Der Abschied vom männlichen Dominanzgebaren ... - Boris Grundl

Boris Grundl: Der Mann ist das Auge. Er geht in die Welt und erobert. XX: Was hat das damit zu tun, ob eine gesetz- liche Frauenquote sinnvoll ist oder nicht?
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Karriere/Topthema

Wenn Frauen führen

Boris Grundl

Boris Grundl ist einer der meistgefragten Manager-Trainer. In Sachen Führungsfragen berät er internationale Konzerne wie Daimler, Siemens, IBM und Novartis. Er glaubt, dass Frauen keine gesetzliche Frauenquote brauchen, da sich die weibliche Art auf lange Sicht durchsetzen wird.

keit. Sie will, dass man genau zuhört, emotional versteht und nachempfindet. Frauen müssen Männern Ankerkennung entgegenbringen und Männer müssen Frauen Aufmerksamkeit schenken. XX: Frauen wollen Aufmerksamkeit, Männer An-

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Bilder: Boris Grundl

Der Abschied vom männlichen Dominanzgebaren

erkennung. Beeinflusst das auch ihr Verhalten? Boris Grundl: Das Dominanzgebaren ist beim XX: Herr Grundl, was ist die weibliche Art?

nen besser auf Menschen eingehen. Das krie-

Mann viel ausgeprägter als bei der Frau. Mein

Boris Grundl: Die Frau ist das Ohr. Sie nimmt

gerisch Männliche war bis jetzt stark vertre-

Haus, mein Auto, mein Boot, dieses ganze

auf, reflektiert und ist emotional.

ten. Das war nicht schlecht, doch die Zeiten

Statusthema. Die früheren Zeiten, als der Arzt

XX: Und was ist dann der Mann?

ändern sich. Die männliche Art sollte aber

noch ein Halbgott war, haben mit dem männ-

Boris Grundl: Der Mann ist das Auge. Er geht

nicht total von der weiblichen Art abgelöst,

lichen Prinzip gut zusammengepasst. Heute

in die Welt und erobert.

sondern ergänzt werden.

stellt sich ein Arzt anders dar. Mit dem Pati-

XX: Was hat das damit zu tun, ob eine gesetz-

XX: Können Männer von Frauen etwas lernen?

enten zu kommunizieren, ist heute genauso

liche Frauenquote sinnvoll ist oder nicht?

Boris Grundl: Ich bin für die Integration der

wichtig wie die Behandlung an sich. Und die-

Boris Grundl: Die weibliche Art wird sich

Gegenpole. Beide können voneinander ler-

ser ganzheitliche Ansatz in der Medizin wird

durchsetzen, weil es eine kluge Art ist. Ich

nen. Das Wesen des Mannes ist Anerkennung.

vor allem von Frauen vorangetrieben.

glaube sowieso, mit Intuition zu führen ist

Er will immer hören, wie toll, wie klasse, wie

XX: Warum trauen sich viele Frauen Führungs-

eher weiblich als männlich. Frauen erkennen

super er ist. Damit kann man Männer prächtig

aufgaben nicht zu?

das Wesen eines Menschen besser und kön-

führen. Das Wesen der Frau ist Aufmerksam-

Boris Grundl: Männer haben meistens ein

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starkes Selbstvertrauen, das gar nicht immer

zeugt, dass eine Frau, die zu ihrer weiblichen

erlernbares ist. Die Frage ist nicht, ob jeder

berechtigt sein muss. Dabei sind sie nicht so

Art Selbstvertrauen hat, souverän damit um-

singen kann. Jeder hat die Fähigkeit zu singen,

zielorientiert. Frauen sind in ihrer Zielklarheit

gehen kann. Eine Frauenquote kann dabei hel-

auch wenn es nicht jeder bis zur Oper schafft.

den Männern überlegen, aber im Selbstver-

fen, die Diskriminierung zu verringern. Doch

Der zweite Grund: Führungskräfte erlauben

trauen unterlegen.

letztendlich muss sich die Frau selbst transfor-

sich nicht, gezielt Menschen zu beeinflussen.

XX: Und woran liegt das?

mieren. Diskriminierung kann man überwin-

Sie sind Experten auf ihrem Fachgebiet und

Boris Grundl: Am Perfektionismus der Frau.

den, indem man sie in sich selbst überwindet.

wissen, dass sie andere Menschen beeinflus-

Die Frau denkt immer daran, was ihr noch

Die Frau muss zu folgendem Punkt gelangen:

sen müssten, machen es aber nicht. Der drit-

fehlt, damit sie die Berechtigung bekommt,

Wenn sie diskriminiert wird, darf das keine

te Grund: Jemand, der sich selbst nicht mehr

andere zu führen.

