Annika Hampel Der
MUSEUMSSHOP als Schnittstelle von Konsum und Kultur
Kommerzialisierung der Kultur oder Kulturalisierung des Konsums?
Diplomica Verlag
Annika Hampel Der Museumsshop als Schnittstelle von Konsum und Kultur Kommerzialisierung der Kultur oder Kulturalisierung des Konsums? ISBN: 978-3-8366-3357-4 Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010 Coverbild: Vlaminck/Photocase Covergestaltung: Diplomica Verlag
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Abbildung 0: Eingangstafel des Museumsshops des Überseemuseums in Bremen Quelle: Eigene Fotografie, Dezember 2007
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis................................................................................................................V Abbildungsverzeichnis ..............................................................................................................VII 1 Einleitung.......................................................................................................................................1 1.1 Vorausgesetzter Sachverhalt .......................................................................................................4 1.1.1 Die Angebotsseite der Museumsshops .........................................................................................4 1.1.2 Die Nachfrageseite der Museumsshops........................................................................................5 1.2 Die Postmoderne Was unsere heutige Gesellschaft prägt und bewegt......................6 1.2.1 Die Debatte um die Postmoderne ...................................................................................................6 1.2.2 Die Attribute der Postmoderne........................................................................................................7
2 Der Konsum und die Konsumgesellschaft .........................................................................9 2.1 Die postmoderne Konsumkultur: Consumer Culture...........................................................9 2.1.1 „We no longer consume things but signs.“ (Baudrillard) ..................................................11 2.1.2 „I consume. Therefore, I am.“ .........................................................................................................14 2.2 Lebensstile: Gibt es eine Wahlfreiheit? ................................................................................. 17 2.2.1 Individualisierung in der Vielfalt..................................................................................................19 2.2.2 Lebensstile und Milieutypisierungen am Beispiel von Schulze ......................................21 2.2.3 Lebensstile zum Entdecken und Bedienen des Konsummarktes...................................21 2.3 Trends in der Konsumgesellschaft.......................................................................................... 22 2.3.1 Trend Nr. 1: „Luxese“.........................................................................................................................22 2.3.2 Trend Nr. 2: „Best Ager“ ...................................................................................................................24 2.4 Die Konsum und Kulturkritik und deren postmoderne Antworten.......................... 25 2.4.1 Die Konsum‐ und Kulturkritik der 1950er Jahre ..................................................................25 2.4.2 Postmoderne Antworten auf die Konsum‐ und Kulturkritik ...........................................29
3 Der Kultur und Erlebniskonsum in der postmodernen Konsumgesellschaft . 32 3.1 Der Konsum von Kultur nach Maslow.................................................................................... 32 3.1.1 Die Verschmelzung von Hoch‐ und Populärkultur...............................................................34 3.1.1.1
Allesfresser‐/Omnivorenthese nach Peterson .............................................................36
3.1.1.2
Kritische Betrachtung der Omnivorenthese..................................................................39
3.1.2 Zwischenfazit zum Kulturkonsum...............................................................................................40
I
3.2 „Mehr Erlebnisse als der Tag Stunden hat!“ Die Erlebnisgesellschaft nach ................
