Der Abend nährte sich sein Ende

begehrten Levis-Jeans, den Schallplatten von John Lennon. Doch der Unterschied zwischen Arm und Reich wurde noch größer. Lina musste morgens Milch ...
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Veselina Wirtz

Mein Leben im gelobten Land Der steinige Weg einer Migrantin in Deutschland Autobiografie

Inhalt VORWORT ....................................................................... 5 KAPITEL 1 ......................................................................... 9 KAPITEL 2 ....................................................................... 14 KAPITEL 3 ....................................................................... 18 KAPITEL 4 ....................................................................... 26 KAPITEL 5 ....................................................................... 33 KAPITEL 6 ....................................................................... 42 KAPITEL 7 ....................................................................... 48 KAPITEL 8 ....................................................................... 57 KAPITEL 9 ....................................................................... 61 KAPITEL 10 ..................................................................... 70 KAPITEL 11 ..................................................................... 80 KAPITEL 12 ..................................................................... 83 KAPITEL 13 ..................................................................... 93 KAPITEL 14 ................................................................... 104 KAPITEL 15 ................................................................... 109 KAPITEL 16 ................................................................... 113 KAPITEL 17 ................................................................... 119 KAPITEL 18 ................................................................... 129 KAPITEL 19 ................................................................... 142 KAPITEL 20 ................................................................... 147 KAPITEL 21 ................................................................... 158 KAPITEL 22 ................................................................... 160 KAPITEL 23 ................................................................... 167 KAPITEL 24 ................................................................... 171 KAPITEL 25 ................................................................... 175 KAPITEL 26 ................................................................... 181 KAPITEL 27 ................................................................... 188

KAPITEL 28 ................................................................... 196 KAPITEL 29 ................................................................... 204 KAPITEL 30 ................................................................... 211 KAPITEL 31 ................................................................... 215 KAPITEL 32 ................................................................... 223 KAPITEL 33 ................................................................... 232 KAPITEL 34 ................................................................... 241 KAPITEL 35 ................................................................... 245 KAPITEL 36 ................................................................... 248 KAPITEL 37 ................................................................... 252 KAPITEL 38 ................................................................... 256 KAPITEL 39 ................................................................... 261 KAPITEL 40 ................................................................... 266 KAPITEL 41 ................................................................... 270 KAPITEL 42 ................................................................... 273 KAPITEL 43 ................................................................... 280 KAPITEL 44 ................................................................... 286 KAPITEL 45 ................................................................... 294 KAPITEL 46 ................................................................... 296 KAPITEL 47 ................................................................... 300 KAPITEL 48 ................................................................... 302 KAPITEL 49 ................................................................... 305 IMPRESSUM .................................................................. 307 LESEEMPFEHLUNG ... ................................................... 309 LESEEMPFEHLUNG ... ................................................... 311

VORWORT

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eder Mensch macht in seinem Leben Fehler – mal große, mal kleine. Dieses Buch handelt von solchen Fehlern, aber auch von Chancen, das Beste daraus zu machen. Die Menschen, denen wir in unserem Leben begegnen, prägen unser Handeln auf eine unvorstellbare Art und Weise. Über die besonderen freut sich jeder, und über die anderen lacht man früher oder später. Dieses Buch bietet Ihnen die Möglichkeit, beides zu tun. In meinem bisherigen Leben war ich von vielen Menschen umgeben. Ich habe gute und schlechte Erfahrungen gemacht, ob nun in meiner Heimat oder in Deutschland. In einem neuen Land Wurzeln zu schlagen, ist an sich schon sehr schwierig, kann aber durch verschiedene Zeitgenossen noch unangenehmer werden. Damit jeder von Ihnen auch die Tücken eines Lebens in Deutschland kennt, empfiehlt es sich, rechtzeitig dieses Buch zu lesen. Vielleicht ersparen Sie sich so die eine oder andere Niederlage – und noch besser, Sie könnten unehrliche Menschen zu erkennen lernen und ihnen für immer aus dem Weg gehen. Sicherlich hätte ich es besser machen können, wenn ich auf meinen Verstand gehört hätte. Nur, in der Liebe ist niemand bislang vernünftig gewesen. Und so muss ich zugeben, dass ich es mit dem Wissen von heute auch nicht anders gemacht hätte. Wahrscheinlich wäre es mir aber leichter gefallen, meine Ziele zu erreichen. Doch trotz aller