Auswirkungen mehr auf ihr Selbstwertgefühl

weiterentwickelt, entzieht sich unbewusst die

XX: Doch selbst, wenn sich Frauen leitende

haben.

Erlaubnis, andere weiterzuentwickeln. Denn

Positionen zutrauen, schaffen sie es nur selten

XX: Was ist Führung überhaupt?

nur wer ständig an sich selbst arbeitet, gibt

nach oben. Was ist Ihrer Meinung nach der

Boris Grundl: Im Grunde genommen ist es der

sich auch die Erlaubnis, andere weiterzuent-

Grund dafür?

Ansatz, dass Sie sich in das verlieben, was ein

wickeln.

Boris Grundl: Der Preis, den sie zahlen müs-

Mensch sein kann und nicht in das, was er ist.

XX: Viele Führungskräfte beklagen, dass Geld-

sen, um die Karriereleiter hinauf zu klettern,

Menschen fördern, fordern und entwickeln,

mangel sie zu Entscheidungen zwingt, die sie

ist der Faktor Zeit. Männer verbringen neben

das ist Führung.

gar nicht wollen.

ihrer eigentlichen Arbeit viel Zeit miteinan-

XX: Und woran ist gute Führung zu erkennen?

Boris Grundl: Die Aufgabe der Führung ist es,

der, um sich gegenseitig hochzutragen. Sie

Boris Grundl: Menschen mit einem grünen

dafür zu sorgen, dass der Mensch über dem

pflegen Vertrauensverhältnisse, Kumpaneien

Daumen haben ein Händchen für Pflanzen.

Geld steht. Die Menschen beherrschen das

und Seilschaften. Frauen sind pragmatischer,

Menschen mit einem rosa Daumen haben ein

Kapital, wenn sich ihre Potenziale permanent

konzentrieren sich auf die Arbeit. Sie inves-

Händchen für Menschen. Wenn so jemand es

weiter entfalten. Wenn die Führung in diesem

tieren nicht so viel Zeit, sich zu organisieren,

schafft, dass Menschen unter seiner Führung

Punkt versagt, wird der Einfluss des Kapitals zu

und sie sind nicht so seilschaftenorientiert wie

mehr Verantwortung übernehmen, dann

groß. Das Kapital zwingt den Menschen dann,

Männer. Über diesen Machtfaktor Zeit gren-

führt er gut. Wichtig ist auch, dass ein Chef

unmenschlich zu führen.

zen Männer Frauen noch aus. Doch durch die

nicht zu berechenbar ist.

XX: Was raten Sie Frauen in Führungspositio-

Schnelllebigkeit unserer Zeit werden Seilschaften weniger nützlich und Frauen werden mehr Macht bekommen.

„Die Frau ist das Ohr. Sie nimmt auf, reflektiert und ist emotional. Der Mann ist das Auge. Er geht in die Welt und erobert.“

XX: Nicht zu berechen-

nen?

bar sein – wie meinen

Boris Grundl: Dass sie sich mehr Selbstver-

Sie das?

trauen in ihre weibliche Art erarbeiten. Sie

Boris Grundl: Ein Chef

sollen keine besseren Männer werden. XX

muss eine gewisse Portion Berechenbarkeit

Interview: Sarah M. Pancur

und Unberechenbarkeit an den Tag legen.

XX: Ist die geringe

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Beitrag online zu finden unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1306234

XX • 01  2012

Anzahl von Frauen in Führungsebenen nicht

So bleiben die Mitarbeiter wach, weil sie nicht

auch darauf zurückzuführen, dass Frauen dis-

wissen, was heute passiert. Jemand, der total

kriminiert werden?

berechenbar ist, läuft Gefahr, eingetütet zu

Boris Grundl: Frauen werden diskriminiert,

werden.

indem sie nur als sexuelle Wesen gesehen

XX: Und warum scheitern viele beim Führen?

werden. Das wird immer ein Thema zwischen

Boris Grundl: Es gibt drei Gründe. Führungs-

Mann und Frau bleiben. Aber ich bin über-

kräfte verstehen nicht, dass Führen etwas

Wir würden gerne mit Ihnen zu diesem Thema diskutieren. Schreiben Sie uns: [email protected] Mit 25 Jahren verletzt sich Boris Grundl bei einem Klippensprung schwer. Seitdem ist er zu 90 Prozent gelähmt. Doch er gibt nicht auf, studiert an der Kölner Sporthochschule und arbeitet danach bei einem Medizintechnikhersteller als Vertreter, Produktmanager und Marketingdirektor. 2001 macht er sich als ManagerTrainer selbstständig.

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