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Zeitgeschichtliche Forschungen

Der Freikauf von DDR-Häftlingen Der deutsch-deutsche Menschenhandel

Helmut Jenkis

Duncker & Humblot · Berlin

45

HELMUT JENKIS

Der Freikauf von DDR-Häftlingen

Zeitgeschichtliche Forschungen Band 45

Der Freikauf von DDR-Häftlingen Der deutsch-deutsche Menschenhandel

Von Helmut Jenkis

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagbild: Bautzen – ehemaliges Stasi-Gefängnis, Sommer 1993 (© ullstein bild – Albert Foss) Alle Rechte vorbehalten © 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1438-2326 ISBN 978-3-428-13866-1 (Print) ISBN 978-3-428-53866-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83866-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ∞



Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

I. Der Umfang des deutsch-deutschen Menschenhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

II. Die Reichsfluchtsteuer des Deutschen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

1. Der Ursprung der Reichsfluchtsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

2. Die Reichsfluchtsteuer – ein politisches Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

III. Die ökonomischen und juristischen Grundlagen des Häftlingsfreikaufs . . . . .

17

1. Die ökonomische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

a) Der Mangel an Devisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

b) Die mikro-ökonomischen Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

c) Die makro-ökonomischen Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

2. Die rechtlichen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

IV. Der ‚amtliche‘ Freikauf von DDR-Häftlingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

1. Die ersten humanitären Kontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

2. Der erste Häftlingsfreikauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

3. Trotz des kalten Krieges: Ideologiefreie Ost-West-Kontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

4. Die Einschaltung des Diakonischen Werkes in Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

a) Das Kirchengeschäft A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

b) Das Kirchengeschäft B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

c) Die technischen Probleme des Freikaufverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

d) Die Vereinbarungen des Diakonischen Werkes mit der KoKo . . . . . . . . . . . . .

48

e) Die Abwicklung der Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

5. Die Franke-Hirt-Affäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

6. Der Häftlingsfreikauf als Finanzierungsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

V. Das ‚1503-Verfahren‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

1. Die Privatinitiative der Brigitte Klump . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

2. Die Entwicklung des ‚1503-Verfahrens‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

6

Inhalt 3. Probleme des ‚1503-Verfahrens‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

4. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

VI. Versuch einer Bewertung des deutsch-deutschen Menschenhandels . . . . . . . . .

70

1. RA Wolfgang Vogel: Ein marxistischer Humanist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

2. War die Bundesrepublik erpreßbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

3. Humanität oder Ökonomie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

Anhang: Überlegungen zum Ursprung des Freikaufs der DDR-Häftlinge . . . . . . . . . . .

83

Einleitung Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der SBZ / DDR bestanden Spannungen, während des kalten Krieges sogar feindliche Nicht-Beziehungen, die mit dem Mauerbau von 1961 und den Schüssen an der Mauer den Tiefpunkt der gegenseitigen Aversionen dokumentierten. Aus der Sicht der DDR war die Bundesrepublik ein kapitalistischer Staat, der das Proletariat ausbeutete und insbesondere während des kalten Krieges revanchistische und militaristische Ziele verfolgte; aus der Sicht der Bundesrepublik war die DDR ein sozialistischer Staat sowjetischer Prägung, der als Satellit der Sowjetunion keine pluralistische Demokratie kannte, dessen Wirtschaft planwirtschaftlich organisiert war, der weder die Freizügigkeit seiner Bürger noch abweichende politische Meinungen akzeptierte. DDR-Bürger, die von dieser Doktrin abwichen und das Land verlassen wollten – in der DDR ‚ungesetzlicher Grenzübertritt‘ genannt –, wurden inhaftiert und im Extremfall beim Fluchtversuch erschossen. Unterhalb dieser schablonenhaften Skizze entwickelten sich – von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen und auch heute noch verschwiegen – kooperative OstWest-Beziehungen: Im Osten dominierten die ökonomischen Sachzwänge, im Westen humanitäre Gesichtspunkte. Zu diesen Kooperationen gehörte der Freikauf von DDR-Häftlingen, der sich zu einem regelrechten Menschenhandel entwickelte. Aus vorsichtigen und kleinen Annäherungen entstand ein florierendes Geschäft: Menschen (Häftlinge) gegen Devisen. Für rund 3,4 Mrd. West-Mark hat Bonn nahezu 32.000 Häftlinge freigekauft. Es soll der Versuch unternommen werden, den Ursprung, die Entwicklung und den technischen Ablauf dieses Freikaufgeschäftes darzustellen. Allerdings wird dieses Thema in einen größeren Zusammenhang gestellt. Sowohl das Dritte Reich mit der Reichsfluchtsteuer als auch die DDR hatten mit dem Freikauf von Häftlingen gleichgerichtete Ziele: Einmal wollte man dem jeweiligen System ‚fremde‘ Elemente loswerden, zum anderen aus dieser ideologischen Situation Gewinn erzielen, das heißt, knappe Devisen erwirtschaften. Das Dritte Reich konnte sich eines Rechtsinstrumentes der Weimarer Republik bedienen, die DDR mußte eigene Gesetze schaffen, um nichtkonforme Bürger zu kriminalisieren, sie zu verurteilen und schließlich an Bonn zu verkaufen. Abgesehen von diesen Unterschieden haben beide Diktaturen ähnliche Strukturen entwickelt und daraus ein Geschäft gemacht. Allerdings hat die DDR ihren Devisenhunger dadurch kaschiert, indem sie die These aufstellte, der sozialistische Staat habe die Ausbildungskosten finanziert, die DDR-Bürger, die freigekauft wurden, haben ihre im Sozialismus erworbenen Kenntnisse dem Klassenfeind im Westen zur Verfügung gestellt und da-