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Fehler weiß ich heute, dass ich eine ganz besondere Persönlichkeit bin, und dass ich meinen Weg, den ich selbst bestimmt habe, konsequent gegangen bin. Dabei habe ich mich auch an das deutsche Denken anpassen müssen. Akzeptiert habe ich diese jedoch nicht in jedem Fall. Mein Lebensmotto war: »Gib Gutes und du bekommst es zurück.« Sicherlich führen die kulturellen Unterschiede oftmals dazu, dass es Auseinandersetzungen gibt. Diese kann man wiederum mit einer Portion mehr Verständnis füreinander lösen. Wenn wir uns alle für das Anderssein des Menschen öffnen und die Unterschiede akzeptieren, gewinnen wir einen unglaublichen Halt in der Gesellschaft und eine hohe Anerkennung. Diese beruht wiederum in der persönlichen Einstellung jedes Einzelnen gegenüber anderen Menschen. Ich gestehe es offen ein, dass ich selber oft aufgeben wollte. Unzählige Male wollte ich zurück in mein Herkunftsland. Unglaublich positive Geschehnisse und hilfsbereite Menschen haben mich aber immer wieder in Deutschland gehalten. Genau dann habe ich mich gefragt, ob ich nicht mein Anderssein zum Wohle eines besseren Zusammenhalts in der Gesellschaft einsetzen soll. Ich tat es auf meine Art und Weise und meine Taten waren von Erfolg gesegnet. Ich verdanke es all den Menschen, die mir ihre Hand gereicht haben und die an mich geglaubt haben. Früher habe ich das Sprichwort: »Glauben kann Berge versetzen«, nicht ernst genommen. Heute kann ich dessen Richtigkeit aus eigener Erfahrung bestätigen. Wichtig ist, sich klarzumachen: Wo wollen wir hin? Wie wollen wir unser Ziel erreichen? Für welchen Weg entscheiden wir uns?

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Dieses Buch handelt auch von Integrationspolitik und Willkommenskultur in einem Bundesland, die ich selber natürlich auch in der einen oder anderen Form erlebt, aber auch zum Teil häufig vermisst habe. Willkommenskultur, Integration, interkulturelle Öffnung der Verwaltung, Akzeptanz, Teilhabe – dies sind einige Schlagworte, die heute Politiker im Zusammenhang mit Migranten sehr gerne gebrauchen, die aber in der Realität so gar nicht so oft existieren. In jeder Demokratie auf dieser Welt sollten Politiker in erster Linie dafür da sein, Vorbilder für alle Menschen zu sein. Die Integration als eine der wichtigsten Aufgaben der Politik und der Gesellschaft sollte gerade in Deutschland täglich gelebt und gefördert werden. Daher befasst sich dieses Buch auch mit politischen Fragen und einzelnen Politikern. Es handelt auch speziell davon, wie eine Politikerin ihr Gesicht verliert. Genau deswegen, weil sie mittels Machtmissbrauchs eine engagierte Migrantin ins schlechte Licht rücken wollte, aber kläglich gescheitert ist. Ihre Macht reichte nicht aus, dieses Leben zu zerstören. Dass solcher Machtmissbrauch überhaupt in Deutschland stattfindet, ist für eine Migrantin, die solche Verhältnisse in ihrem Herkunftsland täglich – jedoch nur während des Kommunismus – erlebt hatte, sicherlich nicht überraschend, aber es ist schon etwas anderes, wenn man es in einem demokratischen Land wie Deutschland am eigenen Leib und trotz des Grundgesetzes erfährt. Ich bin mir treu geblieben und habe über die machtbesessene Politikerin gesiegt. Ein Sieg, der mich nicht glücklich

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macht, aber mir wiederholt gezeigt hat, dass ich besser sein kann als diese Politikerin. Jeder Mensch sollte in Deutschland willkommen sein, denn er bereichert die Gesellschaft auf eigene Art und Weise. Jeder Mensch ist doch auf seine Art einzigartig und bedeutend. Dies ist meine feste Überzeugung, die ich auch täglich lebe. Dass es immer wieder Hürden gibt, musste ich auch bei der Integration meiner Kinder in die deutsche Gesellschaft erfahren. Wenn Kinder nur etwas anders sind, als es die Norm vorsieht, dann werden ihnen unermesslich viele Steine in den Weg gelegt und ihr Lebensweg ist - von Geburt an - ein Kampf um Anerkennung und Eingliederung in das deutsche System. Hier können Eltern auch erkennen, dass man sie nie aufgeben dürfen, für ihre Kinder zu kämpfen. Die Integration hat mich unendlich viel Mühe gekostet und tut es eigentlich immer noch, doch ich bin mir sicher, dass es an einem selber liegt, dieses Ziel zu erreichen.