Schulze .............................................................................................................................................. 40 3.2.1 Kurze Geschichte des Phänomens „Erlebnis“ .........................................................................42 3.2.2 Die Erlebnisgesellschaft 2005 ‐ Ein Kommentar von Schulze.........................................44
4 Das Museum............................................................................................................................... 47 4.1 Das Museum und dessen Entwicklungsgeschichte............................................................ 47 4.1.1 Der Wandel der Museumslandschaft nach DiMaggio..........................................................48 4.1.2 Der Wandel der deutschen Museumslandschaft von 1970‐2000..................................48 4.1.3 Die komplexe Lage deutscher Museen heute..........................................................................49 4.1.3.1
Publikumsöffnung/Besucherorientierung im Dienstleistungsunternehmen
„Museum“......................................................................................................................................50
4.1.3.2
Museen in Finanzierungsnöten ...........................................................................................51
4.1.3.3
Das Museum in der Erlebnisgesellschaft ........................................................................52
4.1.4 Kritische Stimmen: Wo bleibt das Museum?...........................................................................54 4.2 Die Warenwelt im Museum und im Kaufhaus ein Vergleich ....................................... 55 4.2.1 Das Museum ..........................................................................................................................................55 4.2.2 Das Kaufhaus.........................................................................................................................................56 4.2.3 Der Vergleich.........................................................................................................................................58 4.2.4 Dimensionen der Verschmelzung von Museum und Kaufhaus.......................................63 4.2.4.1
Objekt = Ware .............................................................................................................................64
4.2.4.2
Vitrinen = Schaufenster ..........................................................................................................65
4.2.4.3
Schauen = Konsumieren.........................................................................................................66
4.2.5 Fazit zum Verhältnis von Museen und Kauhäusern.............................................................68 4.3 (Museums)Marketing „Kunst der Gegenwart“................................................................. 69
5 Der Museumsshop ................................................................................................................... 72 5.1 Die Leistungen des Museumsshops Eine erste ökonomische Einordnung........... 72 5.2 Was ist ein Museumsshop? Definition „Museumsshop“................................................ 73 5.3 Die Geschichte des Museumsshops......................................................................................... 74 Exkurs: Museum Store Association........................................................................................................75 5.4 Motivation und Zielsetzung zur Errichtung und zum Betrieb eines .............................
Museumsshops ............................................................................................................................... 76 5.4.1 Finanzierungsquelle Museumsshop ...........................................................................................77 5.4.2 Museumsshops als Kunstvermittler und Zufriedenheitsgarant für Besucher ............
und Kunden............................................................................................................................................79
5.4.3 Der Museumsshop als „Aushängeschild“ ‐ Image und Werbung....................................80
II
5.5 Die Shopware .................................................................................................................................. 81 5.5.1 Produktauswahl...................................................................................................................................83 5.5.1.1
Books oder: Der Museumsshop als Medienquelle ......................................................83
5.5.1.2
Non‐Books ....................................................................................................................................83
5.5.1.3
Merchandising ............................................................................................................................84
5.5.2 Zur Qualitätskontrolle der Shopware.........................................................................................85 5.5.3 Bedeutende Phänomene in der Shopware: Limitierte Auflagen und ...............................
Reproduktionen...................................................................................................................................86 5.5.3.1
Limitierte Auflagen...................................................................................................................86
5.5.3.2
Reproduktionen: Kommerzialisierung der Kultur, Kulturalisierung des ............
Kommerzes? ................................................................................................................................87
5.6 Der Shopkonsument Das begehrte Wesen......................................................................... 91 5.6.1 Museumsbesucher..............................................................................................................................91 5.6.2 Nichtmuseumsbesucher...................................................................................................................92 5.6.3 (Kultur‐)Touristen..............................................................................................................................93 5.6.4 Zur aktuellen Kaufkraft der Shopkonsumenten ....................................................................94 5.7 Motivation zum Wareneinkauf im Museumsshop............................................................. 94 5.8 Legitimation und Anerkennung der Museumsshops durch neue Berufsgruppen 96 5.8.1 Die Theorie des Neoinstitutionalismus .....................................................................................96 5.8.2 Die drei Isomorphien nach DiMaggio/Powell ........................................................................97 5.8.2.1
