrachten Hilfsangebote auch anzunehmen. Bei der Inneren Kündigung ist der innerliche Rückzug nur schwer zu überbrücken. Beim Burn-out ist eine Angst zu beobachten, bei der Bitte um Hilfe und Unterstützung als schwach wahrgenommen zu werden und anderen Menschen zur Last zu fallen bzw. dann in deren Schuld zu stehen.

Auch für dickhäutigere Naturen gilt aber, dass der Berufsalltag von Lehrkräften mit seelischen

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An die seelische Konstitution von Lehrkräften werden heutzutage paradoxe Anforderungen gestellt: Einerseits sollen sie hochsensibel und feinfühlig sein, um selbst in großen Klassen für jeden einzelnen Schüler eine differenzierte Lernstandsdiagnose erstellen und individuelle Fördermaßnahmen konzipieren zu können, ganz abgesehen davon, dass sie auch für die seelischen Nöte und persönlichen Belange der Kinder möglichst immer ein offenes Ohr haben sollen. Andererseits brauchen heutige Lehrkräfte aber gleichzeitig ein besonders „dickes Fell“, um innerlich und äußerlich mit den manchmal sehr rauen Umgangsformen in der Klasse, mit den Anforderungen von Seiten überambitionierter oder bildungsferner Eltern sowie mit den nervenzehrenden Prozeduren der Bildungsbürokratie fertig werden zu können.

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KAPITEL

Anfängen wehren und ihre Schüler in jeder nur denkbaren Hinsicht auf den Pfad der Tugend führen sollen. So entsteht schnell der Eindruck, dass die Schule für alles verantwortlich und ergo umgekehrt an allen Missständen schuld ist. Dabei gilt nach wie vor das afrikanische Sprichwort, dass man „ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen“. Von den Eltern, Geschwistern und Großeltern über die Sportvereine und Kirchengemeinden bis hin zu den Medienanbietern sind de facto viele unterschiedliche Instanzen an der Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen beteiligt. Wenn aber diese anderen Instanzen – bis hin zu den leiblichen Eltern – immer seltener ihrer Verantwortung gerecht werden, kann es die Schule alleine nicht schaffen, das besagte „ganze Dorf“ komplett zu ersetzen! In dieser Situation kann leicht ein Gefühl der Überforderung und des Alleingelassenwerdens entstehen. Wer hier keine saubere Trennung zwischen individueller und institutioneller Problemlage vornimmt, gerät schnell unter großen Druck und empfindet letztlich krankmachenden Stress.

Belastungen einhergeht, die man nur in wenigen anderen Berufen antrifft und die selbst bei günstiger seelischer Konstitution zu Stressgefühlen führen können. Besonders zu nennen ist etwa die Tatsache, dass ein Lehrer während des Unterrichtes unter ständiger Beobachtung steht, dass stets mehrere Augenpaare auf ihn gerichtet sind und dass er deshalb gezwungen ist, den von Norbert Elias beschriebenen gesellschaftlichen Zwang zum Selbstzwang auf die Spitze zu treiben und sich weitestgehend zu kontrollieren und zu disziplinieren. Dazu kommt außerdem, dass unter Lehrern noch immer oftmals jene Einzelkämpfermentalität anzutreffen ist, die zwar kurzfristig eine effiziente Arbeitsweise ermöglicht, die jedoch langfristig zu einer seelischen Isolation führen kann, in deren Gefolge man immer alles nur mit sich selbst abmachen, nur in seinem eigenen Inneren austragen kann und muss. Auch ein Übermaß an Selbstzwang und Selbstkontrolle kann im Hinblick auf die Stressentstehung ein Risikofaktor werden, wenn die innerlich und alleine zu bearbeitenden Probleme und Konflikte ein solches Ausmaß annehmen, dass es schließlich selbst dem robustesten Charakter nicht mehr gelingen kann, den Deckel auf den Dampftopf zu pressen und ‚alles unter Kontrolle zu halten‘. Auch dickfelligere Kollegen sind deshalb in langfristiger Perspektive gut beraten, sich mit den in den folgenden Kapiteln beschriebenen Maßnahmen zu beschäftigen und vertraut zu machen.

Zweitens erschwert der aktuelle Umbau des deutschen Bildungssystems merklich den Arbeitsalltag vieler Lehrkräfte. Im globalen Wettbewerb kann die deutsche Wirtschaft bekanntlich nicht mit Niedriglohnländern konkurrieren und auf die Produktion billiger Massenprodukte setzen. Vielmehr sollen hier Spitzenleistungen erbracht und verkauft werden, für deren Erzeugung man gut und sehr gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte benötigt. Das Bildungssystem bekommt in der Folge die Aufgabe zugewiesen, aus jedem einzelnen Schüler das Leistungsmaximum herauszuholen. Vom Sprachtest im Kindergarten über die Teilnahme an PISA, VERA oder IGLU bis hin zum „Turbo-Abitur“ gibt es demzufolge eine Vielzahl bildungspolitischer Reformen und Maßnahmen, die das Schulsystem innerhalb weniger Jahre entsprechend rationalisieren, standardisieren und ökonomisieren sollen. Da der besagte globale Wettbewerb eine Realität ist, kann man dieser Grundausrichtung argumentativ wenig entgegensetzen. Doch in der konkreten, nicht selten übereilten Umsetzung kommt es zu zahlreichen Pannen und Ungereimtheiten, die im Berufsalltag für Hektik, Unsicherheit und Anspannung sorgen. Und im Haupt- und Förderschulbereich kommt noch die niederschmetternde Einsicht hinzu, dass die Lehrer ihren Schutzbefohlenen kaum noch realistische Entwicklungs- und Etablierungsperspektiven eröffnen können. Wenn Leistung nicht

Institutionelle Faktoren

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Aggressive Schüler, unwirtliche Schulgebäude, knappe Zeitpläne, überambitionierte Eltern, verlärmte Lehrerzimmer und ähnliche Probleme haben der Lehrerschaft schon immer zu schaffen gemacht. Im Laufe der Zeit entwickeln manche Kollegen Routine darin, mit solchen Problemen und Belastungen fertig zu werden. In den letzten Jahren sind jedoch zwei Stressfaktoren hinzugekommen, die selbst von erfahren Lehrerkollegen mit den gewohnten Prozeduren nicht mehr ohne Weiteres zu bewältigen sind. Erstens beobachten wir heute eine allgemeine Überforderung des Schulsystems, das nicht mehr nur die klassischen Bildungs- und Erziehungsaufgaben erledigen, sondern geradezu die Universallösung für alle entstehenden Probleme liefern soll. Ob Rechtsradikalismus, Cybermobbing, falsche Ernährung, Drogenmissbrauch oder Computerspielsucht: Immer sind es die Lehrer, die den

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