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KAPITEL 1

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in verregneter Tag und viele Deutsche. ›Bin ich ein Teil von ihnen, werde ich es jemals sein?‹, fragte sie sich. Sie hieß Lina und war Osteuropäerin, 26 Jahre alt. Ihr Vater war ihr unbekannt und ihre Mutter musste neben ihrem Beruf Tabak pflücken, damit sie über die Runden kamen, besser gesagt, damit sie überlebten. Aber auch das wenige Geld nutzte kaum, denn eigentlich konnte man keine Lebensmittel kaufen. Die Regale der wenigen staatlichen Geschäfte waren leer. Der staatliche Geheimdienst ließ keine Importe aus dem schlimmen Westen zu. Es kam immer wieder zu Engpässen und dann gab es Coupons für die notwendigsten Lebensmittel. Ihre Mutter ging mit ihr an diesen Tagen sehr früh am Morgen in den Ort, Stunden, bevor die Geschäfte aufmachten, stellte sich in eine Schlange, um überhaupt ein Päckchen Mehl und Butter zu ergattern. Über mehrere Monate hatten sie keine Fleischprodukte gegessen. Abends konnte die Mutter nicht kochen. Das sogenannte Stromsparregime bedeutete Kerzenlicht ab 18 Uhr – von anderen Elektrogeräten ganz zu schweigen. Elend und Armut und viele traurige Gesichter. Linas Großmutter ermutigte sie, fleißig zu sein und gab ihr auch ihre mit Coupons gekauften Kerzen mit, damit sie abends Licht zum Lernen hatte. Sie sollte nie aufgeben. Heimlich erzählte sie ihr von den Tücken der kommunistischen Partei. Der Alltag bestand aus Gehorsam, Lernen unter Druck und

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schön zu applaudieren, wenn ein kommunistischer Führer seine Weisheiten über die Bevölkerung ergoss. Wie in vielen anderen osteuropäischen Ländern war für sie das Leben damals durch die Kommunisten vorgeplant, doch es kam anders. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges änderten sich die Werte und das Leben. Das Geld herrschte im Lande. Es hatte die Macht über alle und alles. Die Schaufenster erstrahlten mit der neuesten Mode aus dem Westen, den begehrten Levis-Jeans, den Schallplatten von John Lennon. Doch der Unterschied zwischen Arm und Reich wurde noch größer. Lina musste morgens Milch austragen, um etwas für den Lebensunterhalt beizutragen. Während des Unterrichts schlief sie manchmal ein. Für Privatunterricht hatte sie kein Geld. Sie träumte nicht wie ihre gleichaltrigen Freundinnen von Klamotten, Schminke und Jungs, sondern von den USA. In dem freien Land der unbegrenzten Möglichkeiten wollte sie leben, weit weg von Armut und Elend. Wegen ihrer schlechten Mathenote schaffte sie die Aufnahme in die englische Klasse des Fremdsprachengymnasiums nicht. Dabei hatte sie dort unbedingt hingewollte, bekam doch fast jeder der zwanzig Schüler eines jeden Jahrganges nach dem Abschluss ein Stipendium für die USA und konnte auswandern. Sie hatte Glück im Unglück: Sie durfte Deutsch lernen. »Dem Schicksal kannst du dich nicht entziehen«, sagte ihre Großmutter. »Sei nicht traurig, du wirst ein freies Leben in Deutschland – in einer Demokratie haben.« Und sie lernte in jeder freien Minute und fand die deutsche Sprache faszinierend. Nun träumte sie vom ›gelobten Land‹ Deutschland, in dem sie all ihre Fähigkeiten einbringen