Isomorphie durch Zwang.......................................................................................................98
5.8.2.2
Isomorphie durch Imitation .................................................................................................98
5.8.2.3
Isomorphie durch normativen Druck............................................................................ 100
6 Die McDonaldisierung und Disneyization der Gesellschaft ....................................105 6.1 Ritzer und die McDonaldisierungsthese .............................................................................105 6.1.1 Ursprünge der McDonaldisierungsthese ............................................................................... 106 6.1.1.1
Die Vorläufer Max Weber und Karl Mannheim ......................................................... 107
6.1.1.2
Taylorismus und Fordismus.............................................................................................. 108
6.1.2 Die Grundelemente der McDonaldisierung .......................................................................... 109 6.1.2.1
Erste Dimension: Effizienz ................................................................................................. 109
6.1.2.2
Zweite Dimension: Kalkulierbarkeit/Berechenbarkeit......................................... 110
6.1.2.3
Dritte Dimension: Vorhersagbarkeit/Voraussagbarkeit....................................... 111
6.1.2.4
Vierte Dimension: Kontrolle.............................................................................................. 112
Diagnose „Irrationalität“ als Folge des McDonaldisierungsprozesses in unserer Gesellschaft .................................................................................................................................................... 114 6.1.2.5
III
Fünfte Dimension: „New Means of Consumption” ..................................................... 114
6.2 Die Disneyization nach Bryman .............................................................................................117 6.2.1 Erste Dimension: Theming........................................................................................................... 118 6.2.2 Zweite Dimension: Hybrid consumption............................................................................... 119 6.2.3 Dritte Dimension: Merchandising............................................................................................. 119 6.2.4 Vierte Dimension: Emotional Labor......................................................................................... 120
7 Ausgewählte Hypothesen und deren Überprüfung ...................................................122 7.1 1. Hypothese: Museumsshops erfüllen die Prämissen der ...............................................
McDonaldisierungsthese. .........................................................................................................122 7.1.1 Der Museumsshop und die Effizienz ....................................................................................... 122 7.1.2 Der Museumsshop und die Berechenbarkeit....................................................................... 123 7.1.3 Der Museumsshop und die Vorhersagbarkeit..................................................................... 125 7.1.4 Der Museumsshop und die Kontrolle...................................................................................... 126 7.1.5 Die Dimension der postmodernen Erweiterung in Bezug zu den .....................................
Museumsshops.................................................................................................................................. 128
7.2 2. Hypothese: Museumsshops erfüllen die Prämissen der Disneyization ..............129 7.2.1 Der Museumsshop und das Theming (Leitmotiv) ............................................................. 129 7.2.2 Der Museumsshop und der hybride Konsum (Hybrid consumption) ...................... 130 7.2.3 Der Museumsshop und das Merchandising.......................................................................... 131 7.2.4 Der Museumsshop und die Emotional Labor....................................................................... 131 7.3 3. Hypothese: Shopbesucher konsumieren aus Prestigegründen .............................132 7.4 4. Hypothese: Museumsshops haben Erfolg.......................................................................135
8 Abschließende Gedanken ...................................................................................................140 8.1 Ist der Museumsshop Kommerz oder Kultur? ..................................................................140 8.2 Weiterführende Aspekte und Handlungsempfehlungen ..............................................143 8.3 Zukünftige Szenarien für Museumsshops ..........................................................................145
Literaturverzeichnis.................................................................................................................147 Anhang ................................................................................................................................................ i
IV
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
Anm.
Anmerkung
Aufl.
Auflage
Bd.
Band
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
ders.
derselbe
d.h.
das heißt
DM
Deutsche Mark
dt.
deutsch
d. Verf.
die Verfasserin
EG
Erlebnisgesellschaft
engl.
Englisch
et al.
und andere
etc.
et cetera
EUR oder €
Euro
evtl.
eventuell
f.
folgende Seite
ff.
fortfolgende Seiten
ggf.
gegebenenfalls
GBP
Großbritannische Pfund
Hg.
Herausgeber
i. e. S.
im engeren Sinne
inkl.
inklusive
insb.
insbesondere
i. w. S.
im weitesten Sinne
Jg.
Jahrgang
Kap.
Kapitel
M.
Main
m. E.
meines Erachtens
MET
The Metropolitan Museum of Art in New York
mind.
mindestens
Mio.
Millionen
MS
Museumsshop/Museumsshops
m²
Quadratmeter
V
NI
NeuerInstitutionalimus/Neoinstitutionalismus
Nr. oder No
Nummer
o. Ä.
oder Ähnliches
o. g.
oben genannt
o.S.
ohne Seiten
PMB
Paula Modersohn‐Becker
PMB‐Ausstellung
Paula Modersohn‐Becker‐Ausstellung
S.