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wollte, und eines Tages wurde der Traum wahr. Als beste Schülerin ihres Jahrganges wurde sie zusammen mit sechs weiteren Schülern nach Geislingen an der Steige auf einen Besuch bei deren Gastlehrer eingeladen. Den Augenblick, als sie davon erfahren hatte, wird sie niemals vergessen. Sie konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Geld für die Busfahrkarte hatte sie nicht. In der Regel dauerte ihr täglicher Schulweg 50 Minuten. An diesem Tag aber rannte sie und war nach einer halben Stunde bei ihrer Mutter, um ihr von dieser einmalige Chance zu berichten. »Du machst mich so glücklich«, sagte ihre Mutter. »Bis zu den Sommerferien werde ich das Geld für das Flugticket zusammengespart haben.« Wie sie später erfuhr, hatte ihre Mutter ihren einzigen Ring und ihren Mantel dafür verkauft. Damit hatte sie ihr den Weg nach Deutschland eröffnet. Die Nachricht verbreitete sich in ihrer Schule schneller, als sie gewollt hatte. Im Leben trifft man auch auf Neider. Meistens sind es Menschen, die nicht zu den Leistungsfähigen gehören. Eine solche Reise ist jedoch so verlockend, dass es fast jedermanns Traum war. Sie erfuhr von ihrem Glück zu Ostern 1994 und war von dem Gedanken so beflügelt, dass sich die Zeit danach nur noch um diese Reise drehte. Anfangs konnte sie es kaum fassen, danach bekam sie Angst vor dieser fremden Welt. Sie würde das erste Mal in einem Flugzeug sitzen – welch ein Erlebnis! Und sie wäre das erste Mal alleine ohne ihre Familie in einem fremden Land. Über Deutschland hatte sie viel gelesen und auch im Sprachunterricht gehört. Hier sollte es alles für jeden zu kaufen geben, all das, was sich in ihrem Heimat-

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land sonst nur die ehemaligen Parteibonzen leisten konnten. Dies konnte sie zunächst nicht glauben. Von einem großen Bundeskanzler, der auch bei der Öffnung von Osteuropa mitgewirkt hatte, hatte sie schon gehört. Dies war der erste deutsche Politiker, den sie im Sprachunterricht vorgestellt bekam. Von Politikern hatte sie bisher gar nichts gehalten, denn sie kannte ja nur die korrupten und erpresserischen Strukturen des Kommunismus. Aber in Deutschland war dies sicherlich ganz anders, denn ihre Oma hatte ihr ja von dieser blühenden Demokratie erzählt. Dort würde es Menschen geben, die sich für andere engagieren. Deutschland wäre ein Land, wo Politiker die Interessen der Bürger ernst nehmen und für ihre Wähler da sind. Überhaupt, freie Wahlen, das war schon ein kleines Wunder für sie. In diesem politischen System wollte sie mitwirken und Gutes für andere Menschen tun. Wie dies umzusetzen sein wird, darüber wollte sie sich später konkrete Gedanken machen. Jetzt ging es erst mal auf große Reise in ihr gelobtes Land. Angekommen in Geislingen an der Steige erblickte sie ein großes Kreuz auf dem Berg hinter dem Haus ihres Gastlehrers. Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, war die traurige Nachricht, dass ihr Gastlehrer in Trennung lebte und sehr lange seine Söhne nicht gesehen hatte. Von dem Riesengarten mit Teich und dem gemütlichen Haus war sie begeistert. Sie konnte sich überhaupt nicht vorstellen, wie es ihr Gastlehrer in einer Zweizimmer-Wohnung im Hochhaus an der Hauptstraße in ihrer Heimatstadt im Süden von Bulgarien ausgehalten hatte. Da gehört viel Mut und Aus-

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dauer zu, sich einem solch schweren Wechsel zu unterziehen, dachte sie. Für sie war es ein echtes Sommermärchen. Sie durften mit Fahrrädern die Umgebung erkunden. Trotz ihrer Religion ging sie oft zu dem Kreuz auf dem Berg und schaute sich die kleine Stadt von ganz oben an. Das Gefühl war so unbeschreiblich, dass sie sich ganz besonders fühlte. Ihr Gastlehrer hatte auch den Besuch bei WMF in Geislingen organisiert. Es war ein unglaubliches Werk, das Haushaltswaren höchster Qualität herstellte. Bei dem schnell rostig werdenden Besteck in ihrer Heimat stellten die gezeigten Waren einen enormen Fortschritt dar. Auch heute noch glaubt sie, dass nur mit Innovation und viel Fachwissen diese Produktionserfolge erzielt werden können. Sie durfte eine nette Dame besuchen. Sie war für ihre Hilfsbereitschaft und Gastfreundlichkeit sehr dankbar. In den folgenden Jahren hat sie mit Annemarie eine Briefkorrespondenz geführt, die ihr half, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Später, nach diesem Aufenthalt, hat sie immer darauf hin gearbeitet, wieder in dieses Wunderland zu kommen. Hat es sich gelohnt? Nun ja, es wäre viel zu einfach, an dieser Stelle eine Antwort darauf zu geben. Vielleicht findet jeder Mensch seine eigene Antwort auf diese Frage.