Seite(n)
Tab.
Tabelle
u. a.
unter anderem/und andere
usw.
und so weiter
u. v. m.
und Vieles mehr
v. a.
vor allem
Verl.
Verlag
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume (engl.)
vs.
versus
w. z. B.
wie zum Beispiel
z. B.
zum Beispiel
z. T.
zum Teil
&
und
%
Prozent
$
US‐Dollar
VI
Abbildungsverzeichnis Abbildung 0: Eingangstafel des Museumsshops des Überseemuseums in Bremen ..........................I Abbildung 1: Identitätskonstruktion durch Konsumgüter........................................................................16 Abbildung 2: Gegenüberstellung der Eigenschaften mcdonaldisierter und nicht‐
mcdonaldisierter Museen...........................................................................................................50
Abbildung 3: Andy Warhol: Campbell's Soup Cans (1962).......................................................................62 Abbildung 4: Aufsplittung des Gesamtetats der Tate Modern und des METs...................................78 Abbildung 5: MET‐Papiertragetasche.............................................................................................................. 134 Abbildung 6: Kultur‐ und Milieuschema nach Schulze................................................................................. iii Abbildung 7: Vorteile von Museumsshops aus Sicht der Konsumenten ............................................viii Abbildung 8: Nachteile von Museumsshops aus Sicht der Konsumenten .........................................viii
VII
1 Einleitung Um sich der Thematik zu nähern werden im ersten Kapitel des vorliegenden Buches die Fragestellung, Zielsetzung und Vorgehensweise erläutert. Grundlage ist hierfür ein voraus‐ gesetzter Sachverhalt (Abschnitt 1.3), sowohl von Seiten der Anbieter als auch der Kunden der Museumsshops (im Folgenden „MS“ genannt, soweit nicht in Überschriften oder in Zita‐ ten verwendet). Abschließend wird versucht, den Begriff der „Postmoderne“ zu definieren, da ihm im gesamten Dokument eine bedeutende Rolle zukommt. Die vorliegende Untersuchung soll aufzeigen, wie und warum sich die MS in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren so erfolgreich entwickelt haben. Die Sachverhalte, die dieser Studie zugrunde liegen und im Abschnitt 1.3 bewiesen werden, sind der enorme Erfolg und die außerordentliche Bedeutung deutscher MS in der heutigen Zeit. Den MS nur als Notlö‐ sung der deutschen Museumslandschaft zu sehen, um den Kürzungen der öffentlichen Gel‐ der entgegenzuwirken, ist eine sehr einseitige Perspektive, die dem Phänomen des MS bei weitem nicht gerecht wird. Allein aus diesen finanzpolitischen Gründen der Museen kann sich der MS in Deutschland nicht so entwickelt haben, wie er sich tatsächlich entwickelt hat. Was hat die Entwicklung faktisch vorangetrieben? Welche Ursachen stecken dahinter? Und welche Funktionen, die die MS in unserer heutigen Gesellschaft übernehmen (kön‐ nen), sind dabei von besonderer Bedeutung? Die Ausführungen zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen begleitet immerfort ein Diskurs. Er zieht sich wie ein „roter Faden“ durch das vorliegende Dokument. Der MS ist der Punkt im Museum, an dem Kultur und Kommerz, respektive Konsum, am deutlichsten zusammentreffen. Die Frage lautet also: Kommerzialisiert der MS die Kultur oder nicht? Einerseits besteht die Befürchtung, dass der MS als „Teufelszeug“ die Moral erodiert und die Kommerzialisierung im negativen Sinne stärkt, was die Bereitschaft zum Ausverkauf der Kultur wachsen lässt (Rauterberg, 1999: 17). Andererseits wird versucht klarzustellen, dass es bei den MS nicht um ein „Übermarketing“ oder einen „gnadenlosen Konsumterror“ geht, sondern dass vielmehr versucht wird, eine stärkere inhaltliche und emotionale Bin‐ dung an die Kunst, die Geschichte und die Museen zu erreichen (Brockmeyer, 1999: 58). In der Stadt Bremen werden diese konträren Perspektiven beispielhaft verdeutlicht: Wäh‐ rend die Kunsthalle mit der Sonderausstellung „Paula in Paris“ die Publikumsmassen so‐ wohl in das Museum als auch in den hervorragend sortierten Shop lockt, fordert Frau Prof. Dr. Wiebke Arndt, Direktorin des Überseemuseums, in der hiesigen Tageszeitung, dem We‐ ser Kurier Nr. 3 vom 20.01.08, dass die Stadt Bremen sowie deren Wirtschaft die Kultur finanziell zu fördern hat, während der MS des Überseemuseums auf meine telefonische Nachfrage „strukturell bedingt“ geschlossen bleibt. Es wird der Zwiespalt, der sich aus der Einrichtung von MS ergibt, deutlich: Verstärkte Besucherorientierung der Museen mit Hilfe
1
des umfassenden Angebots der MS zu den Ausstellungsthemen sowie die zusätzlichen Ein‐ nahmen durch den MS scheinen sich dem staatlich‐kulturellen Auftrag und dem Anspruch des Museums geradezu dichotomisch gegenüber zu stehen. Dies steht an vielen Stellen die‐ ser Studie zur Diskussion und wird abschließend nochmals aufgegriffen, um eine Antwort auf die Frage der Kommerzialisierung bzw. Nichtkommerzialisierung von Kultur durch die MS zu geben. „Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie“ (Sir Karl Raimund Popper, österreichisch‐britischer Philosoph) Mein Vorgehen in dieser Untersuchung besteht darin, unterschiedliche Perspektiven und zeitgenössische Theorien vorzustellen, um diese dann auf die gegenwärtige gesellschaftli‐ che Position der MS anzuwenden. Dabei war mir eine fundierte und komplexe Beschrei‐ bung der Theorie wichtig, ohne deren Kenntnis spätere Diskussionsstränge nur oberfläch‐ lich verstanden werden könnten (w. z. B die Frage der Kommerzialisierung von Kultur im Kontext der MS, die auf der Konsum‐ und Kulturkritik der 1950er Jahre basiert). Außerdem geben Theorien grundlegende Denkrichtungen an die Hand, um zu erklären, warum etwas so geworden ist, wie es jetzt ist und es können Aussagen über künftige Entwicklungen ge‐ macht werden (Hradil, 1995: 81). Das Phänomen des MS wird von mir sowohl aus wirt‐ schaftswissenschaftlicher1 als auch kulturwissenschaftlicher, insb. kultursoziologischer2, Perspektive Betrachtung finden. Dabei wird versucht, unter Einbeziehung der Motivatio‐ nen von Anbietern als auch Nachfragern der MS und deren Produkten ein Komplettbild der MS in Deutschland zu schaffen. Meine theoretischen Ausführungen finden empirische Un‐ termauerung durch Sekundärdaten wie Forschungsergebnissen von WissenschaftlerInnen (Hoffmeister, Gottschalk, Hütter/Schulenburg u. a.) und Unternehmen (PANTOS Werbe‐ agentur GmbH GWA, im Folgenden immer „Pantos“ genannt; A.T. Kearney). Wenn die ein‐ zelnen Studien im Buch erstmalig gebraucht werden, stelle ich sie mit Informationen zu Stichprobengröße, Jahr und Zweck der Untersuchung vor. Des Weiteren liefere ich „leben‐ dige“ Beispiele, indem ich meine eigenen Beobachtungen aus den Shops der Kunsthallen Bremen und Hamburg sowie diverser großer Museen in Berlin (bspw. Pergamonmuseum, Deutsches Historisches Museum, Jüdisches Museum) aus den Jahren 2006 und 2007 ein‐ fließen lasse sowie Inhalte aus den Gesprächen, die mit den Shopverantwortlichen der o. g. 1
Hier insb. aus der Sichtweise des Marketings. In dieser Arbeit konnten nicht alle für einen Handlungsbetrieb, wie der MS es ist, notwendigen Instrumente berücksichtigt werden. Ausgenommen sind z. B. die Personalpolitik, die Frage nach der passenden Betriebsform, die Innen- und Außenarchitektur (vgl. Hütter/Schulenburg, 2004: 25ff. und 41ff.; Dommers, 2000; Uelsberg, 2000; Löber, 2000; Hoffmeister, 2000: 37ff.). 2 Kultursoziologie begreift Kultur als Repertoire von Handlungsressourcen, als symbolische Dimension sozialen Handelns bzw. menschlicher Praxis und befasst sich mit dem Verhältnis von Kultur und sozialer Ungleichheit. Der neue Kulturbegriff im Gegensatz zum klassischen Kulturkonzept umfasst nicht nur Ideen und Weltbilder, sondern auch Alltagsethiken und -ästhetiken. Nach Kohl (2006: 2); Fröhlich/Mörth (1994: 14); Müller (1994: 63).