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KAPITEL 2

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er Abend näherte sich dem Ende. Nach der glühenden Hitze dieses Sommertages kühlte die Erde langsam wieder aus. Sie schaute in die Ferne und ihr Blick blieb leer. Was konnte sie hier in ihrer Heimat noch halten? Aber was würde das langersehnte Deutschland mit sich bringen? Fragen, deren Antworten sie nicht kannte, aber sie war fest entschlossen, den Weg nach Deutschland zu gehen. Am nächsten Tag packte sie die wichtigsten Sachen und ein Paar Fotos aus guten Zeiten. In dem kleinen Koffer waren jetzt sechsundzwanzig Jahre Leben und das Wichtigste: ein Arbeitsvertrag für Deutschland. Konsequent hatte sie ihr Ziel verfolgt, zahlreiche Bewerbungen an Firmen in Deutschland geschrieben. Ihre Sprachkenntnisse halfen ihr, schnell eine Stelle als Übersetzerin und Dolmetscherin zu finden. Nun machten sich ihre Mühen in der Schule bezahlt und auch die Kenntnisse von drei Fremdsprachen waren in Deutschland gefragt, insbesondere da Firmen so allmählich den Kontakt zu Osteuropa und Russland suchten, um eben dort auch Geschäfte zu machen. Hier konnte sie ihre Fähigkeiten sehr gut einsetzen und sie war seit langer Zeit mal wieder richtig glücklich. Auf diesen Tag hat sie so lange gewartet. Freude durchströmte ihren Körper. Die Leere fing an, sich mit neuer Zuversicht zu füllen.

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Es war der 1. Mai. Der alte Bus fuhr sie um 6 Uhr in die Hauptstadt. Sie öffnete ihr Tagebuch und schlug ein ganz neues Kapitel auf. Ein Kapitel voller Hoffnung, Zuversicht und Freude. Das monatelange Warten auf das Visum zu Arbeitszwecken hatte an ihren Nerven gezerrt. Sie schlief ein. Am Nachmittag erreichte sie die Hauptstadt. Der anschließende Flug nach Deutschland würde viel kürzer sein als die Fahrt von der kleinen Stadt an der südlichsten Grenze bis zur Hauptstadt. Im Flieger hatte sie schnell Kontakte geknüpft und mit Interesse die Ziele der Passagiere erfahren. Über ihre eigenen hatte sie sich keine Gedanken gemacht. Auf der Suche nach dem Glück hatte sie sich zu diesem Schritt entschieden. »Die Zeit wird es dir zeigen«, hatte ihre Großmutter gesagt und ihr geraten, immer an das Gute im Menschen zu glauben. Angekommen in der großen Stadt in Ostwestfalen staunte sie über das schöne Unbekannte. Am nächsten Tag schon sollte sie in ihrem neuen Job anfangen. Die Chefin, eine gebürtige Deutsche, die viel Wert auf Pünktlichkeit und Ordnung legte, kam sie persönlich begrüßen. Es war eher ein Begutachten, schließlich hatten sie nur telefoniert und kannten sich ausschließlich von Fotos. Trotz der selbst genähten Bekleidung kam sie gut an. Ihrem Strahlen konnte sich keiner entziehen. Es sollte den Dank für die angebotene Arbeit ausdrücken. An diesem Tag hatte sie nicht einmal Heimweh gespürt. Sie stürzte sich in die Arbeit, damit sie beweisen konnte, dass sie gut ist. Und diese Arbeit machte ihr Spaß, weil sie mit vielen Menschen zu tun hatte. Der Büroalltag pendelte sich ein. An den Wochenenden

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