2
Museen geführt wurden, wiedergebe. Darüber hinaus waren mir für meine Untersuchung eine ausgedehnte Recherche zur Reputation von MS in der deutschen Presse von 1998 bis 2007 und die Inspektion der Auftritte von MS und ihrer Shopware im Internet dienlich. Um den MS in der heutigen postmodernen, erlebnisorientierten Konsum‐ und Kulturgesell‐ schaft zu positionieren und dessen Entwicklung und Erfolg hierin zu erklären, müssen zu‐ nächst grundlegende Attribute dieser Gesellschaft und ihrer Kultur erklärt werden: Die Postmoderne, die Konsumkultur bzw. der Kulturkonsum (Consumer Culture) und die Kul‐ tur‐ und Erlebnisgesellschaft heutiger Zeit, die in Abschnitt 1.4 und den Kapiteln 2 und 3 behandelt werden. Im Kapitel 4 wird dann das Museum eingebracht. Insbesondere der Wandel der Museen von traditionellen Häusern zu postmodernen Institutionen ist interes‐ sant, da daraus letztlich der MS in seiner heutigen Erscheinung hervor geht. Daran an‐ schließend folgt eine, im Kontext meiner Studie über MS, interessante Konnotation: Muse‐ en sind Warenhäuser und Warenhäuser sind Museen. Dies führt zu Kapitel 5, das dem ei‐ gentlichen Untersuchungsgegenstand, dem MS in Deutschland, entwickelt aus den Vorgän‐ gern der USA, gewidmet ist. Die Geschichte, die Funktionen, die Ware der MS u. v. m. wer‐ den vorgestellt. Den Theorieteil abschließen wird Kapitel 6 mit der Vorstellung der McDo‐ naldisierungsthese von George Ritzer und der Disneyization nach Alan Bryman. Gleichzei‐ tig leite ich mit dieser Theorie zu meinen Hypothesen, die alle aus den bis dahin theoreti‐ schen Darstellungen von mir entwickelt wurden, über. Auf die Untersuchung der McDonal‐ disierungsthese im Kontext des MS folgen drei weitere Hypothesen und deren Überprü‐ fung. Bei dieser Erhebung bewege ich mich auf verschiedenen Analyseebenen: der mikro‐ soziologischen Ebene (bspw. der Konsum im MS aus Prestigegründen) und der makroso‐ ziologischen Ebene (bspw. die McDonaldisierung der MS). Abschließend wird versucht, eine Antwort auf den Diskurs der Kommerzialisierung der Kultur im Kontext der MS zu geben sowie einen Blick in die Zukunft der MS in Deutschland zu wagen. Die relevanten Begriffe in diesem Buch werden durch Definitionen gestützt, um sowohl beim Verfasser als auch bei den Lesern ein einheitliches Begriffsverständnis zu garantieren. Sofern für Personen die männliche Form benutzt wird, geschieht dies ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit. Wenn ich von „der Gesellschaft“ spreche, meine ich hier ausschließ‐ lich westliche Industrienationen, vornehmlich die USA und Deutschland. Dies soll keine Dis‐ kriminierung anderer Nationen sein, doch die hier vorgestellten Theorien, die ich im zwei‐ ten Schritt auf die MS anwende, beruhen auf Gesellschaften, die mit einem hohen Grad an Wohlstand und Bildungsmöglichkeiten ausgestattet sind, in ökonomisch übersättigten Märkten. Warum dies so ist, wird in Abschnitt 3.1 dieses Buches erklärt.
3
1.1 Vorausgesetzter Sachverhalt Der vorausgesetzte Sachverhalt zur Darlegung und Beantwortung meiner Fragestellung ist: Museumsshops sind heutzutage in Deutschland erfolgreich. Bevor ich meine Ausführungen beginne, ist dies zu beweisen. Ich unterteile dabei den Erfolg der MS in die Angebots‐ und in die Nachfrageseite, respektive in die Shop‐Produzenten wie bspw. Shopbetreiber und die Shop‐Konsumenten wie bspw. die Museumsbesucher:
1.1.1 Die Angebotsseite der Museumsshops Pantos3 stellte im Jahr 2002 empirisch, fest: „Die Zahl der Museumsshops hat deutlich zuge nommen.“ Ungefähr 76% der rund 100 befragten Museen verfügten zu diesem Zeitpunkt bereits über einen oder mehrere MS. Die Gründe zur Errichtung eines MS im Museum sind vielfältig (vgl. Abschnitt 5.4). Als eine von sieben Thesen für die zukünftige Ausrichtung des Museumsmarketings, hält Pantos (2002: 16) fest: Museen werden „KunstVerkäufer“, was beinhaltet, dass das Merchandising, respektive Shopware, von den Museen zukünftig noch aktiver genutzt wird. Im Jahr 2004 führten Hütter und Schulenburg (2004: 58, 103‐104) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Bernd Günter, Lehrstuhlinhaber der Betriebswirtschaftslehre, insb. Marketing, der Heinrich‐Heine‐Universität Düsseldorf und Prof. Dr. Bernhard Graf, Leiter des Instituts für Museumsforschung in Berlin erneut eine Studie zu den MS in Deutschland durch.4 Diese war im Vergleich zu Pantos Arbeit weitaus größer angelegt, da insgesamt 1.146 deutsche Museen, sowohl die jeweilige Museums‐ als auch die Shopleitung (wenn diese nicht gleich‐ zeitig die Museumsleitung war) befragt wurden. Bei den angeschriebenen Museen handelte es sich um Kunstmuseen, Historische Museen, Sammelmuseen mit komplexen Beständen, mehrere Museen in einem Museumskomplex sowie Ausstellungshäuser. 560 Häuser ant‐ worteten, was eine Rücklaufquote von 48,9% ausmachte (Hütter/Schulenburg, 2004: 52ff.). Von den befragten Museen besaßen nur 17% keine Verkaufsstelle, die Mehrzahl der Museen (über 83%) hatte mindestens eine. Die Untersuchungsergebnisse werden wie folgt zusammengefasst:
3
Pantos ist eine Werbeagentur in München, die 1997 als auch 2002 eine empirische Studie namens „Museum und Marketing“ durchgeführt haben. Dabei wurden insgesamt 157 Museen in Deutschland zu ihrem Marketing in eigener Sache anhand 35 Aussagen schriftlich befragt. Die Rücklaufquote dieser Befragung betrug 91%. Die Ergebnisse wurden in 7 Thesen für ein zukünftiges, erfolgreiches Museumsmarketing zusammengefasst. Besagte Studie liefert interessante Ergebnisse und wird in dieser Arbeit mehrmals herangezogen, um Aussagen zu belegen. Ich danke Herrn Dr. Markus Deppe, geschäftsführender Gesellschafter der PANTOS Werbeagentur GmbH GWA, der mir diese nicht veröffentlichte Studie auf Anfrage zur Verfügung gestellt hat. Siehe www.pantos.de; 24.02.08, 19:47 h. 4 Zur umfassenden Zielsetzung dieser Studie, siehe Hütter/Schulenburg (2004: 33-34).
4
„Die Studie hat aufgezeigt, dass Verkaufsstellen an deutschen Museen durchaus etabliert sind. Lediglich kleinste und kleine Museen weisen kaum kommerzielle Warenangebote auf, ansons ten ist der Verkauf von Museumsprodukten grundsätzlich Bestandteil des Museumsangebots.“ Dass MS erfolgreich und bedeutend sind, lässt sich auch anhand der Legitimation und An‐ erkennung der MS durch eine Vielzahl neu entstandener Berufsbilder (vgl. Abschnitt 5.8) erkennen sowie an einer Fülle von Artikeln über MS in der deutschen Presse zwischen den Jahren 1991‐2008, die ich als Spiegel zur öffentlichen Wahrnehmung der MS in Deutsch‐ land herangezogen und für meine Studie genutzt habe.5 Hier ist es üblich, dass die Feuille‐ tons die MS, wie alle anderen kommerziellen Tätigkeiten im Museum, anprangern, die Kunst in den Kommerz abdriften zu lassen (beispielhaft: Die Zeit Nr. 17 vom 19.04.07, S. 54; vgl. auch Schneede, 1999: 101). Die Berichterstattung, wenn auch negativ, zeigt, dass MS in Deutschland wahrgenommen werden und Bedeutung in unserer Gesellschaft finden. Die ausdrücklich negative Meinung, die ich vielmehr als persönliche, kultur‐ und konsum‐ kritische Ansicht vereinzelter Zeitungsredakteuren sehe, sei hier in Frage gestellt, denn das Meinungsbild der Konsumenten hinsichtlich MS fällt ganz anders aus, wie im folgenden Abschnitt dargestellt wird.
1.1.2 Die Nachfrageseite der Museumsshops “People do care for museums shops. “ (Gottschalk, 2002: 10) „Ich liebe Museumsshops.“ (Studentin, 25) „Mein liebster Museumsshop ist der in Wolfsburg.“ (Berufstätiger, 30) „Dank denen ist das Museum nicht so bieder und konservativ.“ (Mediziner, 60) Sowohl die Aussagen als Reaktion auf das Erläutern meiner hier dargestellten Thematik als auch Gottschalks empirische Untersuchungen6 zeigen: Die Wertschätzung für MS als be‐ sonderer Einkaufsort aus Sicht der Konsumenten ist groß. Gottschalk (2002: 6‐7) hat he‐ rausgefunden, wie wichtig die Möglichkeit für die Museumsbesucher ist, im Museum ein‐ kaufen zu können. Als Ergebnis hält sie fest: „For more than 70% of the respondents it is “very”, “most” and even “utmost important” to get the chance of shopping.” Darüber hinaus besitzen 78,5% der Befragten eine positive oder sehr positive Einstellung zum MS und nur 5,5 % eine absolut negative Einstellung (Gottschalk, 2002: 11). Die positiven Aspekte, die 5
Es handelt sich hierbei um Artikel aus der FAZ, Die Welt, Die Zeit, die Berliner Morgenpost u. v. m. Es handelt sich bei diesem Paper (Titel: „The value of museums shops: Management consequences of consumer needs“), welches aufgrund seiner interessanten empirischen Ergebnisse in der vorliegenden Arbeit noch häufiger zitert wird, um eine 13-seitige Schrift, die Gottschalk für die 12th Biennial Conference of the Association for Cultural Economics International in Rotterdam (NL) vom 13.-15. Juni 2002 erstellt hat, worin sie Ergebnisse aus ihren empirischen Studien, in der sie rund 150 Konsumenten im Jahr 2002 nach ihren Eindrücken über existierende Museumsshops als auch nach ihren damit verknüpften, persönlichen Überzeugungen befragt hat und deren Ergebnisse ein Bild des idealen Museumsshops aus Verbrauchersicht liefern. Freundlicherweise habe ich diese Ergebnisse von Frau Dr. Gottschalk aus ihrem Privatbesitz ausgehändigt bekommen. 